Franz von Kobell
Wildanger
Franz von Kobell

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Die Gemsjagd.

Wer je in Gebirgen gewandert ist, und wem es je das Herz dort erhoben, wenn der stille Morgen heraufzog und die Gipfel röthete wie mit blühenden Rosen, oder wenn der Mond in die Nacht der felsigen Schluchten sein Licht ergoß, und nun plötzlich die Steinwände geisterhaft in dem bleichen Scheine hervortreten, wer je die schmucken Gärten der Alpenrosen geschaut, oder die einsamen Blumen des Edelweiß – er hat bei solchen Genüssen gewiß auch des Wildes gedacht, der kühnen Gemsen und der stolzen Hirsche, oder eines verwegenen Bären oder Luchses, und ob Jäger oder nicht, er mußte, mein' ich, unwillkürlich eines gewissen Schwärmens um das edle Waidwerk theilhaftig werden.

In der That, wie viel der Poesie verschwände aus jenen Höhen, wenn wir sie mit der Gewißheit betrachteten, dort lauscht kein Hirsch mehr nach dem Zug des Windes, dort stößt keine Gemse mehr den sausenden Stein von der Wand, dort tanzt kein Spielhahn mehr, wenn die schöne Frühlingszeit kommt und schweigt der Wald vom Falzgesang des Auerhahns, dort rührt sich kein Wild und kein Waidmann, grast nur das Rind und geht nur der Hirte und Holzknecht.

Es gibt Menschen, die einen mächtigen Baum nur bewundern, weil sie ihm die vielen Klafter Holz ansehen, die er liefern kann, die bei jeder frischen Quelle, welche sie labt, ausrufen: hätte ich den Sprudel in Paris, was hat man dort für den Brunnen von Grenelle bezahlt mit seinem elenden Wasser, was bezahlte man mir für solchen Trunk! die jeden Felsen fragen: versteckst du keine Erze, keine Steinkohlen und die nur an's Goldwaschen denken, wenn sie einen wilden Strom die blinkenden Kiesel dahinrollen sehen. Diese liebenswürdigen Geschöpfe fürchten die Poesie, welche so viele ihrer Pläne bekämpft und verdirbt, wie der Teufel einen Engel, und hätten sie längst umgebracht und vernichtet, wenn ihnen die Gewalt dazu wäre. Die Jagd gar ist ihnen ein Gräul schon deßwegen, weil man sein Kapital auf einen Hirsch nicht so sicher anlegen kann als auf einen Ochsen, und was ginge denn über das Kapital und seine lieben Kinder, die Zinsen!

Es findet aber jeder sein kleines Paradies auf dieser Erde, und so mögen jene Denker das Ihrige in einer Seifensiederei oder Stearinfabrik, in Guano oder Braunkohlen suchen und finden, Wild und Waidwerk aber den leichtsinnigen Schwärmern überlassen, die es dann sich selbst zuschreiben müssen, wenn sie in's Verderben rennen.

Doch wir haben uns schon im Eingang dieses Buches genugsam bei derlei Betrachtungen verweilt, die Jagd blüht noch in unserem Hochland, also freue sich dessen, wem der Himmel die Gunst solcher Freude geschenkt hat.

Die charakteristische Jagd der Berge ist aber die Gemsjagd.

Wenn man sich in der Geschichte dieser Jagd umsieht, so bemerkt man mit Verwunderung, daß in den alten Zeiten, wo man von Zündkapseln noch keine Ahnung hatte, und ein Zillerthaler-Granat am Radschloß das Feuer sprühte, daß damals in vielen unserer Alpen nur sehr wenig Gemsen vorhanden waren. Und doch hatte mancher Wald noch keine Axt gesehen, war kein Gelauf von Touristen, Malern, Badgästen und Volksbeglückern, war die Wildniß noch ungebrochen und nach Gefallen wuchernd. Diese Erscheinung ist zum Theil dadurch zu erklären, daß die Gemsen in den schönen Ständen Tyrols noch nicht wie die Wölfe verfolgt, sondern zu Maximilian I. Zeit gut gehegt wurden, also die Voralpen nicht aufsuchten, zum Theil mögen aber auch die zahlreicheren Raubthiere Luchse, Bären und Gemsgeier Ursache gewesen seyn. In den Jagdrechnungen des 16. Jahrhunderts kommen dergleichen zwar wenig vor, aber wahrscheinlich nur, weil man mit dem Fangen und Schießen nicht so umgehen konnte wie später. Die Tegernseer Klosterrechnungen z. B. verzeichnen von 1568–1580 keinen Luchs und nur 2 Bären, auch keine Gemsgeier, die Zahl der in diesen 13 Jahren gelieferten Gemsen betrug gleichwohl nur 16 Stück.

