Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel.
Frei

Otto war bei dem Rufe, dass die Braut im Nahen sei, von seinem Stuhle aufgesprungen, in der Absicht, sich ans offene Fenster zu stellen und sich so dem Auge der Mutter wenigstens zu zeigen; allein im nächsten Augenblicke schon versagten ihm die Füße, er musste sich an der Lehne des Stuhles aufrecht halten.

Wankend erreichte er endlich das Fenster und nahm hier eine solche Stellung ein, dass er alles, was im Schlosshofe vorging, sehen und hören konnte, ohne selber gesehen zu werden …

So zogen sie denn hin: die Eltern, der Freund, die Vertrauten seiner Mutter – zogen froh bewegt der Braut entgegen, während er, der Bräutigam, dessen Herz der Kommenden am feurigsten entgegenschlug – wie gefesselt, wie gerädert dastehen, zurückbleiben musste …

Desto lebendiger war indessen der Fremde geworden.

Er ging, seitdem er den jungen Mann in seine Vorschläge so ergeben sah, mit lebhaften Schritten im Zimmer auf und nieder, rieb die Hände dann und wann, wie eines glücklichen Gedankens froh, und schien sich um das, was im Schlosshofe vorging, wenig zu kümmern; nur dann und wann warf er im Vorübergehen einen flüchtigen Blick durchs Fenster oder blieb horchend im Hintergrunde des Zimmers stehen, als ob er entnehmen wollte, ob die Schlossbewohner drunten nicht bald, nicht endlich sich entfernen würden; und als nun dieses wirklich kaum geschehen war, trat er ohne Verzug ans Fender, beugte sich weit hinaus uns wehte mit dem Schnupftuche zum Zeichen, dass der Augenblick gekommen sei, wo sich die bewaffneten Reiter nähern sollten.

Die Reiter hatten das Zeichen gesehen und verstanden, brachen daher sofort aus dem Dunkel des Buchenwäldchens hervor und jagten die Nussbaumallee gegen das Schloss herauf; ein geschlossener Wagen folgte, auf dessen Hintersitz man den riesigen Schmied geladen hatte.

Bald darauf waren alle Ausgänge des Schlosses besetzt, Helme blinkten an den Toren, im Hofraume stampften Pferde, und Schwerter klirrten auf den Treppen. Der Offizier hatte zwei Reiter absitzen lassen und kam mit ihnen die große Treppe des Schlosses herauf, während der Fremde zu Otto hintrat und sagte:

»Seien Sie guten Mutes, mein Herr, ich wiederhole Ihnen, dass Sie nach Verlauf einer halben Stunde frei sein werden, wenn sich nichts Gravierendes findet.«

Otto erwiderte nichts, folgte aber dem Fremden nach seinem Zimmer, nahm unaufgefordert seine Schlüssel und öffnete Schänke, Schreibtisch, und was sonst noch verschlossen war; dann trat er hinweg, um ohne Störung, mit dem Gefühle bittersten Schmerzes geschehen zu lassen, dass man ein stilles Heiligtum mit ungeweihter Hand durchwühle.

Der Offizier stellte Wachen vor die Türe und ging betrachtend ab und zu, während der Fremde eine Weile hier und dort mit einem Stocke an die Wand klopfte, um zu untersuchen, ob nicht geheime Schränke zu entdecken seien; ohne etwas der Art zu entdecken, kam er jetzt zurück und sagte zu Otto:

»Ei – nicht doch, nicht doch, mein Herr; Sie sollen nicht bei Seite stehen, Sie sollen helfen, Ihre Papiere finden und prüfen; es in Ihrem eigenen Interesse, das Geschäft so zu erleichtern und zu beschleunigen.«

Otto trat nun hinzu und half zuerst den Schreibtisch durchsuchen.

