Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

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II. Federwild.

Der Auerhahn.

Die wilden Hühner haben ihren stattlichsten Repräsentanten am Auerhahn (Tetrao Urogallus). Es ist nicht nur die Größe die ihn auszeichnet, und die der eines Truthahns fast gleichkommt, oder sein Federbart am Kinn, sondern auch eine gewisse würdige Haltung unterscheidet ihn von anderem Volke. Der Spielhahn ist ein Windbeutel dagegen, schlank und flink und aufgelegt zum Trillern und Tanzen, der Fasan ein eitler Geck, der mit seiner schimmernden Uniform der Himmel weiß was sich einbildet; Haselhühner und Steinhühner buntscheckige Sonderlinge, die jedenfalls zu den kleineren Göttern zählen; kurz der Auerhahn überragt Alle seines Geschlechts und wurde und wird daher noch überall zur hohen Jagd gerechnet. Es ist ihm wenig daran gelegen die Menschen zu sehen oder von ihnen bewundert zu werden und wäre die Liebe nicht, die selbst Männer von dreifacher Philosophie um's Herz an der Nase herumführt, es könnte kaum von einer Auerhahnjagd die Rede seyn. Aber die Liebe, die schon so viele Sänger geschaffen, sie bestimmt auch unsern ernsten Auerhahn zu einem Falzgesang, den er im April in der mystischen Stunde da die Sterne erbleichen und der Morgen graut, anhebt und zwar mit einer eigenthümlichen elegischen Färbung wie kein anderer Vogel. Und dieses Lied ist so oft sein Untergang, denn er verräth sich damit dem lauschenden Jäger und macht ihm das Anbirschen möglich. Man sieht daraus und weiß es auch anderwärts, daß das Falzen mitunter seine gefährliche Seite hat.

Der Auerhahnfalz oder so genannte Jagd ist mit mancher Beschwerlichkeit verbunden aber auch von besonderen Reizen begleitet, um deren Willen sie sogar der Verfasser der Tunisias und Rudolfias, der Erzbischof L. Pyrker besungen hat:

»Der Auerhahn, der Auerhahn,
Der lockt mich nach den Höhen;
Doch will ich dort mit Vortheil dran,
So heißt es früh aufstehen!
Der Auerhahn, der Auerhahn
Ist selten zu ersehen! &c.«

Beim Mondschein vor Tag geht es in die waldigen Gründe oder im Fall der Himmel trüb zündet man eine Fackel an bis man in die Nähe des Falzplatzes kommt. Da geht der Weg oft zwischen alten Bäumen hindurch, die sich in der Beleuchtung der brennenden Späne phantastisch ausnehmen oder er führt in einen Filzgrund mit verkrüppeltem Krummholz, welches einen in seltsamen Gestalten anschaut und die Stimmung wird eine mehr und mehr gespannte, denn von Zeit zu Zeit lauscht man in die Nacht hinein nach dem Falzruf, um den sich der Jäger vielleicht noch mehr sehnt als die Henne der er gilt. Dabei taucht mancherlei Besorgniß auf, daß der Hahn etwa nicht Lust habe zu falzen, welches öfters geschieht. Sowie nun aber aus der dunklen Wildniß das Schnalzen ertönt und das leise Wetzen, da rührt sich das Jägerblut, da ist alle Aufmerksamkeit auf das Anspringen während des Wetzens oder Schleifens gerichtet. Man springt dabei meistens nur zwei Schritte vorwärts und steht dann wieder regungslos bis das Schleifen abermals beginnt. Wenn der Hahn frisch und aufgelegt ist, so folgen Schnalzen oder Schnackeln, welches immer schneller geht bis zum Haupt- oder Hochschlag und dann das Schleifen fast ganz regelmäßig aufeinander, so daß man gleichsam auf den Takt springen und stehen kann. Wenn der Hahn aber launisch ist und nicht gut aufgelegt, so schnackelt er oft lange einzelnweise fort, bis der Falz in Gang kommt und hat man dann beim Springen zufällig eine unbequeme Stellung bekommen, so ist das Stillstehen kaum auszuhalten. Wenn man glücklich bis auf Schußweite angesprungen ist, so hat man nicht selten noch seine Noth, den Hahn zu sehen, denn besonders auf Tannen steht er oft auf einem dicht verwachsenen Ast oder im Gipfel des Baumes, so daß man wieder wegspringen und um den Baum herumspringen muß bis man schießen kann, oder es ist noch zu dunkel und dann besser wenn man nicht zu nahe herangekommen, denn ob der Hahn auch während des Schleifens gleichsam blind und taub ist, so ist er vor und nach demselben sehr aufmerksam und steht ab sowie er das geringste Verdächtige bemerkt. Wenn er dann nicht zufällig in der Nähe wieder aufbaumt und falzt, so ist er an demselben Morgen meistens nicht mehr zu bekommen. Wenn aber der Schuß glückt, wenn es fallend herunterrauscht durch das Gezweig und schwer auf den Boden plumpt, wenn man ihn hat den acht sogar bis zwölf Pfund wiegenden Vogel und der erste Morgenstrahl läßt ihn beschauen als einen vollwichtigen alten Pechhahn, dann ist es wohl lustig und steckt man gerne die schönen schwarzen am Ende weiß gespreckelten Schaufelfedern auf den Hut.

