Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreißigstes Kapitel.

Es war wieder Winter geworden, und Elisabeth saß eines Nachmittags in ihrer Stube und erwartete die Rückkehr ihres Mannes von einer Tour. Sie war voller Unruhe und sah beständig zum Fenster hinaus. Am ganzen vorhergehenden Tage war auf der See draußen schlimmes Wetter gewesen! Er hätte des Morgens kommen sollen, und nun dämmerte schon der Abend.

Sie gab das Nähen auf, konnte sich aber nicht entschließen, Licht anzuzünden, und so saß sie im Halbdunkel, während der Feuerschein des Ofens über den Boden hinspielte.

Auf den Holzblöcken stand ein Kessel mit kochendem Wasser, damit der Lotse gleich etwas Warmes haben könne, wenn er nach Hause käme. Gjert besuchte nun zu Arendal die Schule – er wohnte bei der Muhme – und Henrik saß in der Helle, welche die Ofenmündung ausstrahlte, und schnitt aus einem Stück Holz lange Späne.

»Es beginnt wieder darauf loszublasen, Henrik,« sagte Elisabeth und nahm ein Tuch um den Kopf, um hinauszusehen.

»Es nützt nichts, Mutter,« meinte der Knabe, ohne sich stören zu lassen, und stemmte einen Pflock gegen die Brust, den er mit dem Schnitzmesser spaltete, »es nützt nichts, es ist ja stockfinster.« Und sie gab es auch auf, ehe sie die Thür erreichte. Doch blieb sie stehen und lauschte; es war ihr, als vernehme sie draußen Schritte.

»Er kommt!« rief sie plötzlich und eilte hinaus.

Als der Lotse in das Vorhaus trat, während ihm die Nässe des Schneeregens von Südwester und Oelkleidern triefte, schlangen sich zwei Arme um seinen Hals.

»Wie lange bist du ausgeblieben, Salve,« rief Elisabeth, indem sie ihm alles aus der Hand nahm und ihm voraus in die Küche eilte, wo sie Licht anzündete. »Ist etwas Ungewöhnliches geschehen? Ich hörte, daß du gestern eine Galeasse nach Arendal gelotset habest, und erwartete dich daher schon heute morgen. Das war gestern ein schreckliches Wetter, Salve, darum war ich etwas ängstlich,« fuhr sie fort und half ihm dabei mit eifriger Hast aus den nassen Kleidern.

»Ich habe ein hübsches Stück verdient, Elisabeth!« sagte er vergnügt.

»Durch die Galeasse?«

»Ja – und dann hatte ich in Arendal zu thun, so daß ich erst nach Mittag fortfahren konnte.«

»Da hast du wohl Gjert gesprochen?«

»Jawohl.« – Er blickte etwas ungeduldig nach der Thür.

»Und es geht ihm gut?«

»Du kannst ihn selber fragen,« antwortete Salve; denn eben ging die Thür auf und Gjert trat mit einem lauten »Guten Abend, Mutter!« ein.

Ueberrascht lief sie auf ihn zu und umarmte ihn.

»Kein trockener Faden an dem ganzen Burschen!« jammerte sie in mütterlichem Mitgefühl. »Aber, lieber Salve, was hat das zu bedeuten? Wie kann der Junge aus der Schule weg?«

»Wenn wir erst etwas Trockenes auf uns und etwas Warmes in uns haben, will ich dir alles erklären, Mutter,« versetzte Salve schelmisch; »er bleibt die ganze Woche über bei dir zu Hause.«

Sie schien zufrieden und glücklich, ging an ihre Arbeit und sah bald auf Gjert, der vor lauter Neuigkeiten platzen zu wollen schien, bald auf ihren Mann, dessen Miene aber nichts verriet.

Die Thür zur Küche hinaus stand offen und man sah das Feuer auf dem Herd hoch aufflackern.

Der Lotse setzte sich hier nieder, stopfte sich eine Pfeife, und nachdem er ein paar Züge gethan, sagte er zu Gjert: »So, nun kannst du erzählen, Junge. Ich sehe ja, du hältst es nicht mehr länger aus!«

»Denke nur, Mutter,« rief er, »der Vater will, ich soll Seeoffizier werden! – Und deshalb hat er mich aus der Schule genommen und reist nächste Woche mit mir nach Frederiksvärn!«

Henriks Mund that sich langsam auf.

