Wilhelm von Polenz
Der Pfarrer von Breitendorf Zweiter Band
Wilhelm von Polenz

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I.

Eine Stimmung unzufriedener Zerfahrenheit war über Gerland gekommen, – ein Erfolg seines letzten Besuches in Annenbad.

Ihm war zu Mute wie einem Menschen, der das Haus des Nachbars brennen sieht und weiß, daß seine eigene Behausung mit Stroh gedeckt ist. Das altbewährte Mittel, in angestrengter Thätigkeit die Zweifel zu ersäufen, wollte diesmal nicht recht verfangen. Es war etwas wie ein Reif auf seine Freudigkeit gefallen; mitten in einer Amtshandlung begegnete es ihm, daß er den tollen Wunsch in sich aufsteigen fühlte, laut aufzulachen. Am schlimmsten stand es mit dem Gebet, er konnte es zu keiner Inbrunst, keiner unbefangenen Hingabe bringen. Die Flamme des Opfers schwelte am Boden hin, als halte sie ein feindlicher Wind danieder.

Und seine Freude am Konfirmationsunterricht war in das gerade Gegenteil umgeschlagen. Die Vorbereitung der Hauptstücke führte ihn auf tausend Fragen und Zweifel; Symbole, die ihm bisher heilig in der Ehrwürdigkeit ihres grauen Alters gewesen waren, sahen ihn auf einmal in heller Tagesbeleuchtung mit befremdend nüchternen Zügen an. –

Über Kleinigkeiten stolperte er und blieb an einem Worte, einer Wendung im Bibeltext oder Katechismus hängen, über die er früher glatt hinweggelesen hatte.

Mit der naiv freudigen Hingabe an den Stoff war es zu Ende; es gab ein Aufdruseln und Wiederzusammenflicken – eine Arbeit, bei der mehr Maschen fielen, als aufgenommen wurden.

Ganz anders trat er jetzt vor die Kinder, nicht mehr frei und freudig, sondern mit dem Gefühle schwerer Verantwortung belastet. Er wollte nicht, daß die jungen Seelen etwas einbüßen sollten, sie durften es nicht empfinden, daß er ein anderer geworden war; nach wie vor wollte er ihnen das beste geben – und so schraubte er sich zu Gefühlen hinauf, die er nicht empfand.

Dabei hatte er immer die Empfindung, die Kinder müßten ihn durchschauen – als würden sie matter, weil ihres Lehrers Begeisterung matt geworden. Er war mißtrauisch gegen sich und andere.

* * *

In jene Zeit fielen Ereignisse innerhalb der Gemeinde, die bald seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen und ihn über die unfruchtbare Trostlosigkeit dieser Stimmung hinwegrissen.

Bei einem Gange durchs Dorf traf er gänzlich unverhofft auf die Pastorin Menke. Als er die bekannte Gestalt der Witwe etwa fünfzig Schritte vor sich in einer Wegekrümmung auftauchen sah, durchzuckte ihn heftiger Schreck. Sie bemerkte ihn etwas später; für einen Augenblick machte sie Halt, offenbar unschlüssig, was sie thun solle. An ein Ausweichen war nicht mehr zu denken; so überwand er denn seine Verlegenheit und blickte ihr im Entgegengehen scharf ins Gesicht. Auch sie hatte sich inzwischen gefaßt, sie schien die Beleidigte spielen zu wollen; mit zurückgeworfenem Kopfe und gerümpfter Nase kam sie heran.

Was mochte sie in Breitendorf wollen?

Gerland stellte die Frage an den Gemeindevorsteher, den er bald darauf traf. Er erfuhr von ihm, die Witwe sei bereits am vorigen Sonntage, – den der Geistliche in Annenbad verbracht, – nach Breitendorf gekommen, angeblich um das Grab ihres verstorbenen Gatten zu besuchen. Sie wohnte bei ihrer Busenfreundin, der Frau des Gutsbesitzers Finke.

Der Gemeindevorsteher ließ dann noch einige zweideutige Bemerkungen fallen, von diesem Weibsstücke, das nur Stänkereien ins Dorf bringen wolle. Aber die Gemeinde werde sich an ihrem Pastor nicht irre machen lassen. – Mehr war nicht aus dem vorsichtigen Manne herauszubringen.