Auch Abends falzen sie nicht selten und man stellt sich dann in die Nähe der Bäume wo sie einzufallen pflegen.

Die Falzzeit (Balz-Palz-Zeit) beginnt mit dem Knospen der Rothbuchen und dauert bis Anfangs Mai, bis das Laub herauskommt, daher bei uns das Sprüchlein: »Buachlaab 'raus, Ho' falz' aus.«Wildungen hat den April Auerhahnmonat genannt. Die ganze waidmännische Monatstaufe dieses Hauptjägers ist folgende:

Man schießt die Auerhähne gegenwärtig meistens mit starken Schroten, in früherer Zeit wurden auch eigene Auerhahnbüchsen gebraucht, welche oft sehr zierlich mit eingelegter Arbeit in alten Gewehrkammern zu sehen sind. Außer der Falzzeit kommen die Auerhähne selten zu Schuß, bei uns werden sie zuweilen bei einer Treibjagd auf Hirsche oder Gemsen geschossen, früher aber, wo für alle Zweige der Jagd an Hege und Schonung mehr geschah als gegenwärtig, wurden die Auerhähne auch vor dem Hund geschossen. Man hatte dazu eigens dressirte kleine Hunde, welche den Auerhahn aufstöberten, da er dann aufbaumte. Der Hund verbellte ihn und die Aufmerksamkeit des Hahns war ganz auf diesen gerichtet, so daß sich der Jäger anbirschen und schießen konnte. Diese Art zu jagen wird in Schweden noch geübt. Die Auerhahnbeller dienten in gleicher Weise für Fasanen und Haselhühner.

Junges Auergeflügel wird bei uns nicht geschossen oder nur zufällig. In Norwegen wird im August Jagd darauf gemacht. Man jagt die Ketten aus dem Haidekraut wo sie gerne liegen, mit dem Hund auf, nimmt dann diesen wieder zu sich und lockt die Henne, indem man den Ruf der jungen Vögel nachahmt. Wenn diese geschossen ist, werden ebenso die Jungen herbeigelockt. Diese Jagd und Jagdzeit heißt: »Föstrezeit« (föstre = auferziehen).Europa. 1857. 20.

Die Liebe und Sorgfalt der Auerhenne für ihre Jungen ist bekannt. Kommt man in die Nähe wo die Jungen liegen und die alte Henne fürchtet Gefahr, so läuft und flattert sie am Boden weg, um die Aufmerksamkeit des Nahenden auf sich zu lenken und dabei stellt sie sich als wäre sie angeschossen und könne nicht recht vom Fleck. Ich habe solches Manöver öfters zu Anfang Juli, wo die Jungen die Größe eines Rebhuhns haben, beobachtet.

Ein Auerhahn ist in der Falzzeit zuweilen sehr zerstreut, welches Einige auch verrückt nennen, und manchmal kann man sich ihm am hellen Tag nähern und ihn mit aller Bequemlichkeit vom Baum schießen, ob aber die Zerstreutheit so weit geht, daß er, wie Fälle erzählt werden, auch ohne zu falzen nach einem Fehlschuß aushalte und gleichsam auf sich »fleckeln« lasse, darüber kann ich nicht urtheilen; bei den bayerischen Auerhähnen ist dergleichen meines Wissens nicht gebräuchlich.

