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26. Kapitel.

Als Don Ferdinando eintrat, fand er Emma auf derselben Stelle, wo er sie verlassen hatte. Sie war ebenso tief verschleiert wie vorher. Ihr gegenüber saß die schwarze Gestalt des Eunuchen.

Der Neger wußte, daß der Weiße ein Sklave war, darum erhob er sich bei dem Eintritt desselben nicht, sondern nahm eine sehr befehlshaberische Miene an und sagte:

»Du sollst ihr Lehrer sein?« – »Ja«, antwortete der Graf kurz. – »Aber sie muß verschleiert bleiben!« – »Das versteht sich.« – »Du darfst sie nicht anrühren.« – »Ich habe gar keine Lust dazu.« – »Und du darfst nichts Böses über uns zu ihr sagen, sonst zeige ich dich dem Sultan an!« – »Wie willst du hören, ob ich Gutes oder Böses sage, da du doch die Sprache nicht verstehst, in der wir reden?« fragte Ferdinando lächelnd. – »Ich werde es in deiner Miene lesen.«

Der Mann war doch nicht so dumm, wie man ihn vielleicht nach seinem feisten Aussehen geschätzt hatte. Er erhob sich jetzt, ergriff eine Decke, breitete sie in der Nähe der Sklavin aus und gebot dem Grafen:

»Hier soll dein Platz sein, so hat es der Sultan befohlen. Setze dich und beginne.« – »Wie lange soll der Unterricht währen?« fragte der Graf. – »Drei Stunden.« – »Womit willst du diese Zeit genau abmessen?« – »Mit dieser Uhr.«

Der Eunuche brachte unter seinem faltigen Gewand eine Sanduhr hervor, die er dem Grafen zeigte. Der Sultan hatte also dafür gesorgt, daß die vorgeschriebene Zeit zwar genau eingehalten, aber auch nicht überschritten werde. Nun ließ sich Don Ferdinando nieder und begann:

»Jetzt, liebe Emma, können wir volle drei Stunden lang miteinander sprechen, ohne verstanden und gestört zu werden. Wir haben nur dafür zu sorgen, daß dieser Schwarze unser Gespräch wirklich für einen Unterricht hält. Darum werde ich dir zuweilen einige harrarische Worte vorsagen, die du nachzusprechen hast. Im übrigen aber brauchen wir uns weniger Zwang anzutun, als vorhin in Gegenwart des Sultans. Also sechzehn Jahre lang habt ihr auf einer wüsten Insel gewohnt?« – » Als wir dort ausgesetzt wurden, war sie beinahe wüst, aber es ist uns gelungen, dort Bäume zu ziehen. Unser ganzes Streben ging dahin, Holz zu erlangen, um einen Kahn oder ein Floß bauen zu können.« – »Erzähle, erzähle! Ich brenne vor Ungeduld, zu hören, was während meiner Abwesenheit mit euch und den Meinigen geschehen ist.«

Emma begann den erbetenen Bericht. Ihre Erzählung interessierte den Grafen natürlich im höchsten Grad. Er unterbrach den Fluß ihrer Rede oft durch Ausrufe des Schreckens, des Mitleids, der Verwunderung oder des Zorns und des Abscheus. Jetzt wurde ihm vieles klar, was ihm bisher noch dunkel gewesen war, und er erkannte, was für einen Verräter er an Cortejo bei sich gehabt hatte und daß Alfonzo nicht sein Neffe sei. Er schloß sich gern und sofort dem Glauben an, daß Mariano der umgetauschte Knabe sei, und mußte sich, bei dem Eindruck, den die Erzählung auf ihn machte, oft mit Gewalt darauf besinnen, daß er ja hier als Lehrer sitze. Dann aber nahm er einige Worte aus der Sprache des Landes her, ließ sie von Emma auswendig lernen und erklärte ihr die Bedeutung derselben. Es waren die Ausdrücke: »Du bist ein großer Fürst«, »Du bist die Wonne der Frauen«, »Dein Anblick labt meine Seele« und »Sei gnädig, dann liebt dich mein Herz!«

So war Emma bis zur Ausschiffung auf der Insel gekommen.

