Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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Quaestio. Ob sie zaubern könne?

Responsio. Nein, sie wisse von keinem Zauber nicht.

Q. Ob sie denn böten könne?

R. Wär ihr angleichen unbekannt.

Q. Ob sie wohl mal auf den Blocksberg gewest?

R. Der wäre vor sie zu weit, und kenne sie wenig Berge mehr denn den Streckelberg, wo sie öftermalen gewest.

Q. Was sie denn dorten fürgenommen?

R. Sie hätte zur Sehe überschauet oder sich Blümleins gepflücket, item sich auch wohl eine Schürze dürres Reiswerk geholet.

Q. Ob sie dorten wohl den Teufel angerufen?

R. Wär ihr niemalen in den Sinn gekommen.

Q. Ob der Teufel ihr denn ohne Anrufen dorten erschienen?

R. Davor solle sie Gott bewahren.

Q. Also sie könne nit zaubern?

R. Nein!

Q. Was denn Stoffer Zuter seiner bunten Kuh angekommen, so plötzlich in ihrem Beisein verrecket?

R. Das wisse sie nicht, und wäre das eine seltsame Frag.

Q. Dann wäre es auch wohl eine seltsame Frag, warumb Käthe Berowschen ihr klein Ferkelken verrecket?

R. Allerdings, sie verwundre sich, was man ihr zur Last lege.

Q. Also hätte sie dieses auch nit behext?

R. Nein, da sei Gott vor.

Q. Warumb sie denn aber der alten Käthen, wenn sie unschuldig wär, ein Ferkelken wieder versprochen, wenn ihre Sau werfen würd?

R. Das hätte sie aus gutem Herzen getan. Hierbei aber hube sie an fast heftig zu weinen und sagte, sie sehe wohl, daß sie dieses alles der alten Lise Kolken verdanke, welche ihr oftmalen gedrohet, wenn sie ihr Unbegehren nicht hätte erfüllen wöllen, denn sie verlange allens, was ihren Augen fürkäme, zu einem Geschenk. Selbige wär auch zu den Leuten gangen, als das Vieh im Dorf bezaubert gewest, und hätte ihnen zugeredet, daß, wenn nur eine reine Jungfer dem Vieh ein paar Haare aus dem Schwanz griffe, es mit selbigem besser werden würde. So habe sie sich denn erbarmet und wäre hingangen, weilen sie sich eine reine Jungfer gefühlet, und hätte es auch etzliche Male geholfen, letzlich aber nicht mehr.

Q. Weme es denn geholfen?

R. Zabels roter Kuh, item Witthanschen ihrem Schwein, auch der alten Lisen ihrer eignen Kuh.

Q. Warumb es denn nachmalen nit mehr geholfen?

R. Das wisse sie nit, vermeine aber, wiewohl sie niemand nit beschweren wölle, daß die alte Lise Kolken, so lange Jahre im gemeinen Geschrei als Hexe gewest, dieses alles angerichtet und unter ihrem Namen das Vieh bezaubert und auch wieder umgebötet, wie ihr geliebet, bloß umb sie in das Elend zu stürzen.

Q. Warumb die alte Lise denn auch ihre eigene Kuh bezaubert, item ihr eigen Ferkelken verrecken lassen, wenn sie den Rumor im Dorf gemacht und wirklich böten könne?

R. Das wisse sie nicht. Es möchte wohl einer sein (wobei sie den Amtshauptmann ansahe), der ihr allens doppelt erstatte.

Q. Sie suche vergebens, die Schuld von sich zu wenden, denn ob sie auch nicht dem alten Paaschen, ja ihrem eignen Vater die Saat bezaubert und durch den Teufel umbstürzen lassen, item die Raupen in ihres Vaters Baumgarten gemacht?

R. Die Frage wäre bald so ungeheuer denn die Tat. Da säße ihr Vater, Se. Edlen müge ihn selbsten fragen, ob sie sich jemals als ein ruchlos Kind gegen ihn gezeiget.

Hier wollte ich aufstehen und das Wort nehmen, aber Dn. Consul ließ mich nit zu Worte kommen, sondern fuhr fort zu examinieren, weshalben ich verstürzet schwieg.

