Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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15. Kapitel

Von der Ankunft des großmächtigen Königs Gustavi Adolphi und was sonsten dabei fürgefallen

Hierzwischen wurde nun auch mein Carmen in metro elegiaco fertig, so mein Töchterlein abschriebe (inmaßen ihre Handschrift trefflicher ist denn die meine) und wacker memorierete, umb solches Sr. Majestät aufzusagen. Item wurden die Kleider fertig, so ihr fast lieblich stunden, und ginge sie den Montag zuvor in den Streckelberg, unangesehen es eine so große Hitze war, daß die Krähe auf den Zaum jappte. Denn sie wollte sich Blumen suchen zu einem Kranz, welchen sie aufzusetzen gedachte und so auch blau und gelb sein söllten. Kam auch gegen Abend wieder mit einem Schurzfleck voll Blumen aller Art, doch waren ihre Haare ganz naß und hingen ihr kladdrig umb die Schultern. (Ach, Gott, ach, Gott, so mußte mir armen Mann alles zu meinen Verderben gereichen!) Fragete also, wo sie gewest, daß ihre Haare so kladdrig aussähen, worauf sie zur Antwort gab, daß sie von dem Kölpin, umb den sie sich Blumen gepflücket, zum Strande gangen und sich dorten in der Sehe gebadet, dieweil es eine große Hitze gewest und sie niemand nit gesehen. Könnte doch Sr. Majestät nun morgen, wie sie kurzweilig fortfuhre, doppelt als eine reine Jungfer unter die Augen treten.

Mir gefiel solches gleich nicht, und sahe ich ehrbar aus, doch sagete ich nichtes.

Am andern Morgen ware das Volk schon umb 6 Uhr umb den Hünenstein, Männer, Weiber, Kinder. Summa: Was nur gehen kunnte, das hatte sich eingefunden. Auch war mein Töchterlein schon umb 8 Uhren ganz in ihrem Schmuck, nämlich eim blauseidin Kleid, gelbem Schurzfleck, gelbem Tüchlein und einer gelben Haarhauben, so genetzet ware und worauf sie das Kränzlein von blau und gelben Blümeken setzte. Währete nit lange, so war mein Junker auch wieder da, gleichfalls sauber und ausstaffieret, wie eim Edelmann zustehet. Hätte doch Kundschaft einziehen wöllen, wannenhero ich mit meinem Töchterlein nach dem Stein ginge, angesehen sein Herr Vater, Hans von Nienkerken, item Wittich Appelmann wie die Lepels vom Gnitze auch noch kämen, auch viel Volks überall auf der Landstraßen lief, als wenn er heut allhie Jahrmarkt hätte. Aber ich sahe sogleich, aß es ihme nur umb die Jungfer zu tun war, anerwogen er gleich wieder sein Wesen mit ihr hatte und alsofort auch das lateinische Geschwätze anhub. Sie mußte ihm ihr Carmen an Sr. Majestät aufsagen, worauf er, den König fürstellend, ihr antwortete: »Dulcissima et venustissima puella, quae mihi in coloribus coeli, ut angelus dominis appares, utinam semper mecum esses, nunquam mihi male cederet!«»Du süßeste und anmutigste Dirne, die du mir wie ein Engel des Herrn in den Farben des Himmels erscheinst, wärst du doch immer um mich, dann würde es mir niemals unglücklich ergehen!« Worauf sie rot wurd und mir es nicht viel anders erging, doch aus Ärger, wie man leichtlich schließen mag. Bate dahero, Se. Gestrengen wölle nur zum Stein sich aufmachen, angesehen mein Töchterlein mir noch meinen Chorrock umbhelfen müßte, worauf er aber zur Antwort gab, daß er solange in der Stuben warten wölle, und könnten wir ja zusammen gehen. Summa: Ich gesegnete mich abermals für diesem Junker, aber was half es? Da er nit weichen wollte, mußte ich schon ein Auge zutun, und wir gingen bald hernacher zusammen nach dem Stein, wo ich mir allerersten drei tüchtige Kerls aus dem Haufen griff, daß sie auf den Turm gehen sollten und anheben, mit den Glocken zu läuten, wenn sie sähen, daß ich auf den Stein stiege und mein Schweißtüchlein schwenkete. Solliches versprachen sie auch zu tun und gingen gleich ab, worauf ich mich mit meim Töchterlein auf den Stein setzte und sicherlich gläubete, der Junker würd ein Ansehn gebrauchen, aber er tät es nicht, sondern setzte sich mit auf den Stein. Und saßen wir drei ganz allein daselbsten, und alles Volk sahe uns an, doch kam niemand nit näher, umb meines Töchterleins Putz zu betrachten, auch die jungen Dirnens nicht, wie sie doch sonst pflegeten, was mir nur nachhero beigefallen ist, als ich erfuhren wie es schon dazumalen umb uns stund.

