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Zweiter Artikel.
Über die Nothwendigkeit des Studiums der Religion.

Möchten doch die Feinde der Religion, Man braucht nicht in so herrischem Tone zu beginnen. ehe sie dieselbe bekämpfen, wenigstens sich bemühen, ihr Wesen kennen zu lernen. Dieser Satz veranlaßte Voltaire zu seiner bissigen Bemerkung über Pascal: »Was gewisse Leser am meisten empört ist der despotische, verächtliche Ton, womit er anfängt«. – Rühmte sich diese Religion einer vollkommenen Gotteserkenntnis, einer Erkenntnis, die sie unverhüllt und unverschleiert besäße, Sie wäre sehr kühn. so könnte man sie bekämpfen durch den Nachweis, daß nichts in der Welt die Existenz Gottes mit Evidenz darthue. Da sie nun aber im Gegentheil lehrt, die Menschen lebten dahin in Finsternis und Gottentfremdung; Das ist eine nette Art zu belehren. Folge mir, denn ich schreite im Finstern. Gott habe sich ihrer Erkenntnis entzogen; der Name gerade, den er sich selbst in der Schrift gebe, sei: Deus absconditus; da sie ferner gerade diese beiden Thatsachen gleicherweise zur Anerkennung bringen will: daß nämlich einerseits Gott der Kirche sichtbare Zeichen verliehen habe, um sich von denen, welche ihn aufrichtig suchen, finden zu lassen; daß er sie trotzdem andererseits so verhüllt habe, daß nur die ihn finden können, die ihn von ganzem Herzen suchen: was kann es ihnen, nachdem sie so beiläufig eingestanden sie suchten auch die Wahrheit, da wohl nützen, zu schreien: nirgends sei die Wahrheit zu finden? Denn gerade diese ihre Unwissenheit, welche sie der Kirche zum Vorwurf machen, bestätigt ja nur eine jener Behauptungen, ohne die andere zu verletzen, begründet, weit entfernt sie umzustoßen, die Kirchenlehre nur aufs neue.

Wollten sie sie bekämpfen, so müßten sie schreien: mit Aufwand aller unserer Kräfte haben wir sie zu finden gesucht, selbst in den Mitteln, welche die Kirche dazu darbietet, aber alles ohne befriedigenden Erfolg. Sprächen sie so, würden sie in der That eine ihrer Prätensionen in Frage stellen. Indeß hoffe ich hier nachzuweisen, daß kein vernünftiger Mensch so sprechen kann, ja ich behaupte sogar, kein Mensch hat es je gethan. Man weiß ja zur Genüge, wie solche Geisteskinder es machen. Sie glauben zu ihrer Belehrung schon reichlich gethan zu haben, wenn sie einige Stunden auf die Lectüre der Schrift verwendet und wenn sie den oder jenen Geistlichen über die Glaubenswahrheiten befragt haben. Hinterher rühmen sie sich, gleich erfolglos Bücher und Menschen durchforscht zu haben. Wahrlich, diesen Leuten muß ich sagen, was ich schon oft ausgesprochen habe: eine solche Nachlässigkeit ist nicht zu ertragen. Es handelt sich hier nicht um eine nebensächliche Angelegenheit einiger Fremden: es handelt sich um uns selbst und um unser alles.

