Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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23. Kapitel

Wie mein arm Töchterlein soll mit der peinlichen Frag beleget werden

Als nunmehro Akta an Ein lobsam Hofgericht verschicket worden, währete es wohl an die 14 Tage, bevorab Antwort kam. Und war Se. Gestrengen, der Amtshauptmann, sonderlich freundlich gegen mich, erlaubete auch, da das Gericht wieder heimgekehret, daß ich mein Töchterlein so oft sehen kunnte, als ich begehrete, wannenhero ich den größten Teil des Tages umb sie war. Und wenn dem Büttel die Zeit zu lange währete, daß er auf mich passen mußte, gab ich ihm ein Trinkgeld und ließ mich von ihm mit meim Kind einschließen. Auch war der barmherzige Gott uns gnädig, daß wir oft und gerne beten mugten. Denn wir hatten wieder eine steife Hoffnung und vermeineten, daß das Kreuz, so wir gesehen, nun bald wäre fürübergezogen und der grimmige Wulf schon seinen Lohn bekommen würde, wenn Ein lobsam Gericht Akta einsähe und an die fürtreffliche Defension gelangete, so Dn. Syndikus vor mein Kind gefabrizieret. Darumb fing ich auch wieder an aufzuheitern, zumalen als ich sahe, daß meinem Töchterlein die Wangen sich gar lieblich röteten.

Doch am Donnerstag, den 25sten des Monats August, umb Mittag fuhr Ein ehrsam Gericht abereins auf den Schloßhof, als ich mit meim Kind nach meiner Weis wieder im Gefängnis saß und die alte Ilse uns die Kost brachte, so aber für Tränen uns die Nachricht nicht geben kunnte. Aber der lange Büttel schauete lachend zur Türen herein und rief: »Hoho, nu sind se da, nu wadd dat Ketteln wohl losgahn!«, worüber mein arm Kind sich schudderte, doch mehr über den Kerl denn über die Botschaft.

Selbiger war auch kaum fortgangen, als er schon wiederkam, umb ihr die Ketten abzunehmen und sie abzuholen. Folgete ihr also in das Gerichtszimmer, wo Dn. Consul die Sentenz Eines lobsamen Gerichtes fürlas, daß sie über die gefaßten Artikel noch einmal in Güte sölle gefraget werden, und bliebe sie verstockt, wäre sie der peinlichen scharfen Frag zu unterwerfen, denn die beigebrachte Defension haue nicht aus, besondern es wären indicia legitima praegnantia et sufficientia ad torturam ipsum fürhanden als

  1. mala fama
  2. maleficium, publice commissum
  3. apparitio Daemonis in monte

wobei Ein hochlobsam Hofgericht an die 20 Autores zitieret, wovon wir aber wenig behalten.

Als Dn. Consul solches meinem Töchterlein fürgelesen, hub er wiederumb an, sie mit vielen Worten zu vermahnen, daß sie müge in Güte bekennen, denn die Wahrheit käme jetzunder doch an den Tag.

