Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechzehntes Kapitel.

Die ganze Nacht hindurch arbeitete und schleppte man ununterbrochen mit der Ladung, als ob man große Eile habe, den Hafen zu verlassen, und am Vormittag lichtete man, während die letzte Warenprahm einlud, zu gleicher Zeit die Anker.

»Star und Stripes« lag, als Salve befreit wurde, bereits außerhalb der Hafenmündung auf offener See und wollte am Morgen die Anker lichten.

Der Kapitän, die drei Steuermänner und mehrere untergeordnete Befehlshaber spazierten mit goldbetreßter Mütze und uniformähnlichen Kleidern auf dem Deck umher, genau wie auf einem Kriegsschiff, und die Wachthabenden unter ihnen trugen Waffen. Dagegen war die Mannschaft durchgängig zerfetzt, dieselbe schien aus Leuten von allen Nationen zu bestehen: aus Engländern, Iren, Deutschen und Amerikanern, und außerdem aus einem halben Dutzend Negern und Mulatten.

Da niemand sich weiter mit Salve abgab, so ging er vorläufig seinen eignen Weg. Doch wurde es ihm unheimlich zu Mute, als er sah, wie man über die vom Lande abgewendete Schiffsseite nicht weniger als drei Leichen, nachlässig in Leinwand genäht, ohne jede weitere Ceremonie ins Meer senkte. Man hatte der Hafenpolizei zu verbergen gewußt, daß an Bord das gelbe Fieber herrschte. Das wurde noch unheimlicher, als ein kleiner, blasser Kajütenjunge, mit dem Salve ein Gespräch begann, ihm mitteilte, daß noch mehrere Kranke unten lägen, und daß einer von den kürzlich versenkten am vorhergehenden Tage gerade in jener Koje gestorben, in der Salve diese Nacht gelegen. Er war ganz empört.

Später abends wurde er achterwärts zum Kapitän gerufen, neben dem der Bootsmann stand. Es war ein magerer, energisch aussehender Mann von etwa 40 Jahren, mit starkem, schwarzem Backenbart, scharf ausgeprägtem, etwas hohlwangigem Gesicht und zierlich geordnetem, glänzenden Haar. Er rauchte aus einer langen Pfeife, deren Rohr mit Perlmutter eingelegt war, und nippte ab und zu an einer Tasse schwarzen: Kaffee, die auf dem Scheilicht Scheilicht = Oeffnung für das von oben einfallende Licht (von englischen sky-light). stand.

»Wie heißt du?« fragte er, indem er Salves Gruß mit einem Nicken erwiderte.

»Salve!«

»Salve,« wiederholte der Kapitän mit englischer Betonung des Namens, »und Norweger?«

»Er sieht zu anständig aus für das Pack, mit dem er zusammenkommt,« murmelte er dem Bootsmann zu.

»Befahrener Befahren ist ein Matrose, welcher in allen Arbeiten an Bord erfahren ist. Matrose?«

»Ja.«

»Du hast drei Guineen aus die Heuer erhalten?« fuhr der Kapitän fort, indem er mit ein paar neuen Zügen aus der Pfeife in sein Rechnungsbuch sah, »eine Monatsheuer«.

»Nein Kapitän!« und nun erklärte Salve, wie das zugegangen war. »Ordentlich geheuert bin ich nicht eher geworden als jetzt, wo ich mich wohl darein finden muß … bisher aber bin ich behandelt worden wie ein Hund und noch schlechter!«

Das letztere überhörte der Kapitän und entschied bloß kurz und barsch: »Er bekommt die drei Guineen, Bootsmann Jenkins! … Er wird in den Vormars gesetzt; man kann wohl einen ordentlichen Gast zwischen all dem Gesindel brauchen!«

»Ein andres Mal werden Sie für Ihre eigne Rechnung und nicht für die der Matrosen spielen,« bemerkte er hieraus leise und spitzig zum Bootsmann; allein Salve verstand es doch.

Als Salve später unten im Banjer seine Koje an einen der Zwischendecksbalken aufhängte, sah er sich gerade gegenüber einem Mann, der in gleicher Weise beschäftigt war. Er konnte sich nicht täuschen – das war Federigo. Bei jener Geschichte im Wirtshaus war Federigo von der Polizei ergriffen worden. Er hatte bemerkt, wie Salve durch den Bootsmann von »Star und Stripes« befreit worden, und als es ihm unterwegs zu entschlüpfen gelang, hatte auch er sich auf dieses Schiff geflüchtet.

