Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

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Der Spielhahn.

Der Spielhahn, Birkhahn (Tetrao tetrix) beginnt den Falz ziemlich gleichzeitig mit dem Auerhahn und dauert derselbe bis in den Mai hinein. Oft falzen diese schönen Vögel so nahe beisammen, daß man auf beide an demselben Morgen Jagd machen kann, indem man zuerst den Auerhahn anspringt und dann noch eine Birsch auf den Spielhahn macht. Wer aber den lustigen Spielhahn in seiner hochzeitlichen Freude ganz kennen lernen will, der muß ihn auf dem Platz beobachten, wo er am frühen Tag seinen Tanz hält. Das ist ein Springen und Laufen im Reigen und ein Blasen und Grugeln, daß man gar gerne zuschaut und zuhört. Der Auerhahn schreitet höchstens mit gesenkten Flügeln und mit den breiten Stoßfedern ein Rad schlagend, wie es auch der Spielhahn thut, auf einem Aste herum und kennt nur den gravitätischen Menuettschritt, der Spielhahn dagegen tanzt und springt wie etwa vor dreißig Jahren ein Jüngling in der Française tanzte. (Heutiges Tages weiß man von solchem Tanzen nichts mehr und ist zufrieden, diese Arbeit mit Gehen abzumachen.) Während der Auerhahn gleichsam nur der verschwiegenen Nacht seine Klagen vertrauen will und zeitweise in überschwenglicher Liebesphantasie den Kopf verliert, zeigt sich der Spielhahn aufgeweckt, fröhlich und herausfodernd und ist immer auf alles aufmerksam, was um ihn vorgeht, so daß er nicht leicht angebirscht werden kann. Kommt ihm ein anderer Hahn zu nahe, so geht es gerne an ein heftiges erbostes Raufen und schreiten sie mit halbgehobenen Flügeln und gesträubten Federn aufeinander los, wobei sie sich oft beim Angriff gegenseitig umwerfen und beide auf dem Rücken liegen, daß man über dem komischen Anblick das Schießen vergißt. Wegen dieser Rauflust muß auch mancher stattlicher Hahn das Leben verlieren, da ihn der Jäger durch den nachgeahmten Ruf eines jungen Hahns herbeilockt. Man sagt von diesem Locken in Oberbayern »Er is auf's Blasn ganga;« im Allgäu nennt man es »scheuchen;« es ist am anwendbarsten, wenn ein alter Hahn allein steht, wie es bei den Gebirgshahnen eher der Fall ist als bei den Mooshahnen, deren meistens mehrere zusammen einen gemeinschaftlichen Falzplatz haben. Auch den Ruf der Henne gebraucht man manchmal zum Locken, es ist ein häßliches Gegacker mit gedehntem schnarrendem Schluß. Diese Hennen verhalten sich sehr bescheiden und sittsam, lassen ihren Hahn allein tanzen und schauen gewöhnlich nicht einmal zu, sind erdfahle Weiber, die für den schmucken lebfrischen Hahn gar nicht zu passen scheinen, aber die Natur liebt oft solche Gegensätze.

Außer der Falzzeit schießt man im August auch junge Hähne vor dem Hund im Buschiren oder im Treiben.

In Kurland, Liefland und Litthauen lockt man die Spielhähne durch den sogenannten Balbahn oder besser Pulwan, d. i. einen ausgestopften oder künstlich nachgemachten Spielhahn, der auf einem Fallbaum befestiget wird. Man verbirgt sich in einem Schirm unter dem Baum und muß ein Jäger die gewöhnlichen Falzplätze abgehn und die Hähne gegen den Baum treiben; dabei soll der Pulwan mit der Brust gegen den Wind gestellt seyn, d. h. in der Stellung, die ein Spielhahn immer nimmt, wenn er aufbaumt und das Revier beschaut. Wenn Einer das Eingehen und Treiben versteht und außer dem Fallbaum kein anderer hoher Baum in der Nähe, so schießt man auch leicht ohne Pulwan. Diese Art hat den Vortheil, daß das Spielgeflügel auf dem eigentlichen Falzplatz nicht durch Schießen beunruhigt wird; es hält also auch den gewählten Platz besser als außerdem der Fall wäre, denn der Spielhahn ist ein sehr scheuer Vogel und leicht zu vergrämen.

Das Falzen findet auch am Abend statt, doch nicht so lebhaft wie am Morgen.

