Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

19. Kapitel.

Es war ein sehr dunkler Abend, Kurt und der Schlosser kamen unbeobachtet an die Mauer, und es gelang ihnen sehr leicht, diese zu übersteigen. Jenseits derselben trafen sie auf Platen.

»Kommt!« sagte dieser leise. – »Sind wir sicher?« fragte Kurt. – »Vollständig. Es kommt niemand mehr in den Garten, und von mir denkt man, daß ich ausgegangen bin.«

Platen führte Kurt und den Schlosser durch gewundene Gänge bis zu einigen hohen Bäumen, die ihre Wipfel auf das Dach des Gartenhauses neigten, das sie suchten.

»Hier ist das Häuschen«, sagte Platen.

Kurt betrachtete es, so weit dies bei der Dunkelheit möglich war. Es war sehr massiv gebaut und mit starken Fensterläden versehen. Auch die Tür bestand aus starker Eiche, und die Eisenstange davor war wohl über einen Zoll dick.

»Also hier soll ich öffnen?« fragte der Schlosser. – »Ja«, lautete die leise Antwort.

Es befühlte das Schloß sorgfältig, drehte es hin und her und meinte:

»Das wird rasch gehen, ich merke bereits, daß ich einen passenden Schlüssel habe.«

Er hatte eine Ledertasche umhängen, in der sich die Dietriche befanden. Er griff hinein. Man hörte ein leises Klingen, dann ein ebenso leises Knirschen und Drehen, und darauf sagte der Mann:

»Das Schloß ist los. Nun zur Haustür!«

Er brauchte kaum zwei Minuten, um diese zu öffnen. Sie traten ein und schlossen hinter sich zu. Platen zog ein Licht hervor und brannte es an. Man befand sich in einem kleinen Raum, der mit Gartenmöbeln ausgestattet war. Eine zweite Tür, die auch leicht geöffnet wurde, führte in ein Zimmer, das eingerichtet war, um hier, in der Luft des Gartens, ein Frühstück oder anderes Mahl einzunehmen. Jetzt wurde die dritte Tür aufgeschlossen, die in das letzte Gemach führte. Es enthielt die Ausstattung eines einfachen Arbeitszimmers, Schreibtisch, Tisch, ein Sofa, einige Stühle, sogar einen Ofen, Waschtisch, eine Uhr, nämlich die erwähnte Schwarzwälder, und einen Spiegel. Der ganze Raum ließ vermuten, daß er sehr oft in Gebrauch genommen wurde.

»Dort ist die Uhr«, sagte Platen, auf die Schwarzwälder deutend. – »Nehmen wir sie herab«, bat Kurt.

Sie wurde von der Wand genommen; man erblickte ein kleines, schwarzeisernes Türchen, an dessen beiden freien Ecken man ein Schlüsselloch bemerkte.

»Ah, zwei Schlösser!« meinte der Schlosser. »Wollen sehen, ob wir sie öffnen können!«

Es gelang. Und nun sah man eine tiefe Öffnung, in der ein Kästchen stand. Kurt nahm es heraus und bemerkte, daß hinter demselben noch mehrere Papiere lagen.

Das Kästchen war verschlossen und hatte ein Gewicht, das auf einen metallenen Inhalt schließen ließ. Der Schlosser versuchte mehrere Schlüssel, ehe er den passenden fand; als dann aber der Deckel zurückgeschlagen wurde, trat der einfache Handwerksmann zurück und rief:

»Herrgott, so eine Pracht und Herrlichkeit habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen!«

Er hatte recht, denn im Schein des Lichtes, das Platen hielt, erfunkelten hunderte von Diamanten und edlen Steinen in tausenden von Facetten. Das Kästchen schien von sprühenden Funken erfüllt zu sein, die in allen möglichen Farben schillerten und brillierten.

Kurt griff hinein und zog die einzelnen Gegenstände heraus, um sie auf den Tisch zu legen. Fast ergriff ihn jenes Fieber, von dem Büffelstirn geredet hatte, ehe er mit Donnerpfeil die Höhle des Königsschatzes betrat.

