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Hell tönt's von Geigenklängen,
Von lautem Hörnerschall;
Es lockt der Saal mit Licht und Glanz':
Herbei zu Scherz und Reigentanz!
Auf, rüstet euch zum Ball!
Die Frage des Tanzenlernens braucht kaum erörtert zu werden, denn jedes junge Mädchen weiß, daß es tanzen lernen will, und jeder junge Mann, daß er tanzen lernen muß.
Tanzen können, d. h. sich mit vollendeter Anmut im Tanzschritt bewegen und auch die schwierigen Verbeugungen des Kontertanzes tadellos zum Ausdruck bringen, bedeutet für junge Damen eine schöne Kunst, bei der sie nicht nur all ihre natürliche Anmut ins hellste Licht setzen, sondern auch auf den Dank jeder Wirtin rechnen können, die gute Tänzerinnen in ihrem Zirkel zu vereinigen wünscht.
Ob Haus- oder Gesellschaftsunterricht vorzuziehen, richtet sich nach der Gelegenheit, wie nach dem Kreis der Teilnehmer. Gar zu eng sollte der Zirkel indes keineswegs sein, denn die mit dem Tanzunterricht verknüpfte Anstandslehre und Anstandsübung ist zum mindesten ebenso wichtig wie die verschiedenartigen Tanzfiguren selbst und sollte stets besondere Beachtung finden.
Das bloße Absehen der Tanzfiguren, Schritte und Verschlingungen ist immer ein trügerischer Behelf; das wirkliche Erlernen einer gewissen anmutigen, taktmäßigen (rhythmischen) Bewegungsfreiheit ersetzt es nicht.
Junge Mädchen wird man nicht erst zum Tanzenlernen zwingen müssen, sie haben den Tanzrhythmus sozusagen schon in ihren beweglichen Gliedern. Junge Herren hingegen sind in diesem Punkte zuweilen ungewandter. Sie sträuben sich gegen die Leichtigkeit der Bewegung unter dem Einfluß einer seltsamen und ungerechtfertigten Scheu, etwa aufzufallen.
Dennoch empfiehlt es sich gerade für sie ganz besonders, durch fleißige Übung über diese hemmende Scheu hinwegzukommen. Wer in Gesellschaft verkehren will, muß sich zu bewegen und zu benehmen wissen, und dafür ist guter Tanzunterricht der unerläßlichste Lehrmeister.
Ein gewandter Tänzer wird und muß auch ein fleißiger Tänzer sein, d. h. es steht ihm zu, nicht nur sein Talent zu entfalten, sondern vermittelst desselben auch dasjenige seiner Tänzerin hervorzuheben oder etwaige Irrtümer ihrerseits zu verbergen.
Dem guten Tänzer gelten oft mehr Einladungen als dem guten Gesellschafter. An ihm ist es, sich als solcher zu betätigen, besser noch, beide Eigenschaften zu vereinigen, die Dame des Hauses wird es ihm zu danken wissen. Manche Vergünstigung in seiner Lebensstellung verdankt er sogar diesen beiden zu rechter Zeit entfalteten Talenten.
Immerhin, wer tanzen kann und Tanzeinladungen annimmt, der steht unter dem Gebot der Tanz pflicht. Es ist eine durch nichts gerechtfertigte Unart, wenn einzelne oder gruppenweise gescharte Tänzer kritisierend an Türen und Säulen herumstehen. Sie sind der Schrecken der Ballordner und tanzlustigen Damen; ganz besonders aber die Dame des Hauses wird sich durch solche Rücksichtslosigkeit tief verletzt fühlen.
Die Tanzpflichten des Festgebers gehen im Wechsel der Jahre auf den Sohn des Hauses oder einen sonst nahen Verwandten über; dieser ist verbunden, jede der eingeladenen Damen einmal zum Tanze aufzufordern. Eine Bevorzugung ist zu vermeiden; besonders geehrten Gästen gebührt natürlich auch hier der Vorrang.
