Sir John Retcliffe
Nena Sahib
Sir John Retcliffe

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Die indische Universität.

In der Cleveland-Street zu London steht ein Haus, gegen die englische Gewohnheit ziemlich geräumig und etwas von der Straßenfront zurückgebaut, so daß hierdurch eine kurze Auffahrt gewonnen worden, die nach der Straße zu ein eisernes Gitter abschließt.

Der Ein- und Ausgang dieses Gitters stand an dem Vormittag, an dem unsere Erzählung beginnt – am 20. Juni 1851 – geöffnet und ebenso die Haustür, an deren Pfosten ein Diener von trägem, anmaßendem Aussehen lehnte, nur hin und wieder ein Wort mit einem jungen Mann von schlauem, aber bleichem Antlitz redend, das alle Spuren dürftig nährender und angestrengter Arbeit an den Aktentischen trug. Der junge Mensch, etwa 19 Jahre alt und in einer abgeschabten, aber reinlichen Kleidung steckend, hatte einen Sack mit Papieren in der Hand, der ihn für jeden mit englischen Sitten Bekannten als einen Advokatenschreiber bezeichnet hätte.

Der Bediente blickte eifrig die Straße hinauf, als erwarte er die Ankunft einer oder der anderen Person, und ließ zuweilen ein Goddam! zwischen den Zähnen hören.

»Ist es wahr,« bemerkte der Schreiber schüchtern, »daß der Nabob, Ihr Herr, so gefährlich erkrankt ist, daß man keine Hoffnung für seine Genesung mehr hegt?«

»Es muß jeder einmal sterben,« erwiderte sein Gesellschafter gleichgültig, indem er fortfuhr, die Straße hinaufzustarren.

»Man sagt, er sei ein Mann noch in seinen besten Jahren,« fuhr der andere fort. »Es muß schlimm sein zu sterben, wenn man so reich ist, wie es von Sir David Dyce heißt!«

Ein »Hm!« war die bloße Antwort.

»Wie alt mag der Nabob doch jetzt sein!« wiederholte der junge Mann seine Frage.

»Er ist dreiundvierzig Jahre. – Warum nennen Sie Sir David den Nabob?«

»Ei, mein Gott, ist er es denn nicht? Das Bureau meines Herrn befindet sich zwar nicht in dieser Stadtgegend, und es ist das erste Mal, daß wir einen Akt für ihn vollziehen; indes wer hätte in ganz London nicht von Sir David Ochterlony Dyce Sombre sprechen hören und von seinen unglücklichen Schicksalen, wie von seinen großen indischen Reichtümern. Sind Sie schon lange in seinem Dienst, wenn ich fragen darf?« fügte der Schreiber hinzu.

»Sie scheinen sehr neugierig, Master so und so,« erwiderte ärgerlich der Diener. »Wenn Sie so genau mit dem Stadtgeklatsch vertraut sind, statt sich um Ihre Schreibereien zu kümmern, so werden Sie auch wissen, daß Sir David erst seit drei Jahren sich wieder in England befindet.«

»Es ist wahr, ich erinnere mich, in einem Blatte gelesen zu haben, daß er nach seiner Flucht aus Bedlam vier Jahre lang durch ganz Europa gereist ist, um sich von allen berühmten Ärzten untersuchen und sich Zeugnisse seiner geistigen Gesundheit geben zu lassen. Darf ich Sie wohl noch fragen, ob Lady Marie wieder mit ihrem Gatten ausgesöhnt und bei ihm ist? So schön Ihr Haus auch scheint, so muß ich Ihnen gestehen, hätte ich mir doch ein weit prächtigeres Bild von dem Haushalt eines indischen Nabobs gemacht.«

Die Neugierde des kleinen Schreibers schien seinen Gefährten eben zu einem Ausbruch heftigen Unwillens gereizt zu haben, und dieser wandte sich ärgerlich gegen ihn, als das Hinzukommen einer dritten Person aus dem Innern des Hauses den Zorn des Bedienten von dem jungen Menschen ab und zugleich alle Neugier des letzteren auf sich wandte.

Der Hinzutretende war ein großer, fünfzig Jahre zählender Mann, dessen dunkle Bronzefarbe sofort seine indische Heimat verriet, auch wenn es die Kleidung nicht getan.

Ein grauer dichter Bart bedeckte Wangen, Kinn und Oberlippe des Indiers, wohl eine Handlänge auf die Brust herabhängend, so daß kaum die dünnen Lippen des Mundes sichtbar blieben. Er gehörte offenbar einem der kriegerischeren Völker, wahrscheinlich dem Maharattenstamm an, und sein Gesicht, an und für sich schon finster und streng, zeigte in diesem Augenblicke noch den Ausdruck des Kummers und Schmerzes.

Der Indier war mit leichten, unhörbaren Schritten die teppichbelegte Treppe herabgekommen, so daß er ganz unerwartet zwischen den beiden stand. Sein dunkles Auge wandte sich zuerst suchend rechts und links und dann auf den Bedienten.

»Wo ist der Ferash John, dein Gefährte?« fragte er in leicht gebrochenem Englisch. »Du weißt, daß Radschah David streng befohlen hat, daß keiner seiner Diener heute das Haus verlassen soll.«

Der träge Schlingel schien einigermaßen verwirrt, antwortete aber dann: »Was weiß ich, ich habe John nichts zu befehlen, er ist vielleicht nach dem Square gegangen, um zu sehen, wo der Doktor bleibt.«

Der Indier sah ihn scharf und drohend an. »Hüte dich!« sagte er ernst, »du weißt, daß Tukallah wachsam ist. Wenn der Arzt kommt, so benachrichtige mich. Ist dieser Dschuckarah der Ferash des Mirza, der bei dem Sahib ist?«

Er hatte sich mit der letzten Frage nach dem kleinen Schreiber gewandt, der ihn mit offenem Munde anstarrte, ohne die ihm fremden Ausdrücke zu verstehen.

»Ich meine, ob du der Diener des Mannes bist, der für das Gesetz schreibt?«

Der junge Mensch begriff. »Wenn Ihr fragt, Sir, ob ich der Sekretär des gelehrten Doktor Duncombe, Notar und Anwalt am Hohen Kanzleihofe, bin, so ist es richtig. Mein Name ist Tom Malwinkle, und ich habe die Ehre...«

Der Indier unterbrach ihn mit einer Handbewegung und sagte: »Komm!«

Er schritt dem jungen Mann voran, ihm bedeutend, so wenig Geräusch als möglich zu machen.

James, der Diener, blieb allein am Eingang der Tür zurück, verdrossen vor sich hinmurmelnd: »Ich wollte, ich könnte dem gelben Hunde einmal geigen, was ein geborener Engländer einem solchen ungläubigen Schuft gegenüber zu bedeuten hat. Aber Geduld, ich meine, es hat bald ausgespielt. Wenn nur John zurückkommt, der Doktor hat mir's auf die Seele gebunden, ihm Nachricht zu geben, wenn sich etwas Ungewöhnliches ereignet, und der Besuch des Advokaten ... ah, da ist er selbst.«

Ein Kabriolett rollte über den Square daher und hielt vor dem Gitter. Ein stattlich aussehender Herr stieg heraus.

