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II.
Schwester Maria von Gonzaga

Eine Stunde nach der Entführung der Nonne saß diese, von Merodach richtig aufgeweckt, mit Erstaunen am Tisch der Prinzessin Este neben Alta.

Zwei Gedecke warteten auf die Gäste: Lucioli und Rusticoli.

Zu gleicher Zeit wurde im Erdgeschoß eine geheime Sitzung abgehalten.

Nergal rief jubelnd:

– Welches Meisterwerk ist dieses Verschwinden der Besessenen: auf kirchlichen Wegen ist es vollbracht worden, und mit welcher Promptheit!

Ilou stellte Merodach zur Rede:

– Du hast im Eifer des Gefechts etwas verworrene Befehle gegeben! Collinet sein Medium entführen und dem Jesuiten die furchtbare Magie sperren: gut! Sich selbst dieser Hellseherin bedienen, um die Schatten zu durchdringen, die unsern Plan umgeben: ja! Aber diese Geschichte, wenn auch entstellt, an die Öffentlichkeit bringen, aus unserm Geheimnis heraustreten, um Collinet zu verderben: nein, das wäre ein Fehler!

– Collinet ist ein Mensch, den man erschrecken muß, um sich gegen ihn zu schützen, und die Gesellschaft Jesu ist eine Dame, die den Skandal ebensosehr fürchtet wie die Hölle.

Ilou begann von neuem:

– Nehmen wir an, du wärest im Kloster umgekommen: wir würden dich rächen, aber könnten wir das Werk noch fortsetzen? Nein, weil es enthauptet, buchstäblich seines Hauptes beraubt worden wäre! Beachte jedoch, daß wir alle fähig sind, einen Plan zu entwerfen und einen Befehl zu geben; daß unsere Truppe aus lauter großen Protagonisten besteht, die einander an Wert fast gleich sind. Der Fall der Gesellschaft liegt ganz anders! Die hat nie einen Kopf gehabt, sondern tausend, da sie eine Hydra ist. Einen Jesuiten treffen, heißt einem Milliardär tausend Franken nehmen. Indem deren Askese die Herrscher-Fähigkeiten zerstörte, beschränkte sie diese auf eine einzige Eigenschaft: die stete und blinde Hingabe … Collinet ist ein Ignorant, er hat nichts gelesen, nichts geträumt, aber dieser Hund des Ignatius hat mit seiner feinen Nase das Geheimnis des großen Arkanum aufgespürt. Wer weiß, wie weit er gekommen wäre, dieser Beckmesser der Tragödie, wenn er den Stoff in Muße hätte bearbeiten und durch Versuche hätte studieren können? Er brauchte sich ja nur der bekannten Bücher von Mesmer, du Potet, Deleuze oder Faria zu bedienen … Vgl. das klassische Werk: Eliphas Levi (Abbé Constant) Histoire de la Magie, Paris 1860. Wenn Collinet in Ungnade fällt, in die Verbannung geschickt wird, fort von Rom, werden andere Collinets handeln! Selbst die Kardinäle rechnen mit diesen Leuten, und wir haben in zwei Stunden vier Eminenzen schwer belastet: Lucioli, de Castro, Odescalchi, wenn man die Wappen des Wagens gesehen hat, Rusticoli, der über unsern Köpfen mit der Somnambule speist. Sich auf die öffentliche Meinung berufen, in welcher Form es auch sei, heißt Kundschafter in reguläre Truppen verwandeln: die Gesellschaft Jesu wird nicht zögern, die fünf Liebesgeschichten unserer Schar zu verbreiten! Wir werden entlarvt werden, weil wir einen Kopf von tausend haben treffen wollen.

Poudiel unterstützte die Ansicht Ilous.