Hierauf gab sie standhaft zur Antwort, daß sie nach der Defension Dn. Syndici zwar ein besser Urteil gehoffet, allein, da es Gott gefiele, sie noch härter zu prüfen, befehle sie sich ganz in seine gnädige Hand, und könne sie nicht anders bekennen, denn sie vorhero getan, daß sie nämlich unschuldig sei und böse Menschen sie in dies Elend geführet. Hierauf winkete Dn. Consul dem Büttel, welcher aus der andern Stuben Pastorem Benzensem in seinem Chorrock hereinließ, so von dem Gericht bestellet war, umb sie noch besser aus Gottes Wort zu vermahnen. Selbiger tät einen großen Seufzer und sprach: »Maria, Maria, wie muß ich dich wiedersehen!« Worauf sie anhub, gar heftig zu weinen und ihre Unschuld abermals zu beteuern. Aber er kehrete sich nicht an ihren Jammer, besondern nachdem er sie hatte das Vaterunser, »Aller Augen« und »Gott, der Vater, wohn uns bei« beten lassen, hub er an, ihr den Greuel fürzustellen, den der lebendige Gott an allen Zauberern hätte, angesehen ihnen nicht nur im Alten Testamente die Strafe des Feuers wäre zuerkannt worden, sondern auch der Heilige Geist im Neuen Testamente ausdrücklich sage – Gal. am 5ten –, daß die Zauberer nimmer würden das Reich Gottes erben, sondern ihr Teil würde sein in dem Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennet, welches ist der andere Tod – Apokal. 21. Sie möge also nicht trotziglich sein noch dem Gericht die Schuld geben, wenn sie also geplaget würde, denn das alles geschähe aus christlicher Liebe und umb ihre arme Seele zu retten. So müge sie denn umb Gottes und ihrer Seligkeit willen nicht länger ihre Buße verschieben, ihren Leib martern lassen und ihre arme Seele dem leidigen Satan übergeben, welcher ihr doch nicht in der Höllen halten würde, was er ihr hier auf Erden versprochen, denn er wäre ein Mörder von Anfang und ein Vater der Lügen. – Joh. am 8ten. »O Maria«, rief er aus, »mein Kindlein, die du so oft auf meinem Schoß gesessen und für die ich jetzunder alle Morgen und Abend zu meinem Gott schreie, willtu mit dir und mir kein Erbarmen tragen, so trage Erbarmen mit deinem rechtschaffenen Vater, den ich für Tränen nicht ansehen kann, da sein Haar in wenig Tagen schlohweiß geworden, und rette deine Seele, mein Kind, und bekenne! Siehe, dein himmlischer Vater betrübet sich anjetzo nicht minder über dich denn dein leiblicher Vater, die heiligen Engel verhüllen für dich ihre Augen, daß du, die du einst ihr lieblich Schwesterlein warest, nunmehro eine Schwester und Braut des leidigen Teufels worden bist. Darumb kehre umb und tue Buße! Dein Heiland rufet dich verirrtes Lämmelein heute wieder zurück zu seiner Herden. ›Sollte nicht gelöset werden diese, die doch Abrahams Tochter ist, von den Banden, welche Satanas gebunden hat‹, lautet sein barmherzig Wort – Lukas am 13ten. Item: ›Kehre wieder zu, abtrünnige Seele, so will ich mein Antlitz nicht gegen dich verstellen, denn ich bin barmherzig‹ – Jeremias am 3ten. So kehre denn wieder, du abtrünnige Seele, zu dem Herrn, deinem Gotte! – Der eines abgöttischen Manasses sein bußfertiges Gebet erhöret – 2. Chronika 33 –, der die Zäuberer zu Ephese durch Paulum zu Gnaden aufgenommen – Act. 19 –, derselbige, dein barmherziger Gott rufet dir anjetzo zu, wie dorten dem Engel der Gemein zu Epheso: ›Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Buße!‹ – Apokal. 2. – O Maria, Maria, gedenke, wovon du gefallen bist, mein Töchterlein, und tue Buße!«

Als er hierauf stille schwieg, währete es eine fast große Zeit, ehbevor sie für Tränen und Schluchzen ein Wörtlein herfürbringen konnte, bis sie endlich zur Antwort gab: »Wenn Lügen Gott nicht minder verhaßt seind als die Zaubereien, so darf ich auch nicht lügen, sondern muß umb Gottes willen bekennen, wie ich immer bekennet, daß ich unschuldig bin.«

Hierauf ergrimmete Dn. Consul in seinen Mienen und fragete den langen Büttel, ob alles in Bereitschaft sei, item die Weiber bei der Hand wären, umb Ream auszukleiden, worauf er nach seiner Weise lachend zur Antwort gab: »Hoho, an mir hat's noch niemalen gefehlet, und soll' auch heute nicht fehlen. Ich will sie schon kitzeln, daß sie bekennen soll!«

Als er solches gesaget, redete Dn. Consul wieder mein Töchterlein an und sprach: »Du bist ein dumm Ding und kennest die Pein nit, so dir bevorstehet, darumb bist und bleibst du verstockt. Aber folge mir anjetzo in die Marterkammer, daß der Angstmann die Instrumenta zeige, ob du vielleicht noch einen andern Sinn bekömmst, wenn du erst gesehen, was die peinliche Frag bedeutet.«

