Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

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Der Schuhu.

»Ob zwar dieser entsetzliche Vogel, sagt Flemming, an Größe dem Steinadler nicht viel nachgiebet, so ist er doch eine Eulenart, indem er derselben nicht allein mit dem schleierigten Gesichte, der Farbe und denen mit Federn bekleideten Fängen, sondern auch mit der leichten und hagern Gestalt des Leibes und großschwingigten Fittigten sehr übereinkommt, suchet auch seinen Raub nicht wie andere Raubvögel des Tages, sondern bei der Nacht.« Bei den Eulen erläutert er weiter, daß sie »geschleiert anzusehen, wie ein altes Weib, mit großen Augen und krummem Schnabel.« Schleier nennt man den strahlenförmigen Federkranz um die Augen. Der Schuhu (Bubo maximus, strix bubo) ist offenbar der Eulenkönig und die Federbüschel, die wie Hörner über den Ohren stehen, nebst den großen scharfblickenden Goldaugen geben ihm ein stattliches und abenteuerliches Ansehen. Dazu der unheimliche Ruf, wenn die Nacht hereindämmert, und seine Wohnung in wildem Felsenschloß. Dieser Eulenkönig ist gar ein böser Herr und viel befiedertes Volk der Lüfte, welches ihn am Tag erblickte, gibt seinen Zorn darüber zu erkennen, alles haßt ihn, oder wie die Jäger sagen, haßt auf ihn, d. h. stürzt sich mit der Miene des Angriffs gegen denselben, wenn's auch selten wirklich dazu kommt. Immer ernst und drohend schaut er drein und sein Schnalzen und Schnakeln hat etwa die Bedeutung erbosten Zähneknirschens. Wie der Jäger alles benützt, was seinen Fangzwecken dienen kann, wie er Enten und Spielhahn mit ihresgleichen (wenn auch in ausgestopften Exemplaren) herbeilockt, eine Kappe mit Gemskrikeln aufsetzt, um den Gemsbock zu täuschen und zum Schuß zu bringen, wie er es mit den Rufen für Hirsch und Reh und Fuchs treibt, so benutzt er auch den Zorn der Vögel über den Schuhu zu seinem Vortheil. Eine Aufhütte, wie man bei uns sagt (der Schuhu heißt in Altbayern Auf) ist eine lustige Erfindung schon deßwegen, weil es interessant ist, das hassende Vogelvolk zu beobachten. Könnte man da ihre Sprache verstehen, so würde man wohl ein ganzes Register von Schimpfwörtern hören, denn daß sie ihm »du Spitzbub, Dieb, schlechter Kerl« und dergleichen zurufen, ist nicht zu bezweifeln. Er aber sitzt gravitätisch auf seinem Stock und wartet, bis der Schuß fällt und einer der Schreier vor ihm auf dem Boden zappelt. Dann kann man ihn theils mit Verachtung, theils mit Hohn auf das Opfer niederblicken sehen. Da kommen, ihm Grobheiten zu machen, die Raben und Krähen, die Falken, Milane und Habichte, und manchmal sogar ein Adler läßt sich nieder und weht ihm den rauschenden Luftzug seines Flügelschlages in's verwunderte Gesicht. Daß es zum eigentlichen Raufen gekommen wäre, habe ich nie gesehen.

Der Schuhu thut manchmal dergleichen, als wenn er nur Mäuse und Ratten, Frösche, Schlangen und solch' Gethier zur Nahrung nähme, oder einen schlechten Vogel, er macht's darin wie der Fuchs und frißt keinen Hasen, wenn er keinen fangen kann. Wenn er aber dazu kommt, so zerhackt er sowohl Hasen als Rebhühner, Haselhühner und sogar Rehkitze. Sein Familienleben scheint ordentlich zu seyn, und Bingley hat einen Zug aufbewahrt, der namentlich die Liebe der Eltern zu ihren Kindern darthut und der nicht in Vergessenheit kommen darf.