– Die öffentliche Meinung hat zwei Wirkungen: durch Ueberrumpelung die Straße aufzuwiegeln, um einen Gewaltakt auszuführen; die Verwirrung schaffen, die einem Handstreich günstig ist; oder die Geister auf ein Ereignis vorbereiten. Wir haben weder mit einem Auflauf noch mit einer Vorbereitung zu tun; diese ist gut für seßhafte Parteileute, die an Ort und Stelle ihres Ehrgeizes leben. Wir gehen durch Rom hindurch, machtlos oder siegreich: wenden wir also nur die kleinen und sicheren Mittel der geheimen Verschwörung an.

– Entscheidet euch, sagte Nebo, der zeichnete, die Karikatur Collinets ist eine Aufgabe: sollte sie unnötig sein?

Merodach hatte aufmerksam zugehört.

– Es sei: kein Skandal! Ich nehme meinen übereilten Einfall zurück. Was aber der Jagd Collinets entgegensetzen? Er wird seine Nonne suchen und sie von allen Winden des Himmels zurückfordern.

– Der Jesuit wird morgen in seinem Beichtstuhl sehr ruhig sein, und wir haben die Nacht für unsere Ueberlegungen. Nach dem klaren Bericht Altas war die Oberin überzeugt, daß ihr Brief übergeben würde!

– Man wird den Beichtstuhl mit unsern großen Damen überfüllen, es ist der Vorabend des Festes: er wird erst spät am Nachmittage ins Kloster zurückkehren.

– Uebrigens dieser Brief: hat Alta ihn?

– Nein, sagte Merodach, hier ist er: ich habe vergessen ihn zu lesen.

Er entfaltete ihn und las mit lauter Stimme:

 

Mein lieber und verehrter Vater!

Ein Dominikaner, mit französischem Akzent, bringt mir einen Befehl des Kardinal-Protektors, ihm die Schwester Maria von Gonzaga auszuliefern, um sie ins Kloster Assunta nach Lucca zu bringen. Das ist ein Manöver Ihrer Feinde! Jedem Andern hätte ich es abgeschlagen, aber Seine Eminenz würde Rom und das Kloster mit seinem Zorn erfüllen. Ich mache Ihnen so früh wie möglich Mitteilung.

Sie hatten befohlen, alle Worte aufzuschreiben, welche die Besessene hervorbringen würde … Ich hatte damit angefangen, aber ich konnte nicht fortfahren … Einer Nonne den Auftrag zu geben, wagte ich nicht: Sie wissen, wie ansteckend diese Erscheinungen sind.

Nachdem Sie gegangen sind, hat sie gesagt: »Ich werde fortgehen; man macht sich auf den Weg, um mich zu holen, und man wird mich heilen … Dann wird ein Verbrechen in Rom begangen werden … ein furchtbares Verbrechen … ein Priester wird einen Kardinal töten …« Der Rest war verworren.

Glauben Sie, mein Vater, daß ich stets Ihnen und Ihrem Befehl folgen werde.

Ihre Dienerin
in J. M. J.
Jesus, Maria, Joseph.

 

– Der bedrohte Kardinal ist Lucioli Spadella: man muß ihm zu einer Reise raten.

– Der Mörder würde Collinet sein.

– Nein, Collinet würde vergiften.

– Wer ist Luciolis Arzt?

– Der Jesuitenarzt Spinelli.

– Da Lucioli in Gefahr ist, müssen wir eine Gefahr für die Jesuitenpartei sein.

Man hörte einen Wagen vorfahren.

– Da sind die Kardinäle, sagte Merodach und erhob sich. Ich werde ihnen einen Beweis der Macht geben, der sie gewinnen wird: Schwester Maria von Gonzaga wird unter meinem Willen vor ihnen sprechen. Später wird sie vor euch sprechen! Dieser Abend ist feierlich: bevor der Tag graut, werden wir bestimmte Entschlüsse fassen. Zwischen zehn und elf müßt ihr alle hier sein! Man hole Fredi, damit er mit uns speise: man muß in ihm die Eminenz ehren, die uns gehört hätte, Comiciani von Siena, und die Aussprüche der Hellseherin durch seine Kenntnis der kirchlichen Sitten bestätigen lassen.

