Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

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Der Biber.

Der Biber (Castor fiber) und der Fischotter (Lutra vulgaris) werden oft beide als Fischdiebe zusammengestellt, wie sie auch deßwegen das Vorrecht genießen, als Fastenspeisen zu gelten. Genau besehen ist es aber anders als die Herrn, welche vor Alters das Fastenreglement diktirten, gemeint haben, denn der Biber frißt weder Fische noch Krebse, sondern nur der Fischotter.Biberfang und Otterfang wurden zu den Regalien gerechnet, die Gelehrten waren aber uneinig, ob sie zur forstlichen Obrigkeit oder zur Fischerei gehörig anzusehen seyen.

Man kann wohl beklagen, daß es so ist, denn ließe der Biber sein Schneiden der Bäume, womit er seinen Aufenthalt nur zu deutlich verräth, es stünde gewiß besser mit der Erhaltung seines Geschlechts als wirklich der Fall ist. Dieses Schneiden der Bäume ist eine merkwürdige Erscheinung, denn nicht nur an dünne Stangen geht der Biber, sondern auch Stämme von ein Fuß Durchmesser fällt er mit seinen Nagezähnen, die bei uns Stemmer heißen (ähnlich wie Stemmeisen). In den Salzachauen zu Weitwörth bei Salzburg habe ich dergleichen gefällte Stämme mehrere gesehen. Es geschieht bei den stärkern so, daß durch das Schneiden zwei Kegel gebildet werden, die sich mit der Spitze berühren (der eine aufrecht, der andere umgekehrt); an der dünnen Stelle bricht der Stamm ab und ist der Zweck solcher Holzarbeit, daß der Biber zu den zarten Gipfelzweigen, die er besonders zur Aesung liebt, gelangen kann und auch Material für seine Bauten gewinnt. Meistens sind es Weiden, auch Eschen, Espen, Pappeln, die er schneidet. Mit einem fast schuhdicken Baum wird er in einer oder zwei Nächten fertig, vier Zoll dicke Stangen schneidet er mehrere in einer Nacht. Diese Arbeit geschieht überhaupt nur bei der Nacht, am Tag hat man die Biber nie damit beschäftigt gesehen.

Der vielbesprochene Bau des Bibers ist meistens an einer Einsenkung oder Einbiegung eines hohen Ufers gelegen und zwar so, daß der Biber unter Wasser aus- und einschwimmen kann und daß das Wasser da tief genug ist, um nicht im Winter ganz einzufrieren. Um das Wasser gehörig anzuschwellen, errichten die Biber auch in geeigneter Entfernung von den Bauen einen Damm, der bei reißendem Wasser eine convexe Krümmung gegen den Strom hat. Der Bau ist mit einem Haufwerk von Aesten, Reisig, Schilf und Lehm gedeckt und hat nach genauen Untersuchungen keinen Ausgang nach oben, wie Einige angeben. Die Kammern und Höhlen der unterirdischen Wohnung, Burg genannt, liegen über dem Wasserspiegel und bei großem Anschwellen des Wassers ist der Biber gezwungen, sich in den obern Theil der Burg zu flüchten, oder diese auch ganz zu verlassen.

Eine Biberburg an der Yssel im Herzogthum Cleve war 6 Fuß hoch und hatte 6 Fuß im Gevierte mit zwei Kammern über einander, die wieder in drei bis vier Zellen getheilt waren, jede mit einem Ausgang nach dem Flusse. Es war eine solche Masse von Weidenstämmen, Rohr, Binsen &c. zusammengeschleppt, daß sie wohl zwei Pferde kaum weggezogen hätten.