Birkwild oder »Spielg'flüg« kommt auf den Mösern Bayerns und in den Alpen überall vor. Zahlreich ist es im Allgäu verbreitet und um Partenkirchen und Hohenschwangau; auf den Filzen von Weilheim, Diessen, Rosenheim, Reichenhall, auf dem Grassauer-Moos (bei Marquartstein) kann man im Spätherbst und im Winter oft 80 bis 100 Hahnen beisammen sehen. Sie finden sich ferner im Aginger- und Erdinger-Moos, im Revier Kaisheim und Hafenreuth, Forstamts Donauwörth, um Dillingen; in der Oberpfalz zu Vilseck, Weiden, Bruck; häufig im Reichswald bei Nürnberg und im übrigen Franken. In der Rheinpfalz kommt der Spielhahn nicht vor.

Die Mooshähne sind kleiner als die im Gebirge, welche auch ungleich schönere Stoßfedern haben. Da die Berghähne meistens auf den höchsten Gebirgsrücken ihre Falzplätze haben, so ist es um solche Jagd eine beschwerliche Arbeit und kann man sich im Schnee müde genug steigen und beim Uebernachten und Ansitzen so weidlich frieren, daß ein gewöhnliches Menschenkind gar nicht begreift, wie man das einiger krummen Federn wegen thun mag. Und doch ist es am schönsten, da oben auf dem Falz zu schießen und nicht zu vergleichen mit einer solchen Jagd in der Ebene. Die Herrlichkeit des Gebirgs verherrlicht auch die Jagd und frischer und prächtiger erscheint die blauschwarze Farbe des Vogels und der Scharlachpolster über den Augen, wenn ihn die Sonne zwischen Schnee und dunkelgrünen Latschen bescheint.

In Tyrol und in den steyerischen Gebirgen kommt der Spielhahn ebenfalls häufig vor; ein vorzüglicher Stand aber ist in mehreren Gegenden von Böhmen, um Bunzlau, Eger, Leitmeritz, Königsgrätz, Prag, Saaz, so daß in manchem Jahr in jedem dieser Reviercomplexe 150 bis 250 und mehr Hähne geschossen werden. Die Jagdperiode von 1857–1858 hat in allen Jagden des Kronlandes Böhmen eine Ausbeute von 2300 Birkhähnen verzeichnet.

Winkell berichtet nach sicherer Quelle, daß sich das Spielgeflügel in Schweden verschneien lasse, »so zwar, daß es unter dem Schnee acht bis zehn Tage anhaltend liegen bleibt, worauf man aus der Menge an Losung, welche in den Schneelöchern sich befindet, worin die Birkhühner ruhten, schließen kann.« Sämmtliche Waldhühner sollen in Schweden in großer Menge vorkommen und die Lieferungen an Auerhühnern, Birkhühnern und Haselhühnern nach Stockholm jährlich gegen 100,000 Stück betragen.

Obwohl der Spielhahn gut zu essen, so sind es doch die krummen Stoßfedern, die den Jäger zunächst anziehen. Diese Federn werden überall im Gebirg, besonders von jungen »schneidigen« Burschen gern auf dem Hut getragen und in manchem Schnaderhüpfl ist ihrer erwähnt.

»Von' Spielho' die Federn,
Von' Hirschn das Gweih (und)
Von' Gambsei die Krickln,
Von' Diendl die Treu.«

»Und bal' der Ho' falzt
Is a' gar schöni Zeit
Und a' Paar krumbi Federn,
Die san halt mei' Freud.«

Vor etwa dreißig Jahren galten diese Spielhahnfedern auch als ein Zeichen der Herausforderung und Rauflust, wenn die krummen Enden auf dem Hut nach vorwärts gestellt waren und namentlich wenn ein Bursche drei dergleichen Federn aufsteckte. Darauf bezieht sich auch ein tyrolisches Schnaderhüpfl:

»Und Zillerthal und Taxnbach
Ischt grad a' so a' Trumm
Und hon i' a' krummbs Federl auf
Und stößt ma's koaner um.«

Nach Tyroler Sagen trägt der Teufel, wenn er, wie häufig geschieht, als Jäger erscheint, einen halben Spielhahnstoß auf dem Hut, er trägt ihn aber auf der rechten Seite, während ihn die Jäger auf der linken tragen. (Alpenburg.)

Ein ganzer Stoß vom Spielhahn heißt oberbayerisch »a' Schaar'« d. i. eine Scheere. Die Benennung Spielhahn, Spielhenn kommt schon in einer Jagdverordnung des Herzogs Albrecht V. von 1551 vor, ebenso in einem Tyroler Landreim von 1558.

»Also der Spylhahn spylen thuet
Mit seiner Spylhenn Wildprät guat.«

Im Fürstl. Kemptischen Maiengebot von 1683 und 1786 wird ebenfalls das »Spillgeflügel« erwähnt. Das Wort Spiel, Spil, bezieht sich, wie auch aus dem angeführten Landreim zu entnehmen, auf den Falzruf, und das damit verbundene Grugeln, welches an's Aufspielen, d. i. Musikmachen erinnert.