In diesem Augenblick klopfte jemand: es war Paolo.

– Pater Collinet hat sich sofort zum Jesuitengeneral fahren lassen; von dort ist er nicht wieder herausgekommen; ein Diener hat zur selben Zeit mehrere Telegramme fortgetragen, die wahrscheinlich alle an die Väter der Gesellschaft Jesu gerichtet waren.

– Ja, sagte Ilou, alles wird sich zwischen der Gesellschaft und uns abspielen.

Schwester Maria von Gonzaga war eine Waise aus Perugia, die von ihrem Onkel, einem alten Pfarrer, erzogen wurde. Nach dessen Tode ging sie ins Kloster: sie glaubte nichts Besseres tun zu können, als dem Laufe ihrer frommen und einsamen Kindheit zu folgen. Schülerin der Schwestern, sich vor Ehe und Mutterschaft fürchtend, träumerisch, eher sanft als gläubig, hatte sie ihre Gelübde als Karmeliterin ohne Erregung abgelegt. Sie war glücklich im Klosterleben, bis zu dem Tage, da »der Teufel in ihrem Schlafe sprach«, wie das Kloster sich ausdrückte.

Der erste Priester, der sie sah, erstaunte über die Ruhe ihrer Reden: sie lästerten nicht, waren aber satanisch, denn nach dem Bericht des Bischofs von Perugia »entdeckte sie die kleinsten Verstöße gegen die Ordensregel sowohl bei ihren Schwestern, wie sogar bei der Oberin«. Als sich die erste Ueberraschung gelegt hatte, zeigte sich ein anderes Gefühl: Furcht und Haß. Der Bischof hatte sie gefragt, ob sie etwas an ihm zu tadeln finde; da er darauf bestand, daß sie sprach, hörte er zu seiner Verwirrung eine klägliche Geschichte. Als er wütend wurde, ebenso erstaunt wie verwirrt, und sie drängen wollte, im Glauben, der Teufel spreche aus ihr, erhielt er solche Einzelheiten, und von einer so erschreckenden Deutlichkeit, daß er sie für besessen erklärte. Seitdem begann für die arme Hellseherin die Verfolgung durch die Frauen des Klosters.

Es gibt keine ernstliche Aufsicht über die Klöster: alles kann darin vorkommen. Kein Psychologe, sei er auch der katholischste der Menschen, wird an die Gerechtigkeit einer weiblichen Macht glauben. Der Armenpfleger ist also das einzige Element, das die Nonne gegen die Aebtissin schützt: wenn er niedrig gesinnt oder schlecht unterrichtet ist, gedeiht das Verbrechen im Schatten des heiligsten Ortes. Das religiöse Ansehen verdient die größten Zugeständnisse, aber nicht auf Kosten der Menschlichkeit. Nun sind Aebtissin wie Armenpfleger gewöhnlich unfähig, eine körperliche Krankheit von einer geistigen zu unterscheiden: alles, was überrascht, stammt vom Dämon.

Die Somnambule lernte den Karzer, das Fasten, den Zwang, die Dummheit kennen; die Sakramente wurden ihr entzogen. Eine solche Behandlung erregte ihre Fähigkeiten aufs äußerste; sie zeigte Symptome des Wahnsinns.

Endlich wechselte der Armenpfleger.

Der neue war gebildet und rechtschaffen. Er befreite sie aus ihrem Kerker, gab ihr zu essen und ließ sie zum Gottesdienst zu. Schließlich machte er einen Versuch mit ihr. Sich gegen sich selbst verwahrend, führte er sie während ihres Schlafes in die Kapelle; ohne daß man ihn hören konnte, fragte er sie. Das erste Wort der Seherin war: »Warum sind Sie nicht tugendhaft, da Sie gut sind?« Er drang in sie und bekam die Geschichte von der Entwendung eines Testaments zu hören, die ihn wohlhabend gemacht hatte. Er begriff alsbald, welche Marter eine unglückliche Nonne zu erdulden hatte, die in ihrem Schlafe die Fehler derer aussprach, die sich ihr näherten. Seitdem beschützte er sie.