»Wo liegt dieses Eiland?« fragte der Graf. – »Davon hatten wir gar keine Ahnung«, antwortete die Tochter des Haziendero. »Erst nach Verlauf mehrerer Jahre gelang es Sternau, aus der Beobachtung der Sterne und anderer Verhältnisse, von denen ich nichts verstehe, zu berechnen, daß wir uns jedenfalls auf dem vierzigsten Graf südlicher Breite und ungefähr dem zweiundzwanzigsten westlich von Ferro befänden. Er sagte, daß wir dreizehn Grad südlich von den Osterinseln wohnten und daß wir diese sogar auf einem Floß erreichen könnten, wenn wir erst Holz genug hätten, um ein solches zu bauen.« – »Welches Unglück, so nahe der Rettung und doch so fern von derselben! Ihr hattet also keine Bäume?« – »Nein. Und selbst wenn wir welche gehabt hätten, so besaßen wir doch keine Instrumente, dieselben zu bearbeiten. Erst nach und nach gelang es uns, Stücke, die wir aus Korallenriffen brachen, so zu schleifen, daß sie uns als Beile und Messer oder dergleichen dienen konnten. Wir nahmen nun den Sträuchern, die wir vorfanden, die untersten Äste und zwangen sie dadurch, die Gestalt von Bäumen anzunehmen.« – »Aber wovon lebtet Ihr?« – »Erst von Wurzeln, Früchten und Eiern. Später lernten wir Netze und Angeln verfertigen, um Fische zu fangen. Denn wir fanden nur eine Art von Muscheln, die wir wie die Austern essen konnten, auch lernten wir Pfeile und Bogen machen, womit wir Vögel erlegten. Eine Art von Kaninchen, die in Masse auf der Insel lebten, züchteten wir förmlich, um sie als Kochfleisch und Braten zu genießen.« – »Kochfleisch und Braten? Ich denke, dieser Landola hat euch nicht einmal Feuerzeug gegeben?« – »Oh, Feuer hatten wir gar bald. Sternau hat viele Länder bereist, deren Bewohner mit zwei Stucken Holz oder mit verfaultem Holz Feuer zu machen verstehen. Wir mußten da aber sehr sparsam sein, da es notwendig war, das Material zu schonen.« – »Und wie stand es mit der Kleidung?« – »Die unsrige war auf dem Schiff sehr mitgenommen, diejenige der Männer sogar halb verfault. Wir mußten uns also mit Kaninchenfellen behelfen, die wir vorzurichten lernten. Unsere Wohnungen waren sehr primitiv; Erdhütten mit Löchern als Fenster. Die Garçons aßen bei den beiden verheirateten Paaren. Sie waren da in Kost, wenn auch nicht in Logis.« – »Bei den verheirateten Paaren?« fragte der Graf. »Ah, ich verstehe«, fügte er lächelnd hinzu.»Der brave Bärenherz hat Karja, die Tochter der Mixtekas, zur Frau genommen. Bei den Indianern bedarf es zu einer Heirat ja keiner Vorbereitungen. Aber wie stand es mit dem anderen Paar?«

Sie schwieg eine Weile, und wer hinter ihren Schleier zu blicken vermocht hätte, der hätte sehen können, daß eine tiefe Röte ihr Gesicht übergoß. Dann antwortete sie zögernd:

»Oh, gnädiger Herr, bedenkt unsere Lage! So einsam und ganz nur auf uns allein angewiesen, für viele, lange Jahre ohne Hoffnung auf Errettung! Wir hatten uns so lieb, ich und mein guter Antonio. Wir beschlossen, Mann und Weib zu werden, und die anderen gaben uns alle recht. Wir dachten immer, daß uns die Hand des Priesters ja doch noch segnen werde, wenn es uns glücken sollte, die Freiheit zu erlangen. Ob ich ihn und die Gefährten meines Elends wiedersehen werde! Wie mögen sie erschrocken sein, als ich fortgegangen war und nicht zurückkehrte!« – »Eben, wie du von der Insel fortgekommen bist, das zu wissen, bin ich neugierig.« – »Oh, das war traurig, sehr traurig und fürchterlich, daß ich es gar nicht beschreiben kann, ja, daß es mir noch graut, wenn ich nur daran denke.«

Ein tiefer, schwerer Seufzer hob Emmas Brust, und Graf Ferdinando bemerkt trotz des Schleiers und des weiten Gewandes, daß die hohe, schöne Gestalt ein Zittern durchlief.