Die bekannten Erzählungen von den großartigen und künstlichen Biberbauen gelten für Gegenden, wo es sehr viele Biber gibt, wie in Nordamerika. Es hat darüber sowie über das Leben dieser Thiere HearneS. Fauna Boreali-Americana by John Richardson. die getreueste Darstellung gegeben. Nach seinen Beobachtungen hausen selten mehr als 4 alte und 6 bis 8 junge Biber in einem Bau, obwohl die Zahl zuweilen auf das Doppelte steigt. Eine Gemeinschaft oder Verbindung ihrer Wohnungen besteht aber nicht, es liegen diese nur neben einander und hat jede einen eigenen Eingang von der Wasserseite. Gegenüber von diesen schleppen die Biber Aeste und Zweige zusammen, deren Rinde im Winter als Nahrung dient, daneben sind es vorzüglich die Wurzeln von Nuphar luteum am Grunde des Wassers, von welchen sie leben. Im Sommer äsen sie verschiedene Kräuter und Beeren, die in der Nähe ihrer Baue vorkommen, treiben sich auch viel außerhalb dieser herum. Wenn sie eine neue Wohnung bauen, so fällen sie das Holz im Sommer, fangen aber den Bau selten vor Mitte oder Ende August an und vollenden ihn erst wenn das kalte Wetter einfällt. Um die Biber zu fangen, gräbt man in der kalten Jahreszeit in ihre Baue, da sie dann in das Wasser und in die Uferhöhlen flüchten. Hat man beobachtet, daß einer in eine solche Höhle ausgestiegen, so verschließt man deren Eingang mit einem Rechen von geschlagenen Stöcken und zieht dann den Biber mittelst eines eisernen Hakens, der an einer Stange befestigt ist, aus der Vertiefung des Schlupfwinkels. Manchmal ist er mit der Hand zu erreichen und zu fassen. Sonst wird er auch mit Netzen und Tellereisen gefangen.

Zum Schuß gelangt der Jäger am Tag selten, obwohl sich Biber und Otter gerne sonnen, bei Mondschein gelingt es eher auf dem Anstand.

Manchem Berichterstatter hat das wunderliche Treiben der Biber, wie es wirklich ist, nicht genügt, und wenn ChateaubriandVoyages en Amérique, en Italie etc. p. 196. von ihren Palästen in Amerika spricht, so ersieht man, daß dort auch gewaltige Enten wohnen, welche Dinge ausplaudern, von denen gewöhnliche Forscher keine Ahnung haben. Sie erzählen z. B., daß beim Fällen eines Baumes ein besonders postirter Biber den Augenblick zu beobachten hat, wo der Baum fällt, um mit einem Pfiff die daran Arbeitenden aufmerksam zu machen, daß sie sich rechtzeitig entfernen um nicht erschlagen zu werden; daß die Biber sich regelmäßig zu gemeinschaftlichem Mahle in einem eigenen Speissaale versammeln, jährlich im Juli eine Generalversammlung halten, um neue Ansiedlungen zu besprechen und dergleichen. Wenn ein Individuum der Biberrepublik sich halsstarrig in Ausübung der Bürgerpflichten zeigt, so wird es exilirt und muß mit Schande in einem eigenen Loch wohnen, einem Vagabunden wird auch wohl zur Strafe der Schwanz abgeschnitten; es kommen Duelle unter ihnen vor und Kämpfe von dreien gegen drei wie weiland bei den Horatiern und Curiatiern, blutige Schlachten &c.

Die Rothhäute nennen die Biber wegen ihrer Intelligenz »stumme Menschen.«

Fügt man dem noch hinzu, was die Alten von unsern Bibern erzählt haben, so übertrifft ihre Geschichte die jedes andern Thieres. Conrad Gessner, zu dessen Zeit es auch in der Schweiz viele Biber gab, berichtet nicht nur, daß sie, wie von den Murmelthieren das Heueinführen erzählt wird, die nöthige Holzzufuhr in der Art besorgen, daß ein Biber auf den Rücken gelegt, mit Aesten beladen und dann am Schwanz wie ein Wagen an der Deichsel fortgezogen wird, sondern er unterläßt auch nicht anzuführen, daß Einige sagen, der Biber beiße sich die bekannten Drüsen, welche die Gail heißen, und eine wunderkräftige medicinische Wirkung haben, in der Noth des Flüchtens selber ab, um sie dem verfolgenden Jäger »als eine Rantzion und Lößgeld für sein Leben« zu überlassen.Er führt die Verse an:

»Dieweil sehr hoch geacht in Artzeney der Biber,
Von wegen seiner Geyl, so giebet er viel lieber
Und beißet selbsten auß, was sonst sein Leben fällt,
Wer das erhalten kann, der geb' dem Feind das Gelt.«

