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33. Kapitel.

Ungefähr in der Mitte zwischen den beiden Hafenstädten Seila und Berbera erhebt sich der Elmasberg, von dem der gerettete Somali zu dem Kapitän gesprochen hatte. Er steigt, nur eine kurze Strecke von der See entfernt, von allen Seiten rund empor und bildet einen abgestumpften Kegel, an dessen südlicher Seite der Flecken Lamal liegt, der aber eher ein nomadisches Lager, als ein Flecken zu nennen ist. Der Ort dankt seine Entstehung einem kleinen Wasser, das vom Berg fließt, sich aber sehr bald im Sand verliert.

Auf der anderen Seite, halb der See zugewandt, hegt eine Quelle, an der der junge Somali gefangengenommen worden war.

Graf Ferdinando hatte mit seiner Begleitung den gefahrvollen Ritt von Harrar bis zu diesem Berg, von dessen Höhe aus man die See überblicken konnte, glücklich zurückgelegt. Die Somali hatten ihm ihr Versteck gezeigt, und es war beschlossen worden, hier auf ein Schiff zu warten. Aber es verging ein voller Tag, ohne daß sich ein solches sehen ließ. Da nun in dem Flecken Lamal ein Stamm wohnte, dem man nicht trauen durfte, so wurde während der Nacht beschlossen, daß der junge Somali nach Norden reiten solle, um ein Schiff zu besorgen. Er sollte Seila umgehen und den Hafen von Tadschurra aufsuchen, wohin gewiß noch keine Boten des Sultans gelangt waren. Der junge Somali verließ das Versteck, bestieg das Kamel und ritt davon.

Am darauffolgenden Abend führten die Versteckten ihre Kamele aus dem Versteck nach der Quelle, um jene zu tränken, und fanden einen zerbrochenen Bogen dort liegen. Es mußten Leute hier gewesen sein. Der Somali nahm den Bogen auf und befühlte ihn, kaum aber hatte er dies getan, so sagte er erschrocken:

»Hier hat ein Kampf stattgefunden!« – »Wie willst du dies wissen?« fragte Don Ferdinando. – »Dieser Bogen ist nicht zerbrochen, sondern zerschnitten worden; das kann nur im Kampf geschehen sein. Laßt uns weiter suchen, ob wir noch mehr finden!«

Es war dunkel, und so konnten sie also nur den Tastsinn zu Hilfe nehmen. Plötzlich bekam Bernardo eine Schnur in die Hand, an der etwas Rundes hing.

»Hier finde ich etwas«, sagte er. »Was mag dies sein?« – »Zeige es her!« sagte der Somali.

Er befühlte den Gegenstand mit den Fingern; aber kaum hatte er dies getan, so sprang er erschrocken vom Boden auf und stieß einen Ruf der Bestürzung aus.

»Was ist's?« fragte Don Ferdinando. – »Es ist der Talisman, den Murad Hamsadi, mein Sohn, am Halse hängen hatte«, antwortete der Gefragte. »Er ist hier überfallen worden.« – »Du wirst dich täuschen. Er wollte hier sein Tier tränken, und dabei hat er den Talisman verloren.« – »Nein, einen Talisman mit so fester Schnur verliert man nicht; sie ist ihm vom Hals gerissen worden. Man hat ihn gefangengenommen und nach Seila gebracht.« – »Unmöglich!« – »Und doch möglich, ja sogar wirklich. Dieser Bogen hat einem Soldaten des Gouverneurs von Seila gehört; ich kann ihn nicht sehen, aber ich kenne die Form der Waffen. Oh, mein Sohn, mein Sohn, du bist verloren, aber ich werde dich rächen.«

Er war nur mit Mühe zum Schweigen zu bringen. Es wurde nun beschlossen, die Stelle bei Tagesanbruch noch einmal zu untersuchen, dann kehrte man mit den Tieren nach dem Versteck zurück, wo Emma heftig über das, was sie erfuhr, erschrak.

Die Nacht wurde schlaflos zugebracht, und schon bei Tagesgrauen begaben sich alle, selbst Emma, nach der Quelle. Das erste, was ihnen in die Augen fiel, war ein Stück Zeug. Der Somali hob es auf und betrachtete es genau.