»Nichts neues, James? Wie geht es deinem Herrn? – ich war verhindert, ihn gestern nachmittag zu besuchen.«

»O Sir,« sagte der Diener – »Sie haben also meinen Brief durch die Penny-Post nicht erhalten?«

»Welchen Brief? – ich mußte heute morgen zeitig zu Lady Windham, um zum erstenmal einen Versuch mit Chloroform bei ihrer Entbindung zu machen. Geschwind, ist etwas Wichtiges vorgefallen? Warum kamst du nicht selbst?«

»Es war unmöglich, Sir. Dieser gelbe Teufel scheint Mißtrauen gegen uns gefaßt zu haben und beobachtet unsere Gänge. Das Befinden Sir David Dyces war unverändert, und er fragte nur mehrmals, ob keine Briefe vom Kapitän Ochterlony aus Dublin angekommen wären. Gegen abend aber erschien ein Besuch, der sich nicht abweisen ließ: da der Indier gerade dazu kam, so gelangte er bis ins Krankenzimmer und blieb wohl zwei Stunden lang bei dem Herrn. Nachher war dieser sichtlich aufgeregt, verbot aber, Sie zu beunruhigen.«

»Wer war der Besuch? Doch nicht Mistreß Troup oder ihr Mann?«

»Nein, Sir, – es war ein Fremder, ein Ausländer, den ich noch nicht gesehen. Ein junger Mann noch; hier ist seine Karte, die ich wegstibitzt. Der Herr schien ihn erwartet und große Freude zu haben, ihn zu sehen.«

Der Doktor nahm die Karte und las:

Friedrich Walding,

Doktor der Medizin und Naturwissenschaften.

»Ein deutscher Gelehrter, offenbar eine Bekanntschaft von den letzten Reisen auf dem Kontinent. Ist das alles, James?«

»Nein, Sir! das Wichtigste kommt noch. Heute morgen ist der Fremde wiedergekommen und hat einen Notar von Doktor Commons mitgebracht, Master Duncombe, ich erfuhr es von dem Schreiber, den sie eben hinaufgeholt. Der Notar befindet sich seit länger als einer Stunde oben.«

Eine grobe Verwünschung entfuhr dem Munde des Doktors. »Alle Teufel – das hat ganz das Ansehn eines bösen Streiches, und ich muß eilen, ihm vorzubeugen.« Er warf rasch einige Zeilen auf ein Blatt seines Taschenbuchs, faltete dieses und gab es dem Diener. »Trage dies sogleich zu Lord St. Paul, James; er oder Lady Mary mögen es lesen. Du hast doch hoffentlich noch niemand von der Sache Nachricht gegeben?«

»Auf meine Ehre nicht, Sir! Sie bezahlen mich, und ich diene Ihnen allein. Aber ich darf nicht fort – John ist nicht zu Hause.«

»Ich sehe,« sagte Doktor Jennys unwillig, »die Baronin Savelli ist besser bedient als ich. Du bist ein herzlich einfältiger Schurke, Master James, und wenn du nicht irgendein Mittel findest, dies Billett binnen zehn Minuten in die Hände des Marquis St. Paul oder deiner rechtmäßigen Herrin zu bringen, so ziehe ich meine Hand von dir.«

Damit sprang er die Treppe hinauf, durchschritt einen kurzen Korridor, auf den Kokosmatten des Fußbodens sorgfältig alles Geräusch seiner Schritte unterdrückend, und schob vorsichtig den Teppich vor dem Eingang eines Vorzimmers zurück. Es war leer – die Tür dem Eingang gegenüber geschlossen – und der Doktor näherte sich ihr mit vorgebeugtem Haupt.

Wir müssen mit dem Leser zuvor in das Gemach treten, an dessen Tür der Arzt stehen geblieben.

Es war das Krankenzimmer des Sir David Ochterlony Dyce Sombre, den der kleine Advokatenschreiber den indischen Nabob genannt.

An der der Eingangstür gegenüberliegenden Wand stand ein niederes, von Musselinvorhängen umgebenes Bett, mit rotseidenen Decken, aus denen, den Kopf auf den Arm gestützt, der Kranke hervorsah. Sir David Dyce, 1808 in Sirdhana im oberen Indien geboren, war von mütterlicher Seite der Enkel des General Sombre, der sich mit einer Begum, der Witwe eines indischen Fürsten, die er vom Feuertode gerettet, verheiratet hatte, und von der er auch den Namen trug. Die Tochter des Generals und der Begum, Juliane, heiratete den Obersten Dyce, einen Muselmann, der Offizier in der Leibwache der Begum war; Sir David und angeblich zwei Töchter waren die Frucht dieser Ehe. – Tiefe Züge des Leidens lagen auf dem Antlitz des Nabobs, das ganz jene Sanftmut und Gutmütigkeit seiner Großmutter geerbt hatte, welche die meisten Hindus ausgzeichnet. Die großen gazellenartigen Augen schienen durch die vollständige Abmagerung des Körpers noch erweitert, und nur aus der höheren und kräftiger nach europäischem Typus gewölbten Stirn ließ sich auf eine verborgene Geisteskraft und Beharrlichkeit schließen.

Zu den Füßen seines Lagers stand, die Arme über die Brust gekreuzt, unbeweglich Tukallah, während an der Seite des Kranken ein Mann von etwa 28 bis 30 Jahren saß, das ernste, ausdrucksvolle Gesicht von einem kurzen runden Bart umschattet.

Am Tisch saß ein älterer Herr und schrieb. Es war der Notar Duncombe.

Master Duncombe schloß eben das Schriftstück und wandte sich zu diesem. »Erlauben Sie mir, einige Fragen an Sie zu richten, Sir David,« sagte er. »Ich darf Ihnen nicht verhehlen, daß unser Geschäft seine Schwierigkeiten hat und der glückliche Ausgang ganz von unserer Vorsicht in diesem Augenblick abhängt. Unsere Gesetze lassen in Beziehung auf die Testamentsniedersetzungen leider der juristischen Kasuistik vollen Spielraum. Es ist schlimm genug, daß es damals nicht gelungen ist, bei dem Kanzleihof die Akten zu kassieren, welche die Disposition über Ihr Vermögen Ihnen entzogen.«

»Man begnügte sich, mein Recht, frei zu sein, anzuerkennen,« sagte der Kranke bitter, »weil man die Freiheit mir nicht mehr nehmen konnte. An schmachvollen Anträgen an die französische Regierung, mich auszuliefern, um nach Bedlam zurückgebracht zu werden, hat es die britische Gesandtschaft in Paris nicht fehlen lassen. Aber wenn England zu seinen Bergen von Schmach und Unterdrückung gegen mein Volk auch noch die auf sich lud, zum Vorteil eines liederlichen Weibes und ihres intriganten Vaters – weil sie zum bevorzugten Stande des Landes gehörten – den Mann, der die Entehrung seines Namens, die Vergeudung seines Vermögens nicht dulden wollte, zum Wahnsinnigen zu stempeln und ihn seiner Habe zu berauben – so hatte Frankreich Ehre genug, den Fremdling zu schützen und sein Leben wenigstens zu retten.«

Er sank erschöpft in die Kissen zurück, der deutsche Arzt an seiner Seite suchte ihn zu beruhigen und reichte ihm einen Trank.