Um dieselbe Zeit finden sich in den Rechnungen des Klosters Benediktbeuern bis 1600 nur 8 Gemsen und erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts kommen auf das Jahr gegen 8 Stück. Auch da ist kein Luchs erwähnt, auch kein Bär, obwohl es daran nicht gefehlt haben wird.

Ein weiterer Grund für das seltenere Vorkommen der Gemsen lag darin, daß die Jagd an manchen Orten freigegeben war und heißt es z. B. in den Rechten der Grafschaft Werdenfels von 1431: »Am Kramer (Berg bei Garmisch) darf jedermann jagen Gämsen, Hasen, Hühner, Bären, Schweine und Eichhörner, Rothwild und das rothe Federwild ausgenommen.« Ueberhaupt ist im 15. und 16. Jahrhundert, einige Plätze ausgenommen, in unserem Alpengebirg wohl ziemlich willkürlich und ohne Aufsicht in der Jagd gewirthschaftet worden.

Wie man damals Jäger bestellte und das Jagdrecht vergab, erhellt aus einem Vertrag, gemäß welchem das Kloster Tegernsee 1506 einen Hönnsl Smid von Rotach und Jörgen Messerer von Egern zu dem »Gämbs vnd Reyßgejayd« bestellt. Es heißt darinn »vnd süllen vns järlich zu Zins geben zwen Füx.

»Item als offt Sy ainen gämbß fahen süllen Sy vnns den anpieten, vnd wellen wir den kauffen, süllen wir jn dafür geben vj β θ vnd ain Suppen.

Item der gleichen auch allemal ain Fux darfür ij sexer,

Itx allemal für ain mader auch ij sexr

Itx ain Lux für iiij sexer

Itx ainen Dax für vij krx

Itx ainen Hasen für iiij krx

Ob wir aber der Stuckh ains oder mehr nach Irem ansagen nit wollen von jn käuflich annemen mügen Sy dy weiter wo Sy wollen verkauffen. –« Es wird noch weiter besonders bemerkt, »dy Suppen geben wir allain zu dem gämbs.«

Von einem geregelten Abschießen, Schonen der Gembsgaisen oder dergleichen ist keine Rede.

In der Jagdordnung von 1551 unter Herzog Albrecht V. heißt es »dem Leindl, Ueberreiter zu Marquartstein, auf die Gämsen zu sehen zu befehlen, und ihm jährlich Besoldung zu geben 4 fl.Der damalige Goldgulden galt nach heutiger Münze ungefähr 3 fl. 34 kr.; 1 β (Schilling) = 30 kr.; ein Pfenning war nahezu = 1 kr. In den Rechnungen sind meistens Goldgulden gemeint. Westenrieders Beiträge. B. 6. 1 Kleid über's andere Jahr.«

Die bayrischen Herzoge kümmerten sich im Ganzen persönlich nicht viel um die beschwerlichen Gemsjagden, die nicht lohnend waren, und hatten im ebenen Lande des Waidwerks in Ueberfluß mit Hirschen und Sauen.

Anders war es in einem Theil von Steyermark und Tyrol, wo Kaiser Maximilian († 1519) zu dieser Jagd eine besondere Neigung zeigte. Er ließ die Gemsen überall hegen, und wie im Weiß-Kunig erzählt wird, waren einmal im Thal Smyeren in Tyrol über 600 Gemsen im Jagdbogen und wurden 183 gefangen. Dieser ritterliche Waidmann hatte auch alle Eigenschaften, um solche Jagd nach Lust treiben zu können. Körperlich stark und kühn war er ein trefflicher Schütze und Steiger, dabei »gar fürsichtig« und wie sich von selbst versteht »hat er kainen swyndel in seinem Haupt nit.« Er stieg gern auf hohe Thürme und stand oft nur mit halbem Fuß auf dem Mauerrand, den anderen Fuß in die Luft hinaushaltend, so auf dem Ulmer Münster. – Er jagte im Innthale, am Höllkopf, im Steinacher Thal, am Achensee und Heiterwangersee, wo er die Gemsen und Hirsche in den See sprengen ließ, und wenn gerade nichts zu schießen angeschwommen kam, fischte. Von einer solchen Fisch- und Jagdparthie heißt es in seinem Jagdbuch:

»Herr Caspar Hebst hatt gesehen, das der gros Waidman mit andern fursten, Grauen vnd Hern hatt gembsen geJagt an aim pirg, genantt am schocks, auff Wellichem pirg, Nahendt vnder den gembsen, da ist ain klainer se, voll mit klainen Visch, phrillenn, vnd ee als das gejaidt angieng, da vischten die Edlewtt nach den Phfrillen mit aim pern, der gar vill warn. also warden die gembssen gegen dem se gejagt vnd genott. da hielt graff Hainrich von Hardeck ain fischpern (Fischbären) fur, vnd der gembß lieff in den Vischper vnd wart also gefangen.«

Der Kaiser hat alle Abenteuer und Gefahren eines Gemsjägers bestanden, stieg in die schärfsten Wände und schwang sich am Stock über felsige Klüfte; öfters war er nahe daran von herabrollenden Steinen erschlagen zu werden, die ihm einmal den Hut vom Kopf schlugen, ein anderesmal die »beed Span-Adern« verletzten und einen begleitenden Jäger besinnungslos niederstürzten, der sich todt gefallen hätte, wenn er nicht vom Kaiser gefaßt und gehalten worden wäre. Auch ein geschossener abstürzender Gemsbock hätte ihn einmal in die Tiefe geschleudert, wenn jener nicht durch Aufprellen an einem kleinen Felsenvorsprung über ihn hinausgeflogen wäre.

»Darauff der Held ohn' Hindernuß
That auf den Gemsen einen Schuß;
So daß der Pfeil durchs Hertz hinauß
Dem Thiere fuhr und es mit Grauß
Herunder fiel, auff Ihn gerad,
Doch gab der Höchste sein Genad,
Daß dieser Gems rührt in dem Fall
Ein Stein, darum er überal
Am Berg den Helden nit berührt,
Darauß Er hat groß' Glück gespürt,
So Er hat jederzeit gehabt:
Dann hätte Ihn der Gemß ertappt,
Sammt seinem Knecht so wäre Er
Der Theuerdank, gefallen mehr
Denn hundert Klafter in ein Thal.«

Sein Abenteuer an der Martinswand ist bekannt, wo er »2 Tag und Nacht« nicht herauskommen konnte, und Abfahren auf Steinplatten, mit den Steigeisen aus dem Schnee &c. kommen im TheuerdankDas Gedicht »Theuerdank« von Melchior Pfinzing ist von 1517. Johann Scheifelen von Nördlingen hat Bilder in Holzschnitten dazu gemacht, welchen erklärende Unterschriften beigefügt sind, die sich auf das dargestellte Faktum beziehen, welches dann weiter poetisch behandelt ist. In einer Ausgabe von 1679 ist zwar unter einem solchen Bilde das Abenteuer von der Martinswand erzählt, das Bild stellt aber ein anderes dar und ebenso das begleitende Gedicht, wie nämlich Maximilian unter Zusehen von Frauen ein Gembs in sehr gefährlicher Lage mit dem Schaft gefällt habe. Von obigem Abenteuer an der Martinswand kommt in den Gedichten des Theuerdanks nichts vor. mehrmals vor. Es ist öfters davon die Rede wie er mit dem Schaft ein Gems aus der Wand warf, wahrscheinlich aber sind damit angeschossene Gemsen gemeint, die in eine Wand eingestiegen waren, denn obwohl es nicht unmöglich ist unter günstigen Umständen ein Gems in einen Gang an einer hohen Wand zu zwingen, wo es nicht weiter kam, so ist doch sehr unwahrscheinlich, daß sich in einem solchen Fall ein Jäger mit einiger Sicherheit seines Lebens anbirschen kann, wenn er nur einen Wurfspieß als Jagdwaffe hat.

