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Fünftes Kapitel.

Seitdem der alte Jakob kränkelte, führte der Frächter Kristiansen öfters Proviant und andre nötige Dinge nach Torungen hinaus. Sie einigten sich stets leicht, und so wiederholte sich dies jährlich einigemal.

Des Frächters Sohn Salve hatte sich an diesem Strich der Küste von Kindesbeinen an im Fischerboot umhergetrieben. Er war zwischen all diesen blinden Klippen, Riffen, Brandungen aufgewachsen.

Als er Elisabeth zum erstenmal erblickte, war er schon in der Fremde gewesen und hatte als Jungmann »Jungmann« und »leichter Matrose« – so ziemlich dasselbe – auf Handelsschiffen ein Grad unter den Matrosen. gedient; er mochte damals achtzehn Jahre zählen und sie etwa vierzehn. Er galt für den Löwen auf den Bällen in Sandvigen und Vrängen und war sich dessen voll bewußt. Er hatte schwarze Haare, dunkle Augen und ein scharf gezeichnetes, kluges Gesicht. Allerdings war er ziemlich klein von Wuchs, aber was ihm an Stärke fehlte, ersetzte er durch Lebhaftigkeit und Behendigkeit, und half sich damit aus mancher Klemme, in welche ihn seine zur Neckerei geneigte Zunge oft brachte.

Einmal, als im Herbst sein Fahrzeug frühzeitig heimgekehrt war, fuhr er mit seinem Vater im Boote hinaus und sah da auch die Enkelin des alten Jakob; doch in seiner Ueberlegenheit würdigte er sie keiner Anrede. Er machte nur den Witz, sie gleiche einem Reiher. Wenn sie so in ihrem dicken, rotkarierten Wolltuch einherging, dessen Enden um den Leib zurückgebunden waren, war die Aehnlichkeit durchaus nicht aus der Luft gegriffen. Jedenfalls erklärte er auf dem Heimweg, eine ähnliche Figur von einem Mädchen habe er für seinen Teil wenigstens noch niemals getroffen, und es müßte unterhaltend sein, sie mit ihren dünnen Armen und Beinen gleich einer Heuschrecke im Saale tanzen zu sehen.

Das nächste Mal nahm Elisabeth des Großvaters Uhr mit dem Silbergehäuse und zeigte sie Salve, und nun entspann sich ein Gespräch zwischen ihnen.

Sein erster Eindruck von ihr war, daß sie dumm sei. Sie fragte nach allem Erdenklichen und schien zu glauben, er müsse unbedingt über alles Bescheid wissen. So wollte sie durchaus erklärt haben, wie es bei den vornehmen Leuten in Arendal aussehe, und besonders, wie sich die Damen benehmen.

Er unterhielt sich damit, ihr eine Menge Geschichten einzureden, denn sie nahm alles so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Doch als er wegfuhr, war es fast, als reute ihn, was er gethan; auch hatte er herausgefunden, daß das junge Mädchen in seiner Art alles eher als einfältig sei. Er sollte übrigens noch auf fühlbarere Weise sein Benehmen bereuen; denn der Alte hatte alle seine Geschichten wieder gehört und sich darüber geärgert.

Als daher Salve das nächste Mal kam, war der alte Jakob gegen ihn sehr kurz, so daß er es in der Stube durchaus nicht gemütlich fand und sich lieber gleich an die Arbeit machte.

Währenddessen erzählte ihm das junge Mädchen, daß ihr Großvater auf dem Kriegsschiff »Najade« gedient habe. Salve, der sich verletzt fühlte und meinte, der Alte sei gegen ihn »ein ungehobelter Hund« gewesen, begleitete die Erzählung hie und da mit einer ironischen Bemerkung, welche Elisabeth aber in ihrem Eifer nicht recht beachtete oder verstand. Doch als er seine Arbeit fertig gebracht, ließ er seiner üblen Laune freien Lauf und lachte ungläubig; dies verstand sie.

»Der alte Jakob mit auf der ›Najade‹! – Das hat vor dem heutigen Tage gewiß kein Mensch gehört!«

Unglücklicherweise kam der alte Jakob gerade heraus, da es ja nun an die Abfahrt ging. Elisabeth wendete sich in flammendem Zorn an ihn: »Großvater! Er glaubt nicht, daß du mit auf der ›Najade‹ warst!«

Erst antwortete der Alte, als ob er sich nicht auf dergleichen einlassen wolle: »Ah, das ist wohl wieder so ein Weibergeschwätz!«

Aber ob es nun die Eitelkeit und der Aerger über diesen jungen Burschen war, was ihn packte, oder ob er jetzt erst bemerkte, wie aufgebracht und feindlich seine Enkelin dastand, genug, er fuhr plötzlich auf, hielt Salve seine großen Fäuste unter die Nase und brach in die Worte aus: »Wenn du es durchaus wissen willst, du Schwabbergast Schwabber = zusammengebundene Tauenden, welche zum Reinigen des Verdeckes dienen – Gast (Mehrzahl Gasten) bezeichnet den Mann, welchem eine gewisse Funktion obliegt, z. B. Topgast, Marsgast etc., so stand ich mit bessern Männern, als du jemals treffen wirst, neben der Batterie der ›Najade‹, als sie vom ›Diktator‹ zusammengeschossen wurde, und der Mann, der hier steht, konnte sich kaum noch durch die Stückpforte retten, als sie untersank. Ueberhaupt befassen wir hier uns nicht mit Lügen, wie du, du schleckendes Schiffshündlein du! Und wäre es nicht um deinen Vater, der wohl so vernünftig ist, dich zu züchtigen, so würde ich dir das Rückenfell mürbe walken, daß du nicht mehr pfeifen könntest!«

Mit diesen Worten – der längsten Rede, die Jakob in den letzten dreißig Jahren gehalten – wendete er sich, nachdem er noch dem Vater hastig zugenickt, und ging ins Haus.

Das junge Mädchen war sehr unglücklich, als Salve abfuhr, ohne sie eines Grußes zu würdigen, und der Großvater war ebenfalls brummig, denn er fürchtete, eine Dummheit begangen und mit dem Frächter gebrochen zu haben.


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