Hierauf ging er voran in ein ander Zimmer, und folgete ihm der Büttel mit meim Kind. Doch als ich nachgehen wollte, hielt mich Pastor Benzensis fest und beschwor mich mit vielen Tränen, solches nicht zu tun, besondern hier zu verbleiben. Aber ich hörete nicht auf ihn, sondern riß mich los und schwur dagegen, solange sich noch eine Ader und Sehne in meinem armen Leib rührete, wollte ich mein Kind nicht verlassen. Kam also auch in das andere Zimmer und von dannen in einen Keller nieder, wo die Marterkammer war, in der es aber keine Fenstern hatte, damit niemand das Geschrei derer Geängsteten von draußen hören müge. Darumb brenneten hier bereits zween Fackeln, als ich eintrat, und wiewohlen Dn. Consul mich gleich zurückweisen wollte, ließ er sich letzlich doch erbarmen, daß ich bleiben durfte.

Und trat nun dieser höllische Hund, der Büttel, herfür und zeigte meinem armen Kind mit Frohlocken zuerst die Leiter, sprechend: »Sieh, darauf wirst du zuerst gesetzet und die Hände und Füße dir angebunden. Darauf bekommst du hier die Daumschrauben an, wovon dir gleich das Blut aus den Fingerspitzen herfürsprützet, wie du sehen kannst, daß sie annoch rot sind vom Blut der alten Gust Biehlkschen, welche vor einem Jahr gebrennet wurde und anfänglich auch nit bekennen wollte. Willtu dann noch nit bekennen, so ziehe ich dir hier die spanischen Stiefeln an, und seind sie dir zu groß, so klopfe ich dir einen Keil dazwischen, daß die Wade, so hinten ist, sich nach vorne zeucht und das Blut dir aus den Füßen herausschießt, als wenn du Brummelbeeren durch einen Beutel preßt.

Willtu dann noch nit bekennen – holla!« brüllete er anjetzo und stieß mit dem Fuß an eine Tür hinter ihme, daß das ganze Gewölbe erbebete und mein arm Kind für Schreck in die Knie fiel. Währete auch nit lange, so brachten zween Weiber einen Kessel, in welchem glühend Pech und Schwefel proddelte. Ließ also der Höllenhund den Kessel zur Erden setzen, holete unter seim roten Mantel, so er umbhatte, eine Fledderwisch herfür, woraus er an die sechs Posen zog und selbige alsdann in den glühenden Schwefel tunkete. Als solches geschehen und er sie eine Zeitlang im Kessel gehalten, warf er sie auf die Erden, worauf sie hin und her fuhren und den Schwefel wieder von sich sprützeten. Nunmehro rief er wieder meim armen Kind zu: »Sieh, diese Posen werf ich dir alsdann auf die weißen Lenden, und frißt der glühende Schwefel dir sogleich das Fleisch bis auf die Knochen durch, damit du einen Vorschmack gewinnest von der Lust der Höllen, die dein harret.«

Als er soviel mit Hohnlachen gesprochen, überkam mich ein so großer Jachzorn, daß ich aus der Ecken herfürsprang, wo ich mein zitternd Gebein an einer alten Tonnen gestützet und schrie: »O du höllischer Hund, sprichstu das aus dir selbsten, oder haben es dich andere geheißen?« Wofür der Kerl aber mir einen Stoß auf die Brust gab, daß ich an die Wand zurückefiel, und Dn. Consul im großen Zorne rief: »Alter Narre, da Er ja durchaus allhier verbleiben will, so lasse Er mir den Büttel in Frieden, wo nicht, so lasse ich Ihn alsogleich aus der Kammer bringen. Was der Büttel gesaget, ist seine Schuldigkeit, und wird es Seiner Tochter also ergehen, wenn sie nicht bekennet und zu vermuten steht, daß der höllische Feind ihr was gegen die Pein gebrauchet.«Denn man wähnte, wenn die Hexe die Marter mit ungewöhnlicher Geduld ertrug oder gar dabei einschlief, wie unbegreiflicherweise öfter vorkam, der Teufel hätte diese Gefühllosigkeit ihnen durch ein Amulett verliehen, das sie an geheimen Teilen des Körpers verborgen hielten. Zedlers Universallexikon, Band 44, unter dem Artikel »Tortur«.