»Ich bitte Sie, Sir David, sich nicht aufzuregen,« fuhr der Advokat fort – »Sie haben dadurch schon früher Ihren Gegnern Waffen in die Hände gegeben, und es ist jetzt nur unsere Aufgabe, das Geschehene so viel als möglich zu redressieren und Ihren Absichten wenigstens zum Teil Geltung zu verschaffen. Das Vermögen der Generalin Sombre, Ihrer Großmutter, ist auf Sie rechtlich übergegangen?«

»Das Testament liegt bei den Behörden in Kalkutta. Meine Großmutter hinterließ meiner Schwester Anna Mary ein Legat von 8000 Pfund Sterling und ein gleiches von 5000 Pfund der Baronin Savelli.«

»Ihre zweite Schwester?«

»Nein, Herr – sie ist nur die Tochter meines Vaters, nicht meiner Mutter. Die Oberstin Dyce beteuerte es mir auf ihrem Sterbebett, obschon die Begum, meine Großmutter, uns alle drei adoptierte. Das ganze andere Vermögen fiel mir zu. Ich war im Besitz von sechsmalhunderttausend Pfund außer dem, was ich in Indien an Gütern und Juwelen zurückließ, als ich im Jahre 1838 in dieses Land kam und nach zwei Jahren so töricht war, in die Schlingen eines herzlosen Weibes zu fallen.«

»Sie setzten in Ihrem Ehekontrakt Ihre Gattin zu Ihrer Erbin ein, wie sie behauptet?«

»Das tat ich nicht, Herr. Ich verpflichtete mich, für 130 000 Pfund Grundstücke in England zu kaufen, von denen meine Witwe den lebenslänglichen Nießbrauch haben sollte. Ich erstand sie in Irland. Als ich im Jahre 1849 vor drei ärztlichen Zeugen hier in London mein Testament machte, bestimmte ich, daß, außer den Legaten für meine Diener, meine Schwester, Mrs. Troup, 20 000 Rupien erhalten, der Überrest meines hiesigen Vermögens aber, mit dem Grundbesitz in Indien, nach dem Willen meiner Großmutter, zur Stiftung einer Universität in Indien verwendet werden sollte.«

»Wer waren die Herren, die damals Ihre Testierung als Zeugen unterzeichneten?«

»Doktor Jennys, mein Hausarzt, mit seinen Kollegen Freson und Witchdaller vom Kings-Kolleg, sowie mein Freund, der Kapitän Ochterlony, den ich zum Testamentsvollstrecker ernannt hatte.«

»Die Unterschrift des Doktor Jennys würde uns auch jetzt von großem Vorteil, ja unbedingt nötig sein,« sagte der Advokat. »Ich hoffte ihn hier zu treffen.«

»Er kommt jeden Vormittag. Sieh zu, Tukallah, ob der Doktor schon nachgefragt.«

Der indische Diener wandte sich zur Tür.

»Versteht der Mann Englisch?«

»Vollkommen, Sir.«

»Dann will ich Sie bitten, meinen Schreiber, den ich an der Tür zurückgelassen, mit heraufzubringen. Das Gesetz schreibt zwei Zeugen vor.«

Während der Abwesenheit des Dieners setzte der Advokat seine Arbeit fort. Im Verlaufe des nachfolgenden Gesprächs kehrte der Indier mit dem Schreiber zurück, der auf einen Wink seines Herrn an der Türe Platz nahm.

»Ich kann Ihnen nur sagen, Sir David,« nahm der Notar wieder das Wort, »daß die Angelegenheit ihre großen Schwierigkeiten hat. Ihre Gegner sind gewandt und zahlreich, der Hauptnachteil bleibt der Umstand, daß die Dispositionsentziehung über Ihr Vermögen nicht wieder aufgehoben wurde. Ein Prozeß wird jedenfalls die Folge sein.«

»Verdammnis über die Gesetze, die zu solchem Raube helfen!«

»Ruhig, Herr – wir bessern damit nichts. Was geschehen kann auf dem Wege des Rechts, Ihren Verwandten die Beute zu entreißen, soll geschehen, doch – ich wiederhole es – das Schicksal Ihres Vermögens in England ist sehr zweifelhaft, umsomehr, als – –«

»Sprechen Sie aus, – es muß sowohl im Interesse der Regierung als auch der Ostindischen Kompagnie liegen, daß mein und meiner Großmutter Wille vollzogen wird!«

»Das, Sir, ist es eben, was ich gleichfalls bezweifle. Ich glaube nicht, daß die Herren in Leadenhall so sehr wünschen, durch eine Universität, sei sie auch so herzlich schlecht wie die unseren, die Aufklärung Ihrer Landsleute zu befördern.«

»Aber Ihr Vaterland, Sir, England,« sagte der deutsche Arzt, »nennt sich die Nation der Freiheit und Aufklärung, sie vertritt die Rechte der unterdrückten Völker, sie trägt die Zivilisation bis an die Enden des Erdballs – –«

Der alte Advokat lächelte vor sich hin. »Waren Sie je in einer unserer Kolonien, Sir?«

»Nein!«

»Und wie lange sind Sie in England?«

»Seit drei Tagen. Ich lebte seit dem Jahre 1849 in Paris.«

»So erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß wenn Sie erst länger in diesem gesegneten Lande sich befunden haben werden und wirklich das Testament Ihres Freundes in Indien vollstrecken helfen sollten, Sie bald eine andere Ansicht bekommen werden. Indes, dergleichen Meinungen gehören jetzt nicht hierher. Hier ist zunächst das Dokument, wodurch Sir David Dyce die Gültigkeit der in seinem Testament über sein Vermögen in England getroffenen Verfügungen nochmals und im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte anerkennt, und außer dem Kapitän Ochterlony auch den hier gegenwärtigen Herrn, Doktor Walding, zu seinem Testamentsvollstrecker ernennt.«

Er verlas das Dokument, das der Kranke unterzeichnete.

»Das Zweite ist die Übertragung des sämtlichen Grundbesitzes des Sir David Ochterlony Dyce Sombre in Indien, sowohl im Gebiet der Kompagnie, wie in den Schutzländern, an seinen Verwandten, Nena Sahib, den Vetter und Adoptivsohn des Peischwa Bazie Rû, lebend zu Bithur in Audh, mit der Bedingung, dem Kapitän Ochterlony und dem Doktor Walding jährlich zehntausend Rupien zur Betreibung des Prozesses in England zu zahlen, und ihnen die in einem von dem Erblasser eigenhändig gefertigten und an benannten Nena Sahib adressierten Schreiben aufgeführten Kostbarkeiten und Dokumente auszuhändigen. Diese Verfügung über das Vermögen in Indien ist vor dem Notar Dubois in Paris, in Gegenwart der nötigen Zeugen, bereits am 10. August 1850 ausgefertigt, und soll gleichfalls hier bloß nochmals anerkannt werden.«

Sir David hatte sich in dem Bett emporgerichtet und zog aus den Kissen ein versiegeltes Papier hervor. »Dies ist das in dem Dokument erwähnte Schreiben. Ich bitte Sie, auf dem Kuvert durch einen Vermerk und die Beidrückung Ihres Siegels meine Unterschrift anzuerkennen, ehe ich darüber verfüge.« – – –

Doktor Jennys, das Ohr an die Tür im Vorgemach geneigt, hatte deutlich diese Worte gehört. Er konnte aus der darauffolgenden Pause entnehmen, daß der Notar die Unterschrift legalisierte und hatte bei seiner angestrengten Aufmerksamkeit auf die Vorgange im Innern gänzlich überhört, wie zwei Personen in das Zimmer getreten waren.

