Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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14. Kapitel

Wie der alte Seden plötzlich verschwindet, item der große Gustavus Adolphus nacher Pommern kömmt und die Schanze zu Peenemünde einnimmt

Mit der Zauberei war es nunmehro eine Zeitlang geruhlig, so man die Raupen nicht in Anrechnung zeucht, welche mir meinen Obstgarten gar jämmerlich geruinieret, und welches sicherlich ein seltsam Ding war. Denn die Bäumlein blüheten alle so lieblich und holdselig, daß mein Töchterlein eines Tages sagte, als wir darunter umbhergingen und die Allmacht des barmherzigen Gottes preiseten: »So uns der Herr weiter gesegnet, ist es diesen Winter bei uns alle Abend heiliger Christ!« Aber es sollte bald anders kommen. Denn es befanden sich im Umbsehen so viele Raupen (große und kleine von allerhand Farb und Kolör) auf den Bäumen, daß man sie fast mit Scheffeln messen mochte, und währete nit lange, als meine arme Bäumekens allesamt wie die Besenreiser aussahen und das liebe Obst, so angesetzet, abfiel und kaum vor meinem Schwein zu gebrauchen war. Will hierbei auf niemand raten, doch hatte gleich dabei meine eigenen Gedanken und habe sie noch. Sonsten stand mein Gerstenkorn, so ich bei 3 Scheffeln in die Wörth gestreuet, sehr lieblich. Auf dem Felde hatte ich nichtes ausgeworfen, angesehen ich die Bosheit des leidigen Satans scheuete.

Auch hatte die Gemeine heuer nit viel Segen an Korn, inmaßen sie zum Teil aus großer Not keine Wintersaat gestreuet und die Sommersaat noch nit fort wollte. Sonsten an Fischen fungen sie in allen Dörfern durch die Gnade Gottes viel, insonderheit an Hering, welcher aber schlecht im Preise steht. Auch schlugen sie manchen Saalhund, und habe ich selbsten umb Pfingsten einen geschlagen, als ich mit meinem Töchterlein an der Sehe ging. Selbiger lag auf eim Stein dicht am Wasser und schnarchete wie ein Mensch. Zog mir also die Schuhe aus und ging heimlich hinzu, daß er nichts merkete, worauf ich ihm mit einem Stecken so über die Nasen schlug (denn an der Nasen kann er wenig vertragen), daß er gleich ins Wasser purzelte. Doch war ihm die Besinnung schon weg, und mochte ich ihn nunmehro leichtlich ganz zu Tode schlagen. Es war ein feistes Beest, obwohl nit gar groß, und brieten wir doch aus seinem Speck an die 40 Pott Tran, so wir beschlossen, zur Winternotdurft aufzuheben.

Hierzwischen aber begab es sich, daß dem alten Seden flugs etwas ankam, also daß er das heilige Sakrament begehrete. Ursache konnte er nit angeben, als ich zu ihm kam, hat es aber vielmehr wohl nit tun wöllen aus Furcht für seiner alten Lisen, so mit ihren Gluderaugen sein immer hütete und nicht aus der Stuben ging. Sonsten wollte Zutern sein klein Mädchen, ein Kind bei 12 Jahren, am Gartenzaun auf der Straßen, wo sie Kraut vor das Vieh gepflücket, gehört haben, daß Mann und Frau sich etzliche Tage zuvorab wieder heftig gescholten und der Kerl ihr fürgeschmissen, daß er nunmehro gewißlich in Erfahrung gebracht, daß sie einen Geist habe, und wölle er alsobald hingehen und es dem Priester verzählen.

Wiewohlen das nur Kindereien seind, will es doch wohl wahr seind, anerwogen Kinder und Narren, wie man saget, die Wahrheit sprechen.

Doch laß ich das in seinen Würden. Summa: Es wurde immer schlimmer mit meinem alten Fürsteher, und wenn ich ihne, wie ich den Brauch bei Kranken hab, alle Morgen und Abend heimsuchte, umb mit ihm zu beten, und oftmalen wohl merkete, daß er etwas annoch auf seim Herzen hatte, kunnte er doch nichts herfürbringen, angesehen die alte Lise immer auf ihrem Posten stunde.

