Wilhelm Meinhold
Die Bernsteinhexe Maria Schweidler
Wilhelm Meinhold

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Unser Manuskript, in welchem die ansehnliche Zahl von sechs Kapiteln fehlt und welches auf den nächstvorhergegangenen Blättern unstreitig sich über den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges auf der Insel Usedom verbreitet hat, beginnt mit den Worten: »Kaiserliche gehauset« und fährt dann fort wie folgt:

... Koffer, Truhen, Schränke waren allesamt erbrochen und zerschlagen, auch mein Priesterhemd zerrissen, so daß ich in großen Ängsten und Nöten stande. Doch hatten sie mein armes Töchterlein nit gefunden, maßen ich sie in einem Stall, wo es dunkel war, verborgen, denn sonst, sorge ich, hätten sie mir noch mehr Herzeleid bereitet. Weil nun aber ich bittern Hunger litte, so schrieb an Se. Gestrengen, den Herrn Amtshauptmann Wittich von Appelmann auf Pudagla, daß er mir zukommen ließe, was Se. fürstliche Gnaden Philippus Julius mir vom Kloster zu Pudagla beigeleget, als nämlich 30 Scheffel Gerste und 25 Mark Silbers, welche Se. Gestrengen mir aber bis nunmehro geweigert, denn er war ein fast hart und unmenschlicher Mann. – Aber er antwortete mir nit, und ich wäre schier verschmachtet, wenn Hinrich Seden nicht für mich im Kapsel gebetet. Gott lohn's dem ehrlichen Kerl in der Ewigkeit. Er wurde dazumalen auch schon alt und hatte viel Plage von seinem bösen Weibe Lise Kolken, angesehen sie im gemeinen Geschrei war, daß sie lange mit Wittich Appelmann in Unzucht gelebet, welcher von jeher ein rechter Erzschalk und absonderlich ein hitziger Schurzenjäger gewest, denn so etwas gesegnet der Herre nicht. Selbiger Seden nun brachte mir 5 Brote, 2 Würste und eine Gans, item eine Seite Speck. Möchte ihn aber vor seiner Frauen schützen, welche die Hälfte hätte vor ihr behalten wollen, und da er sich geweigert, hätte sie ihn vermaledeiet und die Kopfgicht angewünschet, so daß er gleich ein Ziehen in der rechten Wangen verspüret, welches jetzunder fast hart und schwer geworden. Für solcher erschrecklichen Nachricht entsetzte ich mich, wie einem guten Seelenhirten geziemet, fragende, ob er vielleicht gläubete, daß sie im bösen Verkehr mit dem leidigen Satan stünde und hexen könnte? Aber er schwiege und zuckete mit den Achseln. Ließ mir also die alte Lise rufen, welche ein lang, dürr Mensch bei 60 Jahren war, mit Gluderaugen, so daß sie niemand nit gerade ins Antlitz schauete. Aber obwohl ich sie fleißig aus Gottes Wort vermahnete, gab sie doch keine Stimme, und als ich endlich sagete: »Willtu deinen Kerl wieder umböten (denn ich sahe ihn auf der Straßen durch das Fenster allbereits als einen Unsinnigen rasen), oder willtu, daß ich's der Obrigkeit anzeige?«, gab sie endlich nach und versprache, daß es bald solle besser mit ihm werden (was auch geschach). Item bat sie, daß ich ihr wölle etwas Speck und Brot verehren, dieweil sie auch seit dreien Tagen kein ander Fleisch und Nahrung mehr zwischen den Zähnen gehabt denn ihre Zunge. Gab ihr mein Töchterlein also ein halb Brot und ein Stück Speck bei zween Händen Länge, was ihr aber nicht genugsam bedünkete, sondern mummelte zwischen den Zähnen. Worauf mein Töchterlein sagte: »Bistu nicht zufrieden, alter Hexensack, so packe dich und hilf erst deinem Kerl! Schaue, wie er das Haupt auf Zabels Zaun geleget und mit den Füßen vor Wehetage trampelt!« Worauf sie ginge, doch abermals zwischen den Zähnen mummelnde: »Ja, ich will ihm helfen und dir auch!«


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