»Seht, daß ich recht habe!« sagte er. »Es ist der Zipfel eines Gewandes, und zwar vom Gewand meines Sohnes. Er hat hier gekämpft; er hat mit ihnen gerungen, und dabei ist ihm dieses Stück losgerissen worden.«

Der Jammer und der Grimm des Somali waren nicht zu beschreiben, er wollte sein Kamel besteigen und stracks nach Seila reiten. Nur sein Versprechen, unter allen Umständen fünf Tage zu warten, und die Vorstellung, daß sein Sohn ja noch lebe, da seine Leiche nicht hier gelegen habe, hielt ihn ab, diesen Vorsatz auszuführen.

So verging ein trüber Tag. Zuweilen wagte sich einer der Männer aus dem Versteck hinaus und auf den Berg hinauf, um Umschau zu halten, aber kein einziges Schiff war zu sehen, außer den Fahrzeugen des Gouverneurs, die die Küste abzusuchen schienen und die der Somali ganz genau kannte.

»Seht ihr, daß wir verraten sind!« sagte er. »Der Gouverneur läßt bereits nach uns suchen. Laßt euch nicht bemerken, sonst sind wir verloren!«

Der Tag verging. Es war derselbe, an welchem Kapitän Wagner auf seiner Brigg nach Seila gekommen war. Auch die Nacht kam und verschwand, ohne daß etwas passiert wäre. Noch drei so lange Tage untätig auszuharren, schien dem Somali unmöglich. Die Sorge um seinen Sohn verzehrte ihn fast

Am Nachmittag stieg er wieder den Berg hinan und setzte sich da nieder, um den Blick verlangend über die See schweifen zu lassen.

So sah er nur das Meer und die Wogen, welche seinem Innern glichen, aber nicht den Reitertrupp, der sich von Norden her näherte und ihn bereits gesehen hatte. Die Reiter hielten sich mehr rechts in das Land hinein, um ihm nicht so leicht in das Auge zu kommen. Sie waren schon ziemlich nahe, als er sich zufälligerweise umdrehte und sie sah.

Sofort erhob er sich und rannte den Berg herab; sie aber setzten auch ihre Pferde in Galopp und erreichten den Fuß des Berges fast zu gleicher Zeit mit ihm.

Es war ein Somali, das sahen sie an der Tour seines Haares, und schon glaubten die Soldaten, ihn sicher zu haben, als er plötzlich unerklärlich vor ihren Augen verschwand, als ob ihn die Erde verschlungen hätte.

Er hatte noch glücklich das Versteck erreicht wo er den Gefährten zurief:

»Rüstet euch zum Kampf! Es kommen acht Reiter des Gouverneurs.« – »Sie werden vorüberreiten«, sagte Don Ferdinando. – »Nein. Sie haben mich überrascht ich konnte nicht schnell genug sein, und so müssen sie bemerkt haben, wo ich hingekommen bin.« – »So gilt es, unser Leben, unsere Freiheit und das Geheimnis unseres Versteckes zu bewahren. Sie müssen sterben, wenn sie das letztere finden.«

Ferdinando erhob sich vom Boden und nahm seine Waffen zur Hand, Bernardo tat desgleichen, und auch der Somali bewaffnete sich vollständiger, als er es vorher gewesen war.

Da hörten sie draußen vor dem Eingang Stimmen.

»Hier ist er verschwunden«, sagte jemand. »Ich habe es ganz deutlich gesehen.« – »Wie kann er in der Erde hinein verschwinden«, klang eine andere Stimme; »das ist ja ganz unmöglich!« – »Kann die Erde hier nicht ein Loch oder eine Höhle haben? Kommt laßt uns suchen und auf den Boden klopfen, ob er hohl klingt.«

Die Lauschenden hörten nun das Fußgestampfe vieler Männer, bis einer rief:

»Kommt hierher! Ich habe es. Hier hat es hohl geklungen, aber nicht der Boden, sondern die Seite des Berges. Hier muß eine Höhle sein. Laßt uns hineinstechen!«

Gleich darauf kam zwischen den jungen, mit Erde bedeckten Palmhölzern, die die Tür bildeten, ein Speer zum Vorschein, und zugleich rief der Besitzer desselben:

»Ja, hier ist es. Mein Speer geht ohne Widerstand bis an den Riemen hinein.« – »Öffnen!« befahl da Don Ferdinando. »Unser Leben gilt mehr als das ihrige.«

Der Somali stieß den Eingang auf,, und die Soldaten prallten erschrocken zurück, als sie einen tiefen Schlund bemerkten, in dessen Vordergrund drei wohlbewaffnete Männer standen.

»Feuer!« kommandierte der Graf.