Die Unsterblichkeit der Seele ist für uns von so hervorragender Bedeutung, greift so tief in unsere ganze Lebenslage, daß nur eine völlige geistige Unempfindlichkeit sich gegen den Inhalt dieser Lehre gleichgiltig verhalten kann. All' unser Thun und all' unser Denken wird mit einem Schlage verändert, je nachdem wir ein ewiges Heil erhoffen oder nicht; nehmen wir diese Aussicht, den Hauptsatz unserer Lebensanschauung, nicht zum Maßstabe, so ist es unmöglich irgend etwas mit vernünftigem Urtheil zu unternehmen. Es handelt sich hier nicht mehr um die Erhabenheit und Heiligkeit der christlichen Religion, sondern um die Unsterblichkeit der Seele, die die Grundlage aller bekannten Religionen außer der jüdischen ist; ich sage außer der jüdischen, weil dieser Glaubenssatz an keiner Stelle des Pentateuchs, dem Buche des jüdischen Gesetzes, ausgesprochen ist; weil kein jüdischer Autor darin eine Stelle hat finden können, welche diesen Glaubenssatz andeutete; weil es zur Anerkennung der Existenz dieser so wichtigen und grundlegenden Lehre nicht genügt, sie vorauszusetzen, sie in einige Worte, deren natürlichen Sinn man zwingt, hineinzulegen: sie muß vielmehr auf die positivste und klarste Weise ausgesprochen sein. Denn wenn die kleine jüdische Nation von diesem bedeutenden Glaubenssatze vor Antiochus Epiphanes einige Erkenntnis gehabt hätte, so ist es unglaublich, daß die Schule der Sadducäer, strenger Beobachter des Gesetzes, gewagt habe, sich gegen den fundamentalen Glaubenssatz des jüdischen Gesetzes aufzulehnen.
Aber was thut es, zu welcher Zeit die Lehre von der Unsterblichkeit und Geistigkeit der Seele in das unglückliche Land Palästina eingedrungen ist? Was thut es, daß Zoroaster den Persern, Numa den Römern, Plato den Griechen die Existenz und ewige Dauer der Seele vorgetragen haben? Pascal will, daß jeder Mensch aus seiner eigenen Vernunft heraus dieses wichtige Problem löse. Aber kann er es selbst? Hat Locke, der weise Locke nicht bekannt, daß der Mensch nicht wissen könne, ob Gott nicht das Geschenk des Gedankens einem solchen Wesen zutheilen könne, das zu erwählen er verschmähen wird. Hat er dadurch nicht zugestanden, daß es uns ebenso wenig gegeben zur Erkenntnis der Beschaffenheit unserer Urtheilskraft, als zur Erkenntnis der Art und Weise, wie sich das Blut in unseren Adern bildet. Jescher hat gesprochen; es genügt.
Wenn es sich um die Seele handelt, so muß man Epicur, Lucrez und Pomponatius bekämpfen und sich nicht von einer Theologenpartei der Vorstadt Saint-Jacques unterkriegen lassen, bis ein Archimedeskopf mit einer Kapuze bedeckt ist.

Unser Hauptinteresse und unsere Hauptpflicht muß es also sein, uns über diese Frage, von der unser ganzes Verhalten abhängt, Klarheit zu verschaffen. Deshalb muß man auch unter denen, welche nicht davon überzeugt sind, sorgfältig unterscheiden diejenigen, welche ernstlich bestrebt sind, sich zu belehren, und diejenigen, welche gleichgiltig, ohne sich die Mühe zu geben darüber nachzudenken, dahinleben.

Ich kann Mitleid haben mit denen, welche unter diesem Zweifel, den sie als das größte Unheil betrachten, aufrichtig seufzen, und nicht nur keine Mühe scheuen, sich von ihm zu befreien, sondern diese Untersuchung zu ihrer hauptsächlichen, ernstesten Beschäftigung machen. Mit denjenigen dagegen, welche dahinleben, ohne an das Endziel ihres Lebens zu denken; welche aus dem einzigen Grunde, weil ihr eignes bißchen Vernunft sie nicht überzeugt, es nicht für nöthig halten, andere Hilfsquellen zu suchen, und gründlich zu prüfen, ob es sich hier um das Gerede einer naiv-abergläubigen Volksmenge, oder um eine Frage handle, die an sich dunkel dennoch eine sehr berechtigte, greifbare Grundlage hat; – diejenigen sehe ich mit ganz anderen Augen an. Diese Gleichgiltigkeit in einer Sache, wo es sich um sie selbst, um ihre ewige Fortdauer, um ihr alles handelt, reizt mich mehr zu Zorn als zu Mitleiden; sie setzt mich in Erstaunen und Schrecken; sie ist für mich eine Ungeheuerlichkeit. Ich sage dies nicht in heiligem Eifer geistlicher Frömmigkeit. Ich behaupte im Gegentheil, daß die Eigenliebe, daß die Selbstsucht, daß der gesunde Menschenverstand uns solche Gefühle eingeben muß. Man braucht dazu nicht klüger zu sein, als die einfachsten, gewöhnlichsten Alltagsmenschen.