Der Beobachter, Cronstedt, wohnte mehrere Jahre in Südermannland in Schweden in der Nähe eines steilen Berges, wo ein Schuhu-Paar horstete und Junge hatte. Eines Tages im Monat Juli war eines der Jungen aus dem Horst gestrichen und wurde von einem Bedienten Cronstedts lebendig gefangen. Man sperrte den Vogel in einen großen Hühnerkorb und am andern Morgen fand der Besitzer ein todtes Rebhuhn vor dem Korbe liegen. Er schloß, daß die alten Schuhu den jungen entdeckt und ihm so Nahrung zugetragen hätten, und dieses war wirklich der Fall und vierzehn Tage lang brachten sie immer etwas, meist Rebhühner, auch einen Wasservogel und ein Stück von einem Lamm. Das Zutragen geschah stets in der Nacht; im August hörte es auf, weil da die Raubvögel überhaupt ihre Jungen eigenem Fortkommen überlassen.

Der Schuhu ist in der ganzen Welt zu Hause, doch findet er sich nur sparsam, denn die Jäger stellen ihm begreiflicherweise fleißig nach (bei uns trägt er 4 fl. Schußgeld). In der Nähe des Schlosses Lichtenstein auf der rauhen Alp ist ein felsiger Grund mit steilen Felswänden, der Tobel genannt, und da nisten immer Schuhus, die der Besitzer des Schlosses, Graf Wilhelm von Württemberg, ungestört hausen läßt. Ich habe dort Junge öfters am Tag vor den Felslöchern sitzen sehen und an den Wänden wie angeklebt; sie schienen sich sonnen zu wollen. Die Alten kommen ganz nahe an's Schloß, dessen Romantik sie erhöhen, besonders bei Mondschein, wenn sie mit ihren breiten Schwingen lautlosen Fluges am Schloßthurm vorüberstreichen. Bei Hohenschwangau horsten sie auch und am Schwarzenberg kann man ihren unheimlichen Ruf vom Alpsee aus hören. Sie werden ebenfalls geschont.

Im oberbayrischen Gebirg findet sich der Schuhu vereinzelt an mehreren Orten im Forstamt Tegernsee, Marquartstein, Ruhpolding und Berchtesgaden, dann in den Bergen von Immenstadt. Im Kemptner Wald und bei Obergünzburg findet er sich auch. In den Gebirgen des bayrischen Walds kommt er nach Jäckel nicht vor, auch nicht ständig im Fichtelgebirg, dagegen an mehreren Orten in der Oberpfalz, bei Sulzbach, Breitenbrunn, an den Ufergehängen des Regens und der Naab im Amt Burglengenfeld und besonders in den zerklüfteten Dolomiten des fränkischen Jura, bei Lichtenfels, Nankendorf, Streitberg, Muggendorf &c. Mehrere Uhuhorste finden sich im Forstbezirk Reicheneck (Forstamts Altdorf) auf der Happürg, Geiskirchen &c. An der Altmühl horstet er ebenfalls. Im Spessart und in der Rhön wird er nicht getroffen, dagegen an den Uferwänden des Mainthals bei Karlsstadt, Retzbach und bei Würzburg an der Festung Marienberg.Abhandlungen des zoologischen mineralogischen Vereins in Regensburg. 1849.

Der Schuhu bietet, abgesehen davon, daß er einer der schönsten Raubvögel ist und daß er den Schaden, welchen er anrichtet, vielfach, wenn auch unfreiwillig, durch seine Anziehungskraft anderen Raubgesindels wieder ersetzt, dem Jager noch anderweitiges Interesse. Er ist ja anerkanntermaßen die Hauptveranlassung der vielfachen Sagen vom wilden Heer, wüthenden Heer, Nachtgejaid und vom wilden Jäger. Man muß ihm dafür dankbar seyn, denn dergleichen setzt die Phantasie in Bewegung und es ist um diese wie mit einem silberblinkenden See, wirft man einen Stein hinein, so ziehen sich die Wellenringe immer größer und weiter und blitzen dann tausend Lichtfunken drüber hin. Der Schuhu hat die Rolle eines solchen Steins für das bewegliche Element der Phantasie gespielt und wer weiß, ob er nicht bei kritischer Untersuchung sogar ein wesentliches Verdienst um die göttliche Musik des Weber'schen »Freischütz« ansprechen könnte. Das wilde Heer ist in Bayern, wie anderwärts, oft beobachtet worden. Auf der nördlichen Abdachung des Schneeberges, des Nachbars vom Fichtelberg und Ochsenkopf, da wo einst die verrufene Ritterburg Rudolphstein gestanden, jagte ein Jäger und verfolgte ein Wild gegen den sogenannten Waldstein hinauf. Je höher er stieg je mehr des Wildes wurde er ansichtig, aber alles floh vor ihm her in die Burgtrümmer hinein. Als er diese erreicht und durch ein Thor schritt, da mit einemmale umhüllte sich Fels und Mauer, Busch und Baum mit grauem Nebel und im Burghof begann ein Brausen und Sausen, Knallen und Schellen, Bellen und Gellen, als sey die ganze Hölle los, Gekreisch und Gelächter dazwischen und der wilde Jäger zeigte sich mit dem ganzen wilden Heer voll sinnverwirrender Gestalten, bis der erschrockene Waidmann zu Boden stürzte und ihm die Sinne vergingen. Als er erwachte war es Nacht und drunten in Reumersreut schlug die Thurmuhr zwölfe.Bechstein deutsches Sagenbuch. Schöppner, Sagenbuch der Bayerischen Lande III. Der heilige Kreuzwald bei Holzhausen, 7 Stunden von München, war von jeher berüchtiget wegen der gräßlichen Erscheinungen, die da vorgekommen und das wilde Nachtgejaid zog nicht selten über das Holz hin.

Ein noch lebender Wagnermeister von Schöngeising kann davon erzählen. Als er von Gilching herüber durch den Kreuzwald ging, kam es daher in den Lüften mit Rauschen und Schreien, Schießen und Hundegebell. Der Mann, wohl wissend, daß das wilde Gejaid dem nichts anhaben könne, der sich schnell zu Boden werfe, legte sich stracks auf's Gesicht und ließ den wilden Jäger über sich hinziehen. Es geschah ihm auch weiter nichts, während mancher, der diese Vorsicht nicht gebrauchte, vom stürmenden Getümmel mit fort durch die Lüfte gerissen und weit weg erst wieder niedergesetzt wurde, manchmal auch hoch herabstürzend den Hals brach.

In der hintern Riß, an die vordere in Bayern angrenzend, geschah es, daß ein alter gesetzter Mann einst im nächtlichen Dunkel seines Weges dahinschritt und zwar auf einem Pflichtgange, welches gar ein trefflicher Schutz ist gegen Geisterspuck. Mit einemmal hört er ein Gepfeife wie von Schlangen, dann Raubvogelgeschrei, dann Hundegebell und Katzenmiauen, Gewieher von Rossen und zahlloser gespenstiger Jäger Hallo und Hurrahruf und Peitschenknall und über des Mannes Weg hin zog das Wildg'fahr (so heißt das Wildgejaid in Tyrol) mit all seinen Schrecken in lange andauerndem Zuge. Der Mann warf sich bei Zeiten auf den Boden nieder, streckte seine Gliedmaßen kreuzweis und betete mehr als ein Vaterunser. Sausend ging's im Sturm über ihn und so stark war der Luftdruck, daß er nicht anders meinte, als es werde ihm von einer Eisenhand das Gesicht fest an den Boden gedrückt, daß er zu ersticken befürchtete. Nachdem es endlich still geworden und er sich erholte, thaten ihm alle Rippen weh und war ihm als habe er die Last einer Welt auf seinen Schultern getragen.v. Alpenburg, Mythen und Sagen Tyrols.

Der Bericht eines reisenden Physikers über solche Erscheinung würde freilich anders lauten und er würde es ganz natürlich finden, daß bei einer Luftströmung, deren Geschwindigkeit das Anemometer an 70 Fuß in der Sekunde zeigte, die Widerstandsfähigkeit der Elasticität des Holzes der dortigen Bäume nicht groß genug seyn konnte, um nicht da und dort überwunden zu werden und somit das Brechen derselben, verbunden mit dem Reflex der Schallwellen von den felsigen Berggehängen einen Lärmen hervorbringen konnte, welcher einem Jagdlärm nicht unähnlich u. s. w.

Wir wollen aber nur noch anführen, daß vom wüthenden Heer seit uralten Zeiten geredet wird und man es schon im 12. Jahrhundert erwähnt findet. In Niedersachsen und Westphalen führt es der wilde Jäger Hackelberg an, bei seinen Lebzeiten Jägermeister des Herzogs Julius von Braunschweig um 1580, ein gottloser Geselle. Seinem Zug fliegt eine Nachteule, wohl unser Schuhu, voraus, ehemals eine Nonne, deren Geist sich zu Hackelberg gesellte und die ihr uhu mit seinem huhu! beim Jagen ruft.