»Das ist ein Wert von vielen Millionen!« sagte er mit hörbar bebender Stimme. »Wenn das alles wirklich mir gehörte!« – »So einen Reichtum hatte ich allerdings nicht erwartet!« gestand Platen, die vor ihm liegende Pracht mit den Augen verschlingend. »Man kann es begreifen, daß ein sonst ehrlicher Mann hier zum Verbrecher werden mag. Ist dies mexikanische Arbeit?« – »Ganz sicher und gewiß!« antwortete Kurt. »Da, blicke her!«

Sie betrachteten die Gegenstände näher und kamen allerdings zu der Überzeugung, daß Kurt recht hatte. Platen holte schwer und tief Atem und sagte:

»Lieber Helmers, jetzt bin ich überzeugt, daß dein Verdacht der richtige war. Mein Oheim konnte einen Ring, ein einzelnes Armband erwerben, aber diesen Schatz hier konnte er unmöglich bezahlen. Er ist ein – ein – Dieb!« – »Noch dürfen wir ihn nicht verurteilen«, entgegnete Kurt, »denn wir können noch nicht sagen, wie er zu den Kostbarkeiten kam. Ah, was ist das?«

Während er beschäftigt war, das Kästchen bis auf den Boden zu leeren, erblickte er tief unten etwas Weißes. Es waren zwei Briefe, die er hervorbrachte. Er öffnete den einen und blickte nach der Unterschrift.

»Benito Juarez!« rief er. »Es ist der Brief des Oberrichters!« – »So ist keine Täuschung mehr möglich«, sagte Platen. »Bitte, lies den Brief vor.« – »Verstehst du Spanisch?« – »Nein.« – »So werde ich dir die Zeilen übersetzen; sie sind spanisch geschrieben.«

Damit trat Kurt nahe an das Licht heran und las folgenden Inhalt vor:

 

»Herrn Bankier Wallner, Firma Voigt und Wallner in Mainz. Ich übersende Ihnen das beifolgende Kästchen, enthaltend Juwelen und sonstige Schmuckgegenstände nebst einem genauen Verzeichnis seines Inhaltes. Dieser Inhalt gehört einem Knaben, dessen Vater Seemann ist und Helmers heißt. Der Knabe wohnt in der Nähe von Mainz auf einem Schloß, das einem Hauptmann von Rodenstein gehört. Vater und Oheim dieses Knaben sind leider hier in Mexiko verschollen; darum ist er Erbe der Kostbarkeiten. Sie wollen die Güte haben, ihm dieselben nebst dem noch beifolgenden Brief zu übergeben, wenn Sie ihn ausfindig gemacht haben. Sollte Ihnen dies nicht gelingen, so ersuche ich Sie, mich davon sofort zu benachrichtigen und Kästchen samt Inhalt bei Ihrer Regierungsbehörde zu deponieren.

Der inliegende Brief ist an eine Frau Sternau, geborene Gräfin de Rodriganda adressiert, die auf demselben Schloß wohnt. Ihre Auslagen werden Sie vom Empfänger vergütet erhalten, und bemerke ich zum Schluß noch, daß ich eine Abschrift des Inhaltsverzeichnisses besitze und den Wert der Gegenstände in Versicherung gegeben habe.

Benito Juarez, Oberrichter, Mexiko.«

 

»Es ist kein Zweifel mehr, der Oheim ist ein Dieb!« sagte Platen, dessen Gesicht die Blässe einer Leiche zeigte. »Nach diesen Angaben mußte er dich finden. Er hat das Kästchen der Behörde nicht abgegeben. Er ist ein Dieb. Lies den zweiten Brief.«

Kurt öffnete denselben und durchflog ihn.

»Er ist von Miß Amy Lindsay an Frau Sternau«, sagte er. »Sein Inhalt ist privater Natur! Er kann dich nicht interessieren.« – »Es ist gut; ich weiß genug! Die Sachen gehören dir. Was wirst du tun?« – »Ich werde sie wieder an ihren Ort stellen und bis morgen überlegen, was ich beginnen werde«, sagte Kurt ruhig. »Dein Oheim soll geschont werden, und möglicherweise will ich die Sache in der Weise arrangieren, daß er nicht ahnt, daß ich durch dich aufmerksam geworden bin. Aber noch fehlt das Inhaltsverzeichnis. Da liegen noch Papiere. Erlaubst du mir, sie durchzusehen?« – »Tue, was du willst Ich bin ermattet; ich bin zerschmettert. Ich mag nichts lesen und nichts sehen.«