Die Witwe hatte ihn verleumdet, das war klar. Welcher Art die Verleumdung sein mochte, lag auf der Hand; wenn anders der alten Regel zu trauen, daß man den Nächsten nur gar zu gern des eigenen Unrechts bezichtigt.

Auch daß sie bei den Finkes wohnte, war wohl kein Zufall. Sie mochten sich dort alle recht hübsch zusammenfinden, die Clique seiner Widersacher in der Gemeinde. –

Pastorin Menke schien für einige Zeit in Breitendorf bleiben zu wollen. Gerland bemerkte sie am nächsten Sonntage in der Kirche. Mit blumengeschmücktem Hut und Seidenmantille, paradierte sie im Schiff des Gotteshauses.

Mancherlei geringfügige Anzeichen deuteten auf ihre geheime Minierarbeit: der Gutsbesitzer Finke, Mitglied des Gemeinderates, grüßte den Geistlichen nicht, als sie sich zufällig begegneten; an der Thür des Pfarrhauses entdeckte er eines Morgens ein zotiges Bild mit Kreide angezeichnet.

Das Bewußtsein, klug gehandelt zu haben, ließ keinen rechten Haß in seiner Seele aufkommen. Lächeln mußte er, wenn er an sie dachte, – mitleidig, ohne Groll. In diesem Spiele stand der Erfolg zu deutlich auf seiner Seite.

Eines Abends saß Gerland an seinem Schreibtische, die Lampe brannte bereits seit Stunden – er war mit kirchlicher Verwaltungsarbeit beschäftigt – als ihn ein Geräusch vom Garten her aus seiner Rechnerei riß. Summendes Durcheinander von Stimmen – eine Art mißtönender Gesang. – Sollten es Betrunkene sein? –

Gerland wollte den Lärm überhören, aber das ging nicht; immer zudringlicher wurden die unharmonischen Töne. Dazwischen halbunterdrücktes Gekicher und übermütiges Schreien und Pfeifen. Jetzt glaubte er etwas wie einen Refrain herauszuhören: »Pfarr« und darauf »Narr«!

Es war klar – das galt ihm. Eine Katzenmusik in optima forma.

Wie hatte er sich zu verhalten? – Die Sache ihren Gang gehen lassen – nicht darauf achten, sich die Ohren zustopfen – thun, als sei nichts vorgefallen? – Nein! Das hätte ausgesehen, als fürchte er sich; die Leute meinten wohl gar, er sei gänzlich ohne Stachel.

Wie er war, lief er die Treppe hinab. Klingelnd und dröhnend flog die Hausthür hinter ihm ins Schloß. – Der Gesang war jäh abgebrochen; er hörte noch einige Psts – Stimmengeflüster, und Schritte, die sich schnell entfernten.

Sehen konnte er zunächst gar nichts, bis sich seine Augen an das Nachtdunkel gewöhnt hatten. Er tappte auf gut Glück die Stufen hinab und that einige Schritte in den Garten. Vor ihm duckten sich ein paar dunkle Gestalten, dann hörte er den Gartenzaun knacken und knistern. Es waren Männer, soviel konnte er jetzt schon erkennen; einer verlor in der Hast seinen Hut, mußte zurück, um ihn aufzuheben. Gerland sprang zu, kam aber zu spät, um den Flüchtling zu greifen. Wie ein Affe kletterte die lange Gestalt an den Latten empor. Als der Bursche über dem Zaune schwebte, hob sich sein Kopf scharf vom hellen Himmelsrande ab, nur für einen Augenblick, der zum Erkennen genügte.

Einen solchen Kahlschädel und eine solche Nase gab es nur einmal im Kirchspiel.

Gerland war derartig betroffen durch die gemachte Entdeckung, daß er an ein weiteres Verfolgen der Störenfriede gar nicht dachte. – Wenzel, Kantor Wenzel! – Jede Täuschung war ausgeschlossen.

Der Geistliche ging ins Haus zurück. – Es war zu außerordentlich. Ein Mensch, den er bisher immer zu seinen Getreuen gezählt. Wieviel Gutthaten hatte er dem Lehrer erwiesen! Der schwer kompromittierte Mann war sein besonderer Günstling gewesen. Noch kürzlich hatte er auf eine Anfrage von seiten der Schulbehörde, bezüglich des Kantors, im günstigen Sinne geantwortet.