Hierauf fuhr der höllische Hund wieder zu meim armen Töchterlein fort, ohne mein weiters zu achten, als daß er mir in das Angesicht lachete: »Sieh! Wenn dir nunmehro deine Wolle genommen ist, hohoho, ziehe ich dich durch diese zwo Ringe unten an der Erden und oben am Boden in die Höhe, recke dir die Arme aus und binde sie oben an die Decken, worauf ich diese beiden Fackeln nehme und solche dir unter den Achseln halte, daß deine Haut gleich wird als die Schwarte von einem Schinken, so im Rauch gehänget. Alsdann soll dir dein höllischer Buhler nit mehr beistehen, und du sollt die Wahrheit schon bekennen. Nunmehro hast du allens gesehen und gehöret, was ich mit dir im Namen Gottes und der Oberkeit fürnehme.«

Jetzunder trat wiederumb Dn. Consul für und vermahnete sie nochmales, die Wahrheit zu bekennen, als sie aber bei ihrer Sag verharrete, übergab er sie denen beiden Weibern, so den Kessel gebracht, daß sie sie nackend ausziehen sollten, wie sie von Mutterleib kommen, und ihr darauf das schwarze Marterhemd anziehen, nachgehends abernoch einmal, und zwar barfuß, die Treppe hinaufleiten vor Ein ehrsam Gericht. Aber da die eine von diesen Weibsbildern des Amtshauptmanns seine Ausgebersche war (die andere war dem dreusten Büttel seine Frau), sagte mein Töchterlein, daß sie sich nur wölle von ehrsamen Weibern angreifen lassen, nicht aber von der Ausgeberschen, und müge Dn. Consul ihre Magd rufen lassen, so wohl annoch in ihrem Gefängnis säße und in der Bibel läse, wenn er sonsten kein ehrsam Weibsbild in der Nähe wüßte. Hierauf erhub die Ausgebersche ein groß Maul und ein gewaltig Schimpfen, was ihr aber Dn. Consul verbot und meim Töchterlein zur Antwort gab, daß er auch dieses ihr nachsehen wölle, und müge nur den dreusten Büttel seine Frau die Magd aus dem Gefängnis anhero rufen. Nachdem er solches gesaget, griff er mich unter meinen Arm und flehete mich also lange, mit ihm gen oben zu kommen, dieweil meinem Töchterlein annoch kein Leides geschehen würde, bis ich seinen Willen tate.

Währete aber nit lange, so kam sie selbsten barfuß und in dem schwarzen Marterhemde mit den beiden Weibsbildern heraufgestiegen, doch also blaß, daß ich sie kaum selbsten kennen kunnte. Der abscheuliche Büttel aber, so dicht hinter ihr ging, griff sie an die Hand und stellete sie vor Ein ehrsam Gericht.

Nachdem solches geschehen, ging das Vermahnen wieder los, und sagte Dn. Consul, sie sölle einmal niedersehen auf die braunen Flecken, so in dem Hemde wären. Dieses wäre auch noch das Blut der alten Biehlkschen, und sie müge bedenken, daß umb wenig Minuten ihr eigen Blut auch daraus herfürsprützen würde. Hierauf gab sie aber zur Antwort: »Dieses bedenke ich gar wohl, doch hoffe ich, daß mein treuer Heiland, der mir unschuldig diese Pein hat auferleget, selbige mir auch wird tragen helfen wie den heiligen Märtyrern. Denn haben diese mit Gottes Hülfe die Pein im rechten Glauben überwunden, so ihnen die blinden Heiden antaten, kann ich auch die Pein überwinden, welche mir blinde Heiden antun, so zwar Christen sein wöllen, aber grausamer seind denn die alten. Denn die alten Heiden haben die heiligen Jungfrauen doch nur von den grimmigen Bestien zerreißen lassen, Ihr aber, welche Ihr das neue Gebot habet, daß Ihr Euch untereinander lieben sollt, wie Euer Heiland Euch geliebet hat, damit jedermann daran erkenne, daß Ihr seine Jünger seid, Johannes am 13ten, Ihr wollet selbsten diese grimmigen Bestien spielen und den Leib einer unschuldigen Jungfrau, so Eure Schwester ist und Euch nie was Leides getan, lebendig zerreißen. So tut denn, was Euch geliebet, doch sorget, wie Ihr es für Eurem höchsten Richter verantworten wöllet.

Ich sage nochmals: Das Lämmlein erschröcket nicht, denn es stehet in der Hand des guten Hirten!«


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