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XVII.
Der Vagabund in Grün

Als Milt von Butte aus westlich gefahren war, friedlich die Straße entlang ratternd, sich des goldenen Nebels freute, der über dem weiten Land lag und des unerwarteten Auftauchens einer Prairie-Dreschmannschaft auf den geneigten Feldern der abfallenden Berghänge, da war plötzlich aus einem Gebüsch am Rande der Straße ein Mann hervorgetreten und hatte ihm einen 0.44er Marinerevolver entgegengehalten.

Der Mann war kein Bandit wie im Film. Er trug eine grüne Jacke aus einem imitierten englischen Stoff, hatte ein breites Lächeln und als er in weitem Bogen den Hut schwenkte, sah man das Haar in einem borstigen Schopf graugestreiften Rotes emporstehen, das beinahe Rosa zu nennen war. Er hielt eine Rede:

»Verzeih meinen exzentrischen Gruß, oh Bruder der freien Landstraße, doch ich wollte, daß du dein Ohr leihest meiner unterwürfigen Bitte, inwieweit du geneigt wärest, mich ein Stück Weges mitzunehmen. Ich habe erfahren, daß Unterwürfigkeit am besten geschätzt wird, wenn sie durch Gebete und Patronen unterstützt ist.«

»Was wollen Sie eigentlich? So viel ich verstehen kann, möchten Sie gerne ein Stück mitfahren. Springen Sie auf.«

»Sie haben für meinen ciceronischen Stil, scheint's, nicht dieselbe Vorliebe wie ich«, kicherte der Mann, während er in den Wagen kletterte.

Auf Milt machte diese sonderbare Art wenig Eindruck. Bei Claire wäre es vielleicht anders gewesen; doch Milt hatte zu oft alle politischen und religiösen Fragen um den Ofen in Rauskukles Stube erörtern hören, um sich über Vielsilbigkeitsmanie zu wundern. Er wußte, daß es meist nur ein Zeichen dafür war, daß die Leute zu oberflächlich und zu wenig angeleitet alles mögliche Zeug lesen. Er lachte. »Huh! Was treiben Sie: Zeitung, Politik, Rechtskunde, Predigen oder Spielen?«

»Na, ein klein wenig von all diesen interessanten Beschäftigungen. Und zehndreiundzwanzigstel Wandern, mit fahrendem Volk auftreten und Quacksalberzeug verkaufen. Wie weit fahren Sie?«

»Seattle.«

»Wirklich? Sag, Junge, ist das – Mein Sohn, wir werden das seltene Vergnügen haben, bis Blewett Paß gemeinsam alle Abenteuer zu bestehen, vier bis sechs Reisetage von da – einen Tag, von hier aus gerechnet, vor Seattle. Ich gehe dorthin zu meiner Goldmine. Das Essen wollen wir teilen – ich seh an deiner Ausrüstung, daß du nachts im Freien kampierst. Ganz recht so, mein Junge. Pinky Parrott ist nicht der Mann, der die Nachtluft scheut.«

Er klopfte Milt mit gönnerhafter Unverschämtheit auf die Schulter. Er stopfte seine Pfeife und obwohl der Wagen fünfundzwanzig Meilen machte, zündete er die Pfeife mit bemerkenswerter Leichtigkeit an und setzte sich dann bequem zurecht:

»Du glaubst natürlich in jugendlichem Stolz, daß du mich genau kategorisiert hast, insbesondere, seitdem ich bereit bin zuzugeben – obwohl ich reichlich genug von diesen klingenden Eisenknöpfen habe, um meinen Anteil am Futter zu bezahlen – daß mir in diesem wie auf Bleifüßen hinschleichenden Augenblick zufällig das Allerweltsmittel fehlt, um eine Eisenbahnkarte zurück nach Blewett zu kaufen; und die Puffer und Seitentüren des Argonauten-Pullmann lieben mich nicht. Sind auch verflucht schmutzig. Doch deine Analyse ist unsynthetisch, obwohl du meine paradoxe Metapher wohl kaum begreifen wirst.«

»Teufel noch einmal, nein. Obwohl ich Chemie und Rhetorik studiert habe«, brummte Milt, der seine ganze Aufmerksamkeit aufs Fahren konzentrierte und auf den Wunsch, diesen Parasiten loszuwerden.

