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6. Kapitel

Zweimal im Verlaufe des nächsten Tages war Doktor Relling in der Villa Carla gewesen, um nach seinem Patienten zu sehen. Wenn auch von einer entscheidenden Wendung zum Besseren naturgemäß noch nicht die Rede sein konnte, so durfte doch schon der Umstand, daß Mr. Stounton die unmittelbaren Folgen des Unfalles und der eingreifenden Operation glücklich überstanden hatte, als ein günstiges Zeichen gedeutet werden, und als ein Beweis, daß Doktor Rellings Vertrauen in die starke Konstitution des jungen Mannes ein berechtigtes gewesen war. In diesem Sinne äußerte sich auch Professor Heller, einer der berühmtesten Chirurgen, der gegen Abend in Begleitung eines Attachés von der britischen Botschaft eingetroffen war und sogleich eine eingehende Untersuchung des Verunglückten vorgenommen hatte. Mit unverhohlener Bewunderung für den Scharfblick und die Geschicklichkeit seines jungen Kollegen sprach der gefeierte Arzt sein volles Einverständnis aus mit allem, was Doktor Relling getan und angeordnet hatte.

»Ich selbst würde genau so verfahren sein wie Sie,« sagte er im Tone vollster Aufrichtigkeit, »und ich bin überzeugt, daß der Patient sich auch weiterhin in keinen besseren Händen befinden könnte als in den Ihrigen. Sie werden ja keine leichte Aufgabe haben, ihn durchzubringen, aber wenn es Ihnen gelingt, dürfen Sie mit Recht stolz sein auf Ihren Erfolg.« Er erklärte sein längeres Verweilen für vollkommen überflüssig und sprach den Entschluß aus, noch am nämlichen Abend nach Berlin zurückzukehren.

Eine halbe Stunde nach dem Konsilium, das in einem Zimmer der Villa stattgefunden hatte, empfing Doktor Relling den Besuch des englischen Attachés, der sich über die weiter zu treffenden Dispositionen mit ihm ins Einvernehmen zu setzen wünschte. Aus seinem Munde erfuhr Relling zunächst, daß auf das Eintreffen von Angehörigen des Verunglückten für einen der nächsten Tage noch kaum zu rechnen sei. Denn man hatte auf die nach England gerichtete telegraphische Mitteilung die Antwort erhalten, daß sich Lord Tarkington mit seiner Gemahlin und der Verlobten seines jüngeren Sohnes vorgestern auf seiner Vergnügungsyacht zu einer längeren Seefahrt eingeschifft und daß man augenblicklich keine Möglichkeit habe, ihn zu benachrichtigen und erst das Einlaufen der Yacht in einen Hafen abwarten müsse, um ihn von dem Vorgefallenen zu verständigen.

»Darüber kann möglicherweise eine Woche und mehr vergehen,« sagte der Attaché, »und während dieser Zeit ist es natürlich Sache der Botschaft, für den bedauernswerten jungen Mann Sorge zu tragen. Der Botschafter selbst ist gegenwärtig beurlaubt, und er hat mich beauftragt, statt seiner nach meinem Ermessen zu disponieren. Ich hatte gehofft, daß wir Mr. Stounton nach Berlin oder doch wenigstens in die Klinik der nächstgelegenen Universitätsstadt würden überführen können. Herr Professor Heller aber erklärt diese Möglichkeit vorläufig für ausgeschlossen, und so befinde ich mich in einer nicht geringen Verlegenheit. Zwar was die ärztliche Behandlung anbetrifft, darf ich nach der glänzenden Anerkennung, die Ihnen der Professor aussprach, ja ohne alle Sorge sein. Aber ich möchte nun auch von Ihnen erfahren, ob Sie es im Interesse des Kranken für zweckmäßig halten, daß wir ihn an seinem jetzigen Aufenthaltsort belassen. Die Damen, die sich seiner so menschenfreundlich angenommen, haben mir in liebenswürdiger Weise ihre Bereitwilligkeit erklärt, ihn zu verpflegen, bis er transportfähig geworden sein wird. Bei der Schwere der Verantwortlichkeit indessen, die auf meinen Schultern liegt, könnte ich dieses großmütige Anerbieten nur dann annehmen, wenn ich eine gewisse Bürgschaft dafür hätte, daß es so zum Besten meines armen Freundes ist.«