Man nennt zwar auch den Stoß manchmal z. B. beim Fasan das Spiel, vom Spielhahn aber habe ich das niemals sagen gehört.

In Oesterreich wird der Spielhahn oft Schildhahn genannt.

Der Spielhahn wird bald zur hohen, bald zur niederen Jagd gerechnet.

Aus früherer Zeit weiß man, daß die Herzoge von Niederbayern den Spielhahnfalz zu Schönberg und im bayrischen Wald besucht haben. Berühmt war auch das Graslfinger-Moos bei Olching in der Nähe bei München, durch welches der Churfürst Carl Theodor einen Weg machen ließ, um auf die Falzplätze fahren zu können. Der Weg besteht noch und heißt der Steinweg. In der Nähe war das Schlößchen Graßlfing, wo nach der Jagd getafelt wurde. Es giebt dort noch viel Spielgeflüg.

Gegenwärtig halten die königlichen Prinzen diese Jagd zuweilen in der Gegend von Eberfing und Immenstadt und wird bei Gelegenheit der königlichen Gebirgsjagden auch manchmal ein Hahn geschossen.

Die Spielhähne falzen auch im Herbst, doch nicht regelmäßig, und die Leute sagen, daß dann schlechtes Wetter eintritt. Ich habe unter andern einen Spielhahn falzen hören, welcher der Jagd, wo viel auf Gemsen geschossen wurde, auf ein paar hundert Schritte nahe war, er ließ sich aber weder vom Schießen noch von dem Lärmen der Treiber in seinem Spielen stören.

So wild und scheu der Vogel ist, so kann er doch ganz zahm werden, wenn man ihn sehr jung bekommt, und in Schleißheim gedieh einmal eine ganze Zucht, die man aufzog, und falzten dann im Frühjahr die Hähne gar lustig an der dortigen Schenke auf den Tischen in Mitte zahlreicher Gäste.

Vor hundert Jahren wurden jährlich nur einige 20 Stück Spielhähne ins Münchener Zwirchgewölb geliefert, von 1841–1845 aber sind per Jahr gegen 84 Stück geliefert worden.Die Klosterrechnungen von Tegernsee von 1734–1786 verzeichnen durchschnittlich 4–5, nicht über 10 Spielhähne jährlich. 1796 kostete einer 1 fl. 30 kr.; gegenwärtig mit den Stoßfedern 2 fl. bis 2 fl. 24 kr. und je nach der Schönheit der Federn auch mehr, ohne die Stoßfedern 1 fl. 12 kr.

Der räthselhafte sogenannte Rackelhahn (Tetrao intermedius) kommt in unsern Alpen nur sehr selten vor. Man hält ihn für einen Bastard von einem Spielhahn und einer Auerhenne, oder von einem Auerhahn und einer Spielhenne (Nordmann), und einige Naturforscher sind auch der Meinung, daß er einer eigenen Species angehöre. Er hat viel Aehnlichkeit mit dem Spielhahn, die Stoßfedern sind aber nicht oder nur sehr wenig gekrümmt. Im hohen Norden, wo die eigentliche Heimath des Spielhahns, soll es auch Bastarde desselben mit dem Schneehuhn geben, sowie dergleichen mit dem Fasan vorkommen. Von letzteren wurde ein Exemplar auf der Jagd des Grafen Preysing zu Moos in Niederbayern geschossen, und aus EnglandNote on Hybrid Gallinaceous Birds. By J. W. G. Spicer. The zoologist by E. Newman. t. 12. p. 4294. sind fünfzehn Fälle dieser Art constatirt, wovon einer besonders interessant, weil auf ein Dutzend Meilen um den Platz, wo der Vogel geschossen wurde, zu Staunton-Springs bei Melbourne, der Spielhahn (black grouse) ganz unbekannt ist. Der Bastard war oft unter den dortigen Fasanen, mit welchen er äste, gesehen worden. Es kommen mehrere Fälle vor, wo wahrscheinlich ein Fasanhahn der Vater war, aber auch andere, wo man sicher annehmen kann, daß es ein Spielhahn war. Bei Frimley-Ridges wurde ein Spielhahn beobachtet, welcher sich zu den Fasanen gesellte und die Hähne gewaltsam wegtrieb, was um so mehr zu verwundern, als der Fasan einen Sporn hat, der Spielhahn aber keinen. Ein Bastard, der dann dort geschossen wurde, hatte diesen Hahn höchst wahrscheinlich zum Vater. Im Allgemeinen haben die Bastarde Kopf und Brust und die Ständer vom Spielhahn, sonst gleichen sie dem Fasan und auch in den Stoßfedern, welche aber kürzer sind.


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