»Oh! Oh! Ich verstehe. Nun, jedenfalls: ich bin nicht bloß ein gewandter Wortfechter, wie du vielleicht glaubst. In Wirklichkeit bin ich Herr schöner Landstriche in Arkadien.«

»Kenn den Ort nicht. In Montana oder Idaho?«

»Keines von beiden! Im Lande der Träume!«

»Ach so, dort. Huh!«

»Aber zufällig habe ich sie durch eine vollständig untraumhafte Goldmine verstärkt. Habe in einem Cañon in der Nähe von Blewett Paß darnach geschürft und hab's gefunden, bei Gott; meine gnädige Frau, einstmals die schönste unter den Lieblingen der Gesellschaft von Nord Yakima, bewacht sie nun vor der Rückkehr ihres Gemahls. Wunderbar gut. Habe Proben. War in Butte, um dafür Geld aufzunehmen, aber die grimmen Khediven des Kommerzes sind mißtrauisch. Sie wollten meinen Worten nicht lauschen. Herrjeh. So nehme ich meinen Weg zurück zur spröden Dolores, der ewig Schönen meines Herzens, und das nächste Mal werd ich die großen Kanonen in Seattle springen lassen. Und ich werde dich sicherlich belohnen für deinen Edelmut, mich bis Blewett mitzunehmen, all den langen, langen, langwierigen, langweiligen Weg …«

»Zu schade, daß ich mich ein paar Tage in Spokane aufhalten muß.«

»Nun, dann wirst du eben das Vergnügen haben, mich so weit zu führen.«

»Und ungefähr eine Woche in Kalispell!«

»Das wird eine Unbequemlichkeit sein für mich, aber, bei meiner Ehre, ich werde dich nicht im Stich lassen! Du weißt nicht, mein Bürschlein, welch klugen Kopf dein leichtes Wägelchen trägt. Wenn ich erst das Geld für die Mine habe, so werde ich meinen rechtmäßigen Platz unter der autofahrenden Gentry schon einnehmen. Nicht nur als Schauspieler und Gaukler, als Gründer, Erfinder, Soldat und wagemutiger Journalist habe ich in dieser Welt mon rôle gespielt sondern auch als Mystiker, als Eingeweihter, als Hellseher, Psychometrist, als Mitglied der Rosenkreuzer, ein tiefwissenschaftlicher Psychologe … tatsächlich, mein Meister ist Hermes Trismegistus selbst! Ich habe auch den Titel eines Doktors der Mentopraxis und meine Studien auf dem Gebiete der Astro-Biochemie …«

»Werde anhalten. Aussteigen! Ich koch ein bißchen Kaffee«, sagte Milt.

Er hatte eigentlich kein Verlangen nach Kaffee, auch wollte er gar nicht anhalten, aber er hatte den verzweifelten Wunsch, die Boltwoods vor Pinky Parrott zu bewahren. Es gehörte zu seinem Glaubensbekenntnis als Autoliebhaber, niemandem einen Platz in seinem Wagen zu verweigern, solange eben einer frei war. Er hoffte, um sein Glaubensbekenntnis durch List herumzukommen und versuchte es mit diesem Wink, daß er anhalten wolle. Pinkys Reagieren auf diesen Wink war nicht ermutigend: »Ja, sehen Sie, Sie haben etwas von dem Flair eines Psychologen! Ich könnte auch ein wenig Kaffee vertragen. Aber bemühen Sie sich nicht, ein Feuer zu machen. Das werde ich tun. Sie fahren – ich mach die Lager-Arbeit. Nicht, daß ich nicht wahrscheinlich besser fahren könnte als Sie, wenn ich so sagen darf. Ich pflegte mich ein wenig mit Rennfahren zu beschäftigen, bevor ich das Fliegen aufnahm.«

