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Einunddreißigstes Kapitel

Es war Samstagabend, und ein richtiger Sonntag folgte! Aber alle Walfischer haben ja die Gewohnheit, den Sonntag nicht heilig zu halten. Der aus Walfischbein bestehende »Pequod« wurde, wie es schien, in eine Schlachtbank verwandelt. Jeder Matrose darauf wurde ein Schlächter. Man hätte glauben können, daß wir den Göttern des Meeres zehntausend rote Ochsen opfern wollten.

Da wurden zunächst mal die ungeheuer großen Flaschenzüge mitsamt den ebenso schweren Dingen, zu denen ein Haufe von Rollen gehört, die gewöhnlich grün bemalt sind und die kein Mann allein aufheben kann, oben an den Hauptmast hinaufgezogen und an die untere Mastspitze festgebunden. Das war der stärkste Punkt, der oberhalb des Decks des Schiffes überhaupt vorhanden war. Das Ende dieses kabelähnlichen Seiles, das man durch diese Verwicklung hindurchzog, wurde nach der Ankerwinde fortgeführt; dann wurde die ungeheuer große untere Rolle des Flaschenzuges über den Wal hinübergeschwungen. An dieser Rolle wurde der große Speckhaken, der einige Zentner schwer war, angebunden.

Und nun bewaffneten sich Starbuck und Stubb, die in Gerüsten an der Seite hingen, mit ihren langen Spaten, schnitten ein Loch in den Körper des Fisches, um an dieser Stelle den Haken grade da anbringen zu können, wo die beiden Seitenflossen am nächsten waren. Als dies geschehen war, zog man eine breite, halbkreisförmige Linie um das Loch, senkte den Haken hinein, und die größte Mannschaft zog unter einem wilden Geschrei im dichten Haufen an der Ankerwinde fest an. Da legte sich das ganze Schiff mit einemmal auf die Seite, und jeder Bolzen zitterte und bewegte die erschreckten Mastspitzen im Himmel. Ganz allmählich lehnte es sich nach dem Wal hinüber, wobei bei jedem Zug an der Ankerwinde eine entsprechende Bewegung von den Wellen erfolgte, bis man schließlich plötzlich ein schreckliches Krachen hörte. Da rollte das Schiff vor dem Wal nach vorn und nach rückwärts. Der Flaschenzug wurde mit einem Male oben sichtbar und zog das losgelöste halbkreisförmige erste Stück Walfischspeck nach sich.

Wie der Walfischspeck den ganzen Wal umschließt, wie eine Apfelsinenschale die Frucht, so schälte er sich nun vom ganzen Körper los, wie eine Apfelsine nach spiralförmigem Schälen. Mit jedem Zug an der Ankerwinde polterte der Wal in dem Wasser herum. Der Walfischspeck schälte sich in einem Zuge gleichförmig los und folgte der Linie, die »Blattung« genannt wird. Zu gleicher Zeit wurde er auch von den Spaten Starbucks und Stubbs zerschnitten. Und so schnell wie er abgeschält wurde, wurde er auch höher und höher gezogen, bis das obere Ende den Hauptmast erreichte. Da hörten die Leute an der Ankerwinde mit einemmal auf, und einen Augenblick lang flog die blutdurchtränkte Masse hin und her, als ob sie vom Himmel herabkäme, so daß jeder sich in acht nehmen mußte und auswich, wenn sie gerade über ihn kam und man nicht eine Ohrfeige bekommen oder kopfüber über Bord gefegt werden wollte.

Ein Harpunier ging nun mit einer langen, scharfen Waffe, dem »Enterschwert« vor und schnitt, wenn die Gelegenheit günstig war, mit geschicktem Schnitt ein gehöriges Loch in den unteren Teil der hin- und herschwingenden Masse. In dieses Loch hakte man dann das Ende des zweiten großen Flaschenzuges ein, um den Speck an einer festen Stelle anpacken zu können. Dann machte der geschickte Mann mit dem Schwert, nachdem er alle aufgefordert hatte, zurückzutreten, noch einmal einen mit wissenschaftlicher Genauigkeit ausgeführten Schnitt in die Masse und teilte sie durch ein paar seitwärts geführte kühne Schnitte vollständig in zwei Hälften, so daß der lange obere Streifen frei schwingen und herabgelassen werden konnte, während der kürzere untere Teil noch fest war. Die Leute an der Ankerwinde nahmen nun ihren Gesang wieder auf, und während der eine Flaschenzug einen zweiten Streifen vom Wal herunterschälte und hochzog, wurde der andere langsam herabgelassen. Der erste Streifen ging durch die große Luke rechts nach unten und fiel in einen unmöblierten Raum, den man das »Speckloch« nennt. In diesem dämmrigen Raum mußten mehrere flinke Hände das lange Speckstück zusammenrollen, als ob es eine große lebendige Masse von geflochtenen Schlangen wäre.


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