Sofort krachten die beiden Doppelgewehre, jedes zweimal; auch der Somali drückte los, und das übrige taten die Revolver; die acht Verfolger waren tot, wenigstens schien es so. Als aber die Verteidiger des Versteckes hinaustraten, um die Gefallenen zu untersuchen, fanden sie, daß einer noch lebte. Die Revolverkugel war ihm in die Brust gedrungen, doch zeigte der Ausdruck seines Gesichts, daß er nur noch Sekunden zu leben habe. Der Somali kniete zu ihm nieder und sagte:

»Ihr kamt von Seila? Rede die Wahrheit, denn du stehst an der Brücke des Todes, die entweder in das Paradies oder in die Hölle führt!« – »Ja«, lautete die leise Antwort. – »Ist gestern ein Somali gefangen worden?« – »Ja.« – »Wie hieß er?« – »Murad Hamsadi«, hauchte er leise. – »Wo ist er?« – »Wieder entkommen.« – »Wann?« – »Gestern abend. Wir sind ausgezogen, ihn zu suchen.«

Diese lange Antwort war zu viel für den Sterbenden; ein Blutstrom quoll aus seinem Mund, und dann war er tot. Der Somali aber rief jubelnd:

»Er ist entkommen! Allah sei Dank! Er lebt, er ist frei, ich werde ihn wiedersehen. Dieser Tote hat mir die Kunde gebracht, er soll nicht ohne das Gebet eines Gläubigen den Weg des Todes gehen.«

Er kniete neben der Leiche nieder und betete; dann trug er einen Toten nach dem anderen nach dem Meer und warf sie in die Fluten. Die Pferde waren durch das laute Krachen der Salve erschreckt davongerannt – das Geheimnis des Somaliverstecks war gerettet worden.

Nun, da die Flüchtlinge wußten, daß ihr Bote nicht mehr gefangen sei, zog neue, frische Hoffnung in ihr Herz ein. Sie glaubten wieder fest an ihre Rettung und sahen ruhig die Nacht herankommen, die Nacht, die ihnen Erlösung brachte, ohne daß sie es ahnten.

Kapitän Wagner war nämlich wegen der Dunkelheit der Nacht weit hinaus in die offene See gefahren; erst am Morgen kehrte er zur Küste zurück. Ein widriger Wind hinderte ihn, rasch vorwärts zu kommen, und so mußte er mit Lavieren seine Zeit verschwenden, so daß er bei Einbruch der Dunkelheit den Elmasberg nur erst durch das Fernrohr sehen konnte.

Diese langsame Fahrt vermerkten der Sultan und der Gouverneur höchst übel. Sie hatten sich überhaupt diesen Kapitän Wagner ganz anders gedacht. Seit sie sich an Bord befanden, sprach er nur selten ein Wort zu ihnen, und dann geschah es in einem Ton, als ob sie seine Sklaven seien. Nach eingetretener Dunkelheit ging er langsam an ihrem Zelt vorüber, dies benutzte der Sultan und sagte zu ihm:

»Wenn das so fortgeht, werden wir niemand fangen. Wir haben heute die Küste nur für einige kurze Augenblicke gesehen. Wie willst du dein Wort halten?« – »Still!« gebot ihm der Deutsche durch den Dolmetscher, der sich stets in der Nähe befand.»Du bist nicht in Harrar, wo du tyrannisieren kannst. Ich habe dir mein Wort gegeben, die Flüchtlinge zu fangen, und ich werde es halten!« – »In welchem Ton redest du?« brauste der Sultan auf.

Der Kapitän zuckte verächtlich die Achseln und wandte sich zum Koch, dem er ein Papier gab.

»Tue dieses Pulver in den Kaffee der Mohammedaner«, sagte er. »Sie und ihre Diener sollen einschlafen.«

Er hatte eine Schiffsapotheke an Bord, der er das Pulver entnommen hatte. Der Koch gehorchte, und eine Stunde später schliefen die Passagiere fest. Jetzt trat Wagner in die Kajüte, um noch einmal genau zu berechnen, wo er sich befand, und ging dann in das Kämmerchen, in dem der Abessinier und der Somali waren.

»Es wird Zeit sein«, sagte er. »Wir nähern uns dem Berg, und er wird in einer Viertelstunde durch das Nachtrohr in Sicht sein. Macht euch fertig.« – »O Allah, wird sich mein Vater freuen!« sagte der Somali. – »Brennen sie Licht in dem Versteck?« – »Ja. Sie haben dünne Fackeln von Dattelfasern und wildem Wachs, die wir uns während unseres Rittes gemacht haben.« – »So brauchen wir uns keine Lichte mitzunehmen. Kommt«

Wagner stieg mit ihnen auf das Verdeck, wo er zum Nachtrohr griff. Er beobachtete die Küste längere Zeit, dann trat er zum Steuermann.

