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Nachwort des Uebersetzers

In welcher Welt leben wir?

In der Hölle, würde Strindberg sagen, und deren Teufel heißt heute Poincaré …

Das deutsche Volk legt die Wäffen nieder, und dann wird das wehrlose Volk von französischen Truppen mit allem Kriegsmaterial überfallen.

Das ist teuflisch!

Das ist ein weit schlimmeres Verbrechen als die Verletzung der Neutralität Belgiens: damals im August 1914 war Krieg, heute im Februar 1923 herrscht Friede.

Für die Verbrechen des alten deutschen Kaisertums darf die junge deutsche Republik nicht büßen.

Solange die Kohlenkammer Deutschlands von den Franzosen besetzt gehalten wird, müßte diese deutsche Peladan-Ausgabe unterbrochen werden.

Aber Peladan ist ein Weltbürger, der nur zufällig französisch geschrieben hat, wie Strindberg ein Weltbürger war, der nur zufällig schwedisch schrieb.

Und wie Strindbergs Wirkung auf die Welt erst von der deutschen Uebertragung seiner Werke ausgegangen ist, so wird auch Peladan erst im deutschen Gewande populär werden.

An der Rhone ist Peladan geboren und aufgewachsen, an dem Strome, der aus der Schweiz kommt, aus dem Genfer See, vom St. Gotthard, dem Ursprung des Rheins.

Mit zwanzig Jahren, um 1880, zog Peladan nach Italien. Die italienische Kunst wurde für ihn ein Erlebnis, das vierzig Jahre nachwirkte, sein ganzes Leben hindurch. Damit verließ er nicht nur sein Land, sondern auch seine Zeit, denn er wurde der Zeitgenosse Lionardos, den er wie einen Vater verehrte.

Mit dreißig Jahren, um 1890, zog Peladan nach Deutschland, nach Bayreuth. Die Musik Richard Wagners klingt seitdem durch seine Romane, das Drama Richard Wagners erzeugt in ihm ein ganzes dramatisches Schaffen. So stark ist dieser Einfluß des deutschen Meisters, daß die Franzosen klagen, er habe Peladan verdorben! (Wie Herder klagte, Shakespeare habe Goethe verdorben.)

Mit vierzig Jahren, um 1900, zog Peladan in den Orient. In Griechenland ward er der Zeitgenosse von Aischylos, dessen Prometheus-Trilogie er wiederherstellte. In Aegypten fragte er die Sphinx: Was bedeutet das Wort Christi: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist? – Was schuldet man Gott? – Alles! – Was schuldet man also dem Kaiser? – Nichts!

Wer Peladan einen Franzosen nennt, ist ein Fälscher. Wäre er ein Franzose gewesen, hätte ich ihn niemals übertragen. Gerade als Weltbürger hat er mich begeistert.

»La décadence latine« heisst der Zyklus seiner Romane; jeder Roman trägt im Original neben dem Sondertitel stets diesen Obertitel. Trotzdem die Franzosen von ihrem »Verfall« nichts hören wollten, gab Peladan diesen Gesamttitel nicht auf: vierzig Jahre lang hat er zäh daran festgehalten.

Wenn Peladan heute lebte, würde er wiederholen, was er 1892 in seiner Ethik »Wie man Magier wird« schrieb: »Der Mensch, der den ›Parsifal‹ geschaffen hat, ist beinahe ein Gott, und der Präsident der französischen Republik ist beinahe ein Tier.«

Deutschland, Februar 1923.
Emil Schering.


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