»Huh! Fliegen! Mit welcher Maschine sind Sie geflogen!«

»Ja nun – mit einem Zweidecker!«

»Huh! Was für Motor?«

»Ja, irgendein ausländischer. Der – der – Es war ein französischer Motor.«

»Huh! Auf welcher Rennbahn sind Sie gefahren?«

»Auf – Verzeiht, geduldet Euch, bis ich das Feuer angefacht für unseren al fresco Imbiß, dann will ich die Geschichte meiner Fahrertätigkeit vor Euch entfalten.« Aber er tat beides nicht. Nachdem er sieben Zweiglein, ein Büschel Gestrüpp und ein sechs Zoll dickes Brett gebracht hatte, überließ er es Milt, das Feuer fertig aufzuschlichten, während er, soviel er davon wußte, von dem geheimnisvollen Götzendienst der alten ägyptischen Priester erzählte.

Milt gab die Hoffnung auf, daß es Pinky zu langweilig werden würde, lange zu warten oder langsam vorwärtszukommen. Nach einer Stunde sintflutartig übersprudelnder Unterhaltung entschloß er sich, Pinky fahren zu lassen – ihn zu zwingen – zuzugeben, daß er nicht fahren könne. Er irrte. Pinky konnte fahren. Er konnte nicht gut fahren, er steuerte wackelig und der Motor starb ihm bei einer Steigung ab; aber er bewies auch beim Fahren etwas von derselben blendenden Idiotie, die seine Rede kennzeichnete. Milt war es, nicht Pinky, der Angst hatte, daß sie in den Straßengraben sausen würden, und der vorschlug, daß er selbst die Lenkung übernehmen wolle.

Sieben Mal versuchte Milt an diesem Tag ihn loszuwerden. Einmal blieb er ohne Entschuldigung stehen und starrte nur an den Felsen hinauf, die überhängend über die Straße ragten. Pinky war nicht verlegen. Er lehnte sich auf seinem Platz zurück und trällerte zwei spanische Liebeslieder. Einmal fuhr Milt absichtlich nach einer falschen Richtung eine Bergstraße hinauf. Sie verirrten sich und brauchten fünf Stunden, bis sie wieder die große Landstraße erreichten. Pinky liebte diese Spannungen und – mit einigen kurzen Worten, die kaum fünfzehn Minuten dauerten – sagte er es auch. Milt versuchte, ihn durch ein Tempo von sieben Meilen pro Stunde zu langweilen. Pinky nahm diese Gelegenheit, die Bergschichtungen zu studieren, mit Begeisterung auf. Als sie für diese Nacht ihr Lager bereiteten, liebte ihn Pinky wie einen Bruder und überlegte, ob er sich nicht vielleicht in Blewett Paß nur so lange aufhalten sollte, um seine Goldmine und Dolores, seine Herrin-Frau, flüchtig zu sehen und dann mit seinem Kameraden direkt bis nach Seattle weiter zu fahren.

Der abgespannte Gastgeber lag schlaflos still, als der erwachende Pinky ein paar wohlgewählte Worte über das Thema: Vogelgesang bei Morgendämmerung, von sich gab; Milt platzte heraus.

»Pinky, ich tu es ungern, aber – ich habe noch nie einem Menschen die Bitte abgeschlagen, mitzufahren, wenn ich Platz hatte; aber ich fürchte, Sie werden den Rest Ihres Weges zu Fuß gehen müssen.«

Pinky setzte sich auf unter seiner Decke.

»Angst vor mir, was? Hast recht! Ich bin ein gefährlicher Kerl. Hab den Mann der Dolores umgebracht und sie dann zu mir genommen, verstehst du? Ich …«

»Willst mir wohl bange machen, du armer Prahlhans?« Milts rechte Hand entfaltete sich mit weit gebogenen Fingern und der freudigen Spannkraft eines Mannes, der seine Glieder streckt.