Die Einladung zu einem Hausball verpflichtet den Gast, die Dame des Hauses, ihre Töchter und weiblichen Verwandten jedenfalls einmal zum Tanze zu führen. Dasselbe gilt von sämtlichen eingeladenen, ihm schon bekannten Damen; noch unbekannten vorgestellt zu werden und dieselben um eine Tour zu bitten, findet durch die Festgeberin entgegenkommende Vermittelung.
Schließen sich bei Privatbällen die bekannten Elemente leichter zusammen, so sind die Pflichtgrenzen bei öffentlichen Ballfestlichkeiten weiter gezogen. Doch gehen auch hier die Pflichttänze voran, und zwar dem Bekanntschaftsgrade entsprechend. Auf keinen Fall dürfen die Damen des Hauses, in dem du verkehrst, vernachlässigt werden.
Die Frauen und Töchter von Vorgesetzten, dir geneigten, gewichtigen Persönlichkeiten oder von Familien, denen du irgendwie verbindlich bist, müssen dieselbe unbedingte Berücksichtigung erfahren.
Im übrigen gilt immer die Regel, daß nur die Vorstellung den gesellschaftlichen Verkehr eröffnet; ist diese vorausgegangen, so darf auch unbedingt zum Tanze aufgefordert werden. Nach den Pflichttänzen, die nicht umgangen, nicht verkürzt werden dürfen, tritt das private Vergnügen in seine Rechte.
Dem Tänzer ist Maß und Vorsicht anzuempfehlen, d. h. er soll nicht ausschließlich oder allzuoft mit ein und derselben Dame tanzen, es würde dies als Bevorzugung oder auffällige Vertrautheit ausgelegt werden, was für beide Teile unangenehme Folgen haben dürfte. Öfteres Auffordern oder im Ballsaal Zusammenpromenieren verpflichtet den Tänzer, sich den Eltern der betreffenden Dame oder deren Vertretern vorzustellen.
Ballköniginnen ziehen an, jedem Tänzer dünkt es eine Bevorzugung, ihren Verehrerkreis zu vergrößern. Dennoch sollte dies nicht ausschließlich geschehen, schon aus feinem Takt, denn auch die anderen Damen haben das Recht, sich gut zu unterhalten. Außerdem sind Geist und Schönheit nicht immer vereint; gar oft wird Anmut und Geist da gefunden, wo die blendende Außenseite versagt geblieben.
Es zeugt immer von wirklichem Takt, wenn ein Tänzer sich den weniger umschwärmten Damen zuwendet, nicht als teile er Huldbeweise aus, sondern als erbitte er solche. Den Wunsch der Festgeberin, sich dieser oder jener minder gefeierten Dame zu widmen, hat er indes stets bereitwilligst zu erfüllen.
Hat sich ein Herr einer Dame vorstellen lassen, und verbindet damit die Aufforderung zum Tanze, so ist dieselbe zur Zusage nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet.
Willkür und Laune haben überhaupt kein Bestimmungsrecht. Es müßte ein sehr verständlicher und sehr ernster Grund sein, der ein Ablehnen der erhaltenen Aufforderung bedingt. Aus Laune darf es niemals geschehen, soll es sich nicht in der Folge aufs unangenehmste fühlbar machen.
Die Reihenfolge der Tänze findet sich auf einem kleinen, mehr oder minder eleganten Tanzbüchlein verzeichnet, dem gewöhnlich ein Bleistift beigefügt ist. Hinter jedem Tanz ist freier Raum zum Vormerken der engagierten Dame, resp. für den Namen des Tänzers, der die beiderseitige Einzeichnung besorgt.