»Stopp!« sagte er. »Hier werfen wir den Anker und lassen die beiden Boote aus. Wir sind am Ziel. Die Herren Sultan und Gouverneur werden sich wundern.« – »Ich wollte, ich könnte mit, um die glücklichen Gesichter zu sehen!« entgegnete der Steuermann. »Na, hast du jetzt die Freude, so hattest du auch die Gefahr vorneweg.«

Die Segel wurden gerefft, der Anker fiel, und als das Schiff keine Fahrt mehr machte, wurden die beiden Boote in See gelassen und bemannt. Nur der Somali und der Kapitän stiegen ein. Letzterer nahm eine ziemlich gefüllte Handtasche mit.

Die Boote stießen vom Schiff ab und hielten auf das Ufer zu. Als sie gelandet hatten, stiegen die beiden Genannten aus und schritten auf den Berg zu, der dunkel vor ihren Augen lag. Sie dämpften dabei ihre Schritte. Der Somali hatte bereits seine Weisung erhalten. Er blieb an einer Stelle stehen, schob die Hand in den Rasen ein, zog ein wenig, und sogleich sah man, daß durch eine Spalte ein dünner Lichtschein nach außen drang. Der Kapitän blickte hindurch.

Drin saßen die Flüchtlinge auf dem mit Blättern weich gemachten Boden. Don Ferdinando sprach mit Señorita Emma. Wie ehrwürdig sah das Gesicht dieses Mannes aus, der so viel gelitten hatte, und welch eine reizvolle Anmut lag in den Mienen, in jeder Bewegung dieses als Knaben verkleideten Weibes! Wagner verstand so viel Spanisch, wie ein jeder gute Seekapitän verstehen muß; er verstand auch die Worte, die halblaut gesprochen wurden.

»Nur die Heimat will ich schauen und meinen Feinden in das Gesicht sehen, dann mag der Tod kommen!« sagte Don Ferdinando. – »Sie werden über Ihre Feinde siegen und noch lange leben«, antwortete Emma. »Ich hoffe zu Gott, daß er uns hier recht bald einen Retter erscheinen läßt!«

Da erklang vom Eingang her eine sonore, kräftige Stimme:

»Er ist bereits da, dieser Retter!«

Sie alle fuhren empor, bestürzt, erstaunt, erschreckt. Die Tür öffnete sich, und Wagner trat herein, von dem Schein der Fackel hell erleuchtet, hinter ihm Murad.

»Mein Sohn!« rief da der alte Somali, stürzte auf ihn zu und warf die Arme um ihn. – »Mein Gott, wer sind Sie?« fragte Don Ferdinando den Deutschen mit zitternder Stimme. – »Ich bin der deutsche Seekapitän Wagner, Brigg Seejungfer aus Kiel«, lautete die Antwort. Ich komme, Sie an Bord zu nehmen und hinzuführen, wohin Sie wollen.« – »Herr Gott im Himmel, endlich, endlich!«

Der Graf sank in die Knie, so matt wurde er vor Entzücken. Emma kniete neben ihm nieder, um ihn festzuhalten. Sie schlang ihre Arme um ihn, legte den Kopf an den seinen und vereinigte ihre Tränen mit den seinigen.

»Gott, mein Gott«, schluchzte er. »Endlich, nach so langen Jahren zeigst du mir deine Gnade wieder. Dich rühmen die Himmel und dich loben die Welten, ich kann dich nicht genug preisen, ich bin zu schwach dazu, ich muß schweigen!«

Auch Bernardo lehnte tränenden Auges an der Wand, während die Somali sich noch immer umschlungen hielten. Es war eine Szene, die auch das Auge des Seemanns befeuchtete. Der Graf fand zuerst wieder das Wort. Er erhob sich, trat zu dem Kapitän, streckte ihm beide Hände entgegen und sagte:

»Ein Deutscher sind Sie? Nein, ein Engel des Lichtes sind Sie, ein Bote Gottes, vom Himmel gesandt um uns zu retten! Aber wie wissen Sie von uns?« – »Der dort hat es mir gesagt«, sagte Wagner, auf Murad deutend.

Dieser merkte, daß von ihm die Rede sei.