»Erzähle, Emma«, bat er. »Wenn dich auch die Erinnerung erschreckt, ich muß es ja dennoch erfahren. Das, was ich erlebt habe, wird nicht minder schrecklich sein.« – »Es war uns endlich gelungen, so starkes und langes Holz zu ziehen, daß wir daran denken konnten, ein Floß zu bauen. Ach, es kostete uns viele Mühe, mit unseren schlechten Werkzeugen damit zustande zu kommen. Aber es war groß genug, um uns alle und auch die Vorräte aufzunehmen. Wir hatten es mit einem Steuer und mit einem Mast versehen und aus Kaninchenfellen ein Segel verfertigt. Endlich lag es zur Abfahrt am Ufer, und wir wollten wagen, damit die Brandung zu durchschiffen, die selbst bei ruhigem Wetter die Insel umtobt. Da, in der Nacht vor unserer Abfahrt, erweckte mich ein Heulen. Ich horchte auf. Es war ein Sturm ausgebrochen. Ich dachte an die Vorräte, die sich auf dem Floß befanden, und wollte sehen, ob das letztere auch fest genug am Land befestigt sei, und da die anderen am Tag viel gearbeitet hatten, so wollte ich sie nicht wecken und ging allein zum Ufer. Da sah ich, daß das Floß von den empörten Wogen hoch- und niedergerissen wurde. Das Tau, an dem es hing, war nur aus Fellen geschnitten und zusammengedreht; es konnte leicht reißen, da Kaninchenleder nicht fest ist. Auf dem Floß lag ein ähnliches Tau. Sollte ich zurückkehren, um die Freunde zu wecken? Nein, das ging nicht, denn unterdessen konnte ja das Floß verloren gehen. Ich sprang also auf dasselbe, um das zweite Tau aufzunehmen und das letztere damit doppelt anzubinden. Aber kaum stand ich auf den Planken, so rollte eine haushohe Woge herbei, stürzte sich auf das Floß und riß es los. Im nächsten Augenblick flog es schon in die stürmische See hinaus, und ich sank vor Schreck nieder und verlor das Bewußtsein.«

Bei der letzten Schilderung war es dem Grafen so angst geworden, daß er sich schüttelte.