Wahrlich der beschränkteste Geist vermag einzusehen, daß es auf Erden für uns keine wahrhaft dauernde Befriedigung giebt; daß all' unsere Freuden eitel Vergänglichkeit, unsere Leiden dagegen Unendlichkeit; daß schließlich der Tod, der uns stündlich bedroht, in wenig Jahren, vielleicht in wenig Tagen uns ewige Seligkeit, ewige Verdammnis, oder ewige Vernichtung bringen muß. Es gab keine ewige Verdammnis noch Vernichtung in den Systemen der Brahmanen, der Egypter und mancher griechischer Schulen. Was den Römern endlich am wahrscheinlichsten däuchte, war jener im Senat und Theater so oft wiederholte Satz: »Was wird aus den Menschen nach dem Tode? Was er vor seiner Geburt war.« Pascal argumentirt hier gegen einen schlechten Christen, gegen einen gleichgiltigen Christen, der gar nicht an seine Religion denkt, der sich gegen sie verstockt. Aber man muß zu allen Menschen reden, man muß Chinesen und Mexicaner, Deisten und Atheisten überführen. Ich meine Deisten und Atheisten die vernünftig denken, die es also verdienen, daß man mit ihnen vernünftig denkt; ich meine keine Modeherren. Zwischen uns und dem Himmel, der Hölle oder dem Nichts liegt nur das Leben, das vergänglichste Etwas auf Erden; und da sicherlich der Himmel für diejenigen nicht geschaffen ist, die an der Unsterblichkeit ihrer Seele zweifeln, so wartet auf sie nur die Hölle, oder das Nichts.

Nichts ist gewisser als dies, nichts schrecklicher. Bildet Männer, so viel ihr wollt: dies Ende steht dem edelsten Leben der Welt bevor.

Vergebens wenden sie ihre Gedanken von der Ewigkeit, die auf sie wartet, ab; gerade als ob sie dieselbe aufheben könnten, wenn sie sie nicht dächten. Sie besteht trotz ihnen, sie kommt näher; und durch die Pforte des Todes treten sie über kurz oder lang unfehlbar der schrecklichen Nothwendigkeit gegenüber: ewig vernichtet oder ewig verdammt zu sein.

Welch' unheilvoller Zweifel in seinen Folgen; gewiß zwar ist es furchtbar in diesem Zweifel zu leben, umsomehr ist es für alle, die sich darin befinden, ausnahmslos Pflicht um Rath zu fragen. Der also, der da zweifelt und nicht fragt ist beides, ungerecht und unselig. Wer sich mit diesem Glaubensbekenntnis beruhigt und befriedigt fühlt, ja sich etwas darauf einbildet, wer gerade aus einem solchen Zustande seine nichtigen Freuden schöpft: ich finde keine Worte, solch' ein verirrtes Geschöpf zu bezeichnen.

Wie kann man nur zu solchen Gedanken kommen? Giebt es denn keine größere Freude, als die Aussicht auf heilloses Elend? Ist denn das ein Grund zur Eitelkeit, sich in unaufhellbarer Finsternis zu befinden? Welch' ein Trost, nie einen Tröster zu erwarten?

Es ist etwas ungeheuerliches, daß man sich mit dieser Unwissenheit beruhigen kann, und um diejenigen, welche in ihr dahinleben, durch den Anblick ihrer eigenen Thorheit zu beschämen, muß man ihnen die ganze Thorheit dieser Verirrung zum Bewußtsein bringen, indem man ihnen einmal klar macht, wie es eigentlich mit ihren Gedanken aussieht. Denn folgendermaßen etwa stellt sich der Gedankengang eines Menschen, der in seiner angeborenen Unwissenheit, ohne Aufklärung zu suchen, weiter zu leben beschließt.

»Ich weiß weder wie ich auf die Welt gekommen, noch was die Welt, noch was ich selbst. Schreckliche Unwissenheit über alles ist mein Loos. Ich kenne weder meinen Körper, noch meine Sinne, noch meine Seele: und gerade der Theil meines Wesens, welcher denkt, was ich ausspreche, und welcher über alle Dinge und über sich selbst Betrachtungen anstellt, kennt sich selbst eben so wenig, wie alles andre. Ich bin umgeben von der schwindelerregenden Unendlichkeit des Weltalls, und finde mich an einen Winkel dieses unendlichen Raumes gefesselt; vergebens frage ich, weshalb bin ich gerade an diesen Ort gestellt und nicht an einen andern; weshalb ist mir meine kurze Lebensspanne gerade jetzt statt zu irgend einer anderen Zeit der vergangenen oder zukünftigen Ewigkeit angewiesen? Ich bin ein verschwindendes Atom in lauter Unendlichkeiten, ein Schatten der da kommt und verschwindet auf ewig. Nur eins weiß ich sicher: ich muß bald sterben; und doch ist gerade das, was ich am wenigsten weiß, dieser unvermeidliche Tod.«