»Ich meine, diese Bürgschaft liegt schon in der Tatsache, daß wir vorläufig nicht daran denken könnten, den Patienten an einen anderen Ort zu bringen. Außerdem aber gäbe es hier in der Stadt wohl kaum ein Haus, wo er besser aufgehoben sein würde, als in der Villa Carla.«

»Sie sind mit den Bewohnern derselben näher bekannt, Herr Doktor?«

»Das nicht gerade. Ich bin mit den Damen aus Anlaß dieses Unglücksfalles zum erstenmal in Berührung gekommen. Aber nach allem, was sie bisher für den jungen Mann getan haben, zweifle ich nicht, daß sie auch weiterhin so gut für ihn sorgen werden, als es überhaupt in Menschenkräften steht.«

»Lord Tarkingtons Dankesschuld wird da eine sehr große und schwer zu tilgende sein. Denn eine Entschädigung, wie sie unter anderen Verhältnissen bei der Wohlhabenheit des Lords gewiß im reichsten Maße gewährt werden würde, ist nach den Eindrücken, die ich gewonnen, dort ja wohl kaum am Platze.«

»Dieser Ansicht bin ich freilich auch, obwohl ich, wie gesagt, die Verhältnisse der Damen nicht kenne. Aber ich meine, das ist ein Punkt, über den wir uns jetzt nicht weiter den Kopf zu zerbrechen brauchen. Der Gedanke an eine Belohnung irgendwelcher Art ist sicherlich nicht bestimmend für die menschenfreundliche Handlungsweise des Fräulein von Lindow gewesen. Und wir dürfen es schließlich dem Taktgefühl Lord Tarkingtons überlassen, wie er sich nach dieser Richtung hin mit der Wohltäterin seines Sohnes später abzufinden gedenkt. Wenn ich Sie recht verstanden habe, erwähnten Sie vorhin auch der Braut des jungen Stounton. Er ist also verlobt?«

»Ja, mit einer entfernten Verwandten, einer sehr anmutigen und reichen jungen Dame. In einigen Monaten sollte die Hochzeit stattfinden, und ich kann nur mit innigstem Mitleid an die schmerzliche Wirkung denken, welche die Unglücksbotschaft auf Miß Carewe hervorbringen wird.«

Ohne daß er sich über die Ursache dieser Empfindung hätte Rechenschaft ablegen können, fühlte sich Relling durch die Mitteilung von dem Verlöbnis seines Patienten angenehm berührt. Die seltsame Regung, die Herta von Lindows warmes Interesse für ihren Schützling in seinem Herzen wachgerufen – eine Regung, der er selbst hätte den Namen der Eifersucht geben müssen, wenn er es nicht geflissentlich vermieden hätte, sich über ihre Natur Rechenschaft zu geben – sie kam durch diese Mitteilung zum Schweigen. Er hatte sich heut vorgenommen, Herta auf Grund seiner ärztlichen Autorität so lange als möglich von dem Krankenbette des jungen Engländers fern zu halten. Natürlich in der ehrlichen Überzeugung, damit nur seine Pflicht zu tun. Als er nun aber nach der Verabschiedung des Attachés noch einmal zur Villa Carla emporstieg und als er beim Betreten des Krankenzimmers gewahrte, daß Schwester Monika sehr angegriffen und erschöpft aussah, erteilte er ihr ohne weiteres die Erlaubnis, sich vorübergehend von einer der Damen des Hauses in der Wartung des Patienten vertreten zu lassen, falls sie sich etwa dazu bereit erklären würden.

