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36. Allerlei.

Versöhnend soll durchs Leben uns geleiten
Der süße Wohlklang rein gestimmter Saiten.

a) Bücherlesen und Bücherborgen.

Lies jedes gute Buch dreimal: zuerst, um es kennen zu lernen, zum zweiten, um den Dichter daraus kennen zu lernen, zum dritten, um dich selbst darin zu spiegeln und daraus zu bereichern.

Wer da sagt: »Ein Buch wird ja doch nicht zweimal gelesen, wozu also der Aufwand?« kennzeichnet sich selbst als ungebildet; er schlägt aller guten Schulung und verfeinerten Kultur ins Gesicht.

Einen Dichter oder Schriftsteller lernt man nur aus seinen Werken, nicht aus Besprechungen kennen. Man lasse sich Zeit und Mühe nicht reuen.

Wer Gedichte nicht versteht, verurteile sie nicht. Man urteile nicht nach Urteilen, sondern nach eigenem Empfinden und erst nach völlig klargewordenem Eindruck.

Gute Bücher sind treue, verläßliche Freunde. Schlechte Bücher sind Gift, sie verderben die reine Seele.

Geborgte Bücher schone man peinlich und gebe sie bald und in bestem Zustande zurück. Ueber den gehabten Genuß und den empfangenen Eindruck muß man sich klar und verständig aussprechen können.

Leihbibliothekbücher gelten als bedenklich, weil sie durch viele Hände gehen; man beachte daher die erforderliche Vorsicht, entnehme keine allzu abgegriffenen Bände und sorge außerdem für peinliche Säuberung der Hände nach jedesmaliger Benützung des entnommenen Buches. – Gute Bücher verdienen einen Platz in jeder Bibliothek, auch in einer Leihbibliothek; denn sie werden auf diese Weise in weiteren Kreisen gelesen und können fortgesetzt veredelnd und bildend wirken. Leider wird so aber auch verderblichen Büchern, die ihrerseits erheblichen Schaden stiften, weite Bahn geschaffen, solche sind ausdrücklich zurückzuweisen. Man wende sich an gute Schul- und Volksbibliotheken, diese werden durch erfahrene, umsichtige Männer gewissenhaft verwaltet, der dort entnommene Lesestoff ist belehrend und anziehend zugleich.

Wer sich aber selbst etwas zugute tun kann, der verzichte lieber auf seichte, sündhaft teure Kolportageliteratur, auf gewohnheitsmäßigen Wirtshausbesuch, Kartenspiel usw. und schaffe sich dafür gute unterhaltende und belehrende Bücher an, er wird diese Bereicherung seines Besitzes gewiß niemals bereuen. Dem einzelnen wie der Familie dient die sorgfältig ausgewählte Hausbücherei zu unvergänglichem Genuß.

Die Ehrenpflicht jedes Vermögenden ist es, Bücher zu kaufen. Dem Dichter gebührt diese Anerkennung, dem Buchhändler der Umsatz, der wieder auf den Autor zurückwirkt. Wer Bücher nicht liebt oder nicht versteht, ist dieser Verpflichtung nicht enthoben; er erfreue Unbemittelte damit, die sich nicht selbst den Genuß verschaffen können oder wende seinen Einkauf Volks- und Jugendbibliotheken zu.

b) Wohltaten.

Das echte Wohltun gedeiht in der Stille. Haus- und Stadtarme sind überall zu haben. Speiseabgabe, Wohnungsgeldzuschuß, Verköstigung von Schulkindern oder vereinsamten Alten, kurz jegliche Art wirklichen Wohltuns findet gute Statt, wenn auch vielleicht wenig Dank.

Die Beteiligung an Wohltätigkeitsveranstaltungen, namentlich durch zur Verfügungstellen der eigenen Talente, sei freiwillig und freudig. Immerhin ist es weise, die eigene Toilette gerade hier einfach zu gestalten und den Ueberschuß dem Zwecke selbst ungekürzt zuzuwenden.

Sammelgaben oder Jahresbeiträge dürfen anstandslos in Zeitungen quittiert werden oder nebst dem Namen des Spenders auf dem Sammelbogen stehen.

Nimm dich auch der leidenden Tierwelt an! Für die Tierschutzbestrebungen fehlt es noch immer an reger, opferwilliger Betätigung, und wie viel ist gerade hier noch zu tun!

Wer Tiere schützt, nützt der Menschheit; ein Tierschützer wird auch immer ein edler, erbarmungsreicher Mensch und wahrer Menschenfreund sein.

Oft richtet ein mildes Wort mehr aus als eine reiche Gabe. Oft kannst du einem bedrängten Tier selbst Schutz und Obdach gewähren, wo ein Geldgeschenk nicht in deiner Macht stünde.

Das wahre Wohltun gipfelt in dem Bibelworte: Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind!

c)Die Weihnachtsfeier.

Weihnachten ist das Fest der Liebe, nicht eine Gelegenheit zu Prachtentfaltung und geräuschvollen Vergnügungen. Kostbare Weihnachtsgeschenke schaffen noch kein Behagen. Außer dem wahren Inhalt des Festes, ist das Erfreuen der Angehörigen, das Beschenken der Armen und Einsamen, das Trösten Bedrückter und Verlassener die Hauptsache und Hauptaufgabe dieser gottgesegneten Zeit.

Freue dich der Ruhe nach anstrengender Arbeit; gönne dir ein warmes, wohliges Festgemach, Festgedanken, festlichen Zimmerschmuck, verzichte nur in Trauerfällen auf den lieben, würzig duftenden Weihnachtsbaum.

Laß deine Räume hell sein, laß deine Feststimmung deine ganze Umgebung durchwärmen und durchstrahlen.

Des Christbaums Schmuck erinnere dich an deine Kindheit; versage ihm darum nicht die süße Zier, irgend jemand wird sich immer daran erfreuen.

Das Wohltun im Jahresrund verzehnfache sich zur Weihestund!

Die Art des Bescherens überhaucht auch die prosaische Gabe mit Weihnachtszauber. Nur keine Sorgen und Verstimmungen um das Viel, wer sich an Wenigem erfreut, ist reich und glücklich.

Nicht ein Mensch ist zu arm, um zu beglücken; er forsche nur in seines Herzens Tiefe, und er wird Schätze finden, die im Hinausstreuen ihn selbst bereichern.

d) Bei einer Landpartie.

Wer sich an einer Landpartie beteiligt, darf kein Spielverderber sein. Viel Köpfe, vielerlei Meinung; darum ist es immer gut, in Kleinigkeiten sich der Allgemeinheit zu fügen.

Der Führer muß kundig sein, denn ihn trifft alle Verantwortung; Unkundige treten klüglich zurück.

Unbequemlichkeiten bringt jeder Ausflug mit sich, allein man kann sie verringern durch einfachen Anzug und passendes Schuhzeug, die eine Strapaze ertragen, ohne sich an ihrem Träger zu rächen. Kostbarer Schmuck und duftige Kleider taugen nicht für Landpartien.

Jeder Teilnehmer bringe guten Humor mit, dieser wirkt für die gemeinsame Stimmung wie Sonnenschein in der Landschaft.

Wird die Landpartie von jungen Damen und Herren, etwa Tanz- und Tennisgesellschaften, veranstaltet, so darf die Ehrengarde älterer Respektspersonen keinesfalls fehlen.

Das einzelne oder paarweise Absondern, das Hinausschwärmen in Gruppen oder nach verschiedenen Endzielen ist durchaus unzulässig.

Die Kosten des Vergnügens verteilen sich der Kopfzahl der Teilnehmer entsprechend hinsichtlich der Fahrt wie der Verköstigung. Zuweilen wird auch diese letztere geteilt bestritten, so bei Picknicks, wo der eine das Getränke, der andere den kalten Aufschnitt, ein dritter Brot, Butter und Käse liefert. Die Eisenbahnfahrt hat jeder für sich selbst zu bestreiten.

Die Einteilung des Vergnügungsprogramms ist zuvor zu bestimmen. Am besten übernimmt ein Kundiger die leibliche Versorgung, ein anderer den unterhaltenden Teil, so dürfte allen zumal gedient sein.

e) Musikalische Leistungen.

Das Tun und Lassen in der Ausübung eines musikalischen Talentes, sei es nun wirklich oder in der Einbildung vorhanden, ist der richtige Taktmesser.

Uebungen, besonders Anfängerübungen, spiele man nur bei geschlossenen Fenstern.

Auch bei rauschenden Stücken halte man die Fenster geschlossen aus Rücksicht für die Nachbarschaft.

In Berücksichtigung der Hausbewohner empfiehlt sich ein Schalldämpfer.

Klavierspiel in die tiefe Nacht hinein ist nicht zulässig. Andere wollen schlafen, Nervenschwache müssen ruhen, der laute Klang vereitelt es.

Kranke im Hause verdienen alle Rücksicht, sie ertragen keine Musik.

Die Stücke sind nach der Gelegenheit zu wählen; an hohen Kirchenfesten verbietet sich rauschende Spielweise.