Erst die Worte: »Ei – der gelehrte Doktor Jennys spielt den Horcher?« – schreckten ihn unangenehm empor.

Hinter ihm standen eine Dame und ein Herr.

»Meine schöne Verwandte,« sagte der alte Stutzer mit einem Faunenlächeln und gedämpfter Stimme, »wird ein bißchen Horchen unserm lieben Freunde nicht zum Vorwurf machen, wenn es uns beiden zustatten kommen dürfte.«

Die Lady machte eine ungeduldige Bewegung. »Der Herr da ist nicht mein Spion, sondern der Ihre,« sagte sie stolz, »wie ich es längst gedacht habe.«

Der Arzt winkte Schweigen und Vorsicht. »Wissen Sie, um was es sich handelt?«

»Irgendeine neue Verkehrtheit meines Bruders.«

»Er ist beschäftigt, sein Testament nochmals zu verifizieren.«

»Törichte Mühe,« sagte der Herr. »Lady Mary Jarving, seine Gemahlin, meine Tochter, ist durch den Heiratskontrakt gesichert.«

»Warum befinden sich Eure Herrlichkeit dann also hier?« fragte spöttisch die Dame.

»Keinen Zwist, Mylord« – bat der Doktor. »Sir David Dyce hat eine zweite Verfügung über sein Vermögen in Indien zu Paris getroffen, die demnach nicht unter unsere Gesetze fällt, und ist eben im Begriff, die Vollmacht zur Empfangnahme seiner Kostbarkeiten und gewisser, wahrscheinlich auch Ihrer Sache höchst gefährliche Dokumente auszustellen.«

»Wir müssen ihn daran hindern oder zum mindesten die Vollmacht unschädlich machen,« sagte die Lady entschlossen.

Indem sie so nahe dem Krankenzimmer standen, konnten alle drei deutlich hören, wie der Kranke sagte: »Hier ist es – bewahrt es wohl. Es vermag alle ihre Intrigen zuschanden zu machen!«

Die Lady faßte den Drücker der Tür und wollte sie aufstoßen.

Die Tür war von innen verschlossen.

Alle fühlten, daß diese Verzögerung von der größten Wichtigkeit sein konnte, und der Doktor klopfte, um jeder Unvorsichtigkeit der Dame zu begegnen, sofort dreimal leise an und sagte: »Ich bin es, Doktor Jennys, und bitte um Einlaß.«

Die Tür wurde auf einen Wink des Kranken augenblicklich von Tukallah geöffnet; als der Arzt und seine sehr unerwartete Begleitung jedoch in das Zimmer traten, ließ kein Zeichen entdecken, wer das wichtige Papier an sich genommen, und ob es sich unter denen befand, die der Notar eben in seine Mappe legte.

Der Hausarzt eilte sofort auf den Kranken zu. »Mein lieber Sir,« sagte er hastig, um jeder Frage zuvorzukommen, »Sie wissen doch, daß ich Ihnen jede Aufregung durch Geschäfte verboten habe.«

Der Indier antwortete ihm nicht. Seine Augen waren zornig auf die beiden gerichtet, die dem Arzt gefolgt waren, und die Gebärde, mit der er auf sie hinwies, war eine drohende Frage, warum jener sie mitgebracht.

»Ich traf den Marquis und die Frau Baronin leider schon an der Tür Ihres Hauses, bester Sir,« flüsterte der Doktor, »und es war unmöglich, sie zu hindern, hierher zu kommen. Aber ich beschwöre Sie, regen Sie sich nicht auf – es könnte die schlimmsten Folgen haben.«

Der Marquis St. Paul hatte sich dem Bett seines kranken Schwiegersohns genähert, gleich als lebten sie in den freundschaftlichsten Verhältnissen und als bestehe nicht der geringste Grund zu Haß und Feindschaft zwischen ihnen, während die Lady ohne weiteres zu dem Tisch trat und von dort mit festen, hochmütigen Blicken die Anwesenden maß.

»Mein teurer Sohn,« sprach heuchlerisch der Marquis, indem er des Kranken Hand zu fassen suchte, »warum ließen Sie uns nicht wissen, daß Ihr Zustand sich verschlimmert hat? Welche kleine Meinungsverschiedenheiten uns leider auch in der letzten Zeit entfremdet haben, Lady Mary, Ihre Gemahlin, würde gewiß mit Vergnügen ihrer Pflicht nachgekommen sein, hierher zu eilen und Sie zu pflegen.«

Der Kranke tat sich sichtlich Gewalt an, indem er sich wegwandte ohne zu antworten. »Master Duncombe,« sagte er mit fester Stimme, »hier ist Doktor Jennys, dessen Anwesenheit Sie zur Vervollständigung der Unterschriften wünschten. Er bescheinigte meinen gesunden Menschenverstand bei der Niederschreibung meines Testaments, den dieser Herr dort zu leugnen beliebte, und ich hoffe, er wird auch jetzt noch so wenig daran zweifeln, daß er ohne Anstand noch einmal seine Unterschrift uns leiht.«

Der Doktor sah ziemlich verlegen aus, während der Notar das erste Dokument wieder aus seiner Mappe nahm und auf den Tisch zur Unterschrift zurechtlegte. »Ich habe nie einen Augenblick gezweifelt, liebster Sir, sagte er endlich zögernd, »daß Sie in vollem Besitz Ihrer geistigen Kräfte sind, oder – wenn ja einmal ein Schatten diese getrübt haben sollte – sie längst wieder erlangt haben, aber ich bitte Sie nur zu bedenken, daß Sie körperlich krank und schwach sind – – –«

»Wollen Sie Ihren Namen als Zeuge unter das Dokument setzen oder nicht, Doktor,« fragte der Kranke kurz und ungeduldig.

»Ihr Patient,« sagte der deutsche Arzt, »hat dies Dokument in vollkommen gesundem geistigen Zustand vollzogen, Sir. Ich bin selbst Arzt und habe es mit gutem Gewissen bescheinigt.«

Doktor Jennys hatte zögernd die Feder genommen, seine Augen schienen bei dem Marquis und der Baronin Unterstützung zu suchen.

Die letztere trat entschlossen vor und wies mit strenger Gebärde den Zeugen zurück. »Ich verbiete Ihnen, irgend einem Akt meines unglücklichen Bruders Ihre Unterschrift zu leihen. Sie sehen, daß er zu krank ist, um für sich selbst handeln und denken zu können, und daß fremde Personen seine Schwäche mißbrauchen.«

»In der Tat,« fügte der Marquis hinzu – »auch ich muß im Namen meiner Tochter, der Lady Dyce, gegen jede Handlung protestieren, welche die Interessen seiner Familie gefährden könnte. Ich mache diesen Herrn darauf aufmerksam, daß das Gesetz ihm verbietet, die Handlungen von Personen zu unterstützen, die das Gericht für dispositionsunfähig erklärt hat.«

Der Notar trat auf den Marquis zu. »Sie sollten sich erinnern, Herr,« sagte er streng, »daß Sie über die Zulässigkeit gewisser Akte eine sehr verschiedene Meinung hegen. Die Verschreibung von zehntausend Pfund, für die Sie Lady Jane, Ihre erste Gemahlin, an den Grafen von Rougemont verkauften, war schwerlich sehr gesetzlich.«

Der Kranke brach in einen förmlichen Paroxismus von Wut aus, den die beiden Ärzte vergeblich zu beruhigen suchten.

»Bin ich ein Sklave in meinem eigenen Hause?« schrie er. »Kommt ihr hierher, mir zu trotzen und mich zu beschimpfen, nachdem eure Geldgier mein Leben gestohlen und ihr das Mark meiner Knochen vertrocknet habt mit euren verfluchten Listen und Ränken? – Will dieser Bastard meines Vaters und einer niedrig gebornen Sklavin sich erfrechen, das Erbe der Begum von Somroo anzutasten, die Barmherzigkeit an ihm geübt?«

Die Lady trat ihm zornig näher. »Lügner – elender Lügner! Würde die Begum mich dann anerkannt haben?«

»Du weißt, daß ich die Wahrheit rede, Georga, aber du hast den wilden Charakter unsers Vaters und warst immer unsre Feindin. Doch du haßtest mich offen, wie ein Mann, und ich vergebe dir um des Blutes willen, das in unser beider Adern rinnt. Aber Fluch dem Teufel dort an deiner Seite, mit dem du jetzt gemeinschaftliche Sache machst. Er hat mit tausendfach ärgeren Folterqualen meinen Geist gepeinigt, als womit seine gierigen Landsleute die Körper der unseren zerfleischen. Seine Lügen sind es, die mich zu den Wahnsinnigen gesperrt, die meiner Habe mich beraubt und den Fürstensohn Indiens vergeblich um sein Recht an den Pforten der englischen Gerichtshöfe betteln ließen! Und das alles, um sich und ein buhlerisches treuloses Weib zu bereichern. – –«

Der Marquis hob die Hände in die Höhe. »Guter Gott, sein Wahnsinn kehrt wieder, er verkennt die beste, edelste Frau!«

»Wahnsinnig? – ja wahnsinnig, als ich dies Land betrat,« brüllte der Indier, dem blutiger Schaum vor den Mund trat – »wahnsinnig, als ich deine Tochter heiratete! Verflucht sei dies Land, das Millionen friedlicher Menschen zu seinen Sklaven gemacht und mit dem Schutze der Menschenrechte prahlt! Verflucht sei die Nation, die das Christentum durch den Mund ihrer Missionare in alle Welt sendet und überall unter der Maske des Christentums ihre habgierigen Klauen ausstreckt – verflucht – verflucht –«

Er endete nicht – ein dunkler Blutstrom schoß plötzlich aus seinem Munde und überflutete das Bett. Mit einer zuckenden Bewegung der Hand nach dem Herzen sank der reiche Mann, der indische Nabob zurück – ein krampfhaftes Dehnen der Glieder – ein Rollen der Augen – – –

»Um Gottes willen, er stirbt,« rief der deutsche Arzt, »diese unerhörte Aufregung hat ihn getötet!«

Er faßte seinen Puls, er rieb seine Schläfe, während Doktor Jennys ihn Hirschhorngeist und andere belebende Mittel einatmen zu lassen versuchte – vergebens – das Leben war unwiederbringlich entflohen.

Der indische Diener warf sich an der Seite des Bettes nieder, leidenschaftliche Klagen und Verwünschungen in der heimatlichen Sprache strömten über seine Lippen, als er die kalte Hand des Gebieters daran drückte. Seine Augen, drohend und rachgierig unter den buschigen Brauen, verließen keinen Augenblick den Marquis und die Baronin.

Die letztere war mit finsterer Miene, die Falten über der schönen Nasenwurzel zusammengezogen, die Blicke auf den toten Bruder gerichtet, schweigend an dem Tisch stehen geblieben, an den ihre Hand sich krampfhaft anklammerte.

Derjenige, welcher sie hauptsächlich hervorgerufen, der Schwiegervater des unglücklichen Nabob, zeigte die volle, niedrige Heuchelei seines intriganten Charakters. Er lief von einem der Ärzte händeringend zum anderen, er flehte sie an, den Sterbenden zu retten und versprach goldene Berge.

Der deutsche Arzt wandte sich zu dem Marquis und der Dame. »Das geschehene Unglück,« sagte er ernst, »ist nicht mehr zu ändern, und welche Schuld Sie daran tragen, mögen Sie mit Ihrem Gewissen ausmachen. Jetzt erlauben Sie mir nur noch die Bitte, Sie um Ihre Entfernung von hier zu ersuchen und die Ruhe des Toten nicht weiter zu stören. Ich werde für alles Nötige sorgen.«

»Mit welchem Recht, Sir,« erwiderte Lady Savelli finster, »wagen Sie es, die Schwester aus dem Hause ihres Bruders zu weisen?«

»Ich werde unter keiner Bedingung dies Haus verlassen,« erklärte die Baronin kurz. »Es ist das Eigentum meines Bruders, und wir sind die natürlichen Erben.«

»Mylady werden doch vielleicht einen andern Entschluß fassen müssen,« unterbrach sie eine fremde sonore Stimme von dem Eingang her. »Der Fall ist vorgesehen, und Lady Georga wird nicht gegen den Willen des Eigentümers in einem fremden Hause verweilen wollen.«

Alle wandten sich nach der unerwarteten Unterbrechung.

»Ralph?«

»Kapitän Ochterlony!«

Der erste Ruf kam von den Lippen der Baronin, in dem zweiten vereinigten sich die Stimmen des Marquis und des englischen Arztes. '

Das Unterhausmitglied für Ballycastle im nördlichen Irland – die Grafschaft, die der Kapitän seit drei Jahren in den Reihen der Opposition vertrat – verließ langsam seine Stelle an der Tür, verbeugte sich gegen die Lady und trat zu dem Totenbett seines langjährigen Freundes und Schützlings.

Tiefe Trauer, ein aufrichtiger männlicher Schmerz prägten sich in jeder Linie seines schönen Gesichts aus, als er zu dem Lager schritt. »Armer Freund,« sagte er traurig, »meine Eile, dir noch einmal die Hand zu drücken vor deinem Scheiden in das Jenseits, war vergeblich. Du Sohn einer heißen Sonne hast in dem kalten, herzlosen Norden nur Leiden und Verfolgung gefunden. Mögest du nach dem Glauben deiner Väter in glücklicheren Wandlungen deinen Weg zum ewigen Licht fortsetzen. Dein Erbe und das Vermächtnis deines Lebens aber soll mir heilig sein.«

Der Marquis betrachtete ihn mit Blicken boshaften Hasses. »Wenn die Tirade,« sagte er mit Hohn, »die das Mitglied für Ballycastle uns soeben zum Besten gegeben, zur Einleitung einer Rede über die Grausamkeit der englischen Erbschaftsgesetze bestimmt ist, so wird sie gewiß nicht verfehlen, ihren Eindruck zu machen. Hier aber, in der Wohnung meines verstorbenen Schwiegersohnes, verbitten wir uns alle Einmischung.«

Der Kapitän sah ihn mit einem durchdringenden verächtlichen Blick an, ohne ihn für den Augenblick einer Antwort zu würdigen und wandte sich zu dem deutschen Arzt. »Sie sind Master Walding, wenn ich nach meinem Herzen und nach der Beschreibung unseres gemeinschaftlichen Freundes urteilen darf?«

»Ja, Sir.«

»So seien Sie mir willkommen – wir werden Freunde sein, schon um des Geschiedenen willen. Sein letzter Brief, der nur von Ihrer erwarteten Ankunft sprach und mich an sein Krankenlager rufen sollte, kam mir leider zu spät in die Hände. Ich sehe hier Mr. Ducombe, einen unserer geachtetsten Notare, wollen Sie mir deshalb kurz mitteilen, was geschehen ist?«

Die Gleichgültigkeit und Nichtachtung, mit der er die Anwesenheit der anderen Personen behandelte, war zu augenscheinlich, um mißverstanden zu werden. Die schöne Frau, trotzig in ihrer früheren Stellung verharrend, wechselte jeden Augenblick die Farbe vor innerer Aufregung. Selbst der Unbefangenste hätte erkennen müssen, daß der Anblick des Kapitäns einen Sturm von Leidenschaften in ihrem hochbewegten Busen hervorgerufen, und es wußte mehr als einer unter den Anwesenden, daß der Kapitän einst zu ihren Bewunderern gehört hatte und von ihr leidenschaftlich geliebt worden war.