Die Biber sind uralte Bewohner Bayerns. Schon die bojoarischen Gesetze aus der Mitte des siebenten Jahrhunderts erwähnen den Piparhunt (Bibarhunt) qui sub terra venatur der unter der Erde jagt, d. h. in den Burgen die Biber aufsucht. Die Gesetze sagen, wer einen solchen Hund todtschlägt, soll einen dergleichen herstellen oder es mit sechs Schillingen büßen. In der Fundation der Kirche zu Diessen am Ammersee vom Jahr 1229 kommt schon vor, daß derselben das Jagdrecht auf wilde Thiere, Hirsche, Bieber und Otter zustehe. Ebenso wird der Biber und der Otter in der Amber bei Gelegenheit einer Schenkung des Grafen von Wolfratshausen an das Kloster Diessen erwähnt, 1558.Oefele II. 699. Es finden sich in Bayern gegen sechzig Orts- und Bachnamen, die mit Bieber und Biber anfangen.

Die Gejaids-Ordnung des Herzogs Albrecht V. von 1551 bestimmt, daß der Jäger für jeden gelieferten »Bieberschwanz und zwei Füsse« »15 Kreuzer und die Haut« erhalten soll.

Diese Biberschwänze und Füße wurden als Leckerbissen zur fürstlichen Hofküche geliefert. Die Fangzeit des Bibers war 1616 von Michaelis bis Ostern bestimmt.

Unter Max Emanuel erschien 1685 ein besonderes Verbot des Biberfangs in der untern Isar, »demnach wir Vorhabens sind, hinfüran zu ein oder anderer Zeit Unsere Lust mit Fangung der Biber auf der Isar unterhalb Landshut hinab zu suchen, als ist unser gnädigster Befehl anmit, daß kein Fischer, so von gedachtem Landshut hinab bis in die Donau auf besagter Isar zu fischen pflegt, sich bei schwerer und unausbleiblicher Leibesstrafe unterstehen soll, einige Biber zu fangen« &c.

In dem fürstlichen Kemptischen Maiengebot von 1625, 1653 und 1786 ist auch des Biberfangens erwähnt.

1688 hat Max Emanuel im Bezirk von Benediktbeuern mit einigen Cavalieren eine Jagd auf Biber und Otter gehalten; das Kloster Benediktbeuern beherbergte die Jagdgesellschaft. – Biber haben sich auch an der Bibermühle bei Tölz und zu Hohenburg und Lenggries an der Oberisar ziemlich lange behauptet. In den Klosterrechnungen von Tegernsee findet sich 1727 das Jägerrecht für Biber und Otter gleich, zu 6 kr. per Pfund angesetzt, 1746 wurde es bei einem Biber mit 12 kr. bezahlt, es sind aber nur einzelne geliefert worden.

Von 1751–55 incl. sind in den Hofzöhrgaden sechs Biber und sieben Otter geliefert worden.

Im Salzburgischen war 1785 das Schußgeld für einen Biber nur 45 kr.

Bis zum Jahre 1846 gab es noch ziemlich allgemein bei uns Biber, obwohl sie selten waren: an der Donau, besonders bei Neuburg und auf den Donauinseln bei Ingolstadt, ferner in der Vils und am Lech bei Füssen, Landsberg, Kaufring; an der Amber bei Fürstenfeldbruck und Olching, an der Isar bei Landshut und an der Salzach.

Von 1808 bis 1830 wurden an der Amber auf der kleinen Strecke von Unterbruck bis Zolling bei Freising (etwa 6 bis 8 Wegstunden) 26 Biber geschossen und gefangen.

1833 waren sie ziemlich zahlreich in der Amber und brachen einige sogar in die Obstgärten z. B. in Fürstenfeldbruck, wo auch ein Paar am hellen Tag von der dortigen Amberbrücke heruntergeschossen wurden.

Bei Passau wurden die drei letzten Biber 1819, bei Niederaltaich die vier letzten 1824 erlegt, auf der untern Isar der letzte 1844. Länger erhielten sie sich zwischen Dingolfing und Landshut, wo 1849–52 noch vier Biber erlegt wurden.