Elisabeth, die in einem Topfe rührte, schaute ihren Mann fast erschrocken an: »Was meinst du, Salve?«

»Wäre es nicht recht hübsch, den Jungen einmal in seiner schmucken Uniform in die Stube treten zu sehen, Elisabeth? Du warst ja immer so sehr für diese Sachen,« zog er sie auf. – »Und da du selbst nichts derartiges werden konntest, da sie nun einmal keine Frauenzimmer auf Orlogs nehmen – und ich's auch nicht so hoch bringen kann, so habe ich gedacht, wir versuchen es einmal mit Gjert.«

»Ist das wirklich dein Ernst, Salve?« fragte Elisabeth und blickte ihn noch immer mit Spannung an.

Der Lotse nickte bekräftigend.

»Ja, wenn es der Vater sagt, so – so möge Gott dich segnen, mein Kind,« sagte sie bewegt und strich Gjert über die Stirn.

»So, und nun kannst du dich wieder in die Stube hinein verziehen, Henrik! Dort magst du dann mit Gjert schwatzen, wenn er sich noch herabläßt, einem einfachen Mann wie du zu antworten: – sag ihm, du wollest Schiffskapitän werden und so viel verdienen, wie zwei solche Kerle in Uniform. Dann haben die Mutter und ich ein wenig Ruhe in der Küche.«

Als sie allein waren, fragte Elisabeth: »Aber was ist denn vorgegangen, Salve?«

»Na, siehst du – ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, daß aus Gjert etwas mehr werden soll als aus seinem Vater, und so ging ich zum Lotsenalderman Beck und fragte, was ich anfangen solle, um meinen Sohn auf diesem Wege vorwärts zu bringen. Und ich redete auch mit der jungen Frau.«

»Liebster, du gingst zu Beck?«

»Jawohl, – der Bub muß vorwärts, weißt du! – Außerdem bat ich ihn so' halb und halb um Verzeihung wegen meiner dummen bissigen Zunge, – und wir versöhnten uns. Im Grunde ist er ein prächtiger alter Bursche, dem ich unrecht gethan. Er sagte, er habe nie vergessen, daß ich ihm damals die alte ›Juno‹ geborgen, und daß er daran gedacht hätte, mich zum Führer derselben zu machen. Während wir standen und plauderten, kam die junge Frau Beck herein und hörte, wovon die Rede war. Sie ereiferte sich sehr dafür, denn du seiest ihre alte Freundin, sagte sie, und sie meinte, es werde wohl möglich sein, für Gjert im Institut einen Freiplatz zu erhalten, wenn er im Sommer seine Prüfung bestanden habe. Sie besitzen dort Bekannte, die das schon durchsetzen würden, und wenn der Lotsenalderman schreibe,« fuhr er etwas verlegen fort, »daß ich ein ausgezeichneter Lotse sei, der vom Staate belohnt werden müsse – so würde es doppelt so leicht gehen. Und so schrieb der Lotsenalderman das Gesuch für mich.«

»Nun, und?« fragte Elisabeth gespannt.

»Und er selbst setzte sein Attest darunter; – ich wußte gar nicht, daß ich solch ein Mordskerl sei,« sagte er lachend.

»Siehst du!« rief sie und blickte ihn mit Stolz an; – »endlich kommt es! Nun erkennt er es doch an!«

»Na, und geht es nicht auf diese Art, so kann Salve Kristiansen es wohl auch aus der eignen Tasche bestreiten; – denn gehen muß es! Es wird wohl ein wenig teuer; aber etwas haben wir auf der Sparbank und der Rest wird sich finden! Uebrigens ist's ganz gut, daß ich nun etwas habe, was mich aus dem Hause treibt, sonst hänge ich mich zu sehr an dich und die Stube, Elisabeth!« sagte er und zog sie an sich. »Ich brauche manchmal ein bißchen Sturm und Unwetter; so ist meine Natur nun eben einmal. Der Lotsenalderman soll auch gar nicht übertrieben haben!«

Seine Frau schaute ihn an. Eine tiefe Empfindung leuchtete aus ihrem Gesicht.

»Wie glücklich sind wir doch geworden, Salve!« rief sie. »Wenn das nur von Anfang an so gewesen wäre!«

»Ich habe darüber nachgedacht, Elisabeth!« sagte er ernst. »Das hat wohl einer gelenkt, der klüger ist als ich, denn es war viel Böses aus mir herauszuschweißen, als ich von meinen Reisen kam. Leider mußtest du es ertragen, du Arme!«

»Ich hatte dich ja auch in jenes Leben hineingetrieben, Salve!«

 

Ende.

 


 << zurück