»Weiter, weiter«, bat er. – »Was zunächst geschah, weiß ich nicht; ebensowenig kann ich sagen, wie das Floß über den Klippenring hinweggekommen ist.« – »Das ist leicht zu erklären. Die See ist so hoch gestiegen gewesen, daß die Klippen nicht mehr zu sehen waren; sie boten kein Hindernis mehr.« – »Ich hörte wie im Traum die See um mich brüllen«, fuhr Emma fort; ich hörte den Donner, und ich sah die Blitze, die die Nacht durchzuckten. Als ich endlich zu völligen Besinnung kam, schien die Sonne, der Regen hatte aufgehört, und die See begann sich zu beruhigen. Jetzt war es eine Lebensfrage, ob die Vorräte noch vorhanden waren. Sie waren noch da, alle; die Wogen hatten sie nicht hinweggespült. Wie das Roß diesem Orkan hat widerstehen können, das weiß ich nicht; aber meine Insel war verschwunden, und rund um mich her war Wasser. Wo lag die Insel? Was sollte ich tun? Oh, ich weinte und betete stundenlang, bis es Nacht wurde. Ich weinte und betete diese Nacht und den kommenden Tag hindurch, aber das brachte mich nicht zur Insel zurück. Endlich sank ich vor Aufregung und Ermattung in einen tiefen Schlaf. Als ich aus demselben erwachte, hatte ich das Zeitmaß verloren, denn ich wußte nicht, wie lange ich so gelegen; aber nun dachte ich an das, woran ich zuerst hätte denken sollen.« – »An das Steuerruder und das Segel, nicht wahr?« – »Ja. Ich war jedenfalls nach Ost getrieben worden und mußte nach West segeln. Jetzt weiß ich, daß das Entgegengesetzte richtig gewesen wäre. Ich zog nun mit Anstrengung aller Kräfte das Segel auf. Zwar verstand ich nichts von der Schiffahrt, aber es gelang mir doch, dem Segel eine solche Richtung zu geben, daß das Floß nach West getrieben wurde. Des Tages stand ich dann am Steuer, und des Nachts band ich dasselbe fest. So vergingen fünfzehn Tage und Nächte. Soll ich sagen, was ich während dieser Zeit ausgestanden habe? Es ist unmöglich.« – »Ich glaube es dir, meine arme Emma«, versetzte der Graf. »Es ist zu verwundern, daß du nicht zugrunde gegangen oder wahnsinnig geworden bist.« – »Am sechzehnten Tag erblickte ich ein Schiff, und auch das Floß wurde gesehen. Es stieß ein Boot ab, und man nahm mich an Bord. Das Schiff war ein holländisches und nach Batavia bestimmt Ich erfuhr von dem Kapitän, daß wir uns zwischen den Karolinen und den Pelewinseln befanden! Er sagte, der Sturm müsse das Floß mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit nach West getrieben haben. Ich hatte den Archipel passiert, ohne eine einziger seiner Inseln in Sicht zu bekommen. Der Kapitän ließ mir vom Schiffsschneider weibliche Kleider anfertigen und tröstete mich mit der Hoffnung, daß ich in Batavia sicher Hilfe finden werde. Als wir später die Sundastraße passierten, wurden wir von einem chinesischen Korsaren, deren es dort viele geben soll, angegriffen. Er siegte und tötete die ganze Bemannung, ich allein wurde verschont Das übrige wißt Ihr ja, Don Ferdinando. Ich wurde nach Ceylon gebracht und dort verkauft. Der Emir wiederum verkaufte mich an diesen Sultan von Harrar. Die Zeit ist uns jetzt kurz zugemessen, darum habe ich mich auch kurz gefaßt. Später kann ich ja alles einmal ausführlicher erzählen.«

Der Graf nickte.

»Kind«, sagte er in weichem Ton, »es gibt einen gütigen Gott, der alles, was uns ein Unglück scheint, zum Besten zu lenken vermag. Wer weiß, ob es euch allen gelungen wäre, eine Insel zu erreichen. Gott hat wohl gewußt, daß ihr zugrunde gehen würdet. Darum sandte er den Sturm. Die heilige Schrift sagt: ›Er macht seine Engel zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen.‹ Der Sturm hat dich nach West geführt. Es war Gottes Wille, daß du mich finden solltest, und daraus ziehe ich die freudige Überzeugung, daß er alles noch herrlich hinausführen wird.« – »Oh, wenn sich diese Hoffnung doch erfüllen wollte! Ich sage Euch, Don Ferdinando, daß ich lieber sterbe, ehe ich das Weib dieses Menschen werde.« – »Du sollst weder sterben, noch ihm angehören, mein Kind. Heute nacht fliehen wir.« – »Wirklich?« fragte sie im freudigsten Ton. – »Ja. Denke dir, daß ich im hiesigen Gefängnis einen braven Mann gefunden habe, der in Rodriganda Gärtner gewesen ist. Dieser Schurke Landola hat auch ihn verkauft, weil er zu viel von Cortejos Schlichen wußte. Landola muß an einer förmlichen Manie, seine Anbefohlenen auszusetzen, leiden. Ich vermute, daß wir alle haben getötet werden sollen, daß Landola es aber vorgezogen hat, uns am Leben zu lassen, um später gebotenen Falles eine Waffe gegen Cortejo zu besitzen. Also mit diesem Gärtner, der Bernardo Mendosa heißt, habe ich mich verabredet, nächste Nacht zu entfliehen. Gott hat dich gesandt, uns zu überzeugen, daß diese Flucht gelingen werde.« – »Aber wie wollt Ihr es anfangen, zu entkommen, Señor?« – »Das möchte ich dir wohl gern sagen, aber siehe, da zieht der Schwarze die Uhr bereits zum zweiten Male heraus; unser Sand ist bald verronnen.« – »Und ich habe noch ganz und gar nichts von Euren Schicksalen und Erlebnissen gehört.« – »Ich wollte sie dir erzählen, aber dazu finden wir später Zeit. Es stehen uns nur noch einige Minuten zu Gebote, und diese müssen wir verwenden, die Worte zu wiederholen, die du gelernt hast. Ich werde heute abend mit dem Gärtner bei dir eintreten, und du hast nichts zu tun, als die größte Geräuschlosigkeit zu beobachten. Sollte sich jedoch ein Hindernis einstellen, so komme ich morgen wieder, um den Unterricht fortzusetzen.«