Eine fliegende Röte belebte plötzlich seine Wangen, als er ein Päckchen Briefe hervorzog und sagte:

»Dürfen diese harmlosen Dokumente nicht bei Seite gelegt werden, mein Herr? Sie sehen, sie sind von Damenhand, es sind die Briefe meiner Mutter, die sie mir geschrieben, als ich noch auf der Universität war.«

Noch höher unddauernder errötete Otto, als er ein zweites, mit Rosaatlasbändchen umwickeltes Briefpaket hervorzog und sagte:

»Und dieses hier – mein Herr, enthält durchaus nur Briefe meiner Braut, welche sie mir im Laufe einiger Monate geschrieben hat; die Briefe enthalten, wie Sie denken können – Herzensangelegenheiten, welche für mich sehr viel, für den Staat so gut als nichts zu bedeuten haben.«

Der Fremde griff nach beiden Päckchen und legt sie ruhig zu den übrigen Papieren, indem er sagte:

»Gut, gut; ich bin von der Harmlosigkeit des Inhalts überzeugt, aber es ist meine Pflicht, mich jeder geschriebenen Zeile zu versichern. Übrigens haben Sie nichts zu besorgen; die Briefe werden vor kein unbefugtes Auge kommen – und – Was ist denn dieses hier?«

Otto erwiderte:

»Unschuldiger Aphorismus über Staat, Religion, Bestimmung der Menschen und allerlei Verhältnisse des Lebens. Sie wissen ja, mein Herr, wie ein junger Mann, der seine Philosophie und Jurisprudenz im Kopfe und in der Brust ein lebendiges Herz hat, in freien Stunden so manchen Einfall nicht eher los werden kann, bevor er ihn nicht schwarz auf weiß auf dem Papiere stehen hat. Indessen können Sie mir glauben, dass ich diesen Gedanken Maß und Form gegeben habe, wodurch sie jeden gefährlichen Charakter verlieren; auch sind sie für kein fremdes Auge bestimmt und strenge zwischen diesen vier Pfählen in Haft gehalten.«

»Nun, auch darin will ich mich auf Ihre Ansicht verlassen; legen Sie die Blätter zu den übrigen Papieren – sie sind in meinen Händen so gut aufgehoben als in dem Fache Ihres Schreibtisches; auch, dürfen Sie sich verlassen, werden sie in meinen Händen nicht gefährlicher werden als in den Ihrigen.«

Die weitere Durchsuchung des Schreibtisches, eines Schrankes und einer Büchersammlung wurde hierauf in ziemlich kurzer Zeit vollbracht, und es hatte sich ein umfangreiches Paket von geschriebenen und gedruckten Blättern, welche amtlich zu versiegeln und mitzunehmen waren, angesammelt.

Der Fremde sagte jetzt:

»Mein Herr! Soweit mich eine flüchtige Einsicht in den Charakter dieser vorliegenden Papiere belehrt hat, schein es in der Tat bloß ein unbegründeter Argwohn gewesen zu sein, welcher ein Verfahren gegen Sie veranlasst hat. Ich gestehe dieses umso lieber, als ich selber aufrichtig wünsche, dass ein bloßer Verdacht weder Ihre Freiheit noch Ihr Glück länger zu stören im Stande sein möge. Somit werde ich denn auch von meiner besonderen Instruktion unbedenklich Gebrauch machen und Sie – sogar ohne Kaution – für frei erklären, natürlich vorbehältlich jener Entscheidung, welche dem betreffenden Gerichte etwa noch belieben dürfte. Und also gratuliere ich Ihnen!«

Er ging nach diesen Worten aus dem Kabinette, sprach draußen im Saale einige Worte mit dem Offizier, welcher hierauf die Wache von der Türe zog und sich mit ihr über die große Treppe nach dem Schlosshofe entfernte.

