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27. Das Verlöbnis.

(Siehe auch Abschnitt 21, Seite 177).

Stillsel'ges Glück, des Lebens Wonnezeit,
Mit holden Blüten will der Lenz sie kränzen;
Sie hüte wohl, damit in gold'nem Schein,
In Demantfeuer sie noch frisch erglänzen!

a) Die Form der Werbung.

Der Brautstand, das Hohelied des Lebens, wie dieser Daseinsabschnitt nicht zu Unrecht bezeichnet wird, darf besondere Beachtung sowohl im Familienkreise wie von den nächsten Bekannten beanspruchen und erscheint so recht dazu geeignet, alles Stimmungsvolle, Sinnige, Liebliche, Weihevolle in sich zu vereinigen.

Zunächst freilich handelt es sich um die erste Stufe desselben, die Werbung.

Mag die Werbung auch einerseits lang geplant, anderseits längst erwartet sein, die zur Tat werdende Absicht darf nichtsdestoweniger, als Höhepunkt im Leben beider Liebenden, der würdigen, feierlichen Ausführung keinesfalls entbehren.

Der herrschenden Sitte gemäß wird sich der Freier zuerst in vertrauter, achtungsvollster Aussprache der erhofften Neigung versichern, danach aber bei den Eltern der Erkorenen seinen Antrag stellen. Dazu ist Festtoilette vorgeschrieben: Frack, weiße Halsbinde, helle Handschuhe, hoher Hut, der in der Hand behalten wird.

Nach erfolgter Anmeldung und Annahme des Besuches soll in gewählter, doch nicht gespreizter Form, mit überzeugenden Worten die inhaltsschwere Frage gestellt werden. Etwaige Erkundigungen über Familienverhältnisse und Einkommen sind in bescheidener Festigkeit offen und vertrauenerweckend zu beantworten, denn es versteht sich von selbst, daß die Eltern klar sehen wollen, in welche Kreise ihre Tochter eintritt, daß sie für die Hingabe ihres Kindes volle Bürgschaft für dessen Glück und gesicherte Zukunft verlangen.

Das Ergebnis dieser Darlegung wird auch zugleich das Ergebnis der Werbung bedeuten. Im Gewährungsfalle wird nunmehr die Erwählte herbeigerufen, mit dem erfolgten Antrag bekannt gemacht und um ihre Einwilligung befragt. Ihr Ja ist das Zeichen der ersten bescheidenen Annäherung, welche in dem traulichen Du, achtungsvollem Handkuß, oder, selbstredend in Gegenwart der Eltern oder deren Stellvertreter im ersten Kuß ihren Ausdruck findet.

Allein auch mit dem Nein der Erkorenen oder deren Eltern muß gerechnet werden, und dieser Fall ist so recht der Prüfstein für die Selbstbeherrschung des gebildeten Mannes. Um Bedenkzeit, nochmaliges Ueberlegen zu bitten, verbietet sich von selbst; wird hingegen anderseits eines unerwarteten Antrags wegen Bedenkzeit ausbedungen, so hat der Freier unbedingt darauf einzugehen. Das volle, unabänderliche Nein ist ein Mißerfolg, wie es deren Hunderte im Leben gibt, mit denen man sich wohl oder übel abfinden muß. Mit derselben Ruhe, mit der ein Mann im beruflichen Streben irgend eine Enttäuschung ertragen wird, um sich danach nur desto ernster in andere Aufgaben zu vertiefen, muß er auch hier die Weigerung hinnehmen, mag sie nun begründet werden oder nicht. Entweder er hat sich getäuscht und in der Annahme, willkommen zu sein, übereilt, oder – er ist durch unwürdiges Spiel getäuscht worden, eine Handlungsweise, die sich selbst richtet. Wie dem auch sei, der Freier hat sich mit vollkommener Ruhe und tadelloser Höflichkeit zurückzuziehen, unbedingt jedoch auch außerdem in allen Fällen den Namen der Dame zu schonen, der er die Ehre seiner Werbung zuteil werden ließ.

Schriftliche Werbung und Darlegung der Verhältnisse ist namentlich im Zweifelsfalle vorzuziehen; auch wo dem Freier das, was er reiflich erwogen und klar ausgedacht hat, schwer von den Lippen fällt, ist brieflicher Verkehr zu empfehlen. Ein Verneinen ist hier leichter ermöglicht, begründet und verschmerzt; zudem darf von beiden Seiten vollste Verschwiegenheit vorausgesetzt werden, wiederum ein nicht zu verachtender Heilfaktor.