Die Wahl der Tänzerin darf nicht in nächster Nähe und offensichtlich geschehen. Im Gegenteil, der Herr hat sich aus der Entfernung schon zu entscheiden. Dann nähert er sich der erwählten Dame mit zielbewußtem Schritt, macht mit dem Hute in der Hand eine formelle Verbeugung, (ja nicht das zuweilen beliebte jähe, schroffe Kopfabschwenken!) und sagt etwa:
»Möchten gnädiges Fräulein mir den Vorzug gewähren?«
Oder: »Darf ich mir gestatten, gnädige Frau, um die Ehre dieser Tour zu bitten?«
Oder: »Darf ich mir erlauben, Gnädigste um die Gunst dieses Walzers zu ersuchen?«
Diese Bitte wird durch ein: »Gewiß, recht gern,« oder: »Sehr angenehm« erwidert werden, worauf dann seitens des Herrn der Eintrag des Namens in die betreffenden Tanzbüchlein erfolgt. Dies muß deutlich und pünktlich geschehen, damit kein Irrtum entstehen kann. Es wäre überaus mißlich und gewiß nicht so rasch vergessen, wenn infolge einer Tourenverwechslung die Dame ein anderes Engagement ablehnen und auf den rechtmäßig verpflichteten Tänzer vergebens warten müßte. Die dringlichste Entschuldigung könnte solches Verfehlen kaum sühnen.
Damen sind nicht frei in der Wahl der Tänzer, selbst das Ablehnen kann nur unter gewissen Voraussetzungen geschehen, z. B. wenn die Dame schon engagiert oder ermüdet, von Schwindel oder augenblicklichem Unwohlsein befallen wäre. Dann wird sie mit einem höflichen: »Bedaure sehr, diese Tour ist schon vergeben«, oder: »Leider bin ich schon versagt und muß daher verzichten«, ablehnen; allein die Absage muß auf dem angegebenen Grunde beruhen, jedenfalls darf nicht der eine Tänzer weggeschickt, der späterkommende angenommen werden.
Einem nicht vorgestellten Herrn wird man indes die erbetene Tour wohlberechtigt vorenthalten.
In etwas wird diese knappe Beschränkung durch die Damentour gelöst. In dieser steht den Damen die Wahl zu und können sie da in feiner Weise hin und wieder eine heilsame Lehre erteilen. In erster Linie werden bei der Wahl die Herren berücksichtigt, die zuvor engagiert hatten, doch darf ein junges Mädchen auch in heiterer Weise einen bekannten älteren Herrn, der für gewöhnlich nicht mehr zu tanzen pflegt, auffordern. Lehnt er ab, so braucht dies nicht als Kränkung angesehen zu werden, durch freundlichen Verzicht wird die Ablehnung jeder Herbheit beraubt.
Die Musik gibt das Zeichen zum Tanze. Jetzt lösen sich die Gruppen, die Herren schwärmen nach allen Richtungen aus, doch zielbewußt, denn jeder einzelne muß seine Tänzerin wohl zu finden wissen.
Die erneute Aufforderung besteht in einer Verbeugung seitens des Herrn. Die Dame erhebt sich, legt ihren Blumenstrauß auf den Stuhl zurück, den Fächer jedoch nicht. Sie nimmt den dargebotenen rechten Arm ihres Kavaliers und schließt sich unter seiner Führung der Paarfolge an, die eben zum Tanzen gelangt.
Der Herr ergreift mit seiner linken Hand die Rechte seiner Tänzerin, ein Auf- und Abschwenken derselben vermeidend. Seine Rechte legt er leicht um ihre Taille zur leitenden Führung; haben sich die voranstehenden Paare in den Reigen eingefügt, so beginnt er ohne Zögern seinerseits den Tanz.
Die Reihenfolge darf nicht unterbrochen werden, es würde dies Unordnung verursachen und überdies Mangel an Takt verraten. Die Haltung im Tanze verdient aufmerksame Beachtung; die Dame darf nicht zu nahe gerückt, nicht zu fern gehalten werden, beides ist unpassend und unbequem.
Die Dame legt die rechte Hand in die linke ihres Tänzers; die Linke mit Taschentuch oder Fächer leicht auf seine Schulter. Ein kurzes Wiegen im Takt und sie schweben im Reigen dahin.
Während des Tanzes zu sprechen, ist immer ein fragliches Vergnügen. Wer mühsam atmet, hat genug mit dem Tanz allein zu tun. Manche Damen geben sich auch lieber ungestört dem Tanzvergnügen hin und ziehen es vor, mehr auf die wiegenden Töne der Musik als auf die keuchenden Worte ihres Tänzers zu hören.
Reigen bedeutet Rundtanz, darum haben die tanzenden Paare sich in weitem Rund zu bewegen, nicht unordentlich hin und her, oder aus der Reihe; je schöner die Rundung, desto vollendeter der Tanz.
Auf diese Weise wird auch die Dame vor allen Ungelegenheiten bewahrt. Sie entgeht einem lästigen Zusammenprall, ihrer Toilette widerfährt die schuldige Rücksicht.
Die Dame selbst achte sorgsam auf ihren Anzug. Nichts ist häßlicher, als losgetrennte Falbeln und Schleifen, zerdrückte Blumen und wirres Haar.
Die Pausen können mit leichtem Geplauder ausgefüllt werden. Auch dieses, sowie das Benehmen des Tänzers sei diskret. Berühren der Hände, des Fächers, des Buketts der Dame ist nicht erlaubt.
Ist der Tanz beendet oder klagt die Dame über Ermüdung, so führt der Herr seine Dame an ihren Platz zurück oder doch möglichst nahe an denselben. Er verbeugt sich förmlich vor seiner Tänzerin, wie es beim Abholen geschehen, kann auch einige dankende Worte hinzufügen.
Die Dame beantwortet die Verbeugung mit anmutigem Kopfneigen und nimmt ihren Platz wieder ein. Der Herr entfernt sich.
Ein Zusammenpromenieren findet nur bei näherem Bekanntsein statt; die Erlaubnis hierzu muß indes zuvor erbeten werden.
Mehr als zweimal während eines Tanzvergnügens mit derselben Dame zu tanzen, wird besser vermieden.
Ein Herr kann seine Tänzerin um die Gunst ersuchen, deren Mutter oder Freundin vorgestellt zu werden; die Dame jedoch darf keinen ähnlichen Wunsch in bezug auf Herren laut werden lassen.
Der Kotillon, der launigste aller Tänze, bringt zuweilen Personen zusammen, deren Bekanntsein noch nicht durch die offizielle Vorstellung vermittelt ist. Dies schließt das Zusammentanzen keineswegs aus, allein dem vorhandenen Mangel muß durch die daraufhin folgende Vorstellung des Herrn unbedingt abgeholfen werden.
Tanzen können ist die Hauptverpflichtung bei Ballfreuden; es soll sich nicht eines auf die bewährte Geschicklichkeit des andern verlassen, sondern beide sollen ihr Bestes darbieten.
Je ruhiger, harmonischer getanzt wird, desto schöner ist der Tanz.
Wildes, stürmisches Tanzen steht dem Herrn nicht an; der Dame noch viel weniger.
Schone die Sachen deiner Tänzerin. Einen zerbrochenen Fächer darfst du ersetzen, keinesfalls aber überbieten. Eine zerrissene Schleppe, ein verdorbenes Band wird sie sich nicht ersetzen lassen, jedenfalls jedoch heimlich beklagen.
Neue oder schwierige Tänze lasse man vorübergehen, der Ballsaal ist nicht der Ort, sie einzuüben.
Der Kotillon, der ohnehin große Ansprüche an den Ballordner stellt, soll aufmerksam mitgemacht werden; achtloses Beteiligen verdirbt die schönsten Touren.
Beim Walzer soll nicht nach linksseitiger Richtung getanzt werden.
Der Herr halte stets die Rechte seiner Tänzerin. Das leichte, während des Tanzens gestattete Plaudern kann recht unterhaltend sein, die Hauptsache bleibt jedoch immer der Tanz. Worte und Blicke, die nicht alle Welt mitanhören und mitansehen dürfte, soll dieses Plaudern niemals enthalten, und gingen die Wogen der Freude noch so hoch.
Ernste Gespräche und bedeutsame Lebensfragen gehören nicht in den Ballsaal; in der gesteigerten Stimmung, unter festlicher Beleuchtung geht allzuleicht die Fühlung für den unabweisbaren Ernst des Daseins verloren.
Das letzte Paar tanzt nicht allein weiter. Unmerklich gleitet es den letzten abtretenden Paaren nach.