So verblieb es eine Zeitlang, als er eines Tages umb Mittag aus zu mir schickete, ich wölle ihm doch ein klein wenig Silbers von dem Abendmahlkelch abschrapen, weilen er den Rat gekriegt, daß es besser mit ihm werden würd, wenn er es mit Hühnermist einnähm. Wollte lange Zeit nit darangehen, maßen ich gleich vermutete, daß dabei wieder Teufelsspök verborgen, aber er drängete so lange, bis ich ihme den Willen tat. Und siehe, es half fast von Stund an, so daß er am Abend, als ich kommen war, mit ihme zu beten, schon wieder auf der Bank saß, ein Topf zwischen den Beinen, aus welchem er seine Suppen kellete. Wollte aber nit beten (ein seltsam Ding, da er doch sonsten so gerne gebetet und oftmals kaum die Zeit ausharren kunnte, ehe ich kam, so daß er wohl an die zween oder dreien Malen geschicket, wenn ich nit gleich zur Hand ware oder sonstwo mein Wesen hatte), sondern sagete, er hätte schon gebetet und wölle er mir vor meine Mühe den Hahnen zu einer Sonntagssuppen geben, wovon er den Mist eingenommen, maßen es ein großer, schöner Hahnen sei und er nichts Besseres hätte. Und weilen das Hühnerwerk schon aufgeflogen, trat er auch zu dem Wiem, so er in der Stuben hinter dem Ofen hatte, und langete den Hahnen herab, so er meiner Magd unter den Arm tät, so gekommen war, mich wegzurufen.

Hätte aber den Hahnen umb alles in der Welt nit essen wollen, besondern ließ ihn zur Zucht laufen. Wie ich nun ginge, fragte ihn noch, ob ich am Sonntage dem Herrn vor seine Besserung danken solle, worauf er aber zur Antwort gab, daß ich solches halten könne, wie mir geliebte. Verließ also kopfschüttelnd sein Haus und nahm mir für, ihn alsogleich rufen zu lassen, wenn ich in Erfahrung gezogen, daß seine alte Lise nit heimisch (denn sie holete sich oft von dem Amtshauptmann Flachs, umb solchen aufzuspinnen).

Aber siehe, was geschah schon nach etzlichen Tagen? Es kam das Geschreie, der alte Seden wäre weggekommen, und niemand wüßte nit, wo er geblieben. Sein Weib vermeinete, er wäre in den Streckelberg gangen, und kam dahero diese vermaledeite Hexe auch mit großem Geheul bei mir vorgelaufen und forschete von meinem Töchterlein, ob sie ihren Kerl nit wo hätte daselbsten laufen gesehen, dieweil sie ja alle Tage in den Berg ginge. Mein Töchterlein sagte nein, sollte aber, sei's Gott geklagt, bald genugsam von ihme erfahren. Denn als sie eines Morgens, ehe denn die Sonne aufgegangen gewest, von ihrer verbotenen Gräberei zurückkömmt und in den Wald niedersteiget, höret sie flugs sich zur Seiten einen Grünspecht (so sicherlich die alte Lise selbsten gewest) so erbärmlich schreien, daß sie in das Gebüsche tritt zu sehen, was er hätte. So sitzt nun dieser Specht auf der Erden vor einem Flusch Haaren, so rot und ganz so gewest seind wie dem alten Seden seine, burret aber mit einem Schnabel voll auf, wie er ihrer gewahr wird, und verkreucht sich damit in ein Astloch. Wie mein Töchterlein noch stehet und diesen Teufelsspök betrachtet, kömmt der alte Paasch, so das Geschrei auch gehöret und mit seinem Jungen sich Daukelschächte in dem Berg gehauen, auch herbei und entsetzet sich gleicherweise wie er die Haare an der Erden sieht. Und vermeinen sie erstlich, daß ihn ein Wulf gefressen, sehen dannenhero sich auch überall umb, aber finden kein einig Knöchelken. Wie sie aber in die Höhe schauen, kommt es ihnen für, als ob oben im Wipfel auch etwas Rotes glitzerte, und muß der Junge in den Baum steigen, wo er denn alsogleich ein groß Geschrei anhebt, daß es hier auch auf ein paar Blätter einen guten Flusch roter Haare hätte, so mit den Blättern zusammengeklebet wären wie mit Pech. Aber es wäre kein Pech nit, sondern sähe rot- und weißsprenklig aus wie Fischküt. Item wären die Blätter ringsumbher, wo auch keine Haare säßen, bunt und fleckigt und voll unsauberen Stankes. Wirft also der Junge auf Geheiß seines Herren den Kletten herab, und judizieren sie beide gleich unten, daß dies den alten Seden sein Haar und Hirn sei und ihn der Teufel bei lebendigem Leibe geholet, weil er nit hat beten wöllen und dem Herrn danken vor seine Besserung. Solche gläubete ich auch selbsten und stellte es auch am Sonntag so der Gemeine für. Aber man wird weiters unten sehen, daß der Herr noch andere Ursachen gehabt, ihn in die Hand des leidigen Satans zu geben, angesehen er sich auf Zureden seines bösen Weibes von seinem Schöpfer losgesagt, umb nur wieder besser zu werden. Vor jetzo aber tät noch diese Teufelshure, als wäre ihr das größeste Herzeleid zugefüget, inmaßen sie sich die roten Haare bei ganzen Fluschen ausriße, wie sie von dem Grünspecht durch mein Töchterlein und den alten Paasch hörete, und lamentierte, daß sie nunmehro auch eine arme Wittib sei, und wer sie in Zukunft verpflegen würd etc.