Q. Ob sie denn auch leugne, daß sie daran schuld gewest, daß die Witthahnsche einen Teufelsspök zur Welt gebracht, so gleich sich aufgenommen und durchs Fenster gefahren, auch nachhero, als die Wehemutter nachgesehen, verschwunden gewesen?

R. Jawohl, sie hätte eher denen Leuten Gutes getan ihr lebelang, denn ihnen geschadet, und sich oft selbsten in der grausamen Hungersnot den Bissen vom Munde weggezogen und ihn andern, insonderheit den kleinen Kindleins, abgeteilet. Solches müge ihr auf Befragen die ganze Gemeind bezeugen. Da nun aber die Zauberer und Hexen den Menschen Böses und nicht Gutes täten, wie unser Herr Jesus, Matth. am 12ten, lehre, allwo die Pharisäer ihn auch gelästert, daß er durch Beelzebub die Teufel austriebe, so möge Se. Edlen sich abnehmen, ob sie in Wahrheit eine Hexe sein könne.

Q. Er werde ihr die Gotteslästerungen alsbald zeigen. Er sähe schon, daß sie ein groß Maul hätte, und sölle sie nur antworten, auf was sie gefraget würd. Denn es käme nit darauf an, was sie den Armen für Gutes getan, sondern womit solches beschehen. Möchte dahero anzeigen, wie sie benebst ihrem Vater plötzlich zu solchem Reichtum gelanget, daß sie in seidinen Kleidern einherstolziere, da sie vorhero doch ganz arm gewest?

Hierbei schauete sie auf mich und sprach: »Vater, soll ich's sagen?« Worauf ich antwortete: »Ja, mein Töchterlein, jetzunder mußt du alles fein aufrichtig sagen, wenn wir dadurch auch wieder blutarme Leut würden.« Sie bezeugete also, wie sie zuerst in unserer großen Not den Bernstein gefunden, und was für ein Gewinn uns daraus herfürgegangen durch die beiden holländischen Kaufleut.

Q. Wie diese Kaufleut geheißen?

R. Dieterich von Pehnen und Jakob Kiekebusch, wären aber, wie wir durch einen Schiffer in Erfahrung gezogen, in Stettin an der Pest verstorben.

Q. Warumb wir solchen Fund verschwiegen?

R. Aus Furcht für unserm Feind, dem Amtshauptmann, so dem Anschein nach uns zum Hungerstode verdammt, indeme er der Gemeind verboten, uns nichts mehr, bei harter Pön, zu verabreichen, und wölle er ihr schon einen bessern Priester zuweisen.

Hierauf sahe Dn. Consul wieder dem Amtshauptmann scharf ins Angesicht, welcher zur Antwort gab, daß er solches in alleweg gesaget, angesehen der Priester ihn fast abscheulich abgekanzelt, daß er aber auch gar wohl gewußt, es sei noch weit mit ihm vom Hungerstod.

Q. Woher so viel Bernstein in den Streckelberg käm? Sie sölle nur gestehn, daß ihr der Teufel solchen zugetragen.

R. Davon wisse sie nichts. Doch hätte es allerorten eine große Ader von Bernstein, wie sie männiglich noch heute zeigen könnte, und hätte sie ihn daraus gebrochen, das Loch aber wieder mit tännen Zweigen wohl verwahret, daß man es nit finden müge.

Q. Wann sie in den Berg gegangen wäre, des Tags oder des Nachts?

Hierauf verfärbete sie sich und hielt einen Augenblick inne, gab aber alsobald zur Antwort, daß solches bald des Tages, bald in der Nacht beschehen sei.

Q. Warumb sie stöttere, sie sölle nur frei bekennen, daß ihre Straf geringer würd. Ob sie nit den alten Seden dorten dem Satan übergeben, daß er ihn durch die Luft geführet und nur sein Hirn und Haare noch zum Teil oben in der Eichen geklebet?

R. Sie wisse nit, ob es sein Haar oder Hirn gewest, auch nit, wie es dorten hinkommen. Weilen ein Grünspecht eines Morgens so jämmerlich geschrien, wäre sie an den Baum getreten, item der alte Paasch, so das Geschrei auch gehöret, wäre ihr alsobald gefolget mit seiner Holzaxt.