In Ottos Kabinett zurückkehrend, sagte der Fremde mit chevalesker Heiterkeit:

»Nun, mein Herr? Bin ich Ihnen jetzt noch der tempelschänderische Barbar von vorhin? Ihr jungen Brauseköpfe! Ist Euch gleich alles Teufel oder Gott, Lump oder Engel, was Euch einen Augenblick wohl oder wehe tut? Ich bin denn doch überzeugt, dass Sie jetzt mit mir anstoßen würden, wenn ich Miene machen wollte, ein Glas mit Ihnen zu leeren!«

Otto hätte in der Tat nicht geglaubt, dass ihm dieser selbe Mann, der ihm beim ersten Blicke widerwärtig und nach der Art, wie er anfangs seine peinliche Sendung vollzog, sogar hassenswert erschienen war, noch in solchem Grade liebenswürdig und schätzbar werden könnte; er ging ihm lebhaft entgegen, fasst mit beiden Händen seine Hand und sagte mit Augen, die vom Feuer lebhafter Freude leuchteten:

»Ja, mein Herr, ich gestehen Ihnen gern, dass Sie mein Herz in hohem Grade zu Ihren Gunsten gewendet haben. Darum nehme ich Sie beim Wort – meine Braut wird es dankbar billigen, wenn ich solchen Grundes halber hier noch länger weile – trinken Sie mit mir ein Glas von diesem Weine, Sie haben Ihr Amt mit Streng begonnen, um es desto liebenswürdiger zu enden – im Namen meiner Familie und meiner Braut den herzlichsten, wärmsten Dank, mein Herr!«

Der Fremde wurde etwas ernster und sagte mit artiger Freundlichkeit:

»Genug, genug, mein Herr. Es war einen heitere Bemerkung und nicht meine Absicht, durch ein kleines Gelage meinen Aufenthalt zu verlängern; ohnehin haben wir – versteht sich pro forma – noch einige Augenblicke zu verkehren, damit es meiner militärischen Assistenz nicht scheine, meine Pflicht sei hier aus lauter Artigkeit nicht gründlich und ernst genug vollzogen worden.«

Otto wollte wenigstens Befehl geben, dass den Reitern etwas zur Erfrischung geboten werde; allein der Fremde hielt ihn zurück und sagte lächelnd:

»Die Herren werden ohnedies nicht blöde gewesen sein, lassen Sie uns ohne Störung noch eine Weile beisammen bleiben – und – lassen Sie uns – was schlage ich gleich vor? – Ihre Aphorismen ein wenig mitsammen durchblättern …

Otto, weit entfernt, dahinter eine Gefahr zu besorgen, hielt die Aufforderung des Fremde für nichts anderes als für eine Artigkeit, welche dem Talente der Autorschaft bewiesen werden sollte, er sagte daher mit dem Tone argloser Bescheidenheit:

»Sie werden mit solchen Stilproben Nachsicht haben, sie sind weder gefeilt noch im Schweiße des Angesichts geboren; es sind Naturkinder, die barfuß durch die Welt laufen würden, wenn ihnen die Freiheit dazu gegeben wäre.«

»Gut, gut«, sagte der Fremde und ließ sich in einen großen Lehnstuhl nieder, »wenn so sehr bescheiden nicht eitel sein soll, so haben Sie die Güte, mir ganz nach Belieben einige Stellen des Heftes zu lesen.«

Otto setzte sich etwas errötend neben den Fremden und las mit klarer, fester Stimme:

»Der Staat sei niemals Zweck für sich, sondern stets nur Mittel zum Zwecke. Der Staat kann seine Berechtigung des Daseins nur darauf gründen, dass er das beste Mittel sei, die Menschen frei und glücklich zu machen. Die Form eines Staates und die Art, wie sie gehandhabt werden soll, wird freilich für den jedesmaligen Bildungsstand eines Volkes eine andere sein, aber in dem Augenblicke, als ein Fortschritt des Volkes unleugbar ist, sollte der Staat selbst seine alte Form zerschlagen, um in einer neuen seinen Zweck umso besser zu erreichen; der Metallguss einer Kulturepoche ist da, der Künstler kann seine Form nicht weiter brauchen. Wie der Staat, so sei die Kirche nie Zweck für sich, sonder sei nur das beste Mittel, den Menschen in das wohltätigste und reinste Verhältnis zu Gott und in Folge dessen zu seiner eigenen Bestimmung zu setzen. Das wahre Mittel, den wahren Zweck zu erreichen, ist jederzeit für den Staat das vernünftige Recht und für die Kirche die Liebe …