Herta selbst hatte er heute bei keinem seiner Besuche zu Gesicht bekommen, und es war jedesmal etwas wie ein fatales Gefühl der Enttäuschung in ihm gewesen, wenn er die Villa hatte verlassen müssen, ohne ihr begegnet zu sein. Vielleicht hatte diese Enttäuschung einen sehr wesentlichen Anteil an der üblen Laune, mit der er während des Abendessens seiner Base Elisabeth gegenübersaß. Die gestrige Unterhaltung hatte ohnedies etwas wie eine unsichtbare Schranke zwischen ihnen aufgerichtet, über die ersichtlich keines von ihnen mehr hinwegkommen konnte. Wo sie sich zufällig trafen, waren sie zumeist stumm oder mit irgendeinem gleichgültigen Wort aneinander vorübergegangen. Und nun, da sie sich notgedrungen eine Weile gegenübersitzen mußten, wußten sie sich nichts zu sagen. Relling betrachtete die Tatsache ihrer bevorstehenden Trennung als etwas Unabänderliches, und er war eigentlich darüber erstaunt, wie rasch er sich an den Gedanken gewöhnt und mit ihm abgefunden hatte. Obwohl sie während des ganzen Tages mit derselben freundlichen Gelassenheit wie sonst um ihn besorgt gewesen war, hatte er doch die instinktive Empfindung, daß sie etwas in seinem Tun mißbilligte. Und es half ihm nichts, daß er sich über diese Empfindung mit dem Gedanken hinwegzusetzen suchte, wie wenig ihn im Grunde ihre Mißbilligung zu kümmern habe. Er fand es unbequem, dieses ernste Mädchengesicht mit den klaren, durchdringenden Augen auf sich gerichtet zu wissen, und da er nicht zweifelte, daß sein gestriges Eintreten für die Damen aus der Villa Carla die Ursache ihrer unausgesprochenen Unzufriedenheit sei, verdroß und reizte es ihn um so mehr, daß sie keine auf diese Damen bezügliche Frage tat. Er aß hastig, um das peinliche Beisammensein möglichst schnell zu enden und er war froh, als er sich, ohne geradezu unhöflich zu scheinen, vom Tisch erheben konnte.

Jetzt zum erstenmal brach Elisabeth das Schweigen.

»Wenn es dir nicht zu weit aus dem Wege ist, Walter, möchte ich dich bitten, morgen früh einmal bei den Wöhlerts vorzusprechen. Auf die Mitteilung hin, die von einer Nachbarin der Leute an unseren Verein gerichtet war, bin ich heute bei ihm gewesen. Und ich habe zu meiner Entrüstung alles bestätigt gefunden, was man uns über die unverantwortliche Handlungsweise des Ehepaares gegen seine Kinder gesagt hatte. Die Augenkrankheit des ältesten Mädchens hat sich infolge der sträflichen Vernachlässigung so verschlechtert, daß mir das arme Kind in Gefahr scheint, zu erblinden.«

Mit kaum verhehlter Ungeduld hatte Relling sie angehört. Und es war ihm vielleicht ganz recht, daß er dem Ärger, der an ihm nagte, auf irgendeine Weise Luft machen konnte.

»Ein Gesindel, das man mit Stumpf und Stiel ausrotten sollte«, brach er heraus. »Ich habe der Frau aufs dringendste eingeschärft, mich sofort zu benachrichtigen, wenn sich wieder eine Verschlechterung zeigen sollte. Wahrscheinlich fürchtet sie sich, mich rufen zu lassen, weil meine Verordnungen nicht befolgt worden sind.«

»Das ist allerdings sehr wahrscheinlich. Denn nach einigem Zögern gestand mir Frau Wöhlert zu, daß sie die Unterstützung, die ihr für die Pflege des kranken Kindes bewilligt worden war, zur Bestreitung der Ausgaben für ihren Haushalt hat verwenden müssen.«

»Nun, so mögen sie sich in des Teufels Namen nach einem anderen Arzt umsehen, oder sie mögen das Kind zugrunde gehen lassen. Ich bin nicht dazu da, meine Zeit für derartiges Volk nutzlos zu opfern.«

»Du solltest trotzdem hingehen, Walter, und solltest dem Mann ernstlich ins Gewissen reden. Denn an ihm allein liegt die Schuld. Ich weiß, daß er aus der Villa Carla sehr reichlich unterstützt wird – die Frau hat es mir selbst zugestanden – aber er vertrinkt und verspielt alles und überläßt es dem armen, kränklichen Weibe, sich und die Kinder durchzubringen, wie sie eben kann.«

»Aha, darauf soll es hinaus!« dachte Relling. Aber er fühlte sich nicht so sicher, wie am gestrigen Abend und eine gewisse unerklärliche Scheu hielt ihn ab, den Streit abermals aufzunehmen.