Platen gab das Licht dem Schlosser, um zu leuchten, und warf sich auf das Sofa nieder. Kurt griff in das Loch und zog die Papiere hervor. Sie waren in ein Paket zusammengebunden; er löste die Schnur und öffnete das erste Schreiben. Kaum hatte er einen Blick auf den Inhalt desselben geworfen, so wandte er sich ab, damit der Ausdruck seines Gesichtes nicht von Platen bemerkt werden könne. Es waren zwölf einzelne Dokumente; er las sie alle durch, legte dann die Schnur wieder um sie und sagte:

»Das ist Gleichgültiges. Das Verzeichnis fehlt.«

Da warf er noch einen Blick in das Loch und bemerkte ein Papier, das durch das Kästchen ganz nach hinten geschoben worden war. Als er es öffnete, sah er, daß es das gesuchte war. Jetzt verglich er die Gegenstände mit dem Verzeichnis und bemerkte, daß nichts fehlte als nur der Ring, den Platen trug.

»Ich mag ihn nicht haben«, sagte dieser, »ich mag gestohlenes Gut nicht tragen, es brennt mir am Finger. Hier hast du ihn!« – »Behalte ihn!« bat Kurt. »Ich schenke ihn dir.« – »Nachdem ich ihn unrechtmäßigerweise getragen habe? Nein, ich danke dir! Hier ist er.«

Kurt jedoch wies den Ring zurück und erklärte:

»Wenn du ihn nicht annehmen willst, so behalte ihn wenigstens für einstweilen noch. Dein Onkel darf nicht wissen, daß du von der Sache auch nur eine Ahnung hast.« – »Nun gut, ich will dir den Willen tun«, meinte der Offizier, indem er den Ring wieder ansteckte; »aber ich ersuche dich dringend, ihn mir möglichst bald wieder abzunehmen. Willst du dein Eigentum wirklich hier zurücklassen?« – »Einstweilen, ja. Morgen wird sich das Weitere finden.«

Es wurde noch alles genau in seine vorherige Ordnung und Lage gebracht; dann verschloß der Schlosser das Türchen und hing die Uhr wieder davor. Die beiden Offiziere aber verließen das Gartenhaus, dessen Türen sorgfältig verschlossen wurden. Draußen sagte Platen:

»Verzeihe mir, Kurt; ich kann ja nichts dafür!« – »Bah, gräme dich nicht!« lautete die Antwort. »Ich hoffe, daß sich alles glücklich lösen lassen wird.« – »Tue, was du für das Richtige hältst; jetzt aber verabschiede mich. Ich muß allein sein. Ihr findet den Weg aus dem Garten auch ohne mich.«

Platen reichte dem Freund die Hand und entfernte sich leise. Kurt schlich sich mit dem Schlosser nach der Mauer zu. Dort angekommen, horchten beide, ob jenseits alles sicher sei. Da vernahmen sie Schritte, die sich näherten. Man konnte ganz deutlich hören, daß zwei Personen sich Mühe gaben, so unhörbar wie möglich das Pförtchen zu erreichen.

»Halt, man kommt!« flüsterte Kurt. »Warten wir!«

Es wurde ein Schlüssel in die Pforte gesteckt, sie öffnete sich, und zwei Männer traten ein. Während der eine den Eingang wieder verschloß, fragte der andere mit halblauter Stimme, die Kurt bekannt vorzukommen schien:

»Es wird doch niemand im Garten sein?« – »Kein Mensch«, antwortete der zweite. – »Man wird uns nicht belauschen?« – »Ganz sicher nicht. Man glaubt doch, daß ich bis Mitternacht in Köln bin. In meinem Gartenhaus sucht man mich nicht. Kommen Sie!«

Derjenige, der jetzt sprach, war auf jeden Fall der Bankier. Wer aber war der andere? Beide Männer schritten miteinander dem Gartenhäuschen zu, in dessen Inneren sie verschwanden, nachdem man das leise Klirren der Eisenstange und der Schlösser vernommen hatte.

»Kehren Sie einstweilen nach dem Gasthof zurück; ich komme nach!« flüsterte Kurt dem Schlosser zu.