Unwillkürlich ging er zu seinem Schreibtische und entnahm ihm das Heft, in dem er die Charakterbeschreibungen seiner Beichtkinder niedergelegt. – Wenzel! – Wieviel Hoffnung er an den Mann verschwendet hatte; – es war beschämend.

Kopfschüttelnd schloß er das Heft wieder weg; hatte er den Menschen irgend einmal gekränkt.? Er sann nach; nichts fand sich in seinem Gedächtnisse. Es war der pure, blanke Undank, die Auflehnung der Gemeinheit gegen die Güte, der Roheit gegen die Kultur.

Nachdem die erste Erregung verflogen war, überlegte der Geistliche, welchen Gebrauch er von der Entdeckung machen wolle. Daß er das Vorkommnis nicht ignorieren könne, war von vornherein klar. Sein Ansehen der Gemeinde gegenüber war gefährdet, wenn er eine solche Beleidigung ungeahndet hingehen ließ.

Es gab mehrere Wege, die er einschlagen konnte, um sich Genugthuung zu schaffen. Der eine war: Anzeige bei Gericht zu machen; den verwarf er bald. Die gerichtliche Untersuchung des Falles würde wahrscheinlich wenig ergeben und viel böses Blut hervorrufen.

Es blieb ihm noch eine andere Möglichkeit, er konnte Wenzel bei der Schulbehörde anzeigen. Eine zeitlang erwog der Geistliche diesen Gedanken ernstlich; verdient hätte der Mann das sicherlich, sein Kerbholz war voll. – Aber schließlich siegte das Mitleid in Gerlands Seele; er wußte, daß solche Anzeige den Abschied des Kantors nach sich ziehen mußte. Ein Rest von Sympathie für Wenzel war immer noch in seinem Herzen geblieben. –

Schon seit einiger Zeit hatte Gerland den Religionsunterricht in der Schule nicht mehr visitiert; nicht umsonst sollte Wenzel ihn heute abend daran erinnert haben, daß er besonderer Kontrolle bedürfe. Der Geistliche nahm den Stundenplan zur Hand; die erste Stunde bei den Kleinen war Religionsunterricht. ›Gut, ich werde mich einfinden, Herr Kantor, morgen früh.‹ –

Die Sache kam anders, als Gerland sie sich im Geiste zurechtgelegt hatte.

Am nächsten Morgen begab er sich beizeiten zur Schule; zu seinem Erstaunen sah er durch die Scheiben des zur ebenen Erde gelegenen Schulzimmers, daß die Kinder sich balgten. Zwanzig Minuten nach sieben Uhr und der Unterricht noch nicht begonnen!

Als der Geistliche eintrat, fand er das Katheder leer und die Klasse in größter Unordnung. Einige Knaben sprangen schnell auf ihre Plätze zurück. Eine arge Balgerei schien stattgefunden zu haben; mehrere Köpfe waren tüchtig zerzaust, unter den Mädchen gab es verweinte Gesichter.

»Wo ist euer Lehrer, ihr Kinder?« fragte der Geistliche.

Eine verlegene Pause entstand. Die Kinder sahen einander verdutzt an, sie schienen sich in der Seele ihres Lehrers zu schämen. –

Gerland stand mit verdüsterter Miene im Mittelgange, der die Knabenabteilung von der der Mädchen trennte.

Hinten im äußersten Winkel steckten ein paar Bengel die Köpfe zusammen. »Sag's ack – sag's ack!« – Ein Knabe wurde von seinen Nachbarn mit Püffen traktiert.

»Was habt ihr mit dem da – was soll er denn?«

»Dar weeß es, wu dar Lahrer is; – dar hat's vurhin derzahlt.«

»Was weißt du, mein Kind?« fragte Gerland in aufmunterndem Tone und ging dem Knaben entgegen, welcher von den andern nach vorwärts gedrängt wurde.

Der Kleine blickte mit scheuer Miene zu Boden; er wollte nicht mit der Sprache heraus.

Endlich platzte ein anderer los: »Der Lahrer leit ein Wirtshause – besuffen!« –

Einige Kinder kicherten; die meisten blieben still und hingen in atemloser Spannung an den Zügen des Geistlichen.