Als er das Kloster verließ, schickte er sie nach Rom in eine Art Krankenhaus des Ordens. Da ihr aber überallhin ihre Akten folgten, beunruhigte Schwester Maria von Gonzaga die Oberin. Diese sprach mit Collinet, ihrem Beichtvater, der sofort nicht an der Besessenheit zweifelte, aber von jeder Härte abriet. Indem er der Nonne die Beichte abnahm, versicherte er sich, daß sie keine Erinnerung an ihre außergewöhnlichen Worte bewahrte, daß sie also ein Doppelleben führte. Ein Dämon lebte in ihr während dieser Schlafzustände, die unerwartet eintraten, wenn sie aus dem Schatten in die volle Sonne kam, wenn der erste Akkord auf dem Harmonium angeschlagen wurde. Sie antwortete auf jede Frage, aber sprach nicht von selbst, sondern schlief mit Freuden.

Am Abend vor dem Tage, an dem Collinet mit Alta zusammenkam, hatte die Oberin, ohne es zu wollen, die hellseherische Fähigkeit hervorgerurufen. Als Schwester Maria erbleichte und fallen wollte, sagte sie:

– Ihr Uebel erfaßt sie wieder! Ihr Beichtvater wird kommen, aber es wird ihm große Sorge machen, Ihnen nicht vergeben zu können.

– Oh, er wird bald andere Sorgen haben, wenn er erfährt … daß man über ihn spottet … Es war eine große Gesellschaft … Leute, die sich meiner bemächtigen werden … aber ich habe keine Furcht … Oh, wenn er wüßte, was der Kardinal denkt, der große … Das ist schlimmer als der Gedanke des Dicken … aber der Große wird nicht Papst werden … nein, er wird sterben.

Unter diesem Eindruck ließ die Oberin Collinet holen. Dieser fragte die Kranke, ohne Methode, aber mit der Ausdauer, die er in jede Sache setzte. Die Antworten der Besessenen schienen ihm so sinnlos zu sein, daß er nicht daran glaubte: es war die List des Dämons, um ihn selbst zu versuchen.

Sein Instinkt, schärfer als sein Urteil, führte ihn dazu, Alta kommen zu lassen. Wenn der Mönch gelächelt hätte, würde Collinet sich entschuldigt haben, daß er ihn um so wenig gestört; aber Alta hatte gezittert, war erblaßt: er hatte also den Worten der Hellseherin ein unleugbares Zeugnis der Glaubwürdigkeit gegeben …

Nachdem er den Mönch bis zur Tür geleitet, war er rücksichtslos in die Zelle der Schwester Maria zurückgekehrt, hatte sich mit ihr eingeschlossen, um noch andere Offenbarungen aus ihr herauszuholen.

Aber die Somnambule entschlüpfte dem ungeschickten Jesuiten: durch die Hand des Dominikaners war das Fluidum der Verschworenen, deren Kette, in die Nerven der Schwester Maria gelangt; die Reinheit des Mönches, den sie sofort für einen Heiligen erklärt, ließ sie jede Frage absichtlich übergehen, indem sie ein Zweig jenes Besuchers wurde. Collinet drängte sie fieberhaft, mit einem blinden, aber entspannten Willen. Da sie nicht schweigen konnte, sprach sie von Lucioli Spadella, sowohl freiwillig wie fluidisch. Der Papabile mißfiel ihr: sie hatte Schatten von Frauen um ihn gesehen: das waren seine Opfer.

Als Collinet um fünf Uhr abends die Zelle verließ, befahl er der Oberin, niemand zu Schwester Maria zu lassen. Wie er durch die große Pforte ging, war er so geistesabwesend, daß er in den Wagen stieg, der dort hielt, ohne dieses Halten seltsam zu finden, noch den Kutscher wiederzukennen.