»Nicht übel«, bemerkte der Fremde lächelnd, »aber was zu jeder Zeit jenes Recht und diese Liebe eigentlich seien, ist nur etwas schwierig auszufinden. Im Ganzen werden sich Staat und Kirche jederzeit etwas schwer bereden lassen, dass sie, einige nebensächliche Mängel abgerechnet, nicht vortrefflich seien, wenigstens nicht trefflich genug, um in ihrer bestehenden Form der Zeit noch lange entsprechende Dienste zu leisten … Doch Sie lassen sich unterbrechen, und das sollen Sie nicht; ich bitte – fahren Sie fort!«

Otto las weiter:

»Viele Menschen haben Gedanken und keinen Kopf, Empfindungen und kein Herz. Als Kaufleute unternehmen sie vieles mit Glück und verlieren ihr Vermögen; als Redner unterhalten sie ihre Zuhörer und lassen keinen Eindruck zurück; als Politiker haben sie überall die Hand im Spiele und helfen nirgends einen Ausschlag geben; als Künstler schaffen sie viele schöne Sachen und bringen kein Wort zuwege.«

»Besser! Immer besser!« sagte der Fremde: »Kein Zweifel, Sie haben System in Ihre Gedanken gebracht, ich höre das gar zu gerne.«

Otto fuhr fort zu lesen:

»Heiterkeit ist die Grundeigenschaft der Natur und ist das Zeichen voller Gesundheit und Harmonie aller Kräfte im Menschen; Schmerz dagegen ist wider die Natur, eine peinliche Mahnung, dass etwas an Leib und Seele außer der Ordnung ist. Der Anblick des Schmerzes ist daher nur erträglich, wenn eine Aussicht auf Erlösung, das heißt, auf eine harmonische Ausgleichung in Aussicht steht, sei diese Erlösung eine physische oder moralische. Ein Poet, welcher ewig nur von Schmerz und Schmerz und wieder von Schmerz zu singen weiß, dem muss man so schnell als möglich die – ewige Seligkeit wünschen, damit doch etwas in Aussicht stehe, was einen heiteren Abschluss seiner inneren Unordnung zuwege bringe.«

Der Fremde lachte und bemerkte:

»Der guten Absicht willen mag dieser gottlose Wunsch so strafbar nicht sein, als es scheint.«

Otto las:

»Man zieht sich ein physisches oder moralisches Übel schneller zu, als es wieder gut gemacht werden kann. Der Schnitt in den Finger ist das Werk eines Augenblicks, die Heilung bedarf Wochen; eine verschwundene Nacht hat oft Jahre lang oder nie mehr das Gleichgewicht einer Haushaltung herstellen lassen; ein entschiedener Schritt in der Politik hat so oft auf ewig von dem Wege eines wünschenswerten Lebensglücks abgeführt.«

Der Fremde stand auf.

»Genug, mein Herr«, sagte er nachdenklich und etwas ernsthafte als zuvor – »Empfangen Sie die Versicherung meiner vollen Zufriedenheit mit dem Inhalte Ihres Heftes; indem ich es mit mir nehme, geschieht es eher, um für als wider Sie zeugen zu lassen.«

Otto hatte sich ebenfalls erhoben.

Sein ganzes Wesen war in der freudigsten Bewegung. Zitternd vor Begierde, aus dem Hause zu eilen, sein Pferd zu besteigen und seiner Braut entgegen zu fliegen, konnte er kaum mehr ruhig auf einem Flecke stehen. Der Versuch, dem Fremden das Paket Schriften selber zurecht zu machen und mit Bindfaden zu umwickeln, misslang nur darum, weil seine Hände voll seligen Ungestüms hier wieder aufrissen, was sie dort kaum fest gemacht hatten. Lächelnd übernahm der Fremde selbst die Mühe, das Paket zu binden und zu versiegeln, dann sagte er, dasselbe unter seinen Arm nehmend:

»Ich kann Ihre freudige Bewegung begreifen, mein Herr. Durch den düsteren Hintergrund einiger gefahrvoller Augenblicke wird nun der Glanz Ihres Glückes noch gehoben; Ihr Blut, eben noch in Gefahr zu erstarren, treibt nun umso stürmischer Wogen.«

