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6. Die Kunst des Sprechens.

Reden ist Silber, doch Gold ist das Schweigen,
Drum mache dir beides klüglich zu eigen;
Denn Reden wie Schweigen zu rechter Frist,
Beweist, daß du klug und bescheiden bist.

a) Die Art des Sprechens.

Auf die Frage: Wie soll ich reden? gibt es nur eine Antwort: »Rein, deutlich, ausdrucksvoll!«

Schon in der Kinderstube müßte darauf Bedacht genommen werden, wo dies aber versäumt wurde, da gilt es, in strengem Selbststudium nachzulernen und nachzuüben.

Achte darauf, wie andere sprechen, vergleiche und bilde dich nach der ansprechendsten Ausdrucksweise, vor allem merke, daß nicht jeder Tonfall, jede Redewendung für alles paßt. Kleinigkeiten werden im Plauderton besprochen, ernste Dinge mit ruhiger Würde. Gilt es, Gehörtes oder Gelesenes zu wiederholen, so erfordert dies, je nach Inhalt der Mitteilung, entweder eine gewisse innerliche, ungesuchte Feierlichkeit oder knappe, geschlossene Darstellung, vor allem aber gewählten und möglichst bezeichnenden Wortlaut.

Bei der Wiederholung eines mündlichen Auftrags oder zufällig gehörter Äußerungen befleißige man sich wortgetreuer Wiedergabe, ohne den einzelnen Ausdruck durch gesteigerte Tonfärbung etwa zu verschärfen oder zu entstellen; es ist dies geradezu Anstands- und Gewissenspflicht dem Abwesenden, der nicht begründen oder berichtigen kann, gegenüber.

Wer gut spricht, hat einen bedeutsamen Vorteil in Gesellschaft; gut sprechen aber kann jeder, wenn er nur will.

Vor allem: bilde deine Stimme! Es ist ein großer Vorzug, in wohllautenden Tönen zu reden, denn sie leihen allem Sinn das richtige Gewand. Eine schrille Stimme ist daher zu mäßigen, eine allzustarke zu dämpfen; wer aus Bescheidenheit oder Affektiertheit lispelt, haucht, flüstert, der nehme sich in scharfe Kur, denn nicht nur weckt das Überhörtwerden ein unangenehmes Gefühl, man kommt auch in den Verdacht absichtlicher Nachlässigkeit, und mit vollstem Rechte.

Ebensowenig jedoch soll man laut, herausfordernd, gebieterisch reden, zumal nicht in Gesellschaft, wo vollkommenes Ebenmaß aller Willensäußerungen unumstößliches Gesetz ist. Gleichmäßig, gehalten, in belebtem Tempo, damit man merkt, daß Worte und Gedanken eins; kein Überhasten, kein Abstoßen oder Verschlingen der Worte und Endsilben, keine abgerissenen, durch Selbstbelachen oder Aufkreischen zerstückelten Sätze.

Vor allem sprich natürlich: Du bist weder auf der Bühne noch in der Kirche; du bist nicht Redner von Beruf noch Hüter wichtiger Geheimnisse; darum sei immer du selbst, auch beim Sprechen!

Arme und Hände haben nichts mit deiner Rede zu schaffen; nur in packender Wiedergabe geschauter oder erlebter Geschehnisse ist ihnen diskretvermittelnde Unterstützung des Wortes gestattet.

Dafür sei jedes Wort deutlich ausgesprochen und richtig betont, markant seinem Charakter gemäß, gut gewählt, doch in vollster Natürlichkeit, ohne alle merkbare Absicht. Fremdwörter und Gewohnheitswörter wie: ich meine – ich denke – verstehen Sie? – nicht? – nicht wahr? usw. sollen vermieden werden, dagegen sei der Satzbau richtig und vollständig. So viel wird gelesen, so viel geschrieben; darum tue eines wie das andere, d. h. beweise im Schreiben wie im Sprechen, daß du mit Verstand und Nutzen deine schöne, reiche Muttersprache zu lesen verstehst.

Auch das Auge redet mit; darum blicke dem Zuhörenden klar und offen ins Antlitz, laß den Strahl deiner Empfindung deine Rede begleiten und durchleuchten.

Die deutsche Sprache hat eine so reiche Auswahl von Klangfarben und jedem leisen Empfinden angepaßten Ausdrücken, daß nur gleichgültige, geistesträge Menschen sich immer gleicher Redewendungen zu bedienen pflegen. Ein wahrhaft Gebildeter bedient sich entsprechender Ausdrucksweise ohne alle Flickwörter und Gewohnheitsfloskeln, die doch nur zur Zielscheibe loser Spötter dienen.