»Nein. Ich lese bloß in deinen Gedanken. Ich sage dir, du hast Angst vor mir! Du glaubst, daß ich, wenn ich weiter mitkomme, dir deinen Wagen stehlen könnte! Du fürchtest dich, weil ich so gewandt bin im Reden. Du bist an zahme Enten nicht gewöhnt. Du wagst es nicht, mich auch nur noch einen Tag länger bei dir zu lassen! Du fürchtest, ich könnte, ehe es Abend wird, deinen elenden Karren gestohlen haben! Du wagst es einfach nicht«.

»Was, zum Teufel, wag ich nicht?« brüllte Milt. »Wenn du glaubst, ich fürchte mich – nur um dir zu zeigen, daß ich mich nicht fürchte, will ich dich heute noch mitfahren lassen!«

»Das ist vernünftig geredet, mein Junge, 's wär auch eine Schande, wenn zwei so recht für einander geschaffene Kameraden der großen Landstraße sich trennen sollten!« Pinky hatte sich unter seiner Decke erhoben und schüttelte Milt herzlich die Hand.

Milt wußte, daß er überlistet worden war, aber er war hilflos. War es überhaupt möglich, Pinky zu beleidigen? Er versuchte es noch einmal:

»Ich will offen mit dir reden. Du bist der ärgste Windbeutel von einem Lügner, dem ich je begegnet bin. Brauchst nicht nach deiner Waffe zu greifen. Ich hab hier einen schweren Stein gleich bei der Hand«.

»Aber mein lieber, guter Junge, ich beabsichtige gar nicht, nach einem rohen, tödlichen Rauchwerkzeug zu greifen. Außerdem ist gar nichts drin. Hab die Munition in Butte versetzt. Ich bin nicht böse, ich bin nur betrübt. Wir wollen es miteinander während des Frühstückes und im Weiterfahren besprechen. Ich kann dir beweisen, daß ich – obzwar ich meiner Phantasie manchmal gestatte, gewöhnliche, nackte Tatsachen zu färben und zu beleben mit den Farbstoffen eines Robert J. Ingersoll – nebstbei gesagt, kennst du sein Lied über den Whisky?«

»Bleiben Sie beim Thema. Wir wollen die Sache jetzt zu Ende besprechen, und ich werde das Frühstück bereiten und dann werden wir traurig von einander scheiden«.

»Nur weil ich leichteren Sinnes bin als diese düstere, alte Welt? Nein! Ich muß es ablehnen, abgesetzt zu werden. Ich werde dir verzeihen und mit dir weiterfahren. Vergiß nicht, ich bin empfindsam. Ich will mich dort nicht aufdrängen, wo ich nicht willkommen bin. Nur mußt du, um mich abzuschütteln, mir gesündere und bessere Gründe sagen, als meine unterhaltlichen rednerischen Fähigkeiten. Meine Logik ist noch stärker als meine hedonistische Verachtung fürs Arbeiten.«

»Nun, verflucht, wenn du's wissen willst – ich sag es schrecklich ungern, aber ich täte beinahe alles, um dich los zu werden. Tatsache ist, daß ich mit einer Dame und ihrem Vater zusammen die gleiche Tour mache und du mir dabei im Wege wärest!«

»Aaaaaah! Siehst du, mein Junge! Na für dich will ich mehr tun, als bloß zu dir halten, ich will den gewandten John Aldon spielen und die Dame deines Herzens gewinnen. So will ich deine männlichen, wenn auch etwas stark praktischen Vorzüge schmücken. – Ja, Frauen sind mein spezieller Fall. Sie fliegen mit …«

»Tut, tut, tut! Du bist ein Narr. Sie ist eine wirkliche Dame.«

»Wie blind du bist, grausamer Freund. Du siehst nicht einmal, daß – was auch immer meine Fehler sein mögen – meine soziale Stellung …«

»Oh – halt's Maul! Siehst du denn nicht, daß ich mich nur bemühe, freundlich zu dir zu sein? Muß ich denn erst auf dich losgehen, bevor du zu verstehen anfängst, daß du hier nicht willkommen bist? Deine soziale Stellung ist wahrscheinlich nicht einmal im Telephonbuch zu finden. Muß ich dich durchprügeln …«