Der Graf übte nun mit Emma die bereits genannten Redensarten ein, zu denen der Eunuche beifällig mit dem Kopf nickte. Kaum aber war seine Stundenuhr zum dritten Mal abgelaufen, so erhob er sich gravitätisch und sagte in gebieterischem Ton:

»Deine Zeit ist um. Folge mir!«

Der Graf stand von seiner Decke auf und gehorchte ihm. Noch aber hatten sie die Tür nicht erreicht, so öffnete sich dieselbe, und der Sultan trat ein.

»Allah, ihr seid pünktlich!« sagte er wohlgefällig. Und sich zu dem Eunuchen wendend, fragte er: »Hast du alles gehört?« – »Alles, o Herr«, antwortete der Gefragte in jenem hohen Fistelton, der Eunuchen eigentümlich ist. – »Hat er Gutes gesprochen oder Schlechtes?« – »Nur Gutes, sehr Gutes!« – »Weißt du dies genau?« – »Ganz genau, denn ich habe es gehört.«

Da nickte der Sultan zufrieden, wandte sich zu dem Grafen und fragte:

»Hat sie bereits etwas gelernt?« – Ja«,antwortete der Gefragte zuversichtlich. – »Was? Kann ich es hören?« – »Ja, wenn du es befiehlst. Ich habe sehr viel mit ihr von dir gesprochen. Frage sie einmal, für wen sie dich hält!«

Da wandte sich der Sultan neugierig zu der Sklavin und fragte:

»Sage mir einmal aufrichtig, für wen du mich hältst!«

Der Graf nickte ihr zu, und so antwortete sie in harrarischer Sprache mit der ersten Formel, die er ihr eingelernt hatte:

»Du bist ein großer Fürst.«

Der Sultan nickte mit einem außerordentlich freundlichen Lächeln und fragte weiter:

»Kann sie noch mehr?« – »Frage sie einmal, ob sie dich für liebenswürdig hält!« meinte der Graf. – »Glaubst du, daß ein Weib mich hassen oder mir widerstehen könnte?« fragte der Herrscher. – »Du bist die Wonne der Frauen«, klang es hinter dem Schleier hervor. – »Frage sie auch, ob sie diese Wonne fühlte!« fuhr der Graf fort. – »Bin ich auch deine Wonne?« fragte der Sultan. – »Dein Anblick labt meine Seele«, lautete die Antwort.