Fremdwörter sind gefährlich, Dialektausdrücke aber noch viel mehr; vor allem bleibe kein Satz unvollendet oder verfehlt in der Begründung; jeder Artikel sei richtig angewandt, jedes Eigenschaftswort zweckentsprechend, vollste Aufmerksamkeit verlangen alle Kasuswendungen.

Alle starken Ausdrücke sind zu vermeiden, ganz besonders von Mädchenlippen wirken sie geradezu abschreckend. Außerdem ist es lächerlich, sich in Übertreibungen wie: gräßlich langweilig – riesig vergnügt – schrecklich lieb u. dergl. zu gefallen; wo bleiben da die logischen Gedanken, wo das feine Empfinden?

Dasselbe gilt dem jungen Manne. Kraftausdrücke, die er im Freundeskreise sich erlaubt, sind dort schon unschön und unentschuldigt, in Gesellschaft aber werden sie ihn als Barbaren kennzeichnen. Jeder ernste Mann, jede feinempfindende Frau würde sich ein Verdienst um die heranwachsende Generation erwerben, wollten sie Worte wie: kolossal, pyramidal, schuftig, verrückt usw. durch eine deutliche Rüge geißeln. Dem überschüssigen Kraft- und Wichtigkeitsbewußtsein der unfertigen Jugend wären dadurch hemmende Grenzen gezogen, und auch das Empfinden müßte sich an der gebildeteren Ausdrucksweise verfeinern.

b) Wovon darf man sprechen?

Vor allem soll das angeschlagene Gesprächsthema möglichst allen Anwesenden bekannt und interessant sein; einseitige Besprechungen sind zu vermeiden und gehören in den intimen Verkehr oder in die Geschäftsstube.

Als allgemein verständlich gelten in gebildeten Kreisen die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete der Literatur, der Musik und Malerei; Festlichkeiten, Naturschönheiten, Streifzüge auf neuerschlossenen oder durch gegenwärtige Erforschung in den Vordergrund gerückten Erdteilen. Ein fast unerschöpflicher Gesprächsstoff ergibt sich aus Reisen, Bädern, aus dem Theater und seinen Vertretern; doch gehört hierher nur die Aufführung in allen ihren Teilen, das Stück und sein Verfasser, soweit dies von allgemeinem Interesse; alle eigensten Angelegenheiten Dritter, ihre Lebensverhältnisse und Gewohnheiten gehören nicht vor das Forum der Gesellschaft, dies wäre ebensosehr gegen den guten Ton wie gegen die Gerechtigkeit. Plaudern heißt nicht kritisieren; das Bereden unwichtiger Tagesereignisse halte sich fern von allem Klatsch!

Krankheitsgeschichten gehören nicht vor die Öffentlichkeit. Dagegen darf man einem Leidenden durch freundliche Verwunderung über sein wohleres Aussehen Mut einflößen und ihn durch heiteres Geplauder zu zerstreuen suchen.

Die Kunst, Artigkeiten zu sagen, will geübt sein. Ein klein wenig dieser feinen Würze wirkt belebend und erfrischend; ein bißchen Zuviel wird unangenehm empfunden; starke Schmeicheleien wirken erniedrigender als Grobheiten.

Gesellschaftspflicht ist es, sich anderen auch in der Rede angenehm zu machen; darum berühre man in der Unterhaltung nur das Wohltuende, ja nicht die heimlichen Sorgen und Kümmernisse, die schmerzlich aufzucken unter jeder täppischen Berührung: »In jedem Hause liegt ein Skelett begraben«, sagt ein altes wahres Wort, d. h. allenthalben ist ein wunder Punkt zu finden; mit kluger Vorsicht werde er umgangen.

Zu erratende Werte sollen eher zu hoch, zu taxierendes Alter eher zu niedrig geschätzt werden; derartige Irrtümer werden gern verziehen.

c) Wovon soll man nicht sprechen?

Vor allem maße dir in Gesellschaft nicht das Redemonopol an! Es sind auch andere da, die mit demselben Rechte zu Worte kommen wollen, vielleicht besser reden und mehr zu sagen wissen als du, das bedenke!

Zweideutige Redewendungen und Wortspiele, überhaupt alle auch nur im geringsten anstößigen Anekdoten und Begebenheiten sind strengstens verpönt.