Gerland war erbleicht. »Was – was sagst du da?«

»Dar hat 's derzahlt,« erklärte der Sprecher und wies auf den ängstlichen Knaben vor Gerland – »dar is aus 'n Kretzschame – dar Lahrer is besuffen und leit bei uns ei der Gaststube, hat 'r gesagt.« –

Gerland stand eine Weile wie erstarrt. Welch ein Schaden ist hier angestiftet! – das war der einzige Gedanke, den er zu fassen vermochte. Dann mechanisch vorwärts schreitend, begab er sich aufs Katheder. »Setzt euch auf eure Plätze, Kinder!«

Nachdem alle ihre Plätze inne hatten und die Klasse das Bild musterhafter Ordnung bot, sprach Gerland ein lautes Gebet: Worte des Dankes für die glücklich und gesund verlebte Nacht.

Die Ironie, welche in diesen Worten liegen konnte, fiel Gerland in diesem Augenblicke nicht ein; noch weniger den Kindern, die, wie Kinder stets in solchen Momenten, ganz unter dem Banne des Außergewöhnlichen standen.

Der Geistliche ließ sie ein bekanntes Kirchenlied anstimmen. Während des Gesanges sammelte er sich selbst.

Durch Fragen unterrichtete er sich bald darüber, an welcher Stelle des Unterrichtes sich die Klasse gegenwärtig befand. Joseph in Ägyptenland, war das letzte Pensum gewesen. Der Geistliche erzählte ihnen die Geschichte von Josephs Wiedersehen mit seinen Brüdern, gab ihnen eine leichtfaßliche Erläuterung des Geschehnisses, und hatte ihre Aufmerksamkeit bald ganz erobert.

Gegen Schluß der Stunde merkte er an den Mienen der dem Fenster zunächst sitzenden Kinder, daß draußen etwas Ungewöhnliches vor sich gehe. Unwillkürlich blickte er hinaus. Eine hagere Gestalt wankte schlotternd heran, mit vertiertem Ausdruck nach den Klassenfenstern stierend.

Gerland verließ sofort das Katheder und eilte zur Thür; so sollte die Klasse ihren Lehrer nicht sehen.

Im Hausflur kam ihm Wenzel entgegengestolpert. Vor dem Geistlichen machte er mit der blöden Miene des ertappten Sünders halt.

»Kantor Wenzel,« sagte Gerland und dämpfte seine Stimme soviel wie möglich – »gehen Sie auf Ihr Zimmer, legen Sie sich! Ich werde Ihren Unterricht heute übernehmen – verstehen Sie!«

Der Betrunkene wollte etwas erwidern; er machte einen schwachen Versuch, den Nüchternen zu spielen. Er tastete nach Gerlands Hand, und als dieser, angewidert von dem durchdringenden Branntweingeruch, zurücktrat, lallte er: »Betrunken – nee, betrunken bin ich nich – Herr Pastor! – Etwas Medizin – mir war nicht recht wohl – etwas Medizin – weiter nichts – Herr Pastor – auf Ehre!« –

Gerland überwand sich und faßte den Schwankenden unter den Arm. Er führte ihn ein paar Stufen hinauf, und hieß ihn, sich am Treppengeländer festhalten; dann wiederholte er seine Mahnung, daß er sich legen und ruhig verhalten solle.

Unter Beteuerungen, daß er nur ein wenig Medizin zu sich genommen habe, weil er krank gewesen sei, stolperte der Betrunkene die Treppe hinauf.

Gerland erteilte an diesem Tage den Unterricht in sämtlichen Fächern.

Abends setzte er dann ein Schreiben an die Schulbehörde auf. Die Beteiligung Wenzels an der nächtlichen Ruhestörung vor seinem Hause erwähnte er nicht, aber den Zustand, in welchem er den Lehrer am Morgen betroffen, schilderte er ohne Abstrich.

Die Behörde war schnell mit ihrem Eingreifen. Der Kreisschulinspektor selbst erschien am Platze; eine Untersuchung des Falles wurde eingeleitet.

Es ergab sich, daß Wenzel mit einer Anzahl Gesinnungsgenossen die Nacht bei Kartenspiel und Trunk im Kretzscham verbracht hatte. Interessant war es für Gerland, die Zusammensetzung dieser Gesellschaft zu erfahren. Sämtlich waren es Leute, denen er wohl zutrauen konnte, sich an der Katzenmusik vor seinen Fenstern beteiligt zu haben. Herklotz, der Schuster, sein Gegner aus der Gemeindeversammlung, fehlte nicht unter ihnen. Sie mochten nach vollbrachter Heldenthat ihren Triumph im Kretzscham gefeiert und dabei zu viel des Guten gethan haben. –

Der Erfolg der Untersuchung war, daß Wenzel seines Amtes enthoben und ein anderer interimistisch an seinen Platz gesetzt wurde, bis die Stelle ausgeschrieben sein und die Gemeinde sich für einen neuen Kantor entschieden haben würde.