»Wenn ich dir damit einen Herzenswunsch erfülle, kann ich ja hingehen,« brummte er. »Aber es wird herzlich wenig nützen. Es ist eben leider eine Lücke in unseren gesellschaftlichen Einrichtungen, daß man solchen gewissenlosen Eltern ihre Kinder nicht einfach fortnehmen und sie selber ins Arbeitshaus sperren kann.«

»Es würde solcher drakonischen Maßregeln in diesem Falle wohl kaum bedurft haben. Wöhlert soll nach den Erkundigungen, die wir über ihn eingeholt haben, ein sehr geschickter Lithograph sein, dem es bei einiger Arbeitsamkeit ein leichtes wäre, sich und seine Familie anständig zu ernähren. Aber seine Trägheit und seine Lasterhaftigkeit werden durch die sinnlosen Wohltaten des Fräulein von Lindow ja geradezu gepflegt. Du könntest im Interesse der unglücklichen Kinder nichts Verdienstlicheres tun, als wenn du deine Beziehungen zu der Villa Carla benutzen wolltest, darin eine Änderung herbeizuführen.«

»Ich habe nicht die Gewohnheit, mich ungerufen in das Tun und Treiben anderer einzumischen,« wehrte er schroff ab. »Ich bin Arzt – weiter nichts. Und es ist mir durchaus nicht daran gelegen, auch noch den Ruhm eines Seelsorgers zu erwerben.«

Er ging hinaus und warf die Tür ziemlich unsanft hinter sich zu. Wohl war er keineswegs zufrieden mit seinem eigenen Benehmen. Er sagte sich, daß ihm Elisabeth im Grunde nicht den mindesten Anlaß zu einer so unfreundlichen Behandlung gegeben. Aber es war offenbar seit gestern ganz unmöglich geworden, daß sie sich in irgendeinem Punkte zusammenfanden. Und daß sie ihre Beschwerde über diese verwahrloste Lithographenfamilie in keiner anderen Absicht vorgebracht hatte, als um ihn an einer empfindlichen Stelle zu treffen, dünkte ihm ja auch außer allem Zweifel.

»Nein, es ist wirklich besser, wenn sie geht,« sagte er bei sich selbst. »Diese Art von versteckter, frauenzimmerlich kleinlicher Kriegführung könnte ich auf die Dauer doch nicht ertragen.«

Nichtsdestoweniger war der Besuch bei den Wöhlerts eine der ersten Krankenvisiten, die er am nächsten Morgen machte. Er fand alles bestätigt, was Elisabeth ihm gestern gesagt hatte. Ja, die Leichtfertigkeit und Gewissenlosigkeit in der Pflege des in seinem Augenlicht bedrohten Kindes ging sogar noch weit über seine schlimmsten Befürchtungen hinaus. Er machte der Frau die heftigsten Vorwürfe, aber sie versicherte auch ihm unter strömenden Tränen, daß alles Verschulden einzig auf ihren Mann falle. Und diesen konnte Relling nicht zur Rede stellen, da er seine in ihrer Dürftigkeit und Armseligkeit allerdings recht unbehagliche Wohnung schon in aller Frühe zu verlassen pflegte. So mußte er sich denn darauf beschränken, seine ärztlichen Pflichten zu erfüllen.

»Ich werde Ihnen natürlich nicht wieder eine Anweisung auf Geldunterstützung geben,« erklärte er, »sondern werde Ihnen die erforderlichen Medikamente und Kräftigungsmittel aus der Apotheke zusenden lassen. Aber nehmen Sie sich in acht, daß ich Sie nicht abermals auf einer sträflichen Achtlosigkeit oder einem Ungehorsam gegen meine Vorschriften ertappe.«

Er erledigte noch einige andere Besuche und schlug dann den Weg nach der Villa Carla ein. Auf sein Klingeln öffnete ihm dasselbe hübsche Stubenmädchen, das ihn zuerst heraufgeholt hatte. Sie sah etwas erhitzt aus und ihre Augen leuchteten, wie wenn sie eben in einer zärtlichen Schäferszene gestört worden wäre. Hinter ihr aber suchte eine männliche Gestalt hastig durch eine der in den Treppenflur einmündenden Türen zu entschlüpfen. Rellings scharfe Augen hatten den Menschen auf den ersten Blick erkannt und mit zwei raschen Schritten seiner langen Beine war er neben ihm, noch ehe ihm die beabsichtigte Flucht geglückt war.