Gegen 9 Uhren kamen auch Hans von Nienkerken und Wittich Appelmann angegaloppieret, und rief der alten Nienkerken sogleich seinen Sohn mit fast heftigem Ton ab, und da er nit gleich hörete, sprengete er zu uns an den Stein und schrie, daß alle Welt es hörete: »Kannstu Bub nit hören, wenn dein Vater dir rufet?« Worauf er ihm verdrüßlich folgete, und sahen wir aus der Fernen, daß er seinen Sohn bedräuete und vor ihm ausspie. Wußten noch nit, was solches bedeutete, sollten es aber leider Gotts bald erfahren.

Bald darauf kamen auch von der Damerow her die beiden Lepele vom Gnitze, und salutierten sich die Edelleut auf einem grünen Brink dicht bei uns, doch ohne uns anzusehen. Und hörte ich, daß die Lepele sagten, so dieser Straßen gezogen waren, daß von Sr. Majestät noch nichtes zu sehen wär, aber die Scheerenflotte umb den Ruden würde schon unruhig und käme bei vielen hundert Schiffen angesegelt. Da solches nun mehrere gehöret, lief alles Volk sogleich zur Sehe (so nur ein klein Endiken von dem Stein ist), und die Edelleute ritten selbsten hinan, ausgenommen Wittich, so von dem Pferde gestiegen war, und da er sahe, daß ich den alten Paasch seinen Jungen in eine hohe Eiche schickete, umb nach dem König überzuschauen, sich alsofort wieder an mein Töchterlein gemacht hatte, die nunmehro ganz allein auf dem Stein saß. Warumb sie seinen Jägersmann nicht genommen, und ob sie sich nit besinnen wölle und ihn noch nehmen oder sonsten bei ihme (dem Amtshauptmann) selbsten in Dienst treten, denn täte sie dieses nicht, so achte er, daß es ihr leid werden müge. Worauf sie ihm, wie sie sagete, zur Antwort gegeben, daß ihr nur eines leid tät, nämlich daß Se. Gestrengen sich so viel vergebliche Mühe umb sie gäbe. Somit wär sie eiligst aufgestanden und zu mir an den Baum getreten, wo ich dem Jungen nachsahe, wie er droben kletterte. Unsere alte Ilse aber sagete, daß er einen großen Fluch getan, als ihm mein Töchterlein den Rücken gewendet, und alsobald in das Ellerholz getreten wäre, so dicht an der Landstraßen hinläuft und wo die alte Hexe Lise Kolken auch gestanden.

Hierzwischen ging ich aber mit meinem Töchterlein auch zur Sehe, und war es wahr, daß die ganze Flotte von dem Ruden und der Oie herüberkam und gen Wolgast zu steuerte, auch gingen manche Schiffe so nah an uns fürüber, daß man kunnte die Soldaten darauf stehen und die Waffen blitzen sehen. Item höreten wir die Pferde wiehern und das Kriegsvolk lachen. Auf eim ging auch die Trummel, und auf einem andern blöketen Schafe und Rinder. In währendem Schauen aber wurden wir flugs einen Rauch von einem Schiff gewahr, und es folgete ein großer Knall, also daß wir bald auch die Kugel sahen auf dem Wasserspiegel rennen, so daß es ringsumbher schäumte und sprätzete und gerade auf uns zukam. Lief also das Volk mit großem Geschrei auseinander, und höreten wir deutlich darüber das Kriegsvolk auf den Schiffen lachen. Aber die Kugel hob sich alsbald in die Höhe und schlug dicht bei Paasch seinem Jungen in eine Eiche, so daß gegen zwei Fuder Sträuch mit großem Rumor von dem Schlag zur Erden stürzeten und den Weg überschütteten, wo Se. Majestät kommen mußte. Dannenhero wollte der Junge nit mehr oben im Baum bleiben, wie sehr ich ihn dazu vermahnete, schrie aber in währendem Niederklettern, daß ein groß Haufen Kriegsvolk nunmehro bei Damerow aus der Heiden käm und solches wohl der König sein möchte. Darum befahl der Amtshauptmann, geschwind den Weg aufzuräumen, und da solliches eine Zeitlang währete, inmaßen sich die dicken Äst und Gezweige rechtes und linkes in den Bäumen umbher geklemmet hatten, wollten die Edelleut, als allens fertig war, Sr. Majestät entgegenreuten, blieben aber auf dem kleinen Brink halten, dieweil man dicht vor uns in der Heiden es schon fahren, klappen und sprechen hörte.