Die Wut über die Niederträchtigkeit der Schwester kochte noch zu stark in Salve, obwohl er ja selbst glaubte, daß Federigo der Sache ferngestanden hatte. Allein dieser schien doch eine Art von bösem Gewissen zu haben, und so sprach keiner von beiden mit dem andern, und sie verhielten sich wie Fremde gegeneinander. Der Gesichtsausdruck des Brasilianers zeigte, daß er sich gedemütigt fühlte; doch lag darin zugleich etwas, das Salve warnte, auf seiner Hut zu sein.

Bald hatte Salve herausgefunden, daß er es mit dem Schiff nicht leicht hätte unglücklicher treffen können. Die Mannschaft bestand aus der Hefe der Docks von New Orleans und Charleston, aus Leuten, denen das Laster und die Folgen eines herabwürdigenden Lebens auf der Stirn geschrieben standen. Fortwährend hörte man die ruchlosesten Flüche und Gotteslästerungen. Mit der Handspake niedergeschlagen und sonst empörend behandelt werden, gehörte zur Tagesordnung, und derjenige, den es traf, durfte der Schadenfreude seiner Kameraden gewiß sein; Recht war hier keins zu finden; es kam nur darauf an, ob man von den Offizieren beschützt wurde oder sich einiger Kameraden versichert hatte.

Bald merkte Salve, daß er unter diesen Verhältnissen nur auf sich selbst zählen dürfe. Die Amerikaner und Iren, die als die beiden am zahlreichsten vertretenen Nationalitäten zusammenhielten und ihn anfangs zu den Ihrigen rechnen wollten, wurden ihm nämlich bald feindlich gesinnt. Sie nahmen Anstoß daran, daß er sich in keine nähere Kameradschaft einließ: sie hatten ihn im Verdacht, daß er sich für zu gut halte, und als es sich sehr bald zeigte, daß er ein ganz ausgezeichneter Seemann war, kam auch noch der Neid dazu. Allein am meisten wirkte der Bootsmann gegen ihn, indem er den Matrosen listig die Meinung beibrachte, daß Salve von den Offizieren begünstigt werde. In diesem Verhältnis zeigte sich Federigo von einer unerwartet freundschaftlichen Seite, und Salve sah ein, daß er es nur ihm verdanke, wenn er nicht auch alle Portugiesen gegen sich hatte. Dies brachte die beiden einander wieder näher.

Besonders gefürchtet war unter der Mannschaft ein starkgebauter, kupferroter, narbiger Ire, der ab und zu von einer wahren Raserei erfaßt wurde. Außer ihm gab es noch zwei oder drei Koryphäen ähnlicher Art an Bord, die sich aber gegenseitig so ziemlich in Schach hielten. Die Offiziere mischten sich aus guten Gründen nie in die Händel des Volksroofs, doch bemerkten sie mit heimlicher Freude, daß durch Salves Mut und Trotz das Ansehen des Iren und eines Mulatten, der eine ähnliche Rolle zu spielen pflegte, gebrochen war. Fanden sie doch ihre Rechnung dabei, wenn auf dem Vordeck Zwist und Uneinigkeit herrschte; denn Einigkeit unter all diesen Schurken hätte Gefahr der Meuterei bedeutet. Nach und nach wurde auch Salve, der eine blutige Rauferei um die andre hatte, mißtrauisch angesehen, und der Kapitän wunderte sich, daß er sich in einem Menschen so hatte täuschen können; »aber,« meinte er, »unter Pack wird man Pack!« Und Salve war wenigstens der tüchtigste, im Dienst verläßlichste Matrose an Bord.

Bootsmann Jenkins ging ihm schweigend aus dem Weg; denn er hatte gehört, daß Salve geschworen, er wolle Jenkins' Eingeweide herausreißen, wenn derselbe ihn zu beleidigen wagte.

Für Federigo fühlte Salve nur Geringschätzung, obgleich er es einmal ungebeten mit einem Yankee für ihn aufnahm, gegen den der Brasilianer jämmerlich unterlegen wäre. Salve hielt Federigo für falsch, heimtückisch und gewissenlos, was aus all seinem Thun und Reden hervorging: doch er half ihm kraft jener Kameradschaft, die unter diesen verworfenen Menschen ihre unverbrüchlichen Gesetze hat, – und dann hatte er sich an Freundschaft gewöhnt. Federigo war ein interessanter Bursche, der so ziemlich über alles zu sprechen wußte und besonders eine Menge von Theorieen besaß, denen Salve während der langen Wachen gerne lauschte, und wenn er auch seine Behauptung, daß es keinen Gott gebe, verachtete, so blieb doch von seiner Beweisführung manches in seiner Seele haften; denn welcher Gott half ihm, wenn er sich nicht selbst half unter diesem Gesindel, und wenn ein Gott regierte, dachte er mit Bitterkeit, so hätte ihm manches im Leben anders gehen müssen.