Ueberhaupt werden von diesem Vogel viele seltsame Geschichten erzählt. So fiel es 1840 im Steigerwald einem ein, sich in den Orten Koppenwind und Neudorf zu den Haushühnern zu gesellen und den armen Gockel der ihn wegweisen wollte, gewaltig abzuraufen und so trieb er es öfters bis ein Schuß der Verirrung ein Ende machte. So liest man, daß ein Auerhahn im Schlesischen 1828 wiederholte Versuche gemacht habe, den Jäger »anzunehmen« und so jedermann, der seinem Standort nahe kam. Sogar die Pferde der Forstbediensteten fiel er an. Dergleichen Vorkommnisse erhöhen immerhin das Interesse der Jagd, denn gibt es wüthende Füchse, warum soll's nicht auch wüthende Auerhähne geben und erlebt auch unter hundert Jägern nur einer ein solches Abenteuer, so könnte man eben doch dieser eine seyn.

In Bayern kommt Auerwild fast überall längs des Alpengebirges vor, nach der Ebene zu und soweit das Hochholz hinauf reicht. Gute Stände sind im Allgäu (auf den Jagden des Prinzen Luitpold) in den Revieren Burgberg, Fischen, Immenstadt &c., ein sehr guter Stand bei Ettal, Partenkirchen, Riß, Altlach (Hochkopf), Hohenschwangau, Buching; in der Gegend des Ammersee's, um Diessen, Reisting, um Gimmenhausen und Wessobrunn; in Berchtesgaden und Ruhpolding. Weniger zahlreich sind sie im bayrischen Wald, dagegen ziemlich verbreitet im Forstamt Tirschenreuth und Bruck in der Oberpfalz, im Nürnberger Reichswald, in Unterfranken in den Revieren Framersbach, Burgwallbach, Steinach, im Spessart, Heinrichsthal, Heßberg &c. (260 Stück.)

In der Pfalz war vormals der Auerhahnfalz um Johanniskreuz berühmt und bestanden zum churfürstlichen Aufenthalt während der Falzzeit die Jagdschlösser »Breitschied« und der »Speckheinrich.« Noch gegenwärtig ist der Stand gut.

Im Revier Ettal werden jährlich 6–8 alte Hähne, um Partenkirchen 16–20 auf dem Falz geschossen; im Revier Buching schoß vor einigen Jahren ein Jäger elf Hähne auf demselben Falzplatz. Da die alten Auerhähne die jungen sehr heftig bekämpfen und versprengen, so hat man sie besonders auf's Korn zu nehmen, um den Stand gut zu erhalten.

Berühmt war schon im 16. Jahrhundert der Auerhahnfalz im Nürnberger Reichswald und im Kohlwald im Fichtelgebirg. Es wurde sehr auf die Hege gehalten und ein Mandat von 1551 unter Herzog Albrecht V. befiehlt, das Fangen der Auerhennen »Haselhuhnen« &c. auf drei Jahre lang einzustellen. Daß man viel auf dieses Federwild hielt, beweist auch eine Urkunde von Churfürst Friedrich, Herzog in Bayern, welcher 1547 dem gelehrten Mathematiker und Astronomen P. Apian, Professor an der Universität zu Ingolstadt, das Recht ertheilt, auf seinem Gut Itlhofen in Mittelfranken, Bären, Hasen und Füchse zu schießen, zu jagen und zu fangen, auch Vögel, jedoch mit Ausnahme des Auer- und Spielgeflügels. Die Herzoge besuchten auch oft Tölz, um dergleichen Federwild zu schießen und waren die Gaisacherberge berühmt dafür. Vom Churfürst Karl Albrecht findet sich angegeben, daß er 1735 am 14. April eine Auerhahnjagd bei Neuburg am Wald in der oberen Pfalz gehalten und 1738 eine dergleichen mit der Churfürstin am 15. April bei Pruck in der oberen Pfalz.

Noch gegenwärtig wird der Auerhahnfalz von Zeit zu Zeit vom regierenden König und von den Prinzen in der Gegend von Weilheim, Diessen, Sonthofen &c. begangen und im heurigen Jahre (1858) besuchte der König wieder die alten Stände im Lorenzerforst bei Nürnberg, welche noch immer vorzüglich sind. S. M. schoß einen Hahn, der über neun Pfund wog und einen andern auf dem Hochkopf am Wallersee, wo ebenfalls ein guter Falzplatz, die Jagd aber wegen des zur Falzzeit gewöhnlich noch liegenden Schnees beschwerlich ist.

Im vorigen Jahrhundert wurde der Auerhahn als Jagdstück besonders hoch gestellt und manchmal sogar dem Hirsch gleichgeachtet.

Einer der glücklichsten Schützen auf dieses Wild war wohl August III. von Sachsen. Er schoß im Jahre 1745 und 1749 einmal in zwei Tagen sechzehn Auerhähne, ein anderesmal erlegte er während der ganzen Falzzeit gegen fünfzig derselben in den Forsten zu Torgau, Elsterwerda, Dobrilugk und bei Okrylle. Wahrscheinlich wurden dabei auch mehrere Hähne vor dem Hund geschossen.