Zuerst bei den Eltern anstatt bei der Tochter anzufragen, ist gestattet, jedoch nicht üblich und – von der Erwählten selten gern gesehen. Eher wird die Vermittelung eines älteren Freundes oder Verwandten gutgeheißen, der dann in ausführlichster Weise die Verhältnisse klarlegen, besprechen und gegeneinander abstimmen kann, unumgängliche, wenn auch ziemlich ernüchternde Notwendigkeiten, von seiten des guten Tones ist hiergegen nichts einzuwenden; dem Verlobungsakt wird dadurch wenigstens der allzu geschäftsmäßige Anstrich zuvor genommen, freilich dafür auch keine sonderliche Wärme eingehaucht.

b) Die Veröffentlichung der Verlobung.

In erster Reihe wird den nächsten Anverwandten Mitteilung von dem freudigen Ereignis gemacht. Dies geschieht von seiten des Bräutigams schriftlich, wenn seine Eltern und Geschwister nicht am Orte wohnen, diese haben alsdann die Annäherung an die Braut und deren Familie anzubahnen.

Leben beide Familien am selben Orte, so lassen sich die Angehörigen des Bräutigams durch diesen der Braut und deren Eltern vorstellen; leben sie auswärts, so wird gemeinhin die Mutter des Verlobten der künftigen Tochter brieflich näher treten und dieselbe aufs liebevollste willkommen heißen. Der ernste Wille, mit den neuen Familienmitgliedern herzlich innigen Verkehr zu pflegen, muß diese Zeilen beseelen; von der also freudig Begrüßten ist diese Annäherung selbstredend voll kindlicher Ehrfurcht, in gewählter, jedoch natürlich brieflicher Form dankbar zu erwidern.

Die öffentliche, gedruckte Verlobungsanzeige besorgen die Eltern der Braut oder deren Stellvertreter; wie überhaupt den Brauteltern weitaus der größte Teil der nicht unbeträchtlichen Barauslagen, welche eine Verlobung im Gefolge hat, zur Last zu fallen pflegt.

Witwen oder im Berufsleben selbständig auftretenden Frauen steht es frei, gemeinsam mit dem Erwählten die Anzeige auszugeben; nur sehr junge, wieder im Elternhause lebende Witwen lassen sich auch hier durch ihre natürlichen Vormünder vertreten.

Die Verlobungsanzeige kann durch die Zeitung oder durch gedruckte, im Postweg zu versendende Karten, nach Wunsch auch auf beiderlei Weise geschehen. In manchen Gegenden, z. B. in Oesterreich, wird eine Veröffentlichung durch die Tagesblätter nur selten gewählt.

Die Anzeige enthält die Tatsache in knappster Form; zum Beispiel:

Natalie Karstens
geb. Herrmann,

Fedor von Brock
Verlobte.

Lübeck.

Pfingsten 19..

Stolpmünde.

Stets steht der Name der Braut voran; lebt das Brautpaar an getrennten Orten, so sind beide Ortsnamen, derjenige der Braut zuerst, anzuführen.

Geben die Brauteltern die Anzeigen aus, so wird es gemeinhin lauten:

Die Verlobung ihrer Tochter Elfriede mit dem Ingenieur Ottomar Lütritz beehren sich ergebenst anzuzeigen.

 

Dr. H. Günther, Stabsarzt und Frau.

Mainz. Ostern 19..

Nicht alle Glückwünsche werden schriftlich einlaufen, besonders teilnehmende wie ausnahmsweise neugierige Bekannte lassen sich das Recht persönlicher Beglückwünschung nicht entgehen. Darum hat sich die Braut in besonders gewählter, wenn auch einfacher Toilette zur üblichen Besuchszeit des Eintreffens von Gratulanten zu versehen, eine Aufmerksamkeit, die sie späterhin durch Gegenbesuche in Begleitung ihres Verlobten erwidert.

In Abschnitt 21 (Seite 177) »Die Verlobten«, fand diese Höflichkeitspflicht eingehend Erörterung.

c) Verlobungsfeier.

Ist auch eine wirkliche Verlobungsfeier nicht unbedingt erforderlich, so läßt sich die Mehrzahl der Menschen doch nur ungern die Gelegenheit, Feste zu feiern, entgehen. Auch scharen sich in diesen Freudetagen so viele alte und neue Verwandte und teilnehmende Freunde um das glückliche Brautpaar, daß es angemessen erscheint, diese an besonders dazu bestimmtem Tage zu fröhlicher Tafelrunde im Brauthause zu vereinigen.