»Er hat mich aus der Gefangenschaft befreit, mit Gefahr seines eigenen Lebens«, sagte er in arabischer Sprache. »Er hat Seila bombardiert und selbst dem Sultan von Harrar Trotz geboten, er ist ein Held, Allah segne ihn, obgleich er ein Ungläubiger ist«

Es folgte nun eine Szene, die gar nicht zu beschrieben ist Niemals hat im brillantesten Salon der Welt ein solches Entzücken geherrscht wie hier im Innern dieses Berges. Wie lange dauerte es doch nur, bis nur die notwendigsten Fragen ausgetauscht waren! Und dann ging es an das Erzählen in arabischer sowie spanischer Sprache und noch anderen Zungen, bis endlich die Herzen ruhiger wurden und die beiden Spanier vom Elend ihrer Sklaverei erzählten.

»Aber bitte, wie soll ich Sie nennen?« fragte der Kapitän den Grafen.

Jetzt erst dachten die drei daran, zu sagen, wer und was sie eigentlich seien. Wagner erschrak fast als er vernahm, daß dieser langjährige Sklave ein Graf sei.

»Verfügen Sie über mich«, sagte er. »Was ich tun kann, um Ihnen dienstbar zu sein, das soll von ganzem Herzen geschehen. Aber darüber läßt sich ja an Bord noch sprechen. Jetzt wollen wir an das denken, was uns zunächst liegt.«

Damit öffnete er die Handtasche und zog einige Weinflaschen nebst Gläsern und Eßwaren hervor. Beim Anblick dieser Gegenstände traten dem Grafen abermals die Tränen in die Augen, denn er erkannte, daß ihm tausenderlei versagt gewesen war, ohne daß er nur daran gedacht hatte. Dinge, so gleichgültig dem Glücklichen, dem Unglücklichen aber unendlich wertvoll, obgleich sie eigentlich gar keinen realen, sondern nur einen eingebildeten Wert besitzen.

Während dieses Mahles wurden die Vorkommnisse von Seila erzählt und die für die nächste Zeit nötigen Dispositionen getroffen. Wagner verstand sich gern dazu, den Grafen, Bernardo und Emma nach Kalkutta zu bringen. Die beiden Somali blieben natürlich hier, erhielten aber aus dem Schatz des Sultans ein reiches Geschenk. Sie beschlossen, bis morgen im Versteck zu bleiben, um sich an der Enttäuschung des Sultans und des Gouverneurs zu weiden.

Bei dieser Gelegenheit fragte der Graf den Kapitän:

»Was denken Sie wohl, ob ich dem Sultan seine Schätze wiedergeben werde?« – »Das muß ich Ihnen überlassen«, war die Antwort. – »So werden Sie mich vielleicht für einen Dieb halten, denn ich bin fest entschlossen, daß er nicht das Geringste zurückerhält.« – »Ich zweifle ganz und gar nicht daran, daß ich an Ihrer Stelle ebenso handeln würde.« – »Einen Grafen Rodriganda so lange Zeit zum Sklaven gehabt zu haben, das kostet Geld, meines braven Bernardo hier gar nicht zu gedenken, der natürlich auch seinen Anteil erhält. Außerdem bricht Not Eisen. Ich brauche nämlich eine ganz bedeutende Summe Geldes zu einem Zweck, von dem ich jetzt wegen der Kürze der Zeit nichts erzählen kann. Später aber werden Sie dies erfahren und mein Vorhaben billigen.« – »O bitte, Sie haben sich gar nicht zu entschuldigen!« wehrte Wagner ab. »Der Tyrann ist eine solche Strafe wert. Was aber tun Sie mit Ihren Kamelen?« – »Die behalten natürlich unsere beiden somalischen Freunde.« – »So können wir vielleicht Ihre Effekten holen lasen?« – »Ja. Geschieden muß doch einmal sein.«

Der Kapitän trat vor den Eingang und stieß einen Pfiff aus. Sogleich kamen die Matrosen herbei und begannen, die vorhandenen Sachen nach den Booten zu schaffen. Sie waren nicht wenig erstaunt, als sie die Höhle erblickten; noch mehr aber wuchs ihr Erstaunen, als sie die Schwere der Säcke bemerkten, die sie zu transportieren hatten. Dennoch ahnten sie wohl nicht, daß sie Millionen in ihren Händen hielten.

Endlich schied man von den Somalis. Beide Parteien hatten einander gleichviel zu verdanken, und so war der Abschied ein herzlicher. Die Boote stießen vom Land, und nun erst fühlten sich die Flüchtigen frei von Sorge und glücklich im vollen Besitz ihrer Selbstbestimmung.


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