»Gut also. Du hast recht. Reich mir die Hand, mein Junge, und nichts für ungut.«

»Abgemacht. Ich kann also ruhig und allein weiterfahren, ohne dir ins Gesicht schlagen zu müssen?«

»Sicherlich. Das heißt – wir wollen ein Kompromiß schließen. Du nimmst mich noch ein paar Meilen mit, eben nur so weit bis das Land bewohnter ist und dann verlaß ich dich.«

So geschah es, daß Milt noch immer ständig und unentrinnbar von Herrn Pinky Parrott begleitet war, als er an diesem Abend Claires Gomez im Hof der Barmberry stehen sah und anhielt.

Pinky hatte gerne eingewilligt, seine Beredsamkeit vor Claire nicht zu zeigen und zu versuchen, von Herrn Boltwood kein Geld zu borgen. Er war geblieben, ohne auch nur je die Erlaubnis dazu bekommen zu haben. Er hatte auch sein Versprechen eingelöst, die Hälfte vom Proviant zu kaufen, dadurch, daß er Milts Vorrat an Speck und Brot, für fünf Cent Zitronenplätzchen hinzufügte.

Als sie angehalten hatten, warnte Milt: »Hier ist also ihr Wagen. Scheint dort so eine Art Gasthaus zu sein. Ich will hineingehen und guten Tag sagen. Leb wohl, Pink. Freue mich, daß ich dich getroffen habe, aber ich hoffe, du wirst fort sein, wenn ich zurückkomme. Wenn nicht – Willst du den Grabstein aus Granit oder Marmor haben? Ich mein's im Ernst, diesmal!«

»Ich verstehe vollkommen, mein Junge. Ich bewundere deine ritterliche Feinfühligkeit. Leb wohl, alter compagnon de voyage.«

Milt erkundigte sich bei Frau Barmberry, ob die Boltwoods drinnen wären und platzte in die Wohnzimmer-Salon-Bibliothek hinein. Als er Claire am Kaminfeuer zurief: »Hab schon geglaubt, daß ich Sie nie mehr einholen werde«, bemerkte er, daß ein ältlicher junger Mann, sehr korrekt und mit sehr unfreundlichen Augen, im Gespräch neben Herrn Boltwood stand. Er hatte einen grauen englischen Anzug an, tadellose Korduanleder-Schuhe und eine kühne, unverschämt gut gebundene, blaue Kravatte. Als er Jeff Saxton brummen hörte: »Ah, Herr Daggett!« fühlte Milt plötzlich den Hauch von Luxus, der über dem Raume schwebte: der wollige Shawl um Claires Schultern, die in Stanniol verpackten Süßigkeiten neben ihrem Arm, der Geruch teurer Zigarren und das stattliche Behagen des Herrn Boltwood.

»Haben Sie schon gegessen?« fragte Claire, als eine Stimme schmetterte: »Gestattet, daß ich mich vorstelle als Westlake Parrott.«

Jeff griff plötzlich ein. Er trat Pinky gerade gegenüber und fragte: »Wie meinen Sie?«

Claires Augen erbaten von Milt Aufklärungen.

»Das ist ein Mensch, den ich ein Stückchen Wegs habe mitfahren lassen. Mime – ich meine, Schauspieler – na, Art spiritualistisches Medium …«

Herr Boltwood, mit der Heiterkeit eines Mannes, der gut gegessen hat und eine gute Zigarre raucht, sagte einlenkend: »Jeff – e – Daggett hier hat uns tatsächlich zweimal das Leben gerettet und sonst stets viel geholfen. Er ist Automobilfachmann. Er hat es immer abgelehnt, von uns irgendeine Gefälligkeit anzunehmen, aber – ich habe gesehen, daß beinahe ein ganzes Brathuhn übriggeblieben ist. Vielleicht könnte er es mit – e – mit seinem Bekannten zusammen verspeisen, bevor – bevor sie sich ihr Lager für die Nacht bereiten?«