Im Meißnischen heißt der wilde Jäger Hans Jagenteufel und anderwärts ist es eine Frau, die Frau Holla oder (im Mecklenburgischen) Frau Gauden, die mit ihren 24 Töchtern so leidenschaftlich jagte, daß sie einmal in wilder Freude ausrief: die Jagd ist besser als der Himmel! worauf ihre Töchter in Jagdhunde verwandelt wurden mit denen sie zwischen Himmel und Erden nun unaufhörlich jagend herumziehen muß. In Frankreich heißt der wilde Jäger Hellquin und in England führt König Arthus das Nachtgejaid an.

Bei den Dänen ist König Waldemar der wilde Jäger geworden, der auch einst sagte: Gott möge sein Himmelreich behalten, wenn ich nur in Gurre immerdar jagen kann! Und nun jagt er ohne Ruh und Rast in Gurre mit kohlschwarzen Hunden, denen glühende Zungen aus dem Rachen hängen, auf einem weißen gespenstigen Roß, zuweilen sein eigenes Haupt unter dem linken Arm tragend. &c.J. Grimm. Deutsche Mythologie.

So wuchern reich und mannigfaltig in Wechsel und Wendung die Sagen fort wie immergrünender Epheu an alten Bäumen, wenn der Keim einmal Wurzel gefaßt, und daß unser Schuhu seinen Theil dran hat, ist nicht zu bezweifeln.

Es wird manchem Leser von Interesse seyn, wenn ich dem eben Besprochenen noch Einiges über das Fabelthier der Alpen beifüge, welches nicht nur manchen Hirten, sondern auch manchen Jäger weidlich erschreckt hat. Dieses Thier hat verschiedene Namen. In den bayerischen Alpen, Berchtesgaden und Steyermark heißt es Bergstutzl, Birgstutz, Daazlwurm, Praazlwurm (von Taze, Praze), Springwurm, schmecke'de Wurm; in Oberösterreich zum Theil ebenso, in Tyrol auch Mürbl, in der Schweiz Stollwurm (von Stollen, welches einen kurzen, dicken Fuß bedeutet). Die Beschreibungen treffen nur in einem Punkte fast alle zusammen, nämlich darin, daß das Thier 2 oder 4 kurze Füße und einen schlangenartigen Leib habe, ich will daher unter obigen Namen Daazlwurm gebrauchen, um weiter von ihm zu sprechen.

Einige sagen, der Daazlwurm habe ein theils marder- theils eidechsenartiges Ansehen, andere vergleichen ihn einer Schlange mit Eidechsen- auch Katzenkopf. Größe und Farbe werden sehr verschieden angegeben. Nach Einigen ist das Thier 5–6 Fuß lang, nach Anderen mißt es 1½–2 Fuß; die Dicke soll die eines Mannsarmes, manchmal auch die eines Mannsschenkels seyn, die Farbe bald silberweiß, bald scheckig roth, auch schwarzbraun und schwarz.

Schon A. Schultes erwähnt, von diesem Thiere gehört zu haben, als er im Jahre 1804 eine Excursion auf die Gletscher des Dachsteins machte (Reise durch Oberösterreich), auch erzählte ihm der Wundarzt Wattmann zu Ebensee, daß ein Bauer, der am Rettelstein am Gemundersee auf Gemsen ausging, einen Lindwurm, eine Schlange von der Dicke eines dreijährigen Kindes geschossen habe. Der Beschreibung nach hielt Schultes das Thier für eine große Eidechse und Wattmann vernahm auf seinen Wunsch den Bauer um den näheren Vorgang. Dieser erzählte, daß er das Thier, welches sich ihm bergan, pfeifend, mit aufgesperrtem Rachen, doch etwas unentschlossen, näherte, im Sommer des Jahres 1781 erlegt habe. Es sey 5 Fuß lang gewesen, von eidechsenförmiger Gestalt, der Kopf gleich dem einer Ziege (ohne Ohren), im Rachen viele scharfe spitze Zähne. Der Leib dick wie oben angegeben, mit einem starken schweren Schwanz und mit 4 Füßen, wovon die hinteren etwas länger gewesen. Die Farbe der Haut war bräunlichschwarz, am Bauche etwas weiß gefleckt, auch hatte es ¾ Zoll lange, aber sehr dünn stehende Haare, so daß zwischen jedem etwa ein fingerbreiter Abstand gewesen. Er hatte das Skelett 5 Jahre aufbewahrt, dann aber bis auf eine Rippe, die 7 Zoll lang war, weggeworfen. Wattman sah diese Rippe. Der Schütze war als ein gerader von jeder Prahlsucht freier Mann bekannt.