Von einer solchen Birsch und Jagd heißt es im Theuerdank:

    »Der Held steigt Berg und Felsen an
Mit Hilff seines Schaffts, so gut er kan,
    Kam hoch, an eine jähe Wand,
Allwo ein Gäms hielt seinen Stand,
    Den Gämsen solt wol keiner kriegen,
Weil niemand je so hoch gestiegen,
    Der Theuerdank hielt es für Schand,
Wo er den Gämsen aus der Wand
    Nicht werffen solte doch, so gar
Gantz unerachtet der Gefahr,
    Setzt er dem Gämsen hefftig zu,
An einen Ort, da er den Schuh
    Gar schwerlich setzt, an einer Wand,
Weil er sonst keinen Platz mehr fand;
    Der eine Fuß schwebt in der Lufft,
Weil sonst kein Raum mehr bei der Grufft,
    Stach d'rauf das Thier mit seiner Stang,
Es fehlte nicht zwei Finger lang,
    Daß, da er einen Schwank jetzt nam,
Der Held nicht um das Leben kam,
    Doch hat das Glücke nicht gewolt,
Daß er auff dießmal sterben solt.«

Im Jahre 1495 schreibt Maximilian an seinen Vetter, den Erzherzog Sigmund von Tyrol in ächter Waidmannslust:

Wir »haben den Tag zu Wurms auf dem Rein gekurzt vnd den in daz gepirg zu den wilden gaemsen gelegt« und ladet den Erzherzog »zu dem vngeheuren gemsgejaid in dy nechent ein« (wahrscheinlich in die Nähe von Innsbruck). Dazu seyen viele deutsche Fürsten geladen und heißt es weiter: »Ich hoff zu gott, daz solche hörner da erlauten werden, vnd so maniger wilder waidgeschrey daz das den Turken vnd allen andern pössen kristen Ier oren erschellen werden.«

Es sind erst vor kurzem Aufzeichnungen von des Kaisers eigener Hand (aus der Wiener Staatsbibliothek) durch G. v. KarajanIn dem oben erwähnten Jagdbuch. mitgetheilt worden, welche die Gemsjagd betreffen und gewiß liest sie jeder Waidmann mit Vergnügen. Es heißt darin unter andern von der Kleidung und Ausrüstung:

Item: Grab (grau) vnd gruene klaider solstw haben; halb grab, halb grien gefiertlt. Zw Hierschen vnd gembsen ist die pest farb.

Item: Dw folst Erlich (tüchtige) fuesEyssen haben am Ersten, mit sex Zuecken –

Item: Dw solst allzeitt zwiffach Schuech haben; dar zw vier layst (Leisten), wan dw an das gepirg gest vnd In schne, das die Schuech nas werden, das man sy yber die layst schlach vnd die Trucken herfur uemb. Die schuech sollen mitt Riemen gemacht werden, das die stain nitt darin sallen.

Item: Du solt dir alzeitt aiu Hiern Hauben In aim Waid asser (Waidsack) lassen nachtragen, so dw In die pirg gest vnd die Huntt die stain lassen lauffen, fur das schlahen. Dergleichen ain guett Gesayll (Seil).

Item: Du solst dir lassen machen ain leibrechkell (Reibröckl) mit abgeschnitten Ermblain, woll weitt vnd mitt einer kurtzen schos, ain benig yber die waych. Das wamas vnd Reckll soll hoch sein am Hals, wann dw durch die Zunckhen schleufft, das Es dir nitt in Rucken vall. In der von Karajan gegebenen Uebersetzung heißt es »wenn du durch die Felsenriffe schliefst,« mir scheint daß mit »Zunckhen« die Laatschen gemeint sind, welche noch gegenwärtig in Tyrol und theilweise auch bei uns »Zundern« heißen. Es werden ferner angegeben zweierlei Handschuhe, wollene Socken oder Strümpfe, die im Schnee über die Schuhe und Hosen anzuziehen, leichte und warme Hüte und Kappen, die »hurnan (hörnerne) armbrust« für den Winter und der »stechlan pogen« (Stahlbogen) für den Sommer, ein breiter Degen, Tillmesser und Horn mit hellem Klang, dann die Schäfte, welche dritthalb bis vier klafter lang seyn sollen. Klafter ist hier offenbar ein kleineres Maß, als wir unter diesem Namen kennen.

Der Kaiser warnt vorzüglich vor den herabrollenden Steinen:

»Vor allen Dingen soll Dier; Hertzog von Oesterreich, verpotten sein, In Rissen vnd vnder die wendt zw gen, da die stain herab lauffen. Das ist das fercklchist (gesährlichste), vill mer weder das fallen, so sy komen, so offt vnd an seltzam ortten, von den Hunden vnd Jