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3. Das Essen.

So, wie du dich bei Tisch benimmst,
Du selbst dir deinen Rang bestimmst,
Nicht was du ißt, nein wie du ißt,
Bekundet klärlich wer du bist!

a) Die Kunst des Tischdeckens.

Blendendweiße Tischwäsche, die einen leisen Wohlgeruch aushauchen kann, ist die erste, unerläßliche Bedingung, Symmetrie im Auflegen des Tafeltuches und der Anordnung der Teller, Schüsseln und Platten gehört untrennbar dazu.

So viel Plätze zu besetzen sind, so viel flache Teller werden in gleichmäßigen Abständen aufgestellt. Teilt die Hausfrau die Suppe aus, so stehen sämtliche Suppenteller in einem Stoß an ihrem Platze. Doch kann die Suppenausteilung auch auf einem Serviertische geschehen und die gefüllten Teller, je zwei und zwei, herumgereicht werden.

Zur rechten Seite jedes Tellers wird ein gläsernes oder silbernes Messerbänkchen aufgestellt, dazu bestimmt, Messer und Gabel zu stützen. Diese können indes auch zu beiden Seiten des Tellers verteilt werden, das Messer rechts, die Gabel links, während der Löffel quer an der oberen Tellerseite, mit dem Griffe nach rechts liegt.

Für die ständigen Tischplätze sind Servietten in Ringen vorgesehen und auf den Teller gelegt; Gästen legt man die frische Serviette hübsch gebrochen auf die Tellerfläche.

Wo nicht feine Tafelbrötchen in die Serviette gesteckt werden, soll der Brotvorrat in nettgeflochtenen, mit zierlicher Decke ausgelegten Körbchen oder auf geschnitztem Brotteller bequem zur Hand sein. Am besten schon aufgeschnitten, damit man sich ohne Umstände bedienen kann; wo nicht, so soll das Brot auf der flachen Seite ruhen, ein scharfes Messer liege daneben.

Salz und Pfeffer muß stets leicht erreichbar und bei größerer Gesellschaft in ausreichender Näpfchenzahl verteilt sein. Auf jedem derselben liege das zierliche Horn- oder Silberlöffelchen, denn es ist unappetitlich, mit bereits gebrauchtem Messer von der für alle bereitstehenden Würze sich zu bedienen.

Rechts vor dem Teller ist der Platz des Wasser- oder Weinglases, auch für beide, wo dies vorgesehen. Der Gewandtheit der Gäste ist die Schonung der Tischwäsche anheimgestellt, da nur in intimstem Kreise Glasuntersetzer gestattet sind. Ein poliertes oder gekerbtes Holzplättchen dient in solchem Falle auch als Untersetzer für heiße Schüsseln, die der Politur der Tischplatte schaden würden.

Bei festlicher Tafelrunde dienen Blumen und Früchte als Schmuck, ein feindekorierter Dessertaufsatz bildet das effektvolle Mittelstück. Auf dem einfach bürgerlichen Tisch findet man die feingeschliffene Wasserflasche, Senftopf, Essig- und Ölfläschchen, auch kleine Schalenkörbchen, wenn eine dementsprechende Speise gereicht wird.

b) Der Gebrauch der Serviette.

Die Serviette wird leicht vom Teller genommen, entfaltet und über die Knie gebreitet, damit ist zum Schutze des Gewandes alles Zuträgliche getan, das übrige ist Sache eigener Gewandtheit.

Keinesfalls darf sie um den Hals, durch die Halsbinde oder ein Knopfloch geschlungen werden; wohlgetan ist es, wenn auch der Hausvater darin mit gutem Beispiel vorangeht.

Die vielleicht manchmal durch Notwendigkeit entschuldigte Gasthausunsitte, vermittelst der Serviette Teller und Besteck abzuwischen, darf in Gesellschaft und im Familienkreise niemals geübt werden; es wäre dies eine unverzeihliche Taktlosigkeit gegen die Hausfrau, deren berechtigter Stolz es ist, für tadellose Instandsetzung der Tafel gesorgt zu haben.

Mäßiger Gebrauch der Serviette versteht sich von selbst, in Berührung mit dem Gesicht darf sie nicht gebracht, zur Reinigung der Hände soll sie keinesfalls benützt werden.

Bei Aufheben der Tafel nimmt der Gast seine Serviette mit leichtem Griff zusammen und legt sie so neben seinem Gedecke nieder, da Gelegenheitsservietten ohne weiteres in den Wäschekorb wandern. Nur die Familienglieder legen ihre Servietten zusammen und stecken sie gerollt in den dazu bestimmten Ring.

Auch bei dauernden Tischgästen im Gasthause ist dies letztere Verfahren für die Frist einer Woche üblich.

c) Der Gebrauch des Löffels.

Der Löffel wird leicht mit den Fingern aufgenommen und gehandhabt, nicht etwa vermittelst der ganzen Hand, sondern so, daß Zeige- und Mittelfinger der Rechten unten ruhen, der Daumen hingegen an der oberen Griffseite. Die Spitze des Löffels wird zum Munde geführt, ja nicht die Breitseite desselben.

Der Löffel darf nur mäßig gefüllt werden, damit nichts von seinem Inhalt in den Teller zurück oder auf die Krawatte fließe.

Ist die Suppe zu heiß, so wird der Löffel leicht im Tellergrunde hin und her bewegt; Hineinblasen oder stürmisches Umrühren ist nicht gestattet.

Beim Genuß der Suppe achte man weit mehr auf sich selbst als auf andere; widerlich und unappetitlich ist jedes schlürfende, schmatzende, lautkostende Geräusch. Das lautlose Einnehmen der Suppe kann geradezu als Gradmesser feiner Lebensart bezeichnet werden.

d) Der Gebrauch von Messer und Gabel.

Es ist nicht statthaft, die auf den Teller genommenen Speisen vollständig zu zerlegen und danach vermittelst der Gabel den zerlegten Vorrat abzuessen.

Mit der linken Hand wird die Gabel, mit der rechten das Messer angefaßt, letzteres in der Weise, daß der Daumen am unteren Heftrande ruht; während des Essens werden beide in der Hand behalten, also nicht wieder auf das Messerbänkchen zurückgelegt.

Jeder Bissen soll direkt vor dem Verspeisen erst abgeschnitten, mit der Gabel aufgespießt, vermittelst des Messers mit etwas Gemüse oder Sauce vervollständigt und sodann geschickt zum Munde geführt werden. Die gewölbte Gabelseite ist dabei nach unten gerichtet.

Reicht die Fleischportion nicht aus, um auf diese Weise auch das Gemüse oder die Sauce zu verzehren, so muß der Rest auf dem Teller verbleiben; da völlig glattes Abessen als unfein gilt. Immerhin ist zu beachten, daß der Teller nicht unsauber, d. h. mit beträufeltem Rande oder mit einer Restmischung der genossenen Speisen zurückgereicht werden darf; man beachte dies schon während des Essens und richte sich mit den zum Munde zu führenden Portionen danach ein. Die beste Vorübung für diese Eßprobe ist der Familientisch; beachtet man hier die Gesetze seiner Lebensart, so wird man auch in Gesellschaft niemals den guten Ton verletzen.

Es ziemt sich nicht, mit dem Messer den letzten Rest zusammenzubringen, diesen oder andere Speisen mit demselben zum Munde zu führen; ebenso muß vermieden werden, Fleisch und Zugehör auf dem ganzen Tellergrunde auszubreiten, je geschickter dabei verfahren wird, desto netter präsentiert sich das Gedeck.

Das Tischbrot, überhaupt alles unbelegte Brot, wird nur gebrochen, nicht geschnitten, mit Ausnahme des Butterbrotes, das mit dem Messer zerteilt und in einzeln bestrichenen Stückchen zum Munde geführt wird. Beim allgemeinen ganzen Tischbrot darf das Messer nicht fehlen; ein selbstbenutztes Messer zum Abschneiden zu verwenden, ist durchaus unstatthaft.

e) Das Verzehren des Geflügels.