Während der Marquis sich flüsternd mit Doktor Jennys beriet, hatten der deutsche Arzt und der Advokat dem Kapitän das Nötige mitgeteilt, und dieser wandte sich jetzt zu den Gegnern. »Das Testament meines verstorbenen Freundes vom Jahre 1849 ist durch Ihre Bemühungen, Mylord, ein so öffentliches Geheimnis geworden, daß ich seine Bestimmungen nicht näher zu erwähnen brauche. Sie wissen auch wahrscheinlich bereits, daß der Gatte Ihrer Tochter soeben vor seinem Tode eine zweite notarielle Anerkennung und Bestätigung dieses Testaments mit einem Kodizill hat aufnehmen lassen, wodurch er diesen Herrn hier als Vollstrecker seines letzten Willens mir zugesellt, und Mr. Ducombe hat Ihnen gesagt, daß der Gebrauch fordert, dies Dokument hier versiegelt für die Gerichtspersonen niederzulegen, da es nicht bei Lebzeiten des Erblassers mehr beim Kanzleigericht deponiert werden konnte. Dies Haus, diese Wohnung, dies Zimmer, jedes Möbel, was Sie hier sehen, gehört mir! Die Nachfrage bei dem nächsten Polizeibureau wird Sie von meinem Eigentumsrecht überzeugen. Ich bin bereit, in Ihrer Gegenwart dies Zimmer zu versiegeln, aber ich muß Sie zugleich auffordern, mein Recht zu achten und dann sofort dies Haus zu verlassen.«

»Sie unterstehen sich, mich hinauszuweisen?«

»Noch mehr, Mylord – ich werde Sie durch diesen Mann da,« er wies auf Tukallah, »hinauswerfen lassen, wenn Sie nicht gutwillig gehen.«

»Gut, Sir,« sagte knirschend der Lord, »ich weiche der Gewalt, aber Sie sollen von mir hören und diese Beleidigung mir bezahlen.«

Der Kapitän verbeugte sich spöttisch. Als er aufsah, stand die Baronin vor ihm – bleich – blitzenden Auges.

»Und Sie weisen mich gleichfalls fort – Sir – mich – die Schwester?«

»Mylady,« erwiderte der Irländer artig aber fest, »haben gehört, was das Gesetz erfordert. Mein Haus steht zu Ihrer Disposition, mit Ausnahme dieses Zimmers.«

Sie sah ihn mit flammenden Augen an, während ihre Hand sich auf seinen Arm legte und die zarten Finger wie Eisenfedern ihn drückten. »Ich muß Sie sprechen, Ralph – noch einmal! – heute noch!« zischte es kaum hörbar für ihn allein durch die zusammengepreßten Zähne.

»Sie tun mir Unrecht, Mylady,« sagte ruhig der Kapitän, – »aber Sie haben zu befehlen. Ich werde gehorchen.«

»Wohl, Sir! – Sie haben den Schlüssel noch?« Die Worte waren leise wie der Atem.

»Ich besitze ihn.«

»Sie sollen das weitere hören! – Kommen Sie, Mylord,« wandte sie sich laut zu dem Marquis, »dieser Herr dort wird auch ohne uns seine Siegel anlegen. Doktor Jennys möge unser Zeuge sein. Wir dürfen uns hier nicht weiteren Impertinenzen aussetzen.«

Auf einen Wink des Kapitäns verließen die Zurückgebliebenen sämtlich das Zimmer, nachdem sich der Advokat überzeugt hatte, daß die zweite Tür, die in ein Nebengemach führte, von innen durch einen starken Riegel verschlossen und das Portefeuille mit dem Testament auf dem Totenbett zurückgeblieben war. Die Tür wurde hierauf sorgfältig verschlossen, und der Notar legte zweimal sein Siegel an, dem Doktor Jennys auf Verlangen den Abdruck seines Siegelringes beifügte. Als dies geschehen, bat der Kapitän den Advokaten, die nötigen Anzeigen bei den Behörden auf das schleunigste zu machen, verbeugte sich vor dem verlegenen Doktor Jennys, indem er die kalte Bemerkung hinzufügte, daß ihm das Honorar zugesandt werden solle, seine Besuche aber in diesem Hause künftig überflüssig wären und nahm den Arm des Deutschen mit der Einladung, ihn nach seinem Zimmer zu begleiten.

Nur Tukallah und die Haushälterin blieben in dem Vorgemach zurück.

Die Baronin und der Marquis waren schweigend die Treppe hinuntergeschritten, und erst auf der Schwelle der Tür sagte die Dame entschlossen: »Wir sind nie Freunde gewesen, Mylord, und werden es wahrscheinlich auch nicht werden. Indes erfordert es die Notwendigkeit und unser Vorteil, daß wir gegenwärtig gemeinschaftlich handeln und uns verbünden. Wollen Sie mich in meinem Wagen eine kurze Strecke begleiten, so können wir uns über die Maßregeln verständigen, die jeder von uns zu übernehmen hat.«

»Ich stehe zu Befehl, Mylady,« versicherte der alte Intrigant. »Indes schlage ich vor, Doktor Jennys zu erwarten.«

»Es ist unnütz und gefährlich. Steigen Sie ein, Mylord.«

Der Marquis stieg in den Mietwagen, der die Baronin hergeführt und befahl seiner Equipage zu folgen.