»So wenig wie meinen Ursprung, kenne ich meine Endbestimmung; nur das steht fest: scheide ich von dieser Welt, so sinke ich für immer entweder in das Nichts oder in die Gewalt eines erzürnten Gottes; welchem von beiden ich aber auf ewig anheimfalle, ist mir wieder unbekannt.« Wenn ihr nicht wißt, wohin ihr geht, wie könnt ihr wissen, daß ihr unfehlbar entweder dem Nichts oder den Händen eines erzürnten Gottes anheimfallt? Wer hat euch gesagt, daß das höchste Wesen erzürnt sein kann? Ist es nicht unendlich viel wahrscheinlicher, daß ihr in die Hände eines guten und barmherzigen Gottes gelangen werdet? Und kann man nicht von der göttlichen Natur sagen, was der Dichterphilosoph der Römer davon gesagt?
»Ipsa suis pollens opibus, nihil indiga nostri,
Nec bene proneris capitur, neque tangitur ira«.
Lucr. libr. 2, v.649.

»So bin ich beschaffen, voller Elend, voller Schwäche und hilfloser Unwissenheit. Und weil das so ist, thue ich doch wohl am klügsten meine Lebenszeit zu genießen, ohne über das, was mich dereinst betreffen wird, nachzudenken; meinen Neigungen ohne Bedenken und Scrupel zu folgen, und alles Nöthige zu thun, um ewiger Verdammnis anheim zu fallen, vorausgesetzt, daß die Meinungen darüber sich bewahrheiten. Es ist ja möglich, daß ich mir über manchen Zweifel Klarheit verschaffen könnte, aber wozu soll ich mir die Mühe und die Umstände machen: ich sehe mit Verachtung auf diejenigen herab, welche sich mit dieser Sorge herumschleppen und will ohne Vorbereitung und Furcht jenes große Ereignis herankommen, und ohne etwas von meiner ewigen Zukunft zu wissen, mich dem Tode gemächlich zuführen lassen.«

Wahrlich es ist ein Ruhm für die Religion, solche Thoren zu Feinden zu haben; ihre Feindseligkeit ist derselben auch keineswegs gefährlich, dient im Gegentheil dazu die Wahrheit ihrer Grundlehren zu bestätigen. Denn der christliche Glaube will hauptsächlich nur diese beiden Sätze zur Geltung bringen: die Sündhaftigkeit der menschlichen Natur und die Erlösung durch Jesum Christum. Dienen sie nun nicht dazu die Erlösung zu bezeugen durch die Heiligkeit ihres Wandels, so dienen sie wenigstens in ganz hervorragendem Maßstabe dazu, durch ihre unnatürlichen Gedanken die Sündhaftigkeit der menschlichen Natur zu beweisen.

Nichts ist für den Menschen von größerer Wichtigkeit, als seine Lebenslage; nichts ist ihm furchtbarer als die Ewigkeit. Giebt es nun Menschen, welche auf die Gefahr ewiger Verdammnis hin gleichgiltig sind gegen den Verlust ihres Lebens, so ist das nicht mehr natürlich. In allen anderen Dingen sind sie ganz andere Menschen: sie sind ängstlich in Nebensachen, überlegen sie mit Vorsicht und Umsicht, und derjenige Mensch, welcher wegen eines verlorenen Postens oder wegen irgend einer eingebildeten Ehrverletzung Tage lang in wüthendster Verzweiflung ist, ist eben derselbe, der zwar weiß, daß er durch den Tod alles verliert, dennoch aber weder Unruhe, noch Schrecken und Aufregung empfindet. Diese sonderbare Unempfindlichkeit für die größten Schrecknisse, in einem Herzen, das für Nebensächlichkeiten so empfindlich ist, das ist etwas ungeheuerliches; es ist ein unbegreiflicher Zauberschlaf und eine unmenschliche Sorglosigkeit.

Wenn ein Gefangener nicht weiß ob er begnadigt ist, und hat nur eine Stunde Zeit es zu erfahren, und diese Stunde genügt, seine Begnadigung wieder rückgängig zu machen, so ist es unnatürlich diese Stunde nicht sich seiner Begnadigung zu vergewissern, sondern zu Spiel und Zerstreuung zu benutzen.

Jene Menschen sind in derselben Lage, nur mit dem Unterschiede, daß ihnen ganz anderes Unheil droht, als der einfache Verlust des Lebens und eine kurze Freiheitsstrafe, wie jenem Gefangenen. Nichtsdestoweniger stürzen sie sich ruhig, und um ihn nicht sehen zu müssen, mit verbundenen Augen in den Abgrund und beklagen sich über diejenigen, welche sie warnen.

So bezeugt nicht nur der Eifer derer, die Gott suchen, die Wahrheit der Religion, sondern auch die Verblendung der Gottesverächter, welche in dieser heillosen Unbekümmertheit ruhig dahinleben. Die menschliche Natur muß auf die sonderbarste Weise in ihr Gegentheil verkehrt sein, um ein solches Leben ertragen, ja damit prahlen zu können. Denn wenn sie auch ganz sicher wüßten, daß sie nach dem Tode nichts weiter als das Nichts zu fürchten brauchten, wäre das nicht vielmehr ein Grund zur Verzweiflung als zur Prahlerei? Nun sie es aber nicht wissen, ist es da nicht eine unbegreifliche Thorheit, sich aus diesem Zweifel ein Verdienst zu machen?

Dennoch ist der Mensch in der That so entartet, daß gerade dies in sein Herz den Samen der Freude streut. Diese rohe Unempfindlichkeit, während uns von der einen Seite die Hölle, von der andern das Nichts droht, erscheint den Menschen so reizend, daß nicht nur diejenigen, welche wirklich in ihren Zweifeln unglücklich sind, sich damit brüsten, sondern daß auch Leute, die nichts davon verstehen, sich so zu stellen für ruhmvoll halten. Die Erfahrung lehrt, daß die meisten von denen, welche sich mit solchen Fragen befassen, zu der letzteren Kategorie gehören; daß es Heuchler sind, welche sich anders zeigen, als sie sind. Es sind Menschen, welche gehört haben, daß es feine weltliche Manier ist, so vorschnell zu handeln. Diese Capuzinade wäre nie von einem Pascal wiederholt worden, wenn nicht der jansenistische Fanatismus seine Einbildungskraft behext hätte. Wie hat er nicht einsehen mögen, daß die Fanatiker Roms dasselbe von denen hätten sagen können, die über Numa und Egeria spotteten? Die Besessenen Egyptens von den vernünftigen Geistern, welche Isis, Osiris und Horus verlachten? Der Messner aller Länder von den Edelleuten aller Länder? Und das nennen sie dann: Befreiung vom Joche und die meisten machen es den anderen nur nach.

Aber wenn sie auch nur noch etwas gesunden Menschenverstand haben, so kann man ihnen mit Leichtigkeit zeigen, wie sehr sie sich täuschen, wenn sie meinen auf diese Weise sich Achtung verschaffen zu können. Das ist nicht das Mittel dazu, selbst nicht unter Weltmenschen, welche ein gesundes Urtheil haben und welche wissen, daß das einzige Mittel in der Welt sein Glück zu machen darin besteht, ehrenhaft, treu, urtheilsfähig und seinen Freunden nützlich zu erscheinen; denn die Menschen lieben natürlich nur ihren eigenen Nutzen. Was aber nützt es uns, von einem Menschen zu hören, er habe das Joch abgeschüttelt; er glaube nicht, daß ein Gott seine Handlungen überwache; er sei alleiniger Herr seines Wandels; er werde nur sich selbst davon Rechenschaft ablegen? Glaubt er uns dadurch etwa bewogen zu haben, in Zukunft volles Vertrauen auf ihn zu setzen, von ihm Trost, Rath und Hilfe in allen Bedrängnissen des Lebens zu erwarten? Glaubt er uns etwa durch die Mittheilung, er zweifle, daß unsere Seele etwas anderes sei, als ein wenig Luft und Rauch, eine besondere Freude gemacht zu haben, zumal wenn er sie macht im Tone stolzer Selbstgefälligkeit? Erzählt man denn so etwas mit Vergnügen und nicht vielmehr mit Bekümmernis, wie die größte Trübsal der Welt?