Geflügel zu essen, sollte erst in intimstem Kreise geübt werden, denn es ist keineswegs ganz leicht und mühelos und kann oft recht ärgerliche Verlegenheiten bereiten.

Da jedoch nicht jedermann zu solcher Vorprobe Gelegenheit hat und sich in Gesellschaft doch zuweilen mit dieser Speise abfinden muß, so verstößt es keineswegs gegen den guten Ton, den Gang abzulehnen, er kann ja Geschmacksache sein, wie so manches andere ebenfalls.

Will man als Ungeübter aber die Arbeit dennoch wagen, so ist die Wahl eines möglichst mühelosen Stückes anzuraten. Nur bei kleinem, zartem Geflügel darf man sich des Daumens und Zeigefingers bedienen, das alsdann unvermeidliche Benagen erfordert jedoch einen besonderen Grad diskreter Behandlung.

Größere Geflügelteile dürfen hingegen niemals mit der Hand bearbeitet werden.

f) Das Verzehren der Fische.

Das Verzehren der Fische geschieht ohne Messer. Die linke Hand hält vermittelst eines Stückchens Brot den Fisch auf dem Teller fest, die Rechte hebt mit Hilfe der Gabel das Fleisch von den Gräten, nimmt, unterstützt von dem Brotstückchen, dasselbe mit der Gabel auf und führt es zum Munde. Auch dies will geübt sein, da es sich wesentlich vom Fleischessen unterscheidet. Durch die neuerdings eingeführten Fischmesser und Fischbestecke wird das Fischessen ganz bedeutend erleichtert.

Für die feine oder Gesellschaftstafel ist außerdem zu beachten, daß Krebse vermittelst der Finger auseinandergebrochen, Austern aus der Schale geschlürft werden. Beim Genuß von Spargel, Artischocken, sowie allen nur in Wasser abgekochten handlichen Gemüsearten ist der Gebrauch der Finger gestattet.

Macht nach derartigen Gerichten, wie allgemein üblich, eine Schale mit lauwarmem, etwas parfümiertem Wasser die Runde, so werden nur die Fingerspitzen leicht darin abgespült.

Speisereste, d. h. Fischgräten, Geflügelknöchelchen usw. dürfen nicht auffällig auf dem Teller aufgeschichtet oder etwa über den Tellerrand hinausgeschoben werden. Sind keine besonderen Resterschalen dafür vorhanden, so finden sie ihren Platz nächst dem Rande auf dem Boden des Tellers.

g) Das Verzehren von Obst, Backwerk, Kuchen, Eis usw.

Zu Kernobst gehören besondere Obstmesser aus Horn, Bein oder Silber. Vermittelst derselben wird die Frucht zerteilt, jede einzelne Schnitte besonders geschält und gleich verspeist. Die Kerne bleiben auf dem Tellerrande zurück, gleichwie Kirschkerne und Traubenhülsen, dies geschieht selbstredend hinter der unauffällig vorgehaltenen Hand. Apfelsinen dürfen mit den Fingern geschält und zerlegt, Zwetschen, Pfirsiche und Aprikosen gleicherweise zerteilt und von den Steinen befreit werden. Johannisbeeren werden mit den Lippen abgebeert; für Himbeeren und Walderdbeeren bedient man sich zierlicher Silberlöffelchen, für Gartenerdbeeren der Fingerspitzen.

Wird kleines Gebäck herumgereicht, so greift man mit den Fingern zu, doch ist zu beachten, daß nur das Stückchen berührt wird, das zu nehmen man gesonnen ist. Ein unabsichtlich berührtes Stück oder ein solches, das versehentlich auf des Gastes Teller gefallen, hat dieser unweigerlich anstatt irgend eines anderen zu nehmen. Ein danebenfallendes Stück darf nicht zurückgereicht oder auf die Servierplatte gelegt werden.

Um Frucht- oder Vanilleeis zu genießen, bediene man sich der beigefügten Silberschäufelchen, doch hüte man sich, die Zähne damit zu berühren; bei der scharfen Kältewirkung dieser Speise ist die Zunge der beste Vermittler. Auf keinen Fall sollten magenschwache oder empfindliche Personen Eis zu sich nehmen; ohne die begleitende Zutat kleiner Kuchen, Waffelchen und dergleichen ist der Genuß von Eis überhaupt nicht anzuraten.