»Das trifft sich ja ausgezeichnet. Kommen Sie doch einmal hier herein. Ich möchte gern ein paar Worte unter vier Augen mit Ihnen reden.«

Der Mensch, den er da erwischt hatte, war kein anderer als der Lithograph Wöhlert, der gewissenlose Vater des halb erblindeten kleinen Mädchens. Er war seinem Aussehen nach gar kein übler Bursche, wenn ihm auch die Spuren seines Lasters ziemlich deutlich ins Gesicht geschrieben waren. Mit einem halb scheuen und halb trotzigen Ausdruck sah er zu dem jungen Arzte auf.

»Was wünschen Sie von mir, Herr Doktor? Ich habe sehr wenig Zeit, denn ich werde hier nicht dafür bezahlt, daß ich mich unterhalte.«

»Wofür Sie bezahlt werden, ist mir ganz gleichgültig. Wohl aber habe ich ein Interesse daran zu erfahren, wozu Sie Ihren Verdienst verwenden. Unter uns gesagt, mein Herr Wöhlert, Sie sind ein ganz trauriger und erbärmlicher Geselle, den man der besonderen Obhut der Polizeibehörde empfehlen sollte.«

Der energische Ton und die rücksichtslose Ausdrucksweise Rellings schüchterten den Lithographen offenbar ein. Aber sein befangen umherirrender Blick streifte das durch den Spalt der halb offengebliebenen Tür hereinlugende, spöttisch lächelnde Gesicht des hübschen Stubenmädchens. Und nun glaubte er es offenbar seiner Manneswürde schuldig zu sein, sich gegen eine so verächtliche Behandlung aufzulehnen.

»Ich weiß nicht, Herr Doktor, was Sie berechtigt, mir solche Sachen zu sagen. Ich bin ein ehrlicher Mann und wofür ich mein Geld ausgebe, geht keinen Menschen etwas an.«

»Ein Tagedieb und Müßiggänger sind Sie, und ein gewissenloser Rabenvater obendrein. Aber ich werde dafür sorgen, daß Ihren Wohltätern die Augen über Ihren wahren Charakter geöffnet werden. Leute Ihres Schlages verdienen keine Schonung.«

Von draußen wurde ein leichtes, höhnisches Kichern vernehmlich. Und nun verzog auch Wöhlert sein Gesicht zu einer ironischen Grimasse.

»Das können Sie halten wie Sie wollen, obwohl ich mir durchaus nicht erklären kann, wie Sie dazu kommen, sich um meine Angelegenheiten zu kümmern. Jedenfalls brauche ich keine Wohltäter. Denn ich nehme keine Almosen, sondern lasse mich für meine Arbeit bezahlen – daß Sie es wissen, Herr Doktor!«

Noch ehe Relling dazu gekommen war, ihm zu antworten, öffnete sich die zweite Tür des Zimmers und Herta von Lindow trat ein. Sie war sichtlich bestürzt, als sie den unverschämt höhnischen Ausdruck auf Wöhlerts Gesicht und die unverkennbare Erregung in den Zügen des Arztes sah.

»Guten Morgen, Herr Doktor!« sagte sie. »Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Aber es war mir, als ob ich einen Wortwechsel vernähme. Ich will doch nicht hoffen, Wöhlert, daß Sie – –«

»Machen Sie sich keine Sorge, Fräulein,« fiel er ihr in einem keineswegs ehrerbietigen Tone ins Wort. »Der Herr Doktor und ich, wir haben uns nur ein bißchen ausgesprochen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus. Und ich glaube, wir wissen nun wenigstens, woran wir miteinander sind.«

Damit schob er sich geräuschvoll zur Tür hinaus und die beiden anderen blieben allein.


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