Hierzwischen feierten wir auch an dieser öden Küsten, so gut wir kunnten und mochten, mit der ganzen protestantischen Kirchen den 25sten Tag des Monats Juni, wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des Heiligen Römischen Reichs dem großmächtigsten Kaiser Carolo V. ihre Konfession zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich die Predigt über Matth. 10,32 von der rechten Bekenntnis unsers Herrn und Heilandes Jesu Christ, worauf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch gegen den Abend desselbigen Tages, als ich mit meinem Töchterlein zur Sehe gespazieret war, sahen wir umb den Ruden viel hundert Masten von großen und kleinen Schiffen, höreten auch ein merklich Schießen und judizierten alsbald, daß es der großmächtigste König Gustavus Adolphus sein möchte, so nunmehro, wie er versprochen, der armen, bedrängten Christenheit zur Hülf käme. Im währenden Judizieren aber segelte ein Boot von der Oie heran, worinnen Käthe Berowsche ihr Sohn saß, so dorten ein Bauer ist und seine alte Mutter heimsuchen wollte. Selbiger verzählete, daß es wirklich der König wär, so diesen Morgen von Rügen mit seiner Flotten den Ruden angelaufen, allwo ein paar Oier Leut gefischet und gesehen, daß er alsofort mit seinen Offiziers an das Land gestiegen und alldort mit geblößetem Haupt auf seine Knie gefallen sei.Man sehe auch das Theatrum Europaeum, J. 226 fl.

Auch, du gerechter Gott, da hatte ich unwürdiger Knecht am lieben Abend noch eine größere Jubelfreude denn am lieben Morgen, und kann man leichthin bei sich selbsten abnehmen, daß ich nicht angestanden, mit meim Töchterlein alsofort auch auf meine Knie zu fallen und es dem König nachzutun. Und weiß Gott, ich hab in meinem Leben nicht so brünstig gebetet denn diesen Abend, wo der Herr uns ein sollich Wunderzeichen fürstellete, daß der Retter seiner armen Christenheit gerade anlangen mußte an dem Tag, wo sie ihn allerorten umb seine Gnad und Hülfe für des Papstes und Teufels Mord und List auf ihren Knien angeschrien hatten. Konnte auch die Nacht darauf für Freuden nicht schlafen, besondern ging schon zur frühen Morgenzeit nach der Damerow, wo Vithen seinem Jungen etwas angekommen war. Gläubete schon, es würd auch Zauberei sein, aber es war dieses Mal keine Zauberei, angesehen der Junge in der Heiden etwas Schlimmes gefressen hatte. Was es für Beeren gewest, kunnte er nit mehr sagen, doch zog das Malum, so ihm das Fell ganz rot wie Scharlach gemachet, alsbald fürüber. Als ich darumb bald hernacher den Heimweg antrate, begegnete ich einem Boten von Peenemünde, so Ihro Majestät, der großmächtigste König Gustavus Adolphus, an den Amtshauptmann gesendet, daß er ihme am 29. Juni umb 10 Uhren morgens sölle drei Wegweiser bei Koserow gestehen, umb Se. Majestät durch die Wälder nach der Swine zu geleiten, allwo die Kaiserlichen sich verschanzet hatten. Item verzählete er, daß Ihro Majestät schon gestern die Schanze zu Peenemünde eingenommen (was wohl das Schießen bedeutet, so wir den Abend zuvor gehöret) und hätten die Kaiserlichen gleich allens verlaufen und die rechten Buschreuter gespielet. Denn nachdem sie ihr Lager in Brand gestecket, wären sie zu Busch gesprungen, umb zum Teil nach Wolgast, zum Teil nach der Swine zu entkommen.