Kuchen und Torte wird mit dem Dessertmesserchen zerlegt und zum Munde geführt, die modegerechten Kuchengäbelchen sind als angenehmes Hilfsmittel zu begrüßen. Meringe und Schaumtorte wird gleich dem Eis mit Silberschäufelchen gegessen.

h) Das Weintrinken.

Das Weinglas wird mit der rechten Hand erfaßt und zwar stets am schlanken Teile des Fußes, nicht am Kelche.

Während des Trinkens zu sprechen, geht nicht an, es muß dies vor oder nach dem beabsichtigten Schluck geschehen. Ergibt sich die Notwendigkeit einer Antwort oder Bemerkung, so stelle man das schon erhobene Glas wieder weg, bis dieser Pflicht genügt ist.

Das Glas soll in schicklichem Abstand vom Tellerrande stehen, um ein Anklingen oder Umkippen zu vermeiden, was jederzeit als ein Zeichen großer Unbeholfenheit aufgefaßt werden würde.

Ist ein derartiges Ungeschick aber doch geschehen, so wird es am besten beiderseits, d. h. vom Gastgeber wie vom Gaste, so ruhig wie möglich hingenommen; eine rasch aufgelegte Serviette verdeckt den Fleck auf dem Tischtuch, das Kleid der nebenansitzenden Dame genießt den Schutz ihrer Serviette und ist somit vermutlich ungefährdet.

i) Das Erheben vom Tische.

Bevor die Hausfrau das Schlußzeichen gegeben, dürfen die Gäste sich keinesfalls von ihren Plätzen erheben; von dieser Regel eine Ausnahme zu machen, steht dem einzelnen nicht zu.

Ein vorheriges unauffälliges Zurückschieben des Sessels gewährt die notwendige Bewegungsfreiheit und erleichtert das Aufstehen.

Wie im allgemeinen das Tischgebet nur noch in der Stille oder im engeren Familienkreise gesprochen wird, so ist auch der fromme Wunsch einer »gesegneten Mahlzeit« außer Gebrauch gekommen. Als Gast quittiert man die genossene Mahlzeit mit einem höflichen Neigen vor der Hausfrau und den Nebenansitzenden.

k) Allgemeines über das Essen.

Bescheidenheit im Zugreifen und Sicherheit in der Wahl kennzeichnen den feingewohnten Gast.

Von kostbaren Gerichten oder Beilagen fülle man nicht zu viel auf den Teller.

Während des Essens soll das Besteck nicht von einer Hand in die andere wandern. Der Tellerwechsel soll nicht aufgehalten werden, das Verzehren der Speisen weder allzurasch noch auffallend langsam geschehen.

Daß das Messer nicht zum Munde geführt werden soll, ist bereits erwähnt; Zahnstocher an öffentlicher Tafel zu benützen, ist unschicklich. Wer es dennoch tut, befleißige sich wenigstens äußerster Diskretion.

Mit vollem Munde zu sprechen, ist nicht gestattet; das Fischessen beansprucht volle Aufmerksamkeit. Allzu große Bissen sind ebenso unpassend wie ein begehrliches mit den Augen die Speisen Verschlingen.

Das Tischbrot ist nicht zum Zeitvertreib müßiger Finger da; es ist eine Gottesgabe, vollster Wertschätzung würdig; außerdem sind derartige Spielereien ebenso unfein als kindisch.

Fröhliches Tischgespräch verschönt die nüchterne Arbeit des Essens außerordentlich, es sollte allgemein gepflegt werden. Ernste Zeit- und Lebensfragen, wichtige Mitteilungen eignen sich nicht für die Tischunterhaltung; sie absorbieren die Gedanken, sind nicht von allgemeinem Interesse und betrügen zudem das Essen um den besten Teil seiner Aufgabe, nämlich die Kräftigung und Erhaltung des durch Arbeitsübermaß geschwächten Körpers.


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