Die Prinzessin Este war gut gegen die Nonne, brachte sie so bescheiden, wie nötig war, unter, gab ihr ein Kruzifix, ein Betpult; dann kündigte sie ihr an, daß sie die Ehre haben werde, mit den Kardinälen zu speisen; außerdem werde Merodach, der zur Geistlichkeit des Morgenlandes gehöre, dabei sein, bevor er heute abend eine Reise antrete.

Als Leonora Rusticoli erzählt, wie die Besessene dem Jesuiten entführt worden war, schwärmte der Kardinal vor Befriedigung.

Lucioli begriff zuerst nicht, um was es sich handelte: dieser starke geschlechtliche Magnetiseur kannte die Theorie nicht, die er so auffallend und rücksichtslos angewandt hatte.

Die Nonne, zuerst verwirrt, daß sie bei einer Prinzessin mit Kardinälen zu Tisch saß, gab nach einem Schluck Wein ihre Schüchternheit auf und erzählte ihr Leben in einfachen und interessanten Ausdrücken. Diese Schilderung war das beste Vorspiel zu den Versuchen, die folgen sollten.

Nach dem Essen ging man in den großen Salon. Leonora selbst schloß die Türen des Vorzimmers. Die Kardinäle setzten sich aufmerksam in ihre Sessel.

Merodach ging auf Schwester Maria von Gonzaga zu.

– Meine Tochter, man hat Ihnen gesagt, daß Sie besessen sind; aber Sie sind krank, und ich kann Sie heilen. Dazu müssen Sie das blindeste Vertrauen zu mir haben. Geben Sie mir Ihre Hand, so, und jetzt antworten Sie: fühlen Sie, daß ich Ihnen nur Gutes wünsche?

– Ja, oh, nichts als Gutes, ich fühle es.

Merodach machte langsam das Zeichen des Kreuzes über sie; beim Amen legte er seinen rechten Daumen zwischen die beiden Augenbrauen der Nonne; sie zitterte, machte einige krampfhafte Bewegungen mit den Brüsten und stieß dann einen langen Atemzug aus: sie schlief.

– Sagen Sie mir, mein Kind, wieviel Male hat der Pater Collinet Sie befragt?

– Zwei Male. Zuerst am Abend vor dem Tage, an dem der mezzo santo Der halbe Heilige. kam.

Merodach machte Alta ein Zeichen, näher zu kommen und ihr seine Hand zu geben.

– Das ist er … Ach, er hat sich nicht verstellen können … deshalb wird großes Unglück geschehen.

Merodach ließ Lucioli Spadella herantreten. Die Somnambule hatte eine heftige Abneigung, seine Hand zu berühren.

– Es ist Blut an dieser Hand … Blut eines Kindes … und diese Hand brennt … bald wird sie kalt sein … Nein, das ist der Pater … das sind die Jesuiten … und es wird meine Schuld sein … Als der mezzo santo gegangen war, hat der Pater mich gefragt … aber ich fühlte mich durch den mezzo santo und seine Freunde gewonnen und warf die Bosheit des Vaters auf ihn selbst zurück … Der Kardinal hat arme Frauen um sich, die im Fegefeuer leiden, die ihn anklagen … besonders eine war ohne Schutz und vertraute ihm …

Lucioli zog seine Hand zurück, ohne daran zu denken, daß seine Gebärde ein Geständnis bedeute: er war bleich.

Merodach wollte Rusticoli erschüttern und ließ ihn sich nähern.

– Was sagt Ihnen diese Hand? fragte Merodach.

– Oh, sagte die Seherin, der Zorn hat eines Abends …

Und Rusticoli zog auch seine Hand zurück.

Merodach lud Leonora ein, in Verbindung zu treten.

– Gibt es nichts, worüber diese Hand erröten müßte.

– Oh, wie liegt das fern … diese Hand hat die edelsten Bewerber zurückgestoßen Peladan, Das höchste Laster. …

Auch die Prinzessin Este zog ihre Hand zurück.