Sie umsegelten Kap Horn und kamen nach Valparaiso. Allein an dem Vormittag, an dem sie in den Hafen einlaufen sollten, wurde Salve zu seiner Wut in Arrest gesetzt. Der Kapitän sah zu gut ein, daß Salve als Hauptperson unter der Mannschaft eine Garantie der Sicherheit war, und wollte deshalb verhindern, daß derselbe seiner Erklärung gemäß das Schiff verlasse.

Nachdem sie bei den Chincas-Inseln gelandet, wo sie für China eine Ladung Guano einnahmen, segelten sie nun im Stillen Ocean, dessen Einförmigkeit nur ab und zu ein größerer Seevogel oder ein Südseewal unterbrach, der in ihrer Nähe seinen Wasserstrahl emporspritzte. In den einsamen Nächten hatten sie das blitzende Sternbild des südlichen Kreuzes schräg über dem Haupte. Doch an Bord war es durchaus nicht friedlich. Streit, Mordlust und Gotteslästerung erfüllten Tag und Nacht die kleine Nußschale, die wie ein Punkt über die unendliche Fläche hinzog. Ein Teil der Mannschaft, mit dem Iren an der Spitze, plante, die Offiziere zu töten und das Schiff zu einem Walfischfänger zu machen.

Einmal nachts, als Salve und Federigo während einer Wache miteinander sprachen, fragte der Erstere plötzlich: »Hör einmal, Federigo, – was meinst du, daß deine Schwester mit mir gemacht hätte, wenn ich nicht entkommen wäre?«

Bisher hatten sie vermieden, dies heikle Thema zu berühren, und Federigo antwortete ausweichend: »Das weiß ich wahrhaftig nicht zu sagen: – sie konnte aber zeitweise ziemlich wild sein.«

»Ja, aber was glaubst du? Ich weiß ja, daß du mit der Sache nichts zu thun gehabt.«

»Hm, – das ist nicht so leicht zu entscheiden!« versetzte Federigo, merklich erleichtert, mit einem seltsamen Lächeln, als suche er mit einem gewissen Vergnügen unter allen Möglichkeiten. »Einmal brühte sie einen Affen, der sie gebissen, langsam mit kochendem Wasser ab, – aber sie ist so erfinderisch!«

Es gruselte Salve, und in seinem Gesicht stieg etwas auf, was den andern zur Vorsicht mahnte: daher beeilte er sich, die halb tröstende, halb scherzhafte Bemerkung beizufügen: »Ja, jetzt wird's der arme Antonio Varez zu entgelten haben, daß sie ihn heiraten mußte – da magst du ruhig sein! – Nun, sie ist reich und glücklich!« schloß er mit einem neidischen Seufzer.

Wir gedenken aber diesen dunkeln Zeitraum aus Salves Leben zu verlassen und nicht weiter zu verfolgen, wie er täglich im Schmutze watete und wie sein Charakter einen Stoß erlitt, der ihn der Fähigkeit beraubte, an das Gute bei seinen Mitmenschen und an eine höhere Weltregierung zu glauben. Wir unterlassen zu schildern, wie er schließlich in seiner tiefen, zurückgedrängten Erbitterung über all diese Tyrannei eine Weile sogar den Gedanken nährte, sich jener Meuterei anzuschließen. Manche verzweiflungsvolle Nacht rang er mit der Versuchung, dem einen oder dem andern seiner tyrannischen Offiziere sein Messer in den Rücken zu stoßen, wenn er im Dunkel der Nacht an ihnen vorbeiging. Ihr Leben hing, wie es Salve schien, oft nur an einem Haar; allein dieses Haar war stärker, als Salve selber ahnte. Elisabeths Antlitz und die Macht der frommen Eindrücke seiner Kinderzeit ließen ihn stets vor dem Gedanken zurückschrecken, einen Mord auf sein Gewissen zu laden.

Nachdem er anderthalb Jahre lang manche empörende Scene innerhalb der Schiffswände von »Star und Stripes« mitgemacht, schied er endlich mit einer großen ausbezahlten Heuer von dem Schiff. Die nächsten Fahrzeuge, auf denen er diente, boten andre, doch nicht sonderlich bessre Verhältnisse; – aber nun war er an dies Leben gewöhnt und teilweise dagegen abgestumpft. Doch überallhin folgte ihm Federigo. Salve hatte Geld erspart; denn er suchte nicht, es auf dem Lande hinauszuwerfen wie Federigo, der seine Löhnung stets im Spiel verlor. Er haßte die Weiber und wurde in den Matrosenkneipen meist als wilder, unbändiger Mensch betrachtet, den man am besten mied. Sein klarer Verstand sagte ihm mit einer gewissen Bitterkeit, daß Geld doch schließlich die höchste Macht sei, und er trug seine Goldstücke stets in einem Gürtel um den Leib.

Federigos beharrliche Anhänglichkeit begann Salve, der seinen Freund und insbesondre dessen Schwäche für den Mammon in- und auswendig zu kennen vermeinte, immer mehr dem Geld zuzuschreiben, das er um den Leib trug; – er faßte den Verdacht, Federigo betrachte ihn eigentlich als seine Reservesparbüchse. Als Federigo ihm daher einmal in einem Hafen vorschlug, miteinander durchzugehen und in einer oder der andern neu entdeckten Mine Gold zu graben, da machte er sich gelassen und ohne besondre Entrüstung klar, daß sein Freund, wenn sie fertig wären, ihm eines schönen Tages sein Messer in die Brust stoßen und ihn berauben würde. So war nun einmal diese Freundschaft beschaffen. – Federigo liebte das Geld mehr als den Freund. Deshalb lehnte Salve diesen Vorschlag ab, der ihm sonst der Abwechselung wegen zugesagt hätte; doch blieben ihre Beziehungen trotzdem freundschaftlich.

*

So waren im ganzen vier Jahre vergangen, als sich Salve nach Europa zu sehnen begann, er wollte sich selbst nicht bekennen, warum.

Nachdem er lange ein passendes Schiff zur Heimreise gesucht, war er endlich mit seinem brasilianischen Freunde auf ein schweres Barkschiff Ein Barkschiff ist ein Schiff mit drei Masten, deren hinterster keinen Mars und keine Rahen, sondern nur ein Gaffel hat. gegangen, das der holländischen Kolonie Curaçao angehörte und Tabak und Rum nach Rotterdam und Nieuwediep führte. Die Besatzung bestand bis auf ein paar Holländer fast nur aus Kreolen. Salve kannte nun alle Schliche des amerikanischen Heuerkontraktes und hatte sich gleich bei der Ankunft in Nieuwediep auf gesetzliche Art vom Schiffe getrennt. Federigo ahnte nichts, bis Salve mit seinem Kojenzeug heraufkam und ihm im letzten Moment alles mitteilte.

Er erblaßte, und die Thränen drangen ihm in die Augen, – ob aus verletzter Freundschaft oder aus einer Art Enttäuschung, oder aus beiden Ursachen, konnte Salve nicht recht erraten. Der Ausdruck seines Gesichts mit den kleinen, unruhigen, schwarzen Augen glich dem einer aufgestörten Ratte. Endlich fiel er Salve mit Heftigkeit um den Hals und rief: »Nun, so wollen wir wenigstens am letzten Abend eins trinken. – Ach, ich weiß nicht, wie ich dich entbehren soll, nachdem wir so lange miteinander ausgehalten!«

Gegen alle gesunde Vernunft fühlte auch Salve sein Herz weich werden bei diesem Gedanken, und die Erinnerung an alle Anhänglichkeit, die dieser Spitzbube ihm erwiesen, erweckte in ihm etwas, das beinahe Rührung war.

»Ja, es hilft nichts, mein Freund!« antwortete er, – »abgemacht ist abgemacht! Aber heute abend halte ich dich frei. Ich erwarte dich in der ›Aurora‹«.

Gerade um diese Jahreszeit lagen ungewöhnlich viele Schiffe im Hafen, und das Wirtshaus »Aurora« war diesen Abend voll von Seeleuten, die sangen und bei Gin und Brandy ihr Wiedersehen feierten oder neue Bekanntschaften machten.

Salve und Federigo saßen bei ihrem »Gin« in einem der an den Tanzsaal anstoßenden Seitengemächer, die von plaudernden und rauchenden Männern und einzelnen Paaren gefüllt waren, die sich vom Tanz hierher zurückgezogen. Drinnen in dem schwülen, von Rauch und Dampf erfüllten Saale sah man durch die geöffnete Thür Männer aller Art, die niedliche Holländerinnen im Reigen schwangen.

Salve nahm am Tanze nicht teil, ihn verdüsterte und verstimmte die Lustigkeit, obwohl er um Federigos willen seine Stimmung nicht zeigen wollte.

Dieser sah ganz trostlos aus und saß den ersten Teil des Abends ganz träumerisch da und nippte nur an seinem Glase.

Salve hörte beim Fensterpfosten hinter sich zwei junge Leute norwegisch reden – und das Herz hüpfte ihm im Leibe vor Freude, denn er hatte seit mehreren Jahren seine Muttersprache nicht gehört.

Und Federigo schenkte in selbstvergessener Rührung fortwährend in Salves Glas und verschüttete dabei, wie es schien, im wachsenden Rausch, den Inhalt des eignen, ohne zu trinken. Er wurde redselig und holte aus ihrem Zusammenleben eine Erinnerung um die andre hervor. »Siehst du, ich vergesse nie etwas,« sagte er treuherzig, – »nie!« fügte er nach einer Pause schneidend scharf hinzu, während im Auge unterdrückte Leidenschaft aufblitzte.

Die beiden Norweger waren wieder hereingekommen, und der eine, der etwas rot und erhitzt aussah, sprach sich begeistert über die Mädchen im Saal aus.

»Nein!« wendete der andre lebhaft ein, »da hättest du erst die schöne Elisabeth zu Amsterdam im ›Stern‹ sehen sollen! – Aber die kriegt man nicht so zum Tanzen, lieber Freund!«

Diese Worte weckten plötzlich Salves Interesse. Er lauschte mit der größten Aufmerksamkeit.

»Ja, warum denn nicht?« fragte der erste etwas prahlerisch.

»Na, erstens hält man dort keinen Tanz, und dann müßte zum mindesten ein Schiffer kommen und vor ihr seinen Kratzfuß machen. Aber im letzten Frühling, als wir mit der ›Galathea‹ drinnen lagen, sah ich sie, wie sie mit dem Kapitän sprach; denn sie ist aus Norwegen. Ja, das ist ein prächtiges Mädchen, die Haare gleich einer Goldkrone und so rank in der Takelung, daß man ganz schwindlig wird, wenn man in ihre Nähe kommt.«

Salve versank in Gedanken und war den ganzen Abend sehr zerstreut.

Ihn hatte eine Ahnung durchzuckt, dies könne Elisabeth sein, und es ließ ihn nicht mehr los, obgleich sein Verstand ihm sagte, sie müsse nun längst mit dem Seeoffizier verheiratet sein. Sein Gemüt war in Aufregung geraten, und er fühlte eine beinahe wilde Sehnsucht, nach Arendal zu kommen, wo er in dieser Sache Gewißheit erlangen konnte.

Als sie aufbrechen sollten, war Federigo betrunken, und es wurde notwendig, daß Salve seinen untröstlichen Freund durch das Dunkel am Dock unten über den langen, schmalen Damm, den von beiden Seiten das Meer bespülte, zurückbegleitete. Federigo hielt die ganze Zeit über seinen Arm fest und stützte sich schwer darauf. Als sie mitten auf den Damm gekommen waren, sah Salve seinen Freund eine plötzliche Bewegung machen und empfand gerade unter dem Herzen einen heftigen Stoß, so daß er zwei, drei Schritte zurücktaumelte. Er hörte den andern mit vor Wut zitternder Stimme rufen: »Nimm das für Paolina, – du Hund!«

Der Gegenstand von Federigos Streben, der Geldbeutel, hatte Salve gerettet. Dieser warf nun seinen Gegner mit einem so gewaltigen Schlage zu Boden, daß er über den Damm hinaus ins Wasser kugelte.

»Hilfe! Hilfe!« tönte es herauf.

»Ja wohl!« antwortete Salve spottend; »unsrer schönen Freundschaft zuliebe. – Doch erst wirf das Messer herauf!«

Salve rollte sein Taschentuch zusammen, um mit demselben bis hinab zu reichen.

»Du und deine Schlange von einer Schwester habt mich allerlei gelehrt,« murmelte er bitter. »Ich verdiente ja wirklich erstochen und geplündert zu werden, weil ich einen Augenblick in dich oder sonst jemand Vertrauen setzen konnte! Nun, kommst du herauf?«

Als er Federigos Gestalt über die Kante klettern sah, sagte er höhnisch: »Und nun scheiden wir endlich! – Lebe wohl, du mein prächtiger, alter Freund!«

Er ging fort und hörte, wie der Brasilianer hinter ihm im Dunkeln schrie und vor Wut auf dem Damm mit den Füßen trampelte.


 << zurück weiter >>