Wenzel verschwand ohne Sang und Klang aus Breitendorf. Auch die Witwe bekam Gerland nicht mehr zu Gesicht; am Tage nach dem Auftritte vor dem Pfarrhause hatte sie das Dorf verlassen. –

Etwa eine Woche mochte vergangen sein, als der alte Gärtnergewendbauer beim Pfarrer erschien, um das Pachtgeld für den Pfarracker, welchen er in Nutzung hatte, abzuliefern.

Der Gärtnergewendbauer war ein kleines, krummbeiniges, dürres Männchen, mit spitzem Kopfe und rotumränderten Augen. Unter vielem Ächzen und Räuspern holte er aus seinem Schafwollpelze einen alten Lederbeutel hervor, der neben Tabakrollen auch Geld enthielt. Langsam klaubte er die Münzen zusammen, und zählte dann die harten Thalerstücke, nebst einigem Nickel und Kupfer in regelmäßigen Reihen auf den Tisch.

Diese Manipulation kostete Zeit. Als Gerland schließlich durchgezählt und erklärt hatte, es stimme, nahm der Alte mit einem wehmütigen Blicke Abschied von seinem Gelde. Dann sackte er den Beutel wieder ein, griff nach der Mütze, ging aber noch nicht.

Wie es schien, hatte er noch etwas auf dem Herzen.

Der Bauer räusperte sich und meinte: »Na, de Pastern Menke war nu also och wieder furt – ju ju!« Dann fuhr er sich mit dem Handrücken über das Gesicht, wo es stets irgend etwas Feuchtes abzuwischen gab.

Als Gerland keinerlei Miene machte, auf diese Einleitung des Gespräches einzugehen, fuhr der Bauer fort: »Se wohnt ei der Stadt, de Pastern Menke, sagn se. – Na, ich will nur nu machen, daß 'ch heem kima. – Laben Se wuhl, Herr Paster!« –

Er schob auf seinen krummen Beinen nach der Thür; dort blieb er stehen, drehte sich rasch um, und, mit einer verschmitzten Miene, in der sich Schadenfreude, Neugier und Klatschsucht die Wage hielten, meinte er: »De Leite sagen, se wird sich Kanter Wenzeln heiraten.«

Jetzt fiel Gerland doch aus seiner wohlerwogenen Rolle des Schweigens. »Was sagen Sie! – Pastorin Menke will den Kantor heiraten?«

Solch direktes Fragen liebt der Bauer nicht. Der Alte war viel zu vorsichtig, von seinem Nebenmenschen etwas auszusagen, worüber er möglicherweise zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

»De Leite sag'n 's ack, Herr Paster; ich weeß eegentlich nischt niche, ees denkt'ch nur suwas, weil duch zwischen Wenzeln und der Pastern Liebschaft war. – Das wern Se duch och wissen, Herr Paster?« –

»Was soll ich wissen?« fragte Gerland, ehrlich entsetzt.

»Nu freilch!« meinte der Alte und wurde lebhafter; seine Äuglein leuchteten auf, er trat näher zu dem Geistlichen heran und sprach halblaut: »Die hoan schun bei Labzeiten vun sel'gen Pfarrn zusammde gestackt – die beeden. Nu hat sen 'n richt'g neigeritta, dan Wenzel – denn schlacht war dar ne – wenn er och saufen that, aber die hat an Teifel in Leiba – und Se kinna fruh sen, Herr Paster, daß Se die su heila lus gewurn sein. Ju ju, zwischen dar Menken und Wenzeln is Liebschaft, da kinna Se a jeds hier fragen – doas wissen mer alle.« –

Das Vernommene bestätigte dem Geistlichen manches, was er früher zwar gesehen, wobei er sich jedoch nichts gedacht hatte. – Als habe man eine Grube voll eklen Unflats unter seinen Füßen geöffnet, so kam es ihm vor.



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