Jeff begann in höflichem und hinterhältigem Ton: »Werde immer froh sein, mich gegen jemand erkenntlich zu zeigen, der sich so große Verdienste erworben hat, um …«

Doch seine Worte wurden ertränkt in Pinkys hervorsprudelndem Wortschwall: »Wahre Gastfreundschaft ist eine ebenso auserlesene wie seltene Tugend. Wir nehmen Ihre Einladung an. Ehrlich gesagt, ich würde mich freuen, eine jener Cigarros elegantos zu bekommen, die mein Geruchs …«

Milt schnitt ihm kurz die Rede ab: »Pink! Sei still! Dank Euch allen, aber wir gehen weiter. Wollte nur nachsehen, ob Sie gut angekommen sind. Sehe Sie vielleicht morgen wieder anderswo.«

Claire stand dicht neben Milt und berührte mit der Hand leise seinen Ärmel. »Bitte, Milt! Vater! Du hast nicht fertig vorgestellt. Du hast Herrn Daggett nicht gesagt, daß dies Herr Saxton, ein Freund von uns aus Brooklyn, ist. Bitte, Milt, bleiben Sie bei uns zum Essen. Ich will Sie nicht hungrig fortgehen lassen. Und ich möchte gerne, daß Sie Jeff – Herrn Saxton kennen lernen … Jeff, Herr Daggett ist Ingenieur, das heißt, so gewissermaßen. Er will auf der technischen Hochschule in Washington studieren. Eines Tages werde ich Euch aufgeblasene Kupfermagnaten noch für ihn zu interessieren wissen … Frau Barmberry. Frauuu Baarmberrry! Oh! Oh, Frau Barmberry, wollen Sie bitte dieses zweite Huhn noch wärmen für …«

»Ach nein, das ist zu dumm. Ich und Jim, wir haben's ganz aufgegessen!« jammerte die Wirtin in der Türöffnung.

»Ich fahr gleich weiter«, stammelte Milt.

Jeff sah ihn ausdruckslos an.

»Sie werden nicht gleich weiterfahren!« sagte Claire beharrlich. »Frau Barmberry, wollen Sie uns, bitte, ein paar Eier kochen oder ein Stück Fleisch abbraten oder sonst etwas für die jungen Leute hier kochen?«

»Vielleicht«, schlug Jeff vor, »wollen sie sich ihr Essen lieber selbst am Lagerfeuer bereiten. Muß sehr lustig sein, derlei Sachen.«

»Jeff, entschuldigen Sie bitte, aber das sind augenblicklich meine Gäste!«

»Ganz richtig. Verzeihung!«

»Milt, kommen Sie, setzen Sie sich hier ans Feuer und wärmen Sie sich. Ich will mir das egoistische Vergnügen der Gastfreundlichkeit nicht nehmen lassen. Sind jetzt alle zufrieden, bitte?«

Auf ihren Wunsch hatten nun alle Platz genommen – alle, bis auf Pinky. Er hatte sich schon lange vorher niedergesetzt, ganz nahe am Feuer, in Claires Stuhl und er rauchte eine Zigarre aus der Schachtel, die Jeff für Herrn Boltwood mitgebracht hatte.

Milt saß am weitesten weg vom Feuer, am Eßtisch. Er quälte sich: »Dieser Jeff-Mensch, das ist der Richtige. Das ist kein Percy in Reitbreeches. Der ist an Gesellschaft und Abscheulichkeiten gewöhnt. Wenn er mich noch einmal anschaut – dann: junger Garagemann wurde steif gefroren aufgefunden in der Nähe von Flathead Lake, verstörter Blick, glaubte, daß er einem Graubären begegnet sei, keine Zeichen von Gewalt zu bemerken. Und ich glaubte, daß ich lernen könnte, mich in Claires Gesellschaftskreise zu mischen! Ich wollt, ich säß draußen in meinem Karren! Ob ich nicht doch entwischen könnte?«


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