Alsobald beschloß nun in meiner Freud, Sr. Majestät, so ich mit des allmächtigen Gotts Hülf sehen sollte, ein Carmen gratulatorium zu fabrizieren, welches mein Töchterlein ihme überreichen könnte.

Tät ihr alsogleich nach meiner Heimkunft den Fürschlag, und sie fiele für Freuden mir davor umb den Hals und fing alsdann an, in der Stuben umbherzutanzen. Doch als sie sich ein wenig besunnen, meinete sie, daß ihr Kleid nicht gut genug wäre, umb Sr. Majestät darinnen aufzuwarten, und möchte ich ihr noch ein blauseidin Kleid mit gelbem Schurzfleck kaufen, da dieses die schwedische Kolör sei und Sr. Majestät baß gefallen würd. Wollte aber lange nicht daran, anerwogen ich solch hoffärtig Wesen hassete, aber sie tribulierete so lange mit ihren guten Worten und Küßleins, daß ich alter Narre ja sagete und meinem Ackersknecht befahl, noch heute mit ihr nach Wolgast zu fahren, umb sich den Zeug zu kaufen. Achte darumb, daß der gerechte Gott, so den Hoffärtigen widerstehet und den Demütigen Gnade gibt, mich von wegen solcher Hoffart mit Recht gestrafet. Denn ich hatte selbsten eine sündliche Freude, als sie mit zwo Weibern, so ihr sollten helfen, zurückekam und mir den Zeug fürlegete.

Des andern Tages hub auch gleich das Nähen mit der Sonnen an, in währendem ich mein Carmen fabrizierte. War aber noch nit weit gelanget, als der junge Edelmann Rüdiger von Nienkerken vorgeritten kam, umb sich zu erkundigen, wie er sagte, ob Sr. Majestät in Wahrheit über Koserow marschieren würd. Und als ich ihm hievon gesaget, was ich wußte, item unser Fürhaben mitgeteilet, lobete er solches gar sehr und instruierte mein Töchterlein (die ihn heute freundlicher ansah, als mir recht war), wie die Schweden das Lateinisch sprächen, als ratscho für ratio, üt für ut, schis für scis etc., damit sie Sr. Majestät nit die Antwort schuldig blieb. Und hätte er sowohl in Wittenberge als in Griepswalde viel mit Schweden konversieret, wöllten dahero, so es ihr geliebte, ein klein Kolloquium anstellen, und wölle er den König machen.

Hierauf setzte er sich vor sie auf die Bank, und hatten sie beide alsogleich ihr Geschwätze, was mich fast heftig verdroß, insonderheit als ich sahe, daß sie die Nadel wenig rührete, aber sage, Lieber, was kunnte ich dabei tun? Ging also meiner Straßen und ließ sie schwätzen bis gegen Mittag, wo der Junker endlich sich wieder aufmachete. Doch versprach er, am Dienstag, wenn der König käm, sich auch einzustellen, gläube auch, daß die ganze Insel alsdann wohl bei Koserow zusammenlaufen würde.

Als er fort war und mir die Vena poetica, wie leicht zu erraten, noch verstopfet war, ließ ich meinen Wagen anspannen und fuhre im ganzen Kapsel umbher, in allen Dörfern das Volk vermahnende, daß sie am Dienstag umb 9 Uhren an dem Hünenstein vor Koserow wären, und sollten sie alle niederfallen auf ihre Knie, wenn sie sähen, daß der König käm und ich auf meine Knie fallen würd, item gleich einstimmen, wenn die Glocken anhüben zu läuten und ich den Ambrosianischen Lobgesang intonierete. Solches versprach sie auch alle zu tun, und nachdeme ich am Sonntag in der Kirchen sie noch einmal hierzu vermahnt und vor Se. Majestät von ganzem Herzen zu dem Herrn gebetet, kunnten wir kaum den lieben Dienstag vor großen Freuden erharren.


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