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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Ein Jahr hatte das Ehepaar miteinander in Tönsberg verbracht, das glücklichste in ihrem Leben, und Elisabeth trug nun ein Knäblein im Arm. Sie hatten es Gjert genannt.

Schön und ordentlich wollte die junge Frau alles in der Stube haben. Es war drinnen auch fast holländisch rein und blank; in den Fenstern standen Blumen und etwas im Hause sowohl wie in ihrer eignen netten Kleidung verriet, daß sie sich in andern Verhältnissen umgesehen.

Während Salves häufiger Abwesenheit hatte die hübsche junge Schiffersfrau das Wohlwollen mehrerer guter Familien im Orte gewonnen, mit denen sie, ohne mit ihnen eigentlich Umgang zu pflegen, doch rasch auf guten Fuß kam. Salve sagte nichts dazu; aber sie merkte doch, daß er, wenn er heimkehrte, nicht gern davon hören mochte, obschon sie nicht recht begreifen konnte, warum.

Dies war der einzige Schatten, der hie und da verfinsternd auf ihr heiteres Glück fiel. Doch war er stets rasch vergessen: denn Salve fühlte selbst, daß seine Eifersucht auf diese vornehmen Leute eigentlich eine lächerliche Schwachheit sei. Aber, – er konnte nichts dafür; – Elisabeth hatte ja einmal so gut wie zu ihnen gehört, und nun saß sie statt dessen in seiner eignen dürftigen Hütte.

Wenn er draußen auf der See allein auf seinem Deck herumging, zeigte sich ihm alles stets in noch dunklerem Lichte und er litt peinlich unter der Empfindung, daß diese Menschen täglich in seiner Stube stumm jenen Gedanken zum Ausdruck brachten, den er am wenigsten vertrug, – den Gedanken an das, worauf Elisabeth Verzicht geleistet, indem sie seine Frau geworden war. Anderseits hätte sein Stolz es um nichts in der Welt vermocht, dies gegen Elisabeth zu erwähnen oder sie gar zu bitten, diese Bekanntschaften zu meiden.

Als Gjert geboren wurde und Erkundigungen nach Elisabeths Befinden einliefen, ja, von Grosserer Jürgensen sogar Kleinigkeiten ins Haus geschickt wurden, verlor Salve, der bisher überglücklich an Elisabeths Bett gesessen und sich nicht hatte entschließen können, sie und die Wiege zu verlassen, plötzlich die gute Laune; er stand auf und begann mit den Händen auf dem Rücken vor dem Hause auf und ab zu gehen. Und so oft er am Fenster vorüberkam, bemerkte Elisabeth, daß seine Miene finster war.

Als er aber nach einer langen Weile wieder hereinkam, zeigte er sich doppelt liebreich und voll überströmender Zärtlichkeit gegen sie.

*

Nach der letzten Fahrt im Frühsommer blieb Salve daheim und freute sich, ein paar Monate der schönen Jahreszeit zu Hause zubringen zu können.

Die Tage verflossen zu rasch, däuchte ihm. Elisabeth blühte wie eine Rose und sie verabredeten, daß die junge Frau ihn nächstens begleiten und die Garvloits in Holland besuchen solle.

Am Sonntag sah man das hübsche, schmucke Paar meist unter den Kirchgängern, und Elisabeth, der nun die Augen über seine Empfindlichkeit gegenüber ihrem Verkehr mit den »vornehmen« Leuten geöffnet waren, wunderte sich nur, daß er so sehr wünschte, sie geputzt zu sehen. Allein sie erklärte sich das nicht ohne Befriedigung damit, daß er auf sie eitel sei und er seine Frau gern zeigen wolle.

Elisabeths Vorgehen gegenüber jenen Bekannten war von ihrem Standpunkte aus ebenso fein wie hochsinnig. Obgleich sie ahnte, daß Salves Schwachheit in einer Art Mißtrauen gegen sie wurzelte, that sie ihrem Mann gegenüber doch, als lege sie kein weiteres Gewicht darauf, in der stillen Hoffnung, ihre gleichmütige Art, es zu nehmen, werde ihn im Lauf der Zeit überzeugen, wie sehr er im Unrecht gewesen.

Sie sah eben nicht, wie tief ihm diese Sache ging.

Eines Tages, als er in Notterö gewesen und Matrosen geheuert hatte, erzählte ihm Elisabeth bei seiner Heimkunft, sie habe gerade mit Grosserer Jürgensen und seiner Frau gesprochen, die an der Thür vorübergekommen waren.

»Sie wollen morgen nach Frederiksvärn, und denke dir nur,« sagte sie, noch ganz von ihrer Freude befangen, »sie kennen Marie Forstberg! So ließ ich sie grüßen!«

»Marie Forstberg? – Wer ist das?« fragte Salve etwas stutzig.

»Weißt du nicht, das Mädchen, das so gut mit mir war,« – allein da stieg ihr bei genauerem Nachdenken das Blut ins Gesicht, und sie stotterte, als ob sie ungern fortführe: »Es ist das Mädchen, das sich mit Beck – dem Marinelieutenant – verheiratet hat.«

»Da hättest du Beck auch gleich von mir grüßen lassen sollen!« sagte er scharf. Er war bleich und vermied es, sie anzusehen, und sie ging verlegen umher.

Endlich trat sie zu ihm – setzte sich auf sein Knie und faßte ihn um den Hals.

»Deshalb bist du doch nicht böse auf mich?«

»Nein, meinetwegen kannst du natürlich grüßen lassen, wen du willst!«

»Sie war meine beste Freundin, als ich … in Arendal war,« erklärte sie aufrichtig, stammelte aber die letzten Worte, weil sie fast gesagt hatte »bei Beck im Hause«.

»Ja, ich zweifle gar nicht daran, daß du zu diesen Leuten in recht gutem Verhältnis stehst!«

»Ja, Salve!« rief sie erzürnt und erhob sich.

Doch er zog sie nieder.

»Vergib mir, Elisabeth!« sagte er weich und voll Reue, »es thut mir so weh, höre ich diese Leute nur von dir nennen. Ich weiß ja, daß es nichts auf sich hat, weiß es so bestimmt, als ich hier sitze,« fuhr er fort, denn er sah, daß sie Thränen in den Augen hatte.

Und nun bemühte er sich lange, sie wieder zu versöhnen, was ihm auch nach einem heftigen Ausbruch von ihrer Seite gelang, und so waren sie schließlich am Abend wieder im Uebermaß glücklich beisammen, wie es nach einem Regenschauer in der Liebe zu gehen pflegt.

Doch Salve ward von diesem Tage an stiller und schweigsamer, obschon er sich äußerlich immer gleich zärtlich zeigte. Auch wollte er an den folgenden Sonntagen nicht in die Kirche, deshalb blieben sie beide daheim.

Ein ruheloser Geist schien in Salve gefahren, und er beeilte sich, nun wieder aufs Meer zu kommen.


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