– Haben Sie noch einen Zweifel über die Hellsichtigkeit der Somnambule? Dies geschah, um Sie aufmerksam zu machen. Schwester Maria von Gonzaga, ich habe Ihnen versprochen, Sie zu heilen, und ich werde Sie heilen; dafür bitte ich Sie um eine Anstrengung.

– Für Sie und für den mezzo santo werde ich alles tun.

– Also, der mezzo santo und ich und unsere Freunde, wir sind in Rom, zu welchem Zweck?

– Ein edler Zweck … aber Leo XIII. wird noch mehrere Jahre leben … und Sie werden nicht mehr hier sein, auch ich nicht … In einigen Tagen, wenn der Kardinal tot ist … wird jeder Furcht haben … wird man Rom fliehen …

– Es droht also Gefahr für alle.

– Besonders für mehrere Frauen … für die älteste … man wird ihrem Freunde eine Falle stellen.

– Tammuz, rief Leonora ängstlich.

Plötzlich erhob sich die Nonne und sagte lebhaft:

– Löscht die Lichter! Man sieht sie von draußen, und er umschleicht das Haus, der Jesuit … schnell, schnell … es muß für mich geschehen, für alle.

Eifrig blies Leonora die Kerzen aus und löschte die Lampen; dann ging sie fort.

– Ich will mich davon überzeugen, das wäre doch stark!

Sie kam mit einem Opernglas zurück und sah damit durch die Fensterscheibe.

Eine große und hagere Gestalt stand den Fenstern gegenüber.

Leonora läutete, öffnete das Vorzimmer wieder und schloß den Salon.

Paolo kam.

– Geh durch den Flügel, das Gesicht besudelt, den Gang berauscht; rempele den Mann an, den du sehen wirst; du kannst ihn durchprügeln; schrei dann, damit er auf die Wache geführt wird, wenn möglich, ohne dich. Geh! Du hast Gold? Gut.

– Meine Herren, sagte sie, wieder eintretend, wenn das Collinet ist, werden wir lachen.

Sie warteten in der Dunkelheit, das Gesicht an den Fenstern: der Mann schien immer noch den Palast zu prüfen.

– Die Silhouette und die Haltung sind wirklich die des langen Schlingels.

– Und was wird aus der Seherin? fragte Lucioli.

– Ich habe ihre Hellsicht aufgehoben: sie schläft ruhig.

– Da kommt Paolo, rief Leonora.

– Oh, sagte Merodach, der Streit beginnt.

– Er verteidigt sich nicht, bemerkte Lucioli; Ihr Diener schreit und schlägt.

– Da bleiben die Vorübergehenden stehen.

– Die Gruppe bildet sich.

– Und die Karabiniere kommen.

– Man führt sie beide fort.

– Paolo hat Gold, Paolo wird entwischen. Wir können die Lampen wieder anzünden.

– Wie gut sie schläft, ohne sich um unsere Erregungen zu kümmern, sagte Lucioli, sich der Somnambule nähernd.

– Schwester Maria von Gonzaga, fragte der Magier, sagen Sie mir, warum die Anstrengungen des mezzo santo und meine eigenen in Rom ihr Ziel nicht erreicht haben.

– Die Zeit war nicht erfüllt … Es wird viel später sein … und nicht durch Sie … durch Ihre Schüler … Sie haben der Zeit vorauseilen wollen … man eilt der Zeit nicht voraus.

– Ich möchte wissen, fragte Lucioli, welche Art von Tod mich bedroht.

– Sie haben gesagt, mein Kind, daß der Kardinal sterben wird: wie wird er sterben?

– Er wird Gift trinken, das ein Pater mischt.

– Warum werden die Patres dies Verbrechen begehen?

– Weil einer von ihnen, der einen verstorbenen Kardinal gekannt hat, heute nacht ein Manuskript stehlen lassen wird, in dem das, was Sie wollten, durch die Mittel erklärt wird, deren Sie sich selbst bedienen.

– Aber, rief Merodach, die Patres wissen nicht, wo sich das Manuskript befindet.