Dieser stieg behutsam über die Mauer; Kurt aber schlich sich unhörbar nach dem Häuschen hin, um womöglich das Gespräch der Männer zu belauschen. Es handelte sich hier auf jeden Fall um eine Heimlichkeit, um ein Unternehmen, welches das Licht zu scheuen hatte, und es konnte von großem Vorteil sein, etwas davon zu vernehmen.

Die Läden der Fenster schlossen so gut, daß auch nicht der feinste Lichtstrahl hindurchdringen konnte, und obgleich Kurt sein Ohr hart daran hielt, vernahm er doch nichts als ein leises Geflüster, das fast gegen eine Stunde währte, von dem er aber doch nicht ein einziges Wort verstehen konnte. Die beiden Männer befanden sich in dem hinteren Zimmer, in dem die Schwarzwälder Uhr hing. Endlich hörte der Lauscher das Rücken von Stühlen, und da er aus demselben schloß, daß die geheimnisvollen Personen jetzt aufbrechen würden, so eilte er an die Mauer zurück, um vielleicht doch noch etwas zu vernehmen, denn es ist nicht selten, daß man beim Abschied den Inhalt eines Gespräches ganz unwillkürlich noch einmal kurz rekapituliert.

Hart an dem Pförtchen stand ein Holunderbusch. Kurt kroch unter die Zweige desselben und legte sich zur Erde nieder. Kaum war dies geschehen, so kamen die beiden langsam herbei. An der Pforte blieben sie stehen, so daß Kurt sie hätte mit der Hand erreichen können und er jedes ihrer Worte zu verstehen vermochte.

»Also die Papiere liegen wirklich sicher bei Ihnen?« fragte der Fremde. – »Ja, keine Sorge!« antwortete der Bankier. »Es gibt in meinem Gartenhäuschen ein Versteck, das kein Mensch finden wird; dort sind sie schon aufgehoben, bis der Bote kommt und sie abholt.« – »Also sagen Sie ihm, daß er nach Berlin eilen solle. Ich weiß bestimmt, daß dort heute ein Emissär Rußlands eingetroffen ist, der ihn unter dem falschen Namen Helbitoff erwarten wird. Mir war es unmöglich, länger in Berlin zu bleiben. Ich mußte fliehen und habe seit gestern bemerkt, daß man mich scharf verfolgt. In welchem Gasthaus Helbitoff logieren wird, weiß ich nicht; die Fremdenliste wird es sagen; er hat einen Paß als Pelzhändler und trägt die Papiere im Futter seines Hutes bei sich. Was Sie mir zu sagen haben, schreiben Sie mir unter der Adresse des Grafen Rodriganda nach Spanien; ich werde längere Zeit bei ihm sein.« – »Ich werde es tun, denn ich halte es mit unserer alten Regierung und mag von Preußen nichts wissen. Aber wird man Wort halten?« – »Wird Preußen gestürzt, so erhebt sich ein neues Königreich Westfalen, dessen Finanzminister Sie werden. Man dürstet in Frankreich nach Rache für Sadowa. Napoleon suchte Österreich an sich zu ketten, indem er einen der Erzherzöge zum Kaiser von Mexiko machte. Und selbst, wenn dies mißglückte, würde sich ein Grund finden lassen, mit dem übermütigen Preußen anzubinden. Vielleicht geben die spanischen Wirren einen Vorwand. Rußland wird so lange bearbeitet, bis es in ein Bündnis mit Frankreich gegen Preußen willigt. Vielleicht enthalten die geheimen Depeschen, die dieser Helbitoff bei sich führt, bereits die Zustimmung. Ich hatte den Auftrag, die Stimmung der Mittelstaaten zu sondieren; da jedoch die Polizei auf meinen Fersen ist, muß ich mich schleunigst über die Grenze retten. Jetzt wissen Sie alles. Gute Nacht!« – »Gute Nacht!«

Mit diesen Worten schloß der Bankier das Pförtchen auf und ließ den anderen hinaus. Dieser war kein anderer als der Seeräuber Landola, der falsche Kapitän Parkert. Welch ein Zusammentreffen! Sollte Kurt aufspringen und ihn festnehmen? Das Terrain war nicht zu einem Kampf geeignet. Landola befand sich bereits außerhalb der Mauer, und wenn es auch gelang, hinauszuspringen und ihn zu überwältigen, so behielt der Bankier, durch den Kampf gewarnt, vollständig Zeit, die Papiere, von denen die Rede gewesen war, entweder zu vernichten oder in ein anderes Versteck zu bringen. Aus diesen Gründen war es ratsam, ihn einstweilen laufenzulassen.