Was du besprechen oder mitteilen willst, muß sicher in deinem Wissen oder Gedächtnis begründet sein, Vorsichtsphrasen wie: Wenn ich nicht sehr irre – wenn mich nicht alles trügt – ich glaube – usw. erwecken von vornherein begründetes Mißtrauen und schwächen das Interesse ab. Ohne genaue Kenntnis des Erfragten sich eine Auskunftserteilung anzumaßen, verbietet sich von selbst.

Wer lebhaft, anregend, gut und mit richtiger Betonung zu reden weiß, ist seines Zuhörerkreises sicher, nur muß mit dieser Kunst die ebenso wichtige, zeitigen Aufhörens verbunden sein.

Eigeninteressen und Fachunterhaltungen sind engstem Kreise vorbehalten, wo die einen die nötige Diskretion, die anderen wirkliches Interesse zu gewärtigen haben. Auch hier lieber zu wenig als zu viel.

Nie langweilig! – Ja, was langweilt denn?

Das eigene Ich, wenn es zu viel Raum einnimmt. Das Auskramen wichtiger Gelehrsamkeit. Endlose Geschichten, deren Kern und Sinn kaum herauszuschälen ist. Allzuweite Ausholungen, als wolltest du in gründlichem Zuge von Erschaffung der Welt bis zur neuesten Tagesmode gelangen; kurz alles, was nach anmaßendem Hervordrängen aussieht. Bescheidenheit ist die Zierde und das Merkmal jedes wirklich Gebildeten.

Meinungsverschiedenheiten zu verfechten, verstößt gegen den guten Ton. Deshalb enthalte man sich schroffer Urteile in Sachen von allgemeinem Interesse, vermeide geflissentlich, an kirchliche oder politische Glaubensbekenntnisse zu rühren. Abgesehen davon, daß man ganz besonders in Glaubenssachen das Gefühl anderer zu schonen verpflichtet ist, kann ein unvermuteter Zusammenprall auch recht ärgerliche, ja verhängnisvolle Folgen haben. Junge Damen vor allem sollen in der Darlegung ihrer Anschauungen sehr vorsichtig sein. Ihr Wissen und Empfinden ist noch viel zu unabgeklärt, darum ziemt es sich besser für sie, durch aufmerksames Zuhören und Verarbeiten des Gehörten sich weiterzubilden, als selbst mitreden zu wollen.

Tafelfreuden zum Gegenstand der Unterhaltung zu machen, ist unfein, der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Abwesende, gemeinsame Bekannte und ihre Verhältnisse oder solche, die sich eher zurückgezogen haben, als die Mehrzahl der Gesellschaft, zu besprechen, ist nicht erlaubt.

Anderer Leute Aussagen zu wiederholen, ist indiskret; überhaupt soll man nicht von einem zum andern tragen; entstehen Unannehmlichkeiten daraus, so sind sie wohlverdient.

Dich selbst dränge niemals in den Vordergrund, wer bürgt dir dafür, daß du und deine Interessen anderen wichtig sind? Wahre Bildung ist bescheiden.

Man hüte sich, anderen peinliche Erinnerungen zu wecken, ein unbedachtes Wort ist nicht zurückzurufen. Man soll dreimal bedenken, was man bereden will, namentlich Damen gegenüber, die mit allem Recht zarte Schonung verlangen dürfen.

Die Wahl der Worte sei vorsichtig; Ausdrücke, die ein feines Empfinden verletzen können, verstoßen gegen die Sitte der gebildeten Welt; von »kolossaler Hitze« und »schauderhaftem Schwitzen« zu reden, verbietet sich also von selbst.

d) Frage und Antwort.

Jede Art mündlicher Unterhaltung bedingt vor allem aufmerksames Aufmerken von beiden Seiten, denn es ist ebenso unangenehm, des öfteren fragen zu müssen, als Sinn und Satzbau des Mitgeteilten eines müßigen Fragers wegen zu unterbrechen. Die Darstellung leidet darunter, der Eindruck, den die Hörer empfangen, die knappe Fassung der gewollten Mitteilung wird zerstört.