– Sie wissen es durch den Jesuiten, der den Kardinal gekannt hat.

– Warum wird dieses Manuskript sie veranlassen, den Kardinal zu töten?

– Weil sie glauben werden, der Kardinal könne das tun, was darin geschrieben steht.

– Was muß der Kardinal machen, um sich zu schützen?

– Nicht nach Hause zurückkehren und Italien verlassen; aber er wird seinem Schicksal nicht entgehen, denn er ist eigensinnig …

Leonora erhob sich: man klopfte an das Vorzimmer. Sie ging, sorgfältig die Tür schließend.

Als sie wieder eintrat, war sie bleich.

– Meine Herren, es war wirklich Pater Collinet: er wurde mit Paolo fortgeführt und sitzt zu dieser Stunde auf der Wache in der Via Condotti, um dort die Nacht zu verbringen.

– Oh, sagte die Nonne, Pater Collinet ist ersetzt worden; aber man hat das Licht gesehen, die einzige Sorge für die, welche fortgehen müssen, ist, daß sie beobachtet und verfolgt werden.

Leonora ging in den dunklen Saal und sah durchs Fenster: ein neuer Wächter war aufgetaucht.

– Eminenzen, die Gesellschaft Jesu hat Posten, die sich ablösen: das ist der Krieg!

Rusticoli wollte sehen, Lucioli auch.

In diesem Augenblick hörte man ein bestimmtes Geräusch von Stimmen und Schritten: die sieben Verschworenen und Fredi trafen ein.

– Merodach, das Spiel ist verloren, sagte Leonora.

Der Magier senkte den Kopf.

– Ich, erklärte Rusticoli, ich würde geben, ich weiß nicht was, wenn ich Collinet den guten Dienst leisten könnte, ihn von der Wache zu holen. In diesem Spiel können wir nur noch die Ruhe verlieren, und die Seherinnen, wenn sie uns nur den Mißerfolg sehen lassen!!!

Er hatte seinen Wagen gehört.

– Kommen Sie, Lucioli, drängte Rusticoli mit einem Ton, der sich nur noch um die Sicherheit beunruhigte.

Eine allgemeine Bestürzung herrschte in dem großen Salon. Die Kardinäle grüßten Merodach und Alta kalt: ein Abgrund von Groll trennte sie von ihnen; als entschiedene Gegner gingen sie, da sie sich für angeführt hielten.

– Wie, gestern noch um diese Zeit war die Tiara in unsern Händen, und heute sind wir weit davon entfernt? Ein Jesuit hat genügt, um diesen erhabenen und zerbrechlichen Bau umzustürzen.

Alta, der stumm geblieben war, sagte:

– Wir haben mit solch feigen Geschöpfen zu tun gehabt, wie die waren, die gingen: Lucioli hatte Furcht, und Rusticoli auch. Die Art dieser Seelen taugt nichts in stolzen Kämpfen.

– Ja, sagte Leonora, sie hatten Furcht, aber sie sind auch wütend! Ich muß es Ihnen sagen: die Seherin hat alles verdorben. Die Kardinäle haben geglaubt, es sei der Teufel, versichere ich Ihnen.

– Vertrauen Sie Tammuz keinen Auftrag an, schloß sie. Ich bin nicht feige und es liegt mir daran, daß er Ihnen gefällt, aber ich liebe.

– Ich bürge für Tammuz und Ihr Heldentum wird morgen zu Ende gehen, Leonora! Sie geben einen Abend, der das Nachspiel der Verschwörung sein wird: ich allein lade ein.

– Ich streite nicht: ich bin die wahre Verbündete! Und die Seherin? …

– Sie wird ins Erdgeschoß kommen, um mit uns zu arbeiten; dann wird man sie in ihr Zimmer führen; und morgen wird der Kardinal de Castro sie in ein sicheres Kloster bringen lassen.

– Ich habe auf dem Rande Ihrer Dichtung das Glück gefunden, sagte Leonora und streckte Alta und Merodach ihre Hände hin.


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