Q. Ob der Grünspecht nit der Teufel gewesen, so den alten Seden selber geholet?

R. Das wisse sie nicht. Er müsse aber schon lange tot gewest sein, dieweil das Hirn und Blut, so der Junge vom Baum geholet, schon betrocknet gewesen.

Q. Wie und wann er denn zu Tode kommen?

R. Das wisse der allmächtige Gott. Es hätte wohl Zutern sein klein Mädchen ausgesaget, daß sie eins Tages, als sie Nessel vor das Vieh an Seden seinem Zaun gepflücket, vernommen, daß der Kerl sein gluderäugigt Weib bedräuet, er wölle es dem Priester sagen, daß sie, wie er nunmehro gewißlich in Erfahrung gezogen, einen Geist habe, worauf der Kerl auch alsbald verschwunden sei. Doch wären solches Kinderreden, und wölle sie niemand nit damit beschweren.

Hierauf sahe abermalen Dn. Consul dem Hauptmann steif ins Angesicht und sagete, die alte Lise Kolken müsse noch heute eingeholet werden, worauf aber der Hauptmann keine Antwort gab, und er fortfuhr:

Q. Sie verbleibe also dabei, daß sie nichtes vom Teufel wisse?

R. Dabei verbleibe sie und werde sie verbleiben bis an ihr selig Ende.

Q. Und doch hätte sie sich, wie Zeugen gesehen, von ihm am hellen Tage in der Sehe umbtaufen lassen.

Hier verfärbete sie sich abereins und hielt ein wenig inne.

Q. Warumb sie sich wiederumb verfärbe? Sie sölle doch umb Gottes willen an ihre Seligkeit gedenken und die Wahrheit bekennen.

R. Sie hätte sich in der Sehe gebadet, angesehen der Tag sehr heiß gewesen, das sei die reine Wahrheit.

Q. Welche keusche Jungfer sich wohl in der Sehe bade? Du leugst! Oder willtu etwan auch leugnen, daß du den alten Paasch sein klein Mägdlein durch einen Stuten behext?

R. Ach wohl, ach wohl! Sie liebte das Kindlein wie ihr eigen Schwesterken, hätte sie nit bloß mit allen andern umbsonst informieret, besondere auch in der großen Hungersnot sich den Bissen oftmalen aus dem Munde gezogen und ihr denselben eingestecket. Wie sie darumb ihr solch Leid hätte zufügen mügen?

Q. Willtu noch immer leugnen? Ehre Abraham, wie verstockt ist Sein Kind! – Schaue denn her, ist das keine HexensalbeMan glaubte, der Teufel gäbe den Hexen eine Salbe, um sich durch deren Gebrauch unsichtbar zu machen, in Tiere zu verwandeln, durch die Luft zu fahren usw., so der Büttel diese Nacht aus deinem Koffer geholet? Ist das keine Hexensalbe, he?

R. Wäre nur eine Salbe vor die Haut, so darnach fein weiß und weich werden sölle, wie der Apotheker in Wolgast ihr gesaget, bei dem sie solche gekaufet.

Hierauf fuhr er kopfschüttelnd fort:

Q. Was? Willtu denn auch endlich noch leugnen, daß du diesen verschienen Sonnabend, den 10ten Juli, nachts umb 12 Uhren, den Teufel, deinen Buhlen, auf dem Streckelberg mit greulichen Worten angerufen, er dir darauf als ein großer und haarigter Riese erschienen und dich umbhalset hab und geherzet?

Bei diesen Worten wurd sie blasser denn ein Leich und fing an, also heftig zu wanken, daß sie sich an einen Stuhl halten mußte. Als ich elender Mensch, der ich wohl vor sie mich in den Tod geschworen, solches sah und hörete, vergingen mir die Sinnen, also daß ich von der Bank stürzete und Dn. Consul den Büttel wieder hereinrufen mußte, umb mir aufzuhelfen.