Man sah es dem Sultan an, daß er ganz entzückt über diesen Erfolg des ersten Unterrichts sei. Er klopfte, was bei ihm sonst niemals vorkam, dem Sklaven belobigend auf die Schulter, nickte ihm herablassend zu und sagte:

»Du bist der beste Lehrer, den es geben kann! Diese Sklavin wird noch heute mein Weib, und du sollst belohnt werden, nicht als ob du ein Sklave seist, sondern ein Freier!« – Herr, eile nicht so sehr!« bat Don Ferdinando. »Bedenke, daß ihr Herz noch an die Ihrigen denkt und daß sie erst heute dein Eigentum geworden ist. Habe noch einige Tage Geduld und laß sie erst zur Ruhe kommen. Je freundlicher du bist, desto leichter eroberst du ihr Herz. Frage sie selbst, so wird sie es dir sagen.«

Da wandte sich der Sultan abermals an Emma:

»Ist es wahr, daß du dies von mir wünschest?« – »Sei gnädig, dann liebt dich mein Herz«, lautete die letzte eingelernte Redensart. – »Sie liebt mich; sie will mich lieben!« rief der Sultan. »Ich werde tun, um was sie mich bittet. Du aber sollst wohnen in einem Raum meines zweiten Palastes, den du nicht verlassen darfst, um stets dazusein, wenn ich dich brauche!«

Der Graf verließ jetzt die Schatzkammer.

Der Eunuche aber zog sich zurück, und der Sultan erteilte in Gegenwart des Grafen die Befehle, die die Umquartierung desselben betrafen.

Don Ferdinando erhielt eine Stube des zweiten Palastes zur Wohnung. Freilich darf man sich unter diesem zweiten Palast nicht ein herrliches Bauwerk denken; er war weiter nichts als ein Nebenhaus des Hauptgebäudes, und in der Wohnung befand sich weiter nichts als eine Matte, die als Sitz und Lagerstätte diente.

Daß der Sultan dem gestern so streng bestraften Sklaven heute gnädiger gesinnt sei, erfuhr derselbe, als ihm eine Pfeife und ein kleiner Vorrat von Tabak gebracht wurden. Es war dies für ihn ein Genuß, den er lange Jahre schwer entbehrt hatte.

Wie hatten sich seit gestern doch überhaupt die Verhältnisse so sehr geändert! Der Graf war von einer freudigen Hoffnung, ja Überzeugung durchdrungen, daß die Flucht gelingen und alles noch ein gutes Ende nehmen werde. Er ging zwar sehr großen Gefahren entgegen, und doch fand sich nicht eine Spur von Besorgnis in seinem Herzen.

Daß sein Glaube, Gott werde ihm beistehen, ein berechtigter sei, erfuhr er kurz vor Einbruch der Nacht.

Um diese Zeit wurden nämlich vier der besten Kamele von der Weide hereingebracht und in einem Schuppen untergestellt, in dem sich der beste Teil des herrschaftlichen Reit- und Packzeugs befand, und als der Graf sich dem Mann daraufhin näherte, der die Tiere gebracht hatte, und ihn fragte: »Warum bleiben die Tiere nicht auf der Weide?«, antwortete dieser: »Weil es der Sultan befohlen hat.« – »So wird er ausreiten?« – »Ja. Er reitet morgen am Vormittag mit seinem ältesten Weib zu ihrem Vater, wo sie einige Zeit lang bleiben wird. Ich habe zwei Reitsättel, eine Frauensänfte und einen Packsattel für sie bereitzuhalten.«

Da war es dem Grafen, als ob ihm ein großes Geschenk gemacht worden sei. Zwei Reitsättel, das paßte gerade für ihn und den Gärtner; eine Frauensänfte, die war für Emma, und auf den Packsattel konnte man alles Nötige verladen. Es war klar, daß der Sultan seine erste Frau fortbrachte, um sich der neuen Sklavin ungestörter widmen zu können.

»Darf ich dir helfen?« fragte Don Ferdinando den Treiber. – »Tue es. Ich bin müde und möchte bald schlafen gehen«, antwortete der Mann.

Nichts konnte dem Grafen lieber sein als dies. Er fütterte und tränkte die Kamele, und als der Treiber sich nach Einbruch der Finsternis entfernte, versprach er ihm noch dazu, während der Nacht bei den Kamelen zu schlafen, damit den Lieblingstieren des Sultans ja nichts zustoße. Eine Pfeife Tabak war die Belohnung für dieses scheinbar so großmütige Anerbieten.


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