Otto wusste kaum Worte zu finden in der frohen Bedrängnis seines Herzens:

»Ist es Ihnen nicht möglich, mein Herr«, sagte er endlich, den Fremden begleitend, der aus dem Kabinette in den großen Saal heraustrat – »Können Sie nicht Zeuge meines Glückes sein, nachdem Sie sich ein solches Verdienst um dasselbe erworben?«

»Geht nicht, geht nicht, mein Herr, meine Zeit ist gemessen«, erwiderte der Fremde; und sich im geschmückten Familiensaale umsehend, fuhr er fort: »Es ist doch ein eigenes Ding um den festlichen Schmuck solcher Räume, kann sich doch bei ihrem Anblick auch der Fremde eines Behagens, einer guten Stimmung nicht erwehren … Ist das dort nicht das Portrait Ihrer Mutter, mein Herr?«

»Ja, es ist das Bild meiner Mutter«, erwiderte Otto – »Dünkt mich's doch, als wäre sie erst heute, am Verlobungsmorgen ihres Sohnes gemalt, so wehmütig-heiter blickt sie herab … Aber es ist ihr Charakter, mein Herr; so habe ich sie mit dem Auge meiner Kindheit gesehen, so ist ihr Bild vor meine Augen getreten, wenn mich später die Welt von dem Wege des Rechten abwärts drängen wollte; so hab' ich sie heute gesehen und werde sie noch vor Augen haben, wenn sie nicht mehr ist.«

»Und das hier ist das Bild Ihres Vaters?«

»Ja. Er ist noch in preußischer Uniform gemalt, die er abgelegt hat, als ihm die Schlacht bei Jena fast das Herz gebrochen.«

»Er ist also ein guter Patriot?«

»Er ist ein ehrenhafter Charakter, der lebhaft für alles Rechte empfänglich ist. Er hat noch die Zeiten Friedrichs gesehen und warm empfinden gelernt, was es heiße, einem tüchtigen Ganzen, einem geordneten Lande anzugehören mit einem Helden an der Spitze.«

»Seitdem nun hat er Preußen verlassen und sich hierher zurückgezogen?« fragt der Fremde.

»Um zu vergessen, was ihn drückte, und um von da an dem Kreise seiner Familie, dem Umgange mit der Natur sein neues, sein ganzes Glück zu verdanken.«

»Ein schöner Mann« –

»Ein noch viel besserer Charakter« –

»Wie alt war er, als er sich malen ließ?«

»Fünfundfünfzig.«

»Das sieht man ihm nicht an. Ich hätte ihm fünfundvierzig gegeben … Ist das dort das Bildnis Ihrer Braut?«

»Nein. Meiner armen, schönen Kusine, die vor zwei Jahren gestorben ist … Ein Bildnis meiner Braut besitze ich noch nicht. Ich selber riet, zu warten, bis wir den Maler gefunden, der seine Farben weder mehr noch weniger liebt aus es das Original erfordert, der die schöne Form nur darum mit Vorliebe malt, um die schöne Seele besser zu malen, welche sie bewohnt.«

»Ganz gesprochen, wie es einem Bräutigam ziemt. Nach allem diesen darf ich überzeugt sein, das einst an dieser Wand ein Bildnis hängen wird, geeignet, diese Räume aufs Edelste zu zieren und nicht allein das Auge, sondern auch das Herz jedes Beschauers mächtig anzuziehen …«

Otto sah sich schon jubelnd zu Pferde sitzen und der Angebeteten entgegen fliegen; welche Flammen der Sehnsucht schürte jedes Wort des Fremden! Welche Gedanken der Wonne jagte eine jede Silbe Lob empor aus Ottos wogender Seele!

Zum Glücke war man bereits bis an die Türe des Saales gekommen; zum Glücke war nur noch die große Treppe, der Hofraum des Schlosses zurückzulegen – ah! Wer hätte in Ottos Lage nicht auch die Flügel eines Engels an seinen Schultern gefühlt, um die Schwere des Leibes zu heben, den Fug der Sekunden weit, weit zu überholen!


 << zurück weiter >>