Gewöhnlich folgt diese offizielle Feier der gedruckten Bekanntmachung des Verlöbnisses, gleichsam als würdiger Abschluß dieses ersten Abschnittes der Brautzeit. Doch kann die Verlobungsfeier auch vor Bekanntgabe der Verlobung geschehen; dann steht dem Brautvater oder dem Vormund an dessen Stelle die Mitteilung zu und hat an vollbesetzter Tafel in kurzer, aber gewählter Form den versammelten Gästen gegenüber zu geschehen, hierauf wird der bevorrechtigtste Gast oder gewandteste Redner dem Brautpaar den ersten Trinkspruch weihen.

Dem Verlobten ist feiner Besuchsanzug vorgeschrieben, dessen Regeln er unbedingt beobachten muß.

Ist die Gesellschaft in großem Stile geplant, so darf die Braut, ihren Verhältnissen entsprechend, in elegantem Ballanzug erscheinen. Andernfalls genügt eine geschmackvolle Abendtoilette, je einfacher, mädchenhaft bescheidener, desto besser: hier wird der Geschmack der Betreffenden seinen Prüfstein finden. Ueberladung verunziert das junge Mädchen noch weit mehr als die Frau, dies möge jede Braut bedenken!

d) Verlobungsgeschenke.

Auch die Geschenke, die an diesem festlichen Tage dargebracht werden, richten sich nach den Mitteln und Lebensgewohnheiten der Verlobten; Gebrauchsgegenstände, ganz besonders aber solche zur persönlichen Bekleidung, sind indessen als unfein und unpassend durchaus ausgeschlossen.

Der Braut steht der Anspruch auf einen fein gewählten Blumenstrauß unter allen Umständen zu, einige Blüten oder Rispen desselben wird sie ihrer Festtoilette als sinnige Aufmerksamkeit für den Verlobten beifügen. Außer diesem Blumengruß bleibt dem Bräutigam das Beschaffen der Verlobungsringe vorbehalten, dies gebietet die Sitte; weitere Geschenke sind bei diesem Anlaß nicht vorgeschrieben.

Es können besondere Verlobungsringe, symbolische oder mit Edelsteinen gezierte Goldreifen, vielleicht auch nur für die Braut ein solcher, gewählt werden. Zumeist aber werden glatte, schwere Goldreifen bevorzugt, die späterhin als Trauringe gelten und die gravierte Inschrift des Namens oder Namenszuges und des Hochzeitstages erhalten. Der Ring der Braut hat den Namen des Verlobten, dessen Ring aber den Namen der Braut zu enthalten. Während der Brautzeit werden diese Reifen am linken, nach der Hochzeit hingegen am rechten Ringfinger getragen; in Oesterreich indes durchweg linkshändig.

Weitere Verlobungsgeschenke werden vom Bräutigam nicht erwartet, doch beschränkt ihn der gute Ton hierin keineswegs, wenn nicht seine Verhältnisse es tun. Kleine Schmuckstücke mögen sich hier am besten eignen; außerdem Bücher, Bilder, Kunstgegenstände guten Geschmackes. Die Braut kann diese Zeichen sinniger Aufmerksamkeit in maßvoller Weise erwidern.

e) Allgemeines über das Verlöbnis.

Schön, anmutend sei die Form, edel der Inhalt. Keine überschwenglichen Gefühlsergüsse, die im täglichen Leben nicht standhalten, doch auch kein engherziges Verhehlen eines wahren, tiefen Gefühles, das den Mann ebenso ehrt wie die Frau.

Nicht die Geschenke sind die Hauptsache, sondern die Gesinnung. Männer ermangeln oft der richtigen Erkenntnis zartsinniger Aufmerksamkeit, ohne darum an wirklicher Wertschätzung zu kargen.

Die Achtung, die der Verlobte seiner Erwählten bezeigt, soll er auch in der Ehe bewahren; nur auf gegenseitiger Hochachtung und dem naturgemäßen Ausdruck derselben baut sich ein befriedigendes und beglückendes Zusammenleben auf. Darum braucht die gute Form nicht hohler Schein zu sein, vielmehr sei sie erfüllt von wahrer, herzlicher Neigung, die auch Sturm und Mißgeschick überdauert.

Rechte gibt die Verlobung nicht, am wenigsten dem Bräutigam. Er hat sich stets bescheidener Zurückhaltung, vollkommen achtungsvollen Benehmens zu befleißigen. Das einzige gegenseitige Recht ist – genaues Kennenlernen des Geistes- und Glaubenslebens. Gegensätze ziehen einander wohl an, auch im Brautstand; eine harmonische Ehe will aber auf einer gewissen Gleichheit beruhen, um ungestört und gedeihlich fortbestehen zu können, darum bedarf es einwandfreier Grundsätze hüben wie drüben.


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