Das notwendige Interesse, das man zunächst jedem Redenden schuldet, schützt ja fast durchweg vor solch müßigen Fragen; etwas ungenau Verstandenes kann durch angestrengte Aufmerksamkeit ergänzt werden. Die Wiederholung von etwas besonders gern Gehörtem oder Ergötzlichem darf nicht durch Fragen erzwungen werden, es wäre ein Mißbrauch des Sprechers. Notwendige Fragen sind artig in die Form der Bitte zu kleiden: »Bitte, wie?« – »Darf ich mir erlauben, mein Fräulein?« – »Um Vergebung, gnädige Frau sagten?« – alles dies, indem man bescheiden abwartet.

Die Gegenrede bewege sich in den gewähltesten Formen; es gibt nicht allzuviele Menschen, die Widerspruch ertragen können. Darum beharre man auch nicht schroff und gewalttätig auf der eigenen Meinung, sondern gleite lieber über den Stein des Anstoßes sachte hinweg und lenke die Unterhaltung auf ebene Bahn. In der Stille kann und soll man die eigene Überzeugung stets hochhalten, in der Öffentlichkeit sie nicht verleugnen, allein: La troisième réplique est une impertinence, dreimaliger Widerspruch ist eine Grobheit, sagt der Franzose mit vollem Recht. Man muß zu rechter Zeit schweigen und nachgeben können.

Ebenso soll man, selbst im Zustande der Erregung, niemals jemand der Unwahrheit zeihen, bloß eine höfliche Berichtigung, am besten in Form einer Frage: »Dürfte es nicht vielleicht so oder so sein?« ist gestattet. Keinesfalls jedoch: »Das ist nicht wahr!« – »Das weiß ich besser!« oder ähnlich. Nur wenn über abwesende, unbescholtene Personen oder unsere erprobten Freunde die unbarmherzige »Nächstenliebe« zu Gerichte sitzt, ist ein schärferer Ton angebracht, dem indes aufklärend und warnend das entschiedene Bekenntnis vorausgehen muß: »Entschuldigen Sie, ich bin ganz genau unterrichtet«, oder: »Ich zähle die Betreffenden zu meinen Freunden und kann mich für sie verbürgen.«

Jede Antwort werde knapp, präzis und klar gegeben; einmal um den Sinn derselben leicht faßlich herauszuheben, sodann um die Aufmerksamkeit nicht zu ermüden, die Mitteilung nicht störend zu unterbrechen. Ja und nein wird niemals in seiner knappen Form angewendet, sondern durch ein passendes Begleitwort gemildert, z. B. »Ja, Mama«, »nein, lieber Vater«, »ja, recht gern«, »ich bedaure, nein«, – je gewählter unsere Ausdrucksweise ist, desto anmutiger werden auch unsere Verkehrsformen sein.

e) Wann soll nicht gesprochen werden?

Das eigene Gefühl müßte eigentlich schon die Antwort auf diese Frage erteilen; solchen aber, die dennoch unsicher sind, sei gesagt, daß man nicht reden soll:

Wenn andere sprechen, denn es ist höchst unangenehm, unterbrochen zu werden.

Man soll nicht reden, wenn höfliches Zuhören passender und angebrachter wäre. Wenn eine Dame spricht; wenn ältere oder belesenere, bevorzugtere oder uns vorgesetzte Personen reden. In all diesen Fällen verlangt der gute Ton respektvolles, Anteil beweisendes Aufmerken, nur etwa durch direkt veranlaßte kurze Antworten unterbrochen.

Solches Zuhören ist nicht leicht, verurteilt zuweilen vielleicht zu tatsächlicher Langeweile; in den meisten Fällen jedoch ist es ein gutes Belehrungsmittel, sofern man nur auch mit dem Verstand aufmerkt, nicht mit dem Ohr allein.

Wer bescheiden zu schweigen, gut zu hören und knapp zu reden versteht, hat schon einen guten Schritt vorwärts getan, gewiß aber verschafft er sich das Wohlwollen aller wahrhaft Gebildeten, die solche Selbstbeschränkung zu schätzen wissen, und gewiß erst recht dasjenige derer, die gern reden und immer viel zu sagen wissen.

Anteilvolles Zuhören, das nur hin und wieder eine kluge Frage oder treffende Bemerkung einschaltet, wirkt besser als eine wohlausgedachte Rede. Wer wenig gelernt hat oder in dem angeschlagenen Thema mangelhaft unterrichtet ist, schweige lieber, denn ein törichtes Wort, eine ungeschickte Frage verfallen unfehlbar dem Gespötte der anderen, die vielleicht selbst kaum besser Bescheid gewußt hätten.