Als ich mich in etwas wieder vermündert und der dreuste Kerl unsere gemeine Verstürzung sahe, schrie er greinend das Gericht an: »Ist't rut, ist't rut, hett se gebichtet?« Worauf Dn. Consul ihme abermals die Türe wies mit vielen Scheltworten, wie man sich selbsten abnehmen kann, und will dieser Bub genug dem Amtshauptmann immer die Vetteln zugeführet haben, wie es heißt, denn sonsten, achte ich, wäre er nicht so dreust gewesen.

Summa: Ich wäre fast umbkommen in meim Elend, wenn ich nicht das Röslein gehabt, so mit des barmherzigen Gotts Hülf mich wacker hielt, als nunmehro das ganze Gericht aufsprange und mein hinfällig Kind bei dem lebendigen Gott und ihrer Seelen Seligkeit beschore, nit ferner zu leugnen, sondern sich über sich selbsten wie über ihren Vater zu erbarmen und die Wahrheit zu bekennen.

Hierauf tät sie einen großen Seufzer, und so blaß sie gewesen, so rot wurde sie, inmaßen selbsten ihre Hand auf dem Stuhl wie ein Scharlachen anzusehen war und sie die Augen nit von dem Boden hube.

R. Sie wölle auch jetzunder die reine Wahrheit bekennen, da sie wohl sähe, daß böse Leute sie des Nachts beschlichen. Sie hätte Bernstein vom Berge geholt und bei der Arbeit nach ihrer Weis und umb sich das Grauen zu vertreiben, das lateinische Carmen gerezitieret, so ihr Vater auf den durchlauchtigsten König Gustavum Adolphum gesetzet, als der junge Rüdiger von Nienkerken, der oftermalen in ihres Vaters Haus gekommen und ihr von Liebe vorgesaget, aus dem Busch getreten wäre, und da sie für Furcht aufgeschrien, sie auf lateinisch angeredet und in seinen Arm genommen. Selbiger hätte einen großen Wulfspelz angehabt, damit die Leute ihn nit erkennen möchten, so sie ihme etwan begegneten, und es seinem Herrn Vater wiederverzählen, daß er des Nachts auf dem Berg gewest.

Auf solch ihr Bekenntnis wollte ich schier verzweiflen und schrie für Zorn: »Oh du gottlos ungehorsam Kind, also hastu doch einen Buhlen? Habe ich dir nicht verboten, des Nachts auf den Berg zu steigen? Was hastu des Nachts auf den Berg zu tun?« Und hub an, also zu klagen und zu winseln und meine Hände zu ringen, daß es Dn. Consulem selbsten erbarmete und er näher trat, umb mir Trost einzusprechen. Hierzwischen aber trat sie heran und hub an, mit vielen Tränen sich zu verteidigen: daß sie wider mein Verbot des Nachts auf den Berg gestiegen, umb so viel Bernstein zu gewinnen, daß sie mir heimlich zu meinem Geburtstag die Opera Sancti Augustini, so der Kantor in Wolgast verkaufen wölle, anschaffen möge. Und könne sie nicht davor, daß der Junker ihr eines Nachts aufgelauert, doch schwöre sie mir bei dem lebendigen Gott, daß dorten nichts Ungebührliches fürgefallen und sie annoch eine reine Jungfer sei.

Und hiemit wurde nunmehro das erste Verhör beschlossen, denn nachdem Dn. Consul denen Schöppen etwas ins Ohr gemürmelt, rief er den Büttel wieder herein und befahle ihm, auf Ream ein gut Augenmerk zu haben, item sie nunmehro nit mehr los im Gefängnis zu belassen, sondern anzuschließen. Solches Wort stach mir abermals durch mein Herze, und beschwur ich Se. Edlen, angesehen meines Standes und meiner altadligen Abkunft, mir nicht solchen Schimpf anzutun und mein Töchterlein schließen zu lassen. Ich wölle mich vor Ein achtbares Gericht mit meinem Kopf verbürgen, daß sie nit entrinnen würde, worauf Dn. Consul, nachdem er hinausgegangen und sich die Gefängnis angesehen, mir auch willfährig war und dem Büttel befahl, es mit ihr zu lassen wie zeithero.


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