Ein ähnlicher Fall wurde dem Forstmeister G. v. SchultesNeues Taschenbuch für Natur-, Forst- und Jagdfreunde auf das Jahr 1836. in der Gosau von einem alten Manne erzählt, der in seinen jungen Jahren einen Birgstutz erschlug, als er nach dem sogenannten Gambsfeld gestiegen war, um Alpenrosen zu holen. Er beschrieb ihn als von hell silbergrauer Farbe und glänzend, mit drei dunklen Längsflecken auf dem Rücken. Sein Kopf glich dem einer Schlange, der Leib war von der Dicke eines Mannsarmes, gut 2 Fuß lang und hinten zu abgestumpft, auch hatte das Thier vier ganz kurze, wenig bemerkbare Füße, konnte sich aber doch ziemlich behende drauf fortbewegen. Als der Mann darnach schlug, schnellte sich der Birgstutz am Stock in die Höhe und biß ihn in die Hand. Nach einigen Augenblicken fühlte er große Schmerzen an der verwundeten Stelle, die Hand schwoll stark auf und erst nach mehreren Monaten erfolgte die Heilung.

Im Berner Oberland und im Jura ist der Glaube an die »Stollwürmer« noch heute verbreitet; sie werden als 3–6 Fuß lange dicke Schlangen mit zwei kurzen Füßen beschrieben und es heißt, daß sie nur bei anhaltender Trockenheit vor Eintritt des Regenwetters zum Vorschein kämen. Man sagt, es gebe weiße mit Krönlein auf dem Kopf, und schwarze, die weniger selten seyen. Ein verwegener Mann, der Zauberei verstund, zog eines Tages, um seine Kunst zu zeigen, einen Kreis um sich, und bannte darauf mit Pfeifen das Gewürm in solcher Menge herbei, daß es rings um den Kreis wimmelte, doch pfiff er trotzig fort, bis ein paar Würmer aus der Ferne auf ihrem Rücken einen besonders dicken und abscheulichen daherbrachten. Sie warfen ihn über den Kreis hinein gegen den Zauberer, der laut ausrief: ich bin verloren! Und im Augenblicke ward er von dem Ungeheuer zerrissen.Alpensagen von Th. Vernaleken.

Der Hauch des Daazlwurms und sein Anpfeifen sind giftig und oft tödtlich, wie sein Biß, daher die Furcht vor ihm so groß ist, daß die meisten, denen einer begegnete, sich nicht lange bei seinem Anblick verweilten, sondern gewöhnlich sogleich Reißaus nahmen. G. v. Schultes hat in dem citirten Taschenbuch eine Abbildung des Daazlwurms gegeben, welche nach vorhandenen Beschreibungen entworfen ist; interessanter dürfte eine andere seyn, welche ich auf einer Votivtafel bei Unken auf dem Weg nach der Schwarzbachklamm (beim Fuchsbauer) gesehen habe. Diese Tafel ist in eine steinerne Säule eingefügt, auf welcher noch die Jahrzahl 1779 zu lesen und zeigt wenigstens für den betreffenden Fall, wie damals die Vorstellung des Daazlwurms im Volke üblich war. Die beifolgende Vignette stellt die Denksäule dar.

Auf dem eingefügten Bilde sind zwei Daazlwürmer abgebildet, die wohl an Eidechsen erinnern können, der Schwanz aber beträgt nur die halbe Körperlänge und ist an den Leib wie bei einem Hund angesetzt, auch der Kopf einem spitzen Hundskopf ähnlich. Sie sind braun und schwarz, roth und grünlich gefleckt und strecken eine gespaltene Zunge aus dem Maul. Im Vorgrund liegt ein Bauer todt, der die eine Hand um die Nase gelegt hat, wahrscheinlich um sich vor dem Gifthauch zu schützen. Nachstehend folgt eine getreue Copie des Bildes.