Der Bankier verschloß die Pforte wieder und begab sich nach dem Gartenhäuschen zurück. Dort blieb er längere Zeit, und Kurt nahm an, daß er die betreffenden Papiere hinter die Uhr verstecken werde.

Endlich, es war bis gegen Mitternacht, trat Wallner aus dem Häuschen, verschloß es und verließ den Garten durch das Pförtchen. Jedenfalls wollte er nun so tun, als ob er vom Bahnhof komme. Kurt sprang über die Mauer und folgte ihm. Der Bankier ging durch einige Gassen und blieb dann vor einem Gasthof dritten Ranges stehen, dessen Fenster er sorgfältig musterte.

Sollte hier Landola logiert haben? So fragte sich Kurt. Warum hat Wallner sonst die Fenster beobachtet! Übrigens war es gar nicht nötig, diesem letzteren länger zu folgen. Darum wartete Kurt, bis er sich entfernt hatte, und trat dann in das Gastzimmer, wo noch Gäste vorhanden waren.

Er ließ sich ein Glas Bier geben und fragte die Wirtin, die den Trank brachte:

»Haben Sie heute viele Gäste, Madame?« – »Nein, nur zwei Frauen.« – »Keine Herren?« – »Bis vor einer Viertelstunde hatten wir einen; er entschloß sich aber ganz unerwartet, abzureisen.« – »Mit der Bahn?« – »Nein. Wir mußten ihm den Lohnkutscher Feller besorgen.« – »Wohin?« – »Nach Kreuznach.«

Kurt ließ sich diesen Gast beschreiben und gelangte zu der Überzeugung, daß es allerdings Landola gewesen sei. Er bezahlte, trank sein Bier aus und begab sich sofort auf die Polizei, wo man ihn nach dem Grund seines Besuches fragte.

»Ich bin Oberleutnant Helmers aus Rheinswalden«, sagte er. »Sie wissen, daß von Berlin aus ein Mensch verfolgt wird, der dort unter dem Namen eines amerikanischen Kapitäns Parkert wohnte?« – »Allerdings. Wir erhielten den Steckbrief gestern«, antwortete der Beamte. – »Er war heute hier.« – »Ah, nicht möglich!« klang es erstaunt.

Kurt nannte den betreffenden Gasthof, erzählte, was er dort erfahren hatte, und beantragte eine sofortige Verfolgung des Flüchtlings. Der Beamte versprach, sein möglichstes zu tun, und machte sich sogleich selbst auf den Weg nach dem Gasthof. So hatte Kurt seiner nächsten Pflicht Genüge geleistet und konnte nun auch die zweite erfüllen.

Er begab sich nach dem Telegrafenamt. Der Telegrafist wurde geweckt und erstaunte nicht wenig, als er folgenden Wortlaut von Kurts Depesche las:

 

»Herrn von Bismarck, Berlin.

Russischen Pelzhändler Helbitoff in irgendeinem Gasthof sofort arretieren. Geheimer Emissär. Papiere im Futter seines Hutes.

Kurt Helmers.«

 

»Und dieses Telegramm soll ich wirklich abschicken?« fragte der Fernschreiber erstaunt. – »Allerdings. Ich gebe es ja zu diesem Zweck auf.« – »Aber, Herr, wer sind Sie, daß Sie einen so hohen Herrn des Nachts ...« – »Das geht Sie nichts an«, unterbrach ihn Kurt. »Ich mache Sie überhaupt auf die Pflicht der dienstlichen Verschwiegenheit aufmerksam. Sie wissen, welche Verantwortung auf Ihnen liegt.«

Er bezahlte sein Telegramm und ging. Jetzt erst konnte er seinen Gasthof aufsuchen, um nach Hause zu reiten, während der Schlosser, reich belohnt und zur Verschwiegenheit ermahnt, seinen Weg zu Fuß zurücklegte.


 << zurück weiter >>