»Lassen Sie uns offen miteinander reden, Mylord,« begann die Dame. »Sind Sie imstande, das erste Testament meines Bruders mit Erfolg zu bekämpfen und es kassieren zu lassen?«

Der Pair lächelte. »Glauben Sie denn, schöne Dame, daß wir die zwei Jahre unbenutzt haben verstreichen lassen? Das Gutachten der besten Rechtsgelehrten ist in unseren Händen – der Prozeß, wenn diese sogenannten Testamentsvollstrecker ihn wirklich erheben sollten, so gut wie gewonnen, indes –«

»Nun?«

»Lady Dyce, meine Tochter, muß sicher sein, daß ihr Anteil ihr nicht von den Forderungen der Geschwister geschmälert wird, wenn wir im Interesse dieser unsern Einfluß geltend machen sollen.«

»Hören Sie mich an, Mylord. Das Vermögen meines Bruders in Indien beläuft sich auf mindestens ebensoviel als das in England deponierte. Der Lady Mary ist bereits das Einkommen von 120 000 Pfund gesichert. Wenn wir mit Ihrer Hilfe – ich spreche im Namen meiner Schwester, die zu schwach ist, ihre eigenen Interessen zu sichern – das Testament umstoßen, wollen wir drei es gleichmäßig teilen. Eine halbe Million Pfund ist eine Sache, für die man etwas wagen muß. Kann die neue notarielle Bestätigung seines früheren Testaments die Entscheidung für uns verzögern oder verhindern?«

»Ich fürchte. Man hat die Zeit benutzt, neue ärztliche Gutachten zu sammeln. Dieser Teufel von Ochterlony wird nicht verfehlen, ein großes Geschrei zu erheben, wenn man ihm nicht auf irgendeine Weise den Hals brechen kann.«

»Es ist Ihre Sache, mit ihm fertig zu werden, Marquis. Doch das Kodizill darf uns nicht beunruhigen. Gefährlicher ist das zweite Dokument, von dem uns Doktor Jennys erzählte. Sahen Sie, ob es der Advokat an sich genommen, oder wem es mein Bruder ausgehändigt?«

»Leider nicht!«

»Ist dieser Mann, der Notar, einer Überredung oder Bestechung zugänglich?«

»Nein! Sein Ruf ist zu fest begründet.«

Die Baronin lächelte verächtlich. »Ein Advokat und ehrlich! – Doch das hält uns zu lange auf. Es ist möglich, daß es sich noch unter den Papieren befindet, die man im Sterbezimmer deponiert hat. Sie müssen unter jeder Bedingung in unsere Hände kommen oder vernichtet werden.«

Der Lord wurde bleich, der Gedanke war ihm bei all seiner Schlechtigkeit noch nicht gekommen. »Aber wie, Mylady?«

»Zwei Dinge sind notwendig, die ich Ihnen überlassen muß. Haben Sie den Schreiber des Notars bemerkt, der bei unserem Eintritt im Zimmer anwesend war?«

»Ich glaube mich seiner zu erinnern.«

»Sie müssen ihn auf jeden Fall ermitteln. Er kann uns Auskunft geben, wenn das Dokument über das indische Vermögen nicht in dem deponierten Portefeuille sich befindet, wer es an sich genommen. Ich hörte deutlich die Worte meines Bruders, wie er es an jemand gab.«

»Ich auch.«

»Sodann müssen Sie durch Ihre Verbindungen bewirken, daß das Kanzleigericht nicht eher als morgen mittag den Nachlaß Davids aufnimmt.«

»Es soll geschehen – nur glauben Sie mir, Kapitän Ochterlony wird sich stark genug halten, uns offen zu trotzen.«

»Wenn ich Ihnen weiter raten darf, Mylord,« fuhr die Dame fort, »so machen Sie noch heute Ihren Freunden im Direktorium der Ostindischen Compagnie Anzeige von dem Tode meines Bruders und seinen Plänen, und versichern Sie sich ihrer Unterstützung.«

»Glauben Sie mir, Mylady, die Kompagnie denkt nicht daran, eine Hochschule für ihre getreuen Untertanen aufkommen zu lassen.«

»Ich weiß es, und nun, Mylord, haben Sie die Güte, dem Kutscher zu sagen, daß er vor dem Hause des Herrn Hartmann Jonas dort unten halten soll.«

»Des Wucherers!«

Der Wagen hielt vor einem großen, im Parterre mit prächtigen Läden versehenen Hause, und der Marquis führte sie in den Hausflur bis an den Fuß der Treppe. »Wann seh' ich Mylady wieder?«

»Ich erwarte Sie morgen früh in meiner Wohnung in Mount-Street um elf Uhr. Ermitteln Sie heute noch etwas durch den Schreiber oder über unseren Gegner, so lassen Sie mich es sogleich durch einige Zeilen wissen.«

Der Lord versprach es und kehrte zu seinem Tilbury zurück, während die Dame in das zweite Stockwerk hinaufstieg. Sie gab in einem Vorzimmer dem dort befindlichen Lakaien den Auftrag, sie zu melden, mit dem Bemerken, daß sie Mr. Jonas nicht in Geschäfts-, sondern in Privat-Angelegenheiten zu sprechen wünsche, und ward sogleich in ein mit übertriebenem Luxus ausgestattetes Besuchzimmer eingeführt.

Der Eintretende begrüßte die schöne Indierin mit übertriebener Süßlichkeit. Er war ein Mann von etwa 45 - 48 Jahren, von kleiner, gedrungener Gestalt, mit hervortretendem Bauch, sehr elegant, aber mit jüdischer Nachlässigkeit gekleidet, im blauen Frack mit blanken Knöpfen.

Die Baronin achtete nicht auf sein Geplauder, sondern sagte rasch und bestimmt: »Ich habe einen Dienst von Ihnen zu verlangen, Hartmann, sind wir hier allein und unbelauscht?«

Der Jude sah sie mit einem Faunenlächeln an und wies nach seinem Kabinett. »Lassen Sie uns in mein Geheimes gehen. Wir sollen dort nicht gestört werden, und wenn ganz London mir machen wollte die Aufwartung.« Während er an der Türe seine Befehle gab, war die Lady in das Kabinett des Wucherers getreten.

Der Wucherer war im Augenblick wieder an ihrer Seite. »Womit kann ich dienen, schönste Freundin? Sie wissen, Sie können alles von mir verlangen, was ich tun kann. Brauchen Sie Geld? Es ist zwar rar in dem Augenblick, aber Sie gehen vor, die anderen können warten. Mylady werden mir die goldenen Zinsen bezahlen mit 'n wenig Nachsicht für die Gefühle meines Herzens.« Er versuchte frech den Arm um die üppig schönen Formen der Dame zu legen und sie auf die breite Chaiselongue neben seinem Bureau niederzuziehen, doch sie stieß ihn ziemlich heftig zurück, und ein bitterer Zug, wie von widerwilliger, verächtlicher Erinnerung, zog über ihr Gesicht. »Lassen Sie die Torheiten, Hartmann,« sagte sie, »ich bin heute am wenigsten aufgelegt zu Galanterien und komme vom Sterbebett meines Bruders.«

»Soll mich Gott verdammen, wenn ich nicht höre mit Vergnügen, daß er ist befreit von seinem Leiden. Lassen Sie mich Ihnen gratulieren zu der Erbschaft. Er hat sich gezeigt gegen Sie bei Lebzeiten als ein Achsor."

»Sie täuschen sich, Hartmann,« sagte die Lady höhnisch, »ich weiß jetzt ganz bestimmt, daß ich vollständig von meinem Bruder enterbt bin. Er hat sein Testament wiederholt.«

Das rohe, vergnügte Gesicht des Juden wurde plötzlich fahl, seine Züge lang, und ein böser, falscher Blick schoß auf die Dame. »Goddam – ich würde sein ausgekluftet! Machen Sie keinen Spaß. Mylady wissen, wie hoch sich beläuft Ihr Konto?«

»Mit oder ohne Zinsen, Hartmann?«

»Ich hab' Ihnen vorgestreckt bare fünftausend Pfund!«

»Bah – ich bin ja verheiratet! Sie können sich nötigenfalls an meinen Mann halten, den Baron Savelli!«

»Was tu ich mit dem Baron – er ist 'n Lump, 'n Flüchtling aus seinem Land, wo er hat verloren alles mit seiner schoflen Politik. Er ist 'n godler Bal-chof, 'n verschuldeter Mann, der sich rumtreibt mit seinesgleichen in den Schenken und schlechten Häusern. Sie wissen's besser als ich. Ich gäb' nicht fünf Pfund für 'nen Wechsel von ihm von hundert!«

»Ich nicht zehn Schillinge,« sagte die Dame gelassen.

