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Fünfunddreißigstes Kapitel

Bei dem Lärm, den das Zerschneiden und Bergen des Wals mit sich bringt, laufen die Matrosen vom Vorder- zum Achterdeck hin und her. Mal werden Leute hier, mal werden sie dort gebraucht. Man bleibt nicht an einer Stelle stehen. Alles muß zur selben Zeit allerorts mit einem Male ausgeführt werden.

Wir hatten erwähnt, daß der Speckhaken zuerst in das Loch eingehängt werden mußte, was mit Hilfe der Spaten der Maate ausgeführt wurde, bevor man in den großen Rücken des Wales überhaupt eine Bresche legen konnte. Aber wie war es möglich, daß eine so plumpe und schwere Masse, wie der Haken, in dem Loch festgemacht werden konnte? Er wurde durch meinen Freund Queequeg darin befestigt, der als Harpunier die Funktion hatte, zu diesem ausdrücklichen Zweck auf den Rücken des Ungeheuers herabzusteigen. In vielen Fällen verlangen es die Umstände, daß der Harpunier auf dem Wal so lange bleibt, bis die Arbeit des Fellabziehens vollendet ist. Der Wal liegt fast ganz unter Wasser – darauf ist wohl zu achten – bis auf die Körperteile, an denen gerade gearbeitet wird. So treibt sich denn der arme Harpunier zehn Fuß unter Deck dort unten herum, halb ist er auf dem Wal und halb ist er im Wasser, und dazu dreht sich die ungeheure Fleischmasse unter ihm wie eine Tretmühle. Queequeg war nur in Hemd und Socken, und sein Anzug glich somit einem Hochländerkostüm.

Ich war der Bugmann des Wilden, das heißt die Person, die das Bugruder im Boote, das zweite von vorn gerechnet, führen mußte. So war es denn meine angenehme Pflicht, ihm behilflich zu sein, wenn er auf dem Rücken des toten Wals seine wagehalsigen Kletterversuche machte. Du hast gewiß schon die italienischen Musikanten gesehen, die einen Tanzaffen an einem langen Strick halten. Gerade so hielt ich meinen Queequeg von der steilen Seite des Schiffes aus, dort unten im Meere. Daher kommt der technische Ausdruck »Affenseil«, das an einem starken Segeltuchgürtel, der ihm um die Hüften gebunden ist, befestigt ist. Es war eine gefährliche Beschäftigung für uns beide, die dabei nicht ganz ohne Humor war. Bevor wir weitergehen, muß gesagt werden, daß das Affenseil mit beiden Enden festgebunden war, und zwar an dem breiten Segeltuchgürtel von Queequeg und an meinem schmalen Ledergürtel, so daß wir beide zeitweilig auf Tod und Leben miteinander verbunden waren. Sollte der arme Queequeg untersinken und nie mehr hochkommen, so verlangte es die Sitte und die Ehre, daß ich das Seil nicht abschneiden durfte, sondern in das Kielwasser Queequegs nachgezogen wurde. So waren wir denn wie die siamesischen Zwillinge miteinander verbunden.

Die Haifische hatten sich durch das Gemetzel in der Nacht nicht abschrecken lassen. Nun wurden sie wieder durch das aus der Leiche fließende Blut von neuem zu kühnen Angriffen verlockt. Und so trieben sie denn toll um den Wal herum, wie Bienen in einem Bienenkorb.

Queequeg befand sich mitten zwischen diesen Haien. Oftmals stieß er sie mit den zappelnden Füßen zur Seite. Das mag einem unwahrscheinlich vorkommen, aber es verhält sich tatsächlich so, daß der fleischgierige Hai, der sonst keinen Unterschied macht, selten einen Mann anrührt, wenn er von einer Beute, wie in dem vorliegenden Fall von einem toten Wal, angelockt wird.

Aber trotzdem tut man gut, wenn man den Haien scharf auf die Finger sieht, wo sie schon mal ihre Hand im Spiele haben. Außer dem Affenseil, mit dem ich ab und zu den armen Jungen wegzog, um ihn einer zu engen Nachbarschaft mit dem Maul eines besonders gefräßigen Hais zu entreißen, erfreute er sich noch eines anderen Schutzes. In einem Gerüst hingen Tashtego und Daggoo über ihm, und schwangen dauernd ein paar scharfe Walfischspaten, mit dem sie so viel Haie, wie sie kriegen konnten, abschlachteten, über seinem Kopf. Ihr Vorhaben war bestimmt uneigennützig und wohlwollend. Sie wollten bestimmt das Beste für Queequeg. Aber bei ihrem allzu großen Eifer, ihm nützlich zu sein, und bei der Tatsache, daß er und die Haie zeitweilig halb durch das blutige Wasser verborgen waren, hätten die beiden mit ihren Walfischspaten leichter ein Bein Queequegs als einen Haischwanz abschneiden können. –


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