Nur wer wirklich etwas kann, soll sich hören lassen. Die Fingerfertigkeit ist nicht die Hauptsache, sie besticht wohl, allein sie erwärmt nicht. Ein einfacher Vortrag voll Gemüt verdient den Vorzug.

Das wahre Talent braucht sich nicht selbst hervorzudrängen, es wird gesucht werden und kann sich alsdann willig betätigen. Der Dilettant halte sich bescheiden zurück.

f) Sport und Spiele.

Zu allen Körperbewegungsspielen bedarf es eines passenden, bequemen und doch geschmackvollen Anzuges. Zarte Stoffe eignen sich nicht, ebenso weder Falbel- noch Spitzenausputz. Das Kleid sei fußfrei, die Bluse schmiegsam; auf die Fußbekleidung verwende man besondere Sorgfalt.

Zunächst müssen alle Spielteilnehmer einander kennen oder bekannt gemacht werden. Jeder Partei gebührt ein gewisser Anteil an guten Spielern, wie auch jede Gruppe einen Teil der Schwächeren mit in den Kauf nehmen muß.

Die Spielregeln müssen gewissenhaft beachtet werden, ob nun das Spiel ernstlich oder nur zum Scherze betrieben wird.

Jeder tue dabei sein Bestes ohne Prahlerei. Auf jeder guten Kraft beruht der Sieg; jeder einzelne schuldet seiner Partei sein volles Können.

Schwächere Gegner werden geschont, ungeübte Spielkameraden durch eigene Geschicklichkeit gefördert.

Leidenschaftlichkeit bei Spiel oder Tanz ist vom Uebel, sie verdirbt den Spaß, beeinträchtigt den Genuß und verwandelt die gesuchte Erholung in ihr tatsächliches Gegenteil.

Fehler aus Irrtum oder Unkenntnis dürfen nicht ausgebeutet werden.

Körperbewegungsspiele sollen anmutfördernd wirken, dies möge man ja beherzigen!

g) Schlittschuhlauf.

Eine der anmutigsten und zuträglichsten Leibesübungen ist, mäßig betrieben, das Schlittschuhlaufen, dessen reizenden Rhythmus manch schönes Dichterwort besingt. In der Tat ist kaum eine graziösere Bewegung denkbar, doch muß auch hier alles Uebermaß, alles Künsteln und Schaustellen vermieden werden.

Auf der Eisbahn gelten Ballregeln, also vorstellen und engagieren. Die Begleitung eines unbekannten Herrn ist unzulässig.

Zum Erlernen dieser Kunst wähle man Stunden, in welchen die Eisbahn wenig besucht ist; man wird alsdann ungestörter und besser lernen.

Damen tragen fußfreies Kleid und gutsitzendes, hübschgearbeitetes Schuhzeug. Warme Hüllen werden abgenommen und erst für den Heimweg wieder angelegt, wo dann wirklich der erhitzte Körper eines Schutzes bedarf.

Schönes, ruhiges, gleichmäßiges Hin- und Widergleiten eignet sich für Damen am besten. Sie können dabei alle Anmut in wirksamster Weise entfalten, auch bekommt so der gesunde Sport tatsächlich am besten. Künsteleien, wie sie die raffinierte Ausbildung desselben mit sich bringt, ziemen einer Dame nicht, sie mögen das Repertoir der Herren bereichern.

Junge Mädchen besuchen die Eisbahn nicht ohne passende Begleitung; am wenigsten aber in Gesellschaft von halbwüchsigen Schülern oder jungen Herrchen.

Herren haben ihre Kunstfertigkeit den Umständen anzupassen; die Umstehenden, Kinder und Anfänger dürfen nicht belästigt werden. Geschieht dies dennoch, so erfordert es höflichste Entschuldigung.

Kommt eine Dame zu Fall, so ist schonendste Hilfe geboten.

Zigarrenstummel, Orangenschalen oder sonstige Reste dürfen niemals aufs Eis geworfen werden, sie könnten andere leicht zu Schaden bringen.

Das Rauchen ist nicht gestattet, wenn man mit Damen fährt.

Die Beteiligung an Kostümfesten setzt gute Gesundheit voraus, man sorge ganz besonders für warme Unterkleidung.

Nur der Genuß ist schön, der durch natürliche Anmut und feine Form geadelt wird.

Zu rechter Zeit aufhören, ist bei allem Genießen die wahre Kunst; der Nachgenuß gleicht der Vorfreude an stillem Reiz.

Seltenes Vergnügen ist Erholung; Ueberfülle desselben aber weckt Uebersättigung.


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