Am Lech wurde bei Gersthofen 1847 ein Biber geschossen, an der Amber im Inkofer und Ambacher Jagdbezirk 1853 drei Biber von den Fischern von Inkofen gefangen.

Zu Unterhausen bei Neuburg an der Donau wurden (von Revierförster Glas) 1846–53 (im März, April und Mai) vier Biber erlegt, davon zwei in Eisen gefangen.

1846 einer von 46 Pfund, Erlös 80 fl.
1850 " " 50 " " 110 "
1852 " " 40 " " 132 "
1853 " " 42 " " 132 "

Die ersten drei wurden im Ganzen verkauft, vom letzten nur die Gail. Der Balg war nur 4–5 fl. werth, das Fleisch, welches in Amerika sehr geschätzt ist, galt fast nichts.

Das Bibergail (Castoreum), in eiförmigen Säcken bestehend, die beiden Geschlechtern eigen und eine aromatische (im frischen Zustand salbenartige) Substanz enthalten, wird von den bayrischen Bibern vorzüglich geschätzt und den amerikanischen und siberischen vorgezogen. Die Säcke wiegen frisch 10–12 Loth, getrocknet nur die Hälfte, sie werden, wie oben angeführt wurde, gegenwärtig bis zu 132 fl. verkauft. Vor 60 Jahren konnte man das Loth für 1 fl. haben.

Gegenwärtig finden sich einzelne Biber nur noch in den Salzachauen.Die Biber werden 30–40 Jahre alt, man soll auch schon welche 78 Jahre lang erhalten haben.

Die Jagdzersplitterungen seit 1848, die Ufercorrektionen für die Dampffschifffahrt auf der Donau, mehr noch der Eigennutz von Bauern und Fischern, die pto. Biberfang trieben was sie wollten, alles das mußte das Ausrotten und den Untergang der Biber herbeiführen, auch von Seite der Jäger hat wohl das Verfahren nach dem Spruche: »Otter und Biber haben keine Hege« (weil der Balg fast immer gut) beigetragen.Gegenwärtig ist, leider zu spät, die Hegezeit vom 2. Februar bis 1. Oktober bei uns festgesetzt.

Auch anderwärts, wo in früherer Zeit Biber nicht selten waren, sind sie verschwunden. So wurden (nach Landau) in Hessen im 15. Jahrhundert eigene Biberjäger gehalten und das Jagdregister des Churfürsten Johann Georg II. von Sachsen von 1656–1680 gibt 397 Biber an.

Zu jener Zeit werden sie auch in Westphalen erwähnt, in der Ruhr und Möhne. In England wurden sie im 9. Jahrhundert, in Schottland und Wales im 12. Jahrhundert ausgerottet.

Die Amerikanischen Biber werden, wenn sie die Wildniß ihres Aufenthalts nicht mehr schützt, dasselbe Loos haben, obwohl sie in außerordentlicher Verbreitung vorkommen. Man sagt, ihr größter Feind sey der sogenannte VielfraßEigentlich Fialfraß im Finnlandischen, d. h. Felsenbewohner. Kaup. (gulo luscus, the Wolverene); der ärgste Vielfraß ist aber ein egoistischer und habsüchtiger Mensch, und leider ist diese Spezies nicht nur auf dem besonders günstigen Boden des Sternbanners, sondern auch bei uns und überall heimisch. Im Jahre 1743 war die Einfuhr an amerikanischen Biberbälgen in London und Rochelle 150,000 Stück, im Jahr 1827 dagegen nur 50,000.

Wäre es bei den hohen Preisen der bayrischen Biber nicht der Mühe und Kosten werth, einen Biberpark anzulegen, wie 1781 ein solcher bei Wien bestand, aus welchem die Thiere lebendig nach dem Gewicht verkauft wurden und bis 40 Pfund erreichten. Ein Wunsch und in Rücksicht auf manchen Nervenleidenden, dem die berühmte Gail Hülfe gewährt, gewiß ein frommer Wunsch! Leider nennt man fromme Wünsche die, von denen zu fürchten, daß sie nicht in Erfüllung gehen.


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