Wenn sie ernsthaft nachdächten, würden sie bald merken, daß ihr Benehmen so thöricht, so gegen alle Vernunft, so wider allen Anstand, und in jeder Beziehung so weit entfernt ist von dem guten Ton, den sie anschlagen wollen, daß nichts sie den Menschen so sehr verächtlich und widerwärtig machen, und nichts sie so sehr als geistlos und urtheilsunfähig hinstellen müsse, als gerade dies. Und in der That, wollte man sie wegen ihrer Überzeugungen und der Gründe wegen, weshalb sie an der Religion zweifeln, zur Rechenschaft ziehen, sie würden so schwache, nichtssagende Beweise vorbringen, daß sie vielmehr vom Gegentheil überzeugen würden. Ihr müßt aber nicht gegen jene verächtlichen Thoren disputirend Vorgehen, sondern gegen die Philosophen, die sich durch verführerische Argumente haben täuschen lassen. Gerade wie ihnen dies jemand einmal recht schlagend sagte: »Werdet Ihr noch länger so reden, sagte er, werdet Ihr mich wahrhaftig bekehren«. Und mit Recht; denn wer würde ohne Grauen einer Weltanschauung angehören, in welcher er so verächtliche Burschen zu Genossen hätte?

Wie unglücklich sind diese Art Heuchler, die ihr Naturell unterdrücken, um sich unausstehlich zu machen. Wenn sie von Herzensgrund über ihr geringes Wissen betrübt sind, wozu sollen sie das verbergen. Ein offenes Bekenntnis bringt keine Schande. Nur das Gegentheil ist schändlich. Nichts zeugt mehr von der sonderbarsten Geistesarmuth, als wenn man das Unglück eines gottlosen Menschen nicht in seinem ganzen Umfange erkennen will. Nichts kennzeichnet mehr ein niedriges, gemeines Herz, als wenn man nicht wünscht, die ewigen Verheißungen möchten wahr sein.

Nichts ist niederträchtiger, als ehrliche Menschen Gott zu entfremden. Möchten sie solch' gottloses Beginnen doch Leuten überlassen, die schlecht und verderbt genug sind, so etwas wirklich übers Herz bringen zu können; möchten sie wenigstens achtbare Menschen sein, wenn sie auch noch keine Christen sein können; möchten sie endlich doch auch anerkennen, daß es nur zwei Arten vernünftiger Menschen giebt: diejenigen, welche Gott von ganzem Herzen dienen, weil sie ihn kennen; und diejenigen, welche ihn von ganzem Herzen suchen, weil sie ihn noch nicht erkannt haben.

Für diejenigen, welche Gott aufrichtig suchen, welche ihr Elend fühlen und wahrhaft nach Erlösung seufzen, ist es Pflicht zu sorgen, ihnen in ihrer Finsternis den Weg zum Lichte zu zeigen.

Diejenigen dagegen, welche Gott weder kennen noch suchen, die sich ihrer eigenen Sorge für so wenig werth halten, daß sie der Sorge anderer um sie gänzlich unwerth sind: denen gegenüber muß man von der ganzen langmüthigen Liebe der Religion, die sie verachten, erfüllt sein, um sie nicht selbst zu verachten und in ihrer Thorheit zu verlassen. Da aber diese Religion uns verpflichtet, sie, so viel ihrer sein mögen, stets als Kinder der Gnade und als solche, die bekehrt werden können, zu betrachten; da wir glauben müssen, daß sie vielleicht in kurzer Zeit größeren Glauben haben als wir; daß wir umgekehrt ihrer Verblendung verfallen können: so müssen wir für sie thun, was wir in unserer Lage für uns gethan wünschen würden: wir müssen sie beschwören, mit sich selbst Mitleid zu haben, und wenigstens einmal einen Versuch zu machen, ob sie nicht doch noch Licht und Aufklärung finden möchten. Möchten sie einige Stunden, die sie sonst so unnütz verschleudern, an die Lectüre dieses Werkes wenden. Vielleicht könnten sie einiges darin finden, jedenfalls verlieren sie nicht viel. Diejenigen aber, welche aufrichtig, ohne Vorurtheil und mit ungeheucheltem Durst nach Wahrheit an die Lectüre dieses Buches herangehen, werden, hoffe ich, damit zufrieden sein, und werden sich von den darin enthaltenen Beweisen für eine so göttliche Religion überzeugen lassen.


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