Zu ähnlichen Resultaten läßt sich, abgesehen davon, daß es an Wild nicht fehlt, nur gelangen, wenn die Umstände gestatten bei der Nacht zu schießen. Ich kenne einen Jäger, der bei Kleinarl im Lungau auf einen Gang fünf Auerhähne schoß; davon schoß er aber drei noch ehe der Tag graute, da sie auf lichten Buchen standen, wo die Aeste das Sehen nicht hinderten. Auf Tannen ist es in der Dunkelheit selten möglich, den Hahn gehörig zu erkennen und man kann schon zufrieden seyn, wenn man an einem Morgen auf zwei Hähne zu schießen kommt. Der Kaiser von Oesterreich hatte im heurigen Jahre (1858) das seltene Glück an einem Morgen in Reichenau vier Hähne zu schießen und einen fünften am Abend desselben Tages.

Der Churfürst Clemens August von Cöln, überhaupt ein leidenschaftlicher Waidmann, war ein großer Freund vom »Auerhahnpfalz« und erließ 1755 ein Mandat, daß sich Nichtberechtigte alles Schießens und Fangens der Auerhähne bei willkürlicher Strafe und seiner höchsten Ungnade enthalten sollten, zu den Berechtigten aber versieht er sich in Gnaden, daß dieselben »Uns zu unterthänigsten Ehren« die Auerhahnen möglichst verschonen und eher auf deren »Vermehr als Schreck und Vertreibung« bedacht seyn werden.S. Seibertz. Das westphälische Jagdrecht. S. 222.

Mit besonderem Glanze wurde bis 1827 der Auerhahnfalz seit mehr als hundert Jahren auf der Herrschaft Malwitz in Schlesien gefeiert. Es versammelten sich hier jährlich die Ritter eines Auerhahnordens, dessen Ordensmeister der jeweilige Besitzer der Herrschaft war. Man vertheilte sich auf drei bis vier Meilen weit, ging am Morgen auf den Falz und kam Mittags wieder zusammen, um sich die Jagderlebnisse mitzutheilen. Das Ordenszeichen, welches bei besonderen Feierlichkeiten getragen wurde, war ein silberner Auerhahn am grünen rothgesäumten Bande. Im Jahre 1827 war Ordensmeister der Graf zu Dohna.Jäger-Lexikon von Hellrung.

An der Bergstraße und auf dem Schwarzwald sind gute Auerhahnstände. Der jetzige Großherzog von Baden ist ein großer Freund dieser Jagd. In Böhmen ist der Stand mitunter ausgezeichnet und ein Bericht vom heurigen Jahre gibt an, daß in den Fürstenbergischen Waldungen die Fürsten Max und Emil zu Fürstenberg und der Graf O. Lichnowsky während der Falzzeit in einigen Tagen 24 Auerhähne und 45 Spielhähne erlegt haben (dazu noch einige Haselhühner und Waldschnepfen nebst 4 Rehböcken und 8 Füchsen).Hugo. Jagdzeitung. Aehnliche gute Auerhahnstände finden sich in Oberösterreich auf den fürstlich Stahrenberg'schen Besitzungen und auf den kaiserlichen Jagden schoß der Kaiser selbst 34 Auerhähne.

Trotz seiner Größe und Ansehnlichkeit ist der Auerhahn doch niemals hoch bezahlt worden, denn in der That ist er lustiger zu schießen als zu essen und besonders ein alter Hahn bedarf eines sehr gewandten Kochkünstlers, Vergrabens in der Erde und allerlei Proceduren, um genießbar zu werden. Die Stoßfedern lassen sich zu schönen Fächern fassen.

Um 1796 kostete ein Auerhahn 2 fl. 24 kr., gegenwärtig im Münchener Zwirchgewölb nur die Hälfte. Es sind dahin von 1841 bis 1845 durchschnittlich per Jahr 26 Auerhähne geliefert worden.In den Rechnungen des Münchner Zwirchgewölbs von 1751–55 sind nur 9 Auerhähne angegeben. Die Klosterrechnungen von Tegernsee geben von 1734 bis 1786 jährlich im Durchschnitt 4–5, selten bis 10 Auerhähne an. Im Spessart kostet ein Auerhahn gar nur 48 kr. Im Salzburgschen findet sich 1785 für die Auerhenne der Name »Bramhenne« und kostete das Stück damals 50 kr.


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