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VI. Über schriftliche und geschäftliche Verkehrsform.

31. Aufschriften und Anreden.

Laß der Form ihr Recht nur werden
unbeschnitten, unverwehrt,
Gern wird der dich wieder ehren,
den du hast zuvor geehrt.

a) Die Anrede mit Du.

In früherer Zeit war es üblich, daß Kinder ihre Eltern mit Sie anredeten, es bedeutete dies einen Respektsbeweis, der nicht unterlassen werden durfte. Jetzt gilt es als veraltet, das trauliche und vertrauende Du ist an seine Stelle getreten.

Unter Gatten ist das Du, wenigstens in Deutschland, natürlich. Geschwister bedienen sich desselben untereinander, Vetter und Base desgleichen; zwischen Schwager und Schwägerin bedarf es schon gegenseitigen Gefallens und näheren Bekanntseins, um das Du als Anrede einzuführen.

Onkel und Tante, wenn sie regen Familienverkehr unterhalten, empfangen und geben das Du beim Zusammensein mit Nichten und Neffen. Dies geschieht auch bei knapperen Beziehungen, die Jugend hat aber in diesem Falle die ausdrückliche Erlaubnis abzuwarten, auch mit Du anreden zu dürfen.

Verlobte bedienen sich vom Augenblick des Jaworts an ebenfalls des innigen Du. Auch die jüngeren Geschwister werden so angeredet; die älteren Geschwister des Bräutigams oder der Braut, besonders aber verheiratete Schwestern werden mit Sie angeredet, ebenso die Schwiegereltern, bis diese oder jene selbst das traulichere Du in Vorschlag bringen.

Das Du gilt auch Freunden oder Freundinnen aus der Schulzeit, es sei denn, daß lange Trennung und verschieden geartete Anschauungen eine fühlbare Entfremdung herbeigeführt haben.

Ein einmal angebotenes Du läßt sich nicht zurückkaufen oder aufheben, darum überlege man beim ersten Aufwallen flüchtigen Wohlgefallens wohl, ob man es überhaupt anbieten soll und dauernd festhalten möchte.

Die Verhältnisse, die Erfahrungen modeln den Menschen, jeden einzelnen nach seiner Anlage und seinem Geschick. Dies kann heute zusammenführen, morgen entfremden bis zur Abneigung. Darum prüfe man sich erst recht ernstlich, ob dem augenblicklichen Wohlgefallen dauernde Freundschaft folgen kann und – ob diese der veränderten Anrede überhaupt bedarf.

b) Die Anrede mit Sie.

Auf die Anrede mit Sie haben alle, mit denen uns ein näherer Verkehr nicht verbindet, gegründeten Anspruch; selbst dem Bettler muß diese Höflichkeitsform zugebilligt werden.

Das Sie gebührt Kindern vom vierzehnten Jahre an, in Oesterreich pflegt man dieselben sogar schon früher so anzureden.

Klug ist es und taktvoll, herangewachsene Jünglinge und Jungfrauen mit Sie anzureden, selbst wenn man sie als Kinder gekannt und mit dem natürlichen Du angeredet hat.

Außerdem wird im ganzen geselligen oder geschäftlichen Verkehr nur das Sie angewendet. Es gilt dies zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Dienstherrschaft und Gesinde, Offizier und Mannschaften, kurz, wo immer eine Berührung vom Menschen zum Menschen stattfindet.

Gefällig wirkt es und als Zeichen guter Erziehung gilt es, wenn im persönlichen wie schriftlichen Verkehr die Anrede, d. h. Titel oder Namen wiederholt Anwendung findet.

Außerdem wird, wie schon früher bemerkt, dem »ja« oder »nein« stets der Titel hinzugefügt, z. B.: »Gewiß, gnädige Frau«, »ja, Herr Oberst«, »nein, Herr Rat« oder ähnlich.

In feinster Redewendung wird die verbindliche indirekte Form gebraucht, also etwa: »Wollen Herr Professor gestatten?« »Darf ich gnädige Frau ersuchen?« eine Form, die allerdings großer Gewandtheit und Natürlichkeit bedarf, um angenehm zu wirken.

c) Die Titel der Herren.

Das so oft bespöttelte Titelwesen hat seinen eigenen Bannkreis noch immer nicht gesprengt, und mag es uns selbst lächerlich genug erscheinen, wir stehen im Gewohnheitszwange und dürfen nicht selbständig oder einseitig aus demselben heraustreten.

Wenigstens nicht Höherstehenden gegenüber. Diese, sowie Vorgesetzte haben ein Anrecht an ihren vollen Titel, sei er nun durch ihr Amt oder ihre Geburt, durch Auszeichnungen oder sonstwie bestimmt, es ist daher geraten, sich genau zu unterrichten über den Grad der Ehrung, den man schriftlich oder mündlich anzuwenden hat.

Eine höhere Titulatur wird im Zweifelsfalle gewiß eher verziehen als eine zu niedrige, doch gibt es auch durchaus vorurteilsfreie Menschen, deren reines, innerliches Streben über die kleinliche Aeußerlichkeit weit hinausragt.

Führt ein Beamter einen Adelstitel, so geht dieser dem Amtstitel voran.

Ist derjenige, den man brieflich oder persönlich anreden will, im Besitze zweier Aemter, so wird sowohl im mündlichen Verkehr, als auch bei der Briefaufschrift und Anrede, der höhere Titel angewendet.

Bei Briefaufschriften wird dem Amtstitel noch der etwaige Besitz eines hohen Ordens hinzugefügt, bei mündlicher Anrede natürlich nicht.

Unter Geschäftsleuten, ebenso unter Gleichgestellten hat sich die einfache Aufschrift Bahn gebrochen und ist durchaus zu empfehlen; man adressiert also kurzweg:

Herrn Adolf Weckfort, Leipzig.

Das Wohlgeboren läßt man besser weg. Man ist längst bemüht, diesen alten Zopf abzuschaffen, der früher als unentbehrlich galt.

Auch mit dem »Hochwohlgeboren« gehe man sparsam um und wende es nur bei solchen Briefaufschriften an Personen der oberen Klassen an, wo man weiß, daß der Empfänger darauf sieht, oder bei solchen Briefen, welche Bewerbungen, Gesuche oder Dankschreiben an Hochgestellte enthalten, sofern diesen nicht eine andere Briefaufschrift zukommt.

Feine Bürgerkreise verzichten völlig darauf, ein beherzigenswertes Vorgehen; somit bleibt das Hochwohlgeboren dem Erbadel und Freiherrnstande, das Hochgeboren dem Grafen, der Gräfin usw.

Die Briefaufschrift verbindet die ehrende Bezeichnung mit dem Stand oder Geburtstitel, z. B. Seiner Wohlgeboren Herrn Aktuar König, – Seiner Hochwohlgeboren Herrn Baron Schorn usw. Die Anrede im Briefe lautet indessen: Sehr geehrter Herr, Euer Hochwohlgeboren, Euer Hochgeboren, je nach dem Grade der Berufs-, Amts- oder Geburtsstellung.

Die Anrede »gnädiger Herr« wird brieflich und mündlich nur von Dienenden gebraucht.

d) Die Titel der Damen.

Damen höheren Standes oder in den Adelskreisen des Geistes werden ausnahmslos mit »Gnädige Frau« angeredet. Im schriftlichen Verkehr wird der Frau gewöhnlich der Titel des Gatten zugeteilt, also Frau Assessor, Frau Doktor, Frau Hauptmann Soundso. Diese alte Gewohnheit hat eigentlich keine Berechtigung, denn die Frau hat sich den Titel ja nicht selbst erworben. Es ist daher im Sinne persönlicher Wertschätzung nur gutzuheißen, daß an Stelle des Titels ganz einfach der Vor- und Zuname zu treten hat; Damen, die Kraft eigenen Strebens Amt und Titel errungen haben, steht derselbe hingegen ungeschmälert zu. – Einer verheirateten Dame wird ihr Geburtsadel zugeteilt, wenn sie durch ihre Verheiratung einen Titel niedrigeren Grades erhalten. Die Höflichkeit erfordert diesen Ausgleich.

Mädchen des Mittelstandes bis herab zur Dienstmagd werden ausnahmslos mit Fräulein angeredet. In feinen Kreisen wird der Titel gnädiges Fräulein angewendet, der zuvor nur dem Adel gebührte. In Adelskreisen gilt dafür Komtesse, Baronesse, gnädigstes Fräulein.

Den Damen des hohen Geburtsadels, einschließlich des gräflichen Standes, gebührt der Titel Frau, gleichviel ob vermählt oder unvermählt.

Die Anrede Frau, Hochwürdige oder Wohlehrwürdige Frau je nach Rang oder Geburt wird auch den Nonnen zugeteilt.

e) Die gebräuchlichsten Titel.

Einige Winke über die gebräuchlichsten Titel und ihre Anwendung mögen hier folgen:

Den Titel »Kaiserliche« oder »Königliche Majestät« besitzen Kaiser und Könige. Die Anrede lautet: »Eure K. Majestät.«

»Kaiserliche« oder »Königliche Hoheit« heißen die nächsten Mitglieder der allerhöchsten Familie, Großherzoge werden mit »Königliche Hoheit« angeredet.

Der Titel »Durchlaucht« gebührt Fürsten und Prinzen. Die Anrede lautet also: »Eure Durchlaucht«, bei brieflicher Annäherung: »Durchlauchtigster Fürst«, »Durchlauchtigster Prinz«.

Ein Graf hat Anspruch auf den Titel »Erlaucht«; er wird mit »Euer Erlaucht«, »Gräfliche Gnaden« angeredet, einfacher und würdiger, aber ohne Steigerung: »Herr Graf«. Seine Gemahlin erhält die Briefaufschrift »Hochgeborene Gräfin«, die Anrede »Frau Gräfin«. Der gräflichen Tochter gebührt der Titel »Komtesse«.

Der Freiherr wird mit »Herr Baron«, Gemahlin und Tochter werden als »Frau Baronin«, resp. »Baronesse« angeredet. Die Briefaufschrift hat zu lauten: »Hochwohlgeborener Freiherr«, oder »Herr Baron«.

Mit dem Titel »Exzellenz« werden Minister, Botschafter, hohe Hofbeamte, Geheimräte, Generäle usw. angeredet; derselbe schließt jeden weiteren Zusatz aus.

»Eure Magnifizenz« ist die dem Rektor einer Universität zukommende Anrede.

Im geistlichen Berufe gilt die Anrede: »Herr Pfarrer«, »Herr Dekan«, »Herr Superintendent«, »Herr Kaplan« usw. Die Briefaufschrift verlangt außerdem noch das Prädikat »Hochwürden« oder »Hochehrwürden«.

Die Anrede für Bischöfe lautet: »Bischöfliche Gnaden«, für Prälaten und Aebte: »Hochwürden Herr Prälat« oder »Herr Abt«.

In höchster Ehrung wird der Papst: »Heiligster Vater« genannt; angeredet hingegen mit: »Eure päpstliche Heiligkeit«. Ihm folgen der Kardinal mit der Bezeichnung »Eminenz« oder »Fürstliche Eminenz«, der Erzbischof mit »Durchlaucht«, resp. »Durchlauchtigster Fürst-Erzbischof«. Anrede: »Eure erzbischöfliche Gnaden« oder »Eure hochfürstliche Gnaden«.

Endlich sei noch der Aemter und Stellen gedacht: Staatsämter werden nach dem Range ihres Landes als »Kaiserlich«, »Königlich«, »Großherzoglich« usw. bezeichnet. Städtische Aemter und Stellen erhalten das Prädikat: Löblich, wohllöblich oder Hochlöblich.

f) Allgemeines über Titel und Anreden.

Ehre, dem Ehre gebühret!

Die Würdigkeit äußerer Ehrbezeigung darf der nicht abschätzen, der eine Bitte vorzubringen hat. Er fügt sich klugerweise der Vorschrift des guten Tones.

Strebe selbst darnach, wahrerer Ehrung würdig zu sein, aber begehre sie nicht, denn ertrotzte Ehre ist weder Auszeichnung noch Verdienst.

Verlange selbst keine Titel, sie vergrößern dich nicht. Versage die gewünschte Titelbezeichnung aber keinem andern, der Anspruch darauf hat oder zu haben glaubt, es entwertet dich nicht.

Dränge dich niemand auf, weder mit Bitte noch mit Gunstbezeigung, weder mit deiner Person noch mit dem traulichen Du, am wenigsten aber mit deinen Familienangelegenheiten und deinen Geheimnissen.

Auch unter der fremderen Anrede kann wahre, aufrichtige Freundschaft gedeihen; wer weiß denn, ob dem anderen das Du überhaupt angenehm wäre?


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