Währete auch nit lange, als die Kanonen herfürbrachen, und saßen die drei Wegweiser oben darauf. Da ich nun den einen kannte, so Stoffer Krauthahn von Peenemünde war, ginge ich näher und bat ihne, mir zu sagen, wann der König käm. Aber er antwortete, daß er weiterginge mit den Kanonen bis Koserow, und möcht ich nur achthaben auf den langen schwarzen Mann, so einen Hut mit einer Feder trüg und eine güldene Ketten umb seinen Hals, solliches wäre der König, und ritte er alsbald hinter der Hauptfahnen, worauf ein gelber Löwe stünd. Observierete also genau den Zug, wie er aus der Heiden herfürbrach. Und kamen nach der Artillerie zuvorauf die finnischen und lappischen Bogenmänner, so mitten im Sommer, was mich verwunderte, noch in Pelzen einhertrottiereten. Darauf kam viel Volks, so ich nit erfahren, was es gewesen. Alsbald sah ich über dem Haselbusch, so mir im Wege stund, daß ich nicht allens gleich abservieren kunnte, wenn es aus dem Busch kam, die große Hauptfahn mit dem Löwen und hintennach auch den Kopf von einem ganzen schwarzen Mann mit güldener Ketten umb seinen Hals, so daß ich gleich judizierete, dies müßte der König sein. Schwenkete dahero mein Schweißtüchlein gen den Turm zu, worauf auch alsofort die Glocken anschlugen, und in währendem uns der schwarze Mann näher ritte, zog ich mein Käpplein ab, fiel auf meine Knie und intonierete den Ambrosianischen Lobgesang, und alles Volk folgete mir nach, riß sich auch die Hüte vom Haupt und sank auf allen Seiten singend zur Erden, Männer, Weiber, Kinder; ausgenommen die Edelleut, so ruhig auf dem Brink halten blieben, und erst, als sie sahen, daß Se. Majestät dero Roß anhielt (war ein pechschwarzer Rapp und blieb gerade mit den Vorderfüßen auf mein Ackerstück stehen, was ich für ein gut Zeichen nahm), zogen sie auch die Hüt und gebärdeten sich aufmerksam.

Nachdeme wir geendet, stiege der Amtshauptmann rasch vom Roß und wollte mit seinen drei Wegweisern, so hinter ihm gingen, zum König, item hatte ich mein Töchterlein bei der Hand gefaßt und wollte auch zum König. Winkete also Se. Majestät den Amtshauptmann ab und uns hinzu, worauf ich Se. Majestät auf lateinisch beglückwünschte und Ihr hochmütiges Herze rühmete, daß Sie der armen, bedrängten Christenheit zu Schutz und Hülfe hätte den deutschen Boden heimsuchen wöllen, es auch vor ein göttlich Anzeichen priese, daß solliches gerade an diesem erschienen Jubelfest unserer armen Kirchen geschehen sei, und möchte Se. Majestät es gnädiglich aufnehmen, wenn mein Töchterlein ihme was zu bescheren gedächt, worauf Se. Majestät sie lieblich lächelnde ansahe. Sollich freundlich Wesen machte sie wieder zuversichtlich, da sie vorhero schon merklich gezittert, und antwortete sie, ihm ein blau und gelbes Kränzlein überreichend, auf welchem das Carmen lag: »Accipe hanc vilem coronam et haec!«, worauf sie anfinge, das Carmen herzubeten. Hierzwischen wurde Se. Majestät immer lieblicher, sahe bald sie an und bald in das Carmen und nickete besondern freundlich, als der Schluß kam. Als sie nun schwiege, sprach Se. Majestät: »Propius accedas patria virgo, ut te osculer!« Worauf sie, sich verfärbende, ihm an das Roß trat. Und gläubete ich, er würde sie nur auf die Stirne küssen, wie sonsten die Potentaten zu tun pflegen, aber nein! Er küßte sie also gerade auf den Mund, daß es schmatzte und seine langen Hutfedern ihr umb den Nacken hingen, so daß mir abermal ganz bange vor sie wurd. Doch richtete er sich bald wieder in die Höhe, nahm die güldene Kette sich ab, an welcher unten sein Konterfei bummelte, und hing sie meinem Töchterlein umb ihren Hals.

Hierauf kam der Amtshauptmann abermals mit seinen drei Kerls an und verneigete sich vor Sr. Majestät zur Erden. Da er aber kein Lateinisch nit kunnte, item auch kein Italienisch oder Französisch verstande, spielte ich alsobald den Dolmetscher. Denn es fragete Ihro Majestät, wie weit es bis zur Swine wär und ob es dorten noch viel fremd Kriegsvolk hätte? Und meinete der Amtshauptmann, daß annoch an die 200 Krabaten im Lager lägen, worauf Se. Majestät dem Roß die Sporen gab und freundlich nickend ausrief: »Valete!« Nun kam aber erst das andere Kriegsvolk, bei 3000 Mann gewaltig, aus dem Busch, so gleichfalls ein wacker Ansehen hatte, auch keine Narreteidinge fürnahm, wie es sonsten wohl pfleget, als es bei unseren Häuflein und den Weibern vorbeizog, sondern fein ehrbar einhertrat, und begleiteten wir den Zug noch bis hinter Koserow an die Heiden, wo wir ihn dem Schutz des Allmächtigen empfohlen und ein jeglicher wieder seiner Straßen heimzog.


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