Wo Neugier und Zudringlichkeit dich ausfragen wollen, da schweige unerbittlich. Du brauchst darum nicht unhöflich zu sein, ein geschicktes Hinüberleiten auf unverfängliche Gebiete genügt zumeist. Wo nicht, da ist dir ein deutlicher Wink auf Grund persönlichen Menschenrechtes gestattet, etwa: »Aber bitte, das kann Sie ja unmöglich interessieren«, »Verzeihung, aber ich bin nicht gewöhnt, meine Person in den Vordergrund zu rücken«. Der Ausfrager müßte schon sehr derb veranlagt sein, wenn man daraufhin mit noch ernsterer Abwehr kommen müßte. Wirklicher oder erheuchelter Anteil, der nur seinem unlauteren Zwecke dient, sind darum streng auseinanderzuhalten.

Über andere rede nur, wenn du Gutes zu sagen weißt. Übelreden gewinnt dir keine Freunde und rächt sich über kurz oder lang an dir selbst. Auch die Schwächen anderer sollen nicht gegeißelt werden; so rasch ist der Stab gebrochen und dadurch werden leicht sonst recht gediegene Menschen dem Fluch der Lächerlichkeit preisgegeben.

Mit einem Witzbold lasse dich in kein Wortgeplänkel ein; du bist seiner Gesinnung nicht ebenso sicher wie der deinigen, gar leicht kann der Wortkrieg eine peinliche, verletzende oder beschämende Wendung nehmen. Zudem: ausgelacht werden, ist ärgerlich, die Lacher auf seiner Seite haben, ein fraglicher Gewinn. Andererseits wirkt die Unterhaltung mit wahrhaft witzigen und taktvollen Personen sehr erfrischend.

Schweigen soll man immer, wenn andere zu reden beginnen. Schweigen, wenn der Zorn reizt; wenn ein beißendes Witzwort auf den Lippen brennt; wenn ein anvertrautes Geheimnis nach Offenbarung drängt; wenn anderen durch irgend ein Wort Unrecht geschehen oder Schmerz und Beschämung bereitet werden könnte.

Es ist unstatthaft, allein reden, sich zum Mittelpunkt der Gesellschaft machen zu wollen.

f) Allgemeines über das Sprechen.

»Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«. Dies alte, wahre Wort verurteilt keineswegs zu blödem, verlegenem Verhalten; es bedarf nur einer gewissen, angeborenen oder erworbenen Feinfühligkeit für den rechten Augenblick, in welchem dieses oder jenes am Platze ist.

Ein unerbetener Rat ist gleich Weidenflaum im Winde; befolgt wird er nicht, ebensowenig gedankt.

Hast du Witz, so bediene dich seiner mit Vorbedacht, denn er ist ein zweischneidiges Schwert.

Deine Geheimnisse verwahre im Herzen, nicht auf der Zunge; am unrechten Orte offenbart, stehen sie als Ankläger gegen dich auf.

Kinder darf man um ihr Alter befragen, Damen nicht. Das redselige Alter tut es von selbst kund.

Meide die Fremdwörter: kennst du sie nicht, so beschämen sie dich; kennst du sie, so weißt du auch ein deutsches Wort an ihrer Statt.

Gilt es, eine unumgängliche Wahrheit zu sagen, so tue es mit Humor oder Teilnahme; dann verwundet sie wenigstens nicht.

Artigkeiten, fein angebracht und gut ausgedrückt, beweisen Geist; handgreifliche Schmeicheleien verletzen, sie sind das Rüstzeug vorteilheischender Schönwetterfreunde. Geistvolle Menschen bedürfen ihrer nicht; schlagfertiger Witz schleudert sie wie einen Ball zurück.

Zum Schluß noch ein Wort über das Lachen. Lautes, rohes, unmanierliches Lachen ist nicht gestattet, ebensowenig wie hämisches Kichern.

In der feinen Gesellschaft wird überhaupt nicht gelacht, sondern bloß gelächelt. Man begibt sich freilich dadurch eines sogar hygienisch anerkannten Lebensverschönerungsmittels. Herzliches Lachen wirkt oft befreiend; nur darf es nicht auf Kosten Abwesender oder Wehrloser ertönen.

Das Erstgesagte hinsichtlich des Lachens gilt auch für das Sprechen: Lautes, auffallendes, herrisches Sprechen im Salon wie auf der Straße und Promenade ist ein Zeichen schlechter Erziehung und mangelnder Selbstbeherrschung.


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