»Fünftausend Pfund!« jammerte der Wucherer. »Es ist 'n teures Gefühl! Aber Mylady, ich weiß, Sie haben Juwelen. Sie haben große, reiche Freunde, es kostet Sie 'n Wort an Seine Herrlichkeit den Herzog von Devonport, und e»bezahlt mir mein Geld bis auf den Sixpence, und Sie haben wieder neuen Kredit bei mir und wir bleiben Freunde.«

»Pfui, Hartmann,« sagte die Lady, »das also sind Ihre Gefühle für mich, das ist der Dank, daß ich mich in meinen eigenen Augen verächtlich gemacht habe, daß Sie jetzt um Ihr schmutziges Geld besorgt sind? Seien Sie ruhig, Mann, Sie sollen es haben!«

Der Wucherer küßte zum zweitenmal umgewandelt ihre Hand und erschöpfte sich in Beteuerungen.

»Ich brauche Ihre Hilfe in einer andern Sache,« fuhr die Lady fort. »Ich habe nicht Zeit, lange Umschweife zu machen, und gehe daher auf mein Ziel geradenwegs los. Sie waren einst Spitzbube und Einbrecher, Hartmann?«

»Mylady! ...«. Das Gesicht des Mannes färbte sich dunkelrot.

»Keine unnütze Scham, Hartmann! Es haben viele« – in ihren Worten klang eine bittere, melancholische Erinnerung wieder – »mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen! Sie haben sich längst von dem gemeinen Schmutz Ihrer Jugend emanzipiert, aber man sagt, daß Sie für ihre eigenen Zwecke nicht ohne gewisse Verbindungen sind mit den Höhlen von Smiethfield. Können Sie mir die Adresse von einem Paar entschlossenen und geschickten Dieben und die Mittel geben, noch heute mit ihnen persönlich zu verhandeln?«

»Mylady – ich wiederhole Ihnen, Sie beleidigen mich, was denken Sie von mir?«

»Wollen Sie oder wollen Sie nicht? Ihre fünftausend Pfund stehen auf dem Spiel und – meine Dankbarkeit!«

Hartmann Jonas dachte einen Augenblick nach, seine Augen suchten mehrmals die der Dame, wie prüfend, ob sie ihm eine Falle stellen wolle, endlich sagte er: »Wenn ich nur mindestens wüßte, was Sie bezwecken, Mylady!«

»Das ich unnötig und würde gefährlich für Sie und mich sein. Ich wiederhole Ihnen, ich wünsche in irgendeiner Angelegenheit die Bekanntschaft von einem Paar gewandter und zuverlässiger Diebe zu machen, die bereit sind, gegen eine gute Belohnung einen vielleicht ein wenig gefährlichen Streich auszuführen.«

»Ich hab's, Mylady – Jack Slingsby, der schöne Jack, ist der Mann für Sie. Er ist ein halber Gentleman, jung und geschickt, und kein Schloß ist für ihn zu fest. Dabei hat er eine Faust wie von Eisen – wie man mir erzählt hat. Er hat Gefährten in der Chawrusse genug zu jedem Streich.«

»Aber wie kann ich mit ihm in Verbindung kommen? ich muß ihn selbst sprechen.«

»Das wird freilich schwer halten, Mylady, die Zeit ist kurz. Jack wird sich gut verborgen halten, und er ist der einzige Mensch, der Ihnen kann sagen, wo!«

»Können Sie den Mann nicht befragen?«

»Soll mir Gott, Mylady, lassen Sie mich heraus aus der Geschichte – ich könnte verlieren meinen ganzen Ruf. Sie werden doch haben 'n vertrauten Menschen, der Courage hat? Schicken Sie ihn hin zu dem Ort, den ich Ihnen beschreiben will, und lassen Sie fragen nach Jack. Es muß jedoch geschehen beizeiten, sonst ist der Vogel ausgeflogen. Aber ich sage Ihnen, es wird dazu gehören ein mutiges Herz.«

»Geben Sie mir die Adresse, Hartmann.« Sie nahm ihr Notizbuch, doch der Wucherer legte eilig die Hand darauf. »Nichts schreiben, Mylady, – das Geschriebene bleibt – wenn Sie wollen notieren, Goddam, ich sage keinen Buchstaben. Merken Sie wohl auf und schreiben Sie's in Ihr Gedächtnis, wo Sie's auslöschen, wenn's hat gedient.«

»Sprechen Sie.«

»Kennen Sie den Stadtteil zwischen White-Chapel, New-Road und Goodmans-Fields?«

»Wenig genug. Es ist die verrufenste Gegend.«

»Wenn man Goodmans-Fields passiert, rechts über die Lemon- Street und Church-Lane tut man kommen an Ellen-Street, von dort wendet man sich links, bis man zwei Gassen passiert hat. Die dritte ist ein Durchgang. Ein Kohlenmagazin ist daneben. Im Durchgang die erste Tür rechts ist das Wirtshaus zum »Blutigen Arm«. Einer von unseren Leuten hält es, Joël Löwenthal, der rote Joël genannt, der allein kann Ihnen Auskunft geben über Jack Slingsby.«

Die Lady ließ sich die Lokalbeschreibung nochmals genau wiederholen. »Aber wie kann mein Bote das Vertrauen des Mannes erlangen? Wird er ihm glauben, wenn er bloß sagt, daß er von Ihnen kommt?«

»Nein, Mylady,« sagte der Jude lächelnd, »der Mann, wenn er nicht ist sehr kühn und glücklich, würde schwerlich wieder zurückkommen über die Schwelle des Hauses. Was ich jetzt tu, tu ich für kein Geld und nur für Sie in der Hoffnung, daß Sie mir werden vergüten mein Vertrauen mit einer zärtlichen Stunde. Hier« – er stellte sich mit dem Rücken gegen die Lady, so daß diese sein Tun nicht sehen konnte, drückte an einer Feder seines Büros und nahm aus dem aufspringenden geheimen Fach einen Gegenstand – »hier ist 'n Geldstück, das der Mann muß zeigen dem Wirt Joël. Wenn er es hat gesehen, wird er ihm helfen zu allem, was er verlangt.«

Das Geldstück, das er der Lady reichte, war eine Krone vom Jahre 1789. Sie war an drei Stellen durchbohrt. Die Dame barg das Zeichen sorgfältig in ihrer Börse und reichte dem Wucherer die Hand.

»Ich danke Ihnen, Hartmann, und Ihr Vertrauen soll nicht unbelohnt bleiben. Jetzt leben Sie wohl, denn ich habe noch vieles zu tun.«

Der Wucherer sah ihr nach. »Ein schönes Weib, ein stolzes Weib, echt indisches Feuer! Es ist ein großes Gefühl, zu sein der Nebenbuhler von Herzögen und Grafen. Freilich, fünftausend Pfund ist ein schönes Geld. Aber ich möchte schwören auf den Taliss, ich werde nicht verlieren einen Sixpence, und wenn sie nicht kann bezahlen, werden's tun die Achuwims


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