Herr Revierförster Nero, welchem ich die Copie der Votivtafel verdanke, theilte mir mit, daß vom Vorgang im Volk fast einstimmig die Sage besteht, es sey der Verunglückte ein Tyroler gewesen, welchen beim Beerensammeln zwei Springwürmer (wie sie dort heißen) angefallen und verfolgt hätten. Dieses geschah bei der Möserer Leitstube und der Bauer floh im angestrengtesten Lauf bis zur Thalbruck (höchsten Uebergangspunkt ins Heuthal), wo er in Folge des Schreckens und der Erschöpfung zusammenstürzte und verschied.

Der Daazlwurm hat die Phantasie manches Jägers beschäftigt und mancher hat gewünscht, ihn einmal zu sehen und ihm eins hinaufzubrennen; dergleichen dämonisches Gethier ist aber ebenso schlau und feig als es boshaft ist, denn es erscheint immer nur denen, die es fürchten, geht aber andern gar weislich aus dem Weg. Was nun die Frage betrifft, ob es ein solches von den Zoologen noch nicht ins Register eingeschriebenes Thier gebe, so möchte ich der Meinung beistimmen, daß man das ebensowenig bejahen als verneinen könne. Wer in Freising geboren ist (gegen 20 Wegstunden vom Gebirg) und wer sein Leben da zugebracht hat, der wird billig zweifeln, daß in der Nähe ein Gemsbock gesehen worden sey, und wenn man einem Bauer, der am Po wohnt, sagen wollte, er soll sich in Acht nehmen, in dem Flusse zu baden, weil ihn ein Krokodil anfallen könnte, so würde er wohl über die Warnung lachen, und doch ist in Freising ein Gemsbock wirklich geschossen und im Po ein Krokodil wirklich gefangen worden. Ich will damit sagen, daß Thiere unter Umständen sehr weit an Orte gelangen können, wo sie niemals heimisch waren und so geht die Frage am Ende dahin, ob den Gelehrten alle Thiere bekannt seyen, welche in den Schluchten, Höhlen und Löchern unserer höchsten Alpen möglicherweise vorkommen können; wenn nicht, so kann an solchen Orten auch ein Daazlwurm vorkommen und gelegenheitlich nach begehbaren Plätzen sich verirren und einem Menschenkind Furcht und Schrecken einjagen. Mit Recht erinnert Schultes bei Besprechung dieser Frage an den Proteus der Adelsberger Höhle bei Triest und aus den unterirdischen Kanälen des Zcirknitzer Sees, von welchem Schubert sagt, es sey gleichsam ein Thier aus einer ganz andern Welt, aus der es nur zuweilen durch die Gewalt der Elemente herauf an unsere sonnenbestrahlte Erdoberfläche verschlagen werde, ein Bewohner der Finsterniß, der deßhalb auch keine Augen habe. Wer würde glauben, daß es einen solchen Salamander (der überdieß wie viele Märchenthiere mit einem seltsamen Schmuck, einer Art von korallenrothem Geweih, ausgezeichnet ist) und daß es in seiner Gesellschaft Fische ohne Augen gebe, wenn sie nicht auf dem Analysirtisch wirklich untersucht worden wären. Den Daazlwurm aber scheint bis jetzt noch keiner, als etwa in der Erzählung, gefangen zu haben, obwohl der Erzherzog Johann schon vor Jahren einen Preis von 30 Dukaten für Einbringung eines solchen ausgesetzt hat. Sollte aber ein vermeintlicher Daazlwurm gefangen und daran ein bekanntes Thier, etwa die große grüne Eidechse (Lacerta viridis) oder dergleichen erkannt werden, so beweist das natürlich nichts gegen die Existenz des ächten Daazlwurms, man hatte eben nur fälschlich diese Eidechse für einen solchen angesehen. Und so wird sich's mit unserem Wunderthier noch eine Weile im Kreis herumdrehen und dessen freut sich gewiß jeder Jäger, denn, allen Respekt vor der Wissenschaft, aber langweilig wäre es doch, wenn man gar nicht über die Mauern ihres allerdings recht hübschen und je nach den Vermögensverhältnissen von Zeit zu Zeit erweiterten Palastes hinausschauen und eine Fahrt der Phantasie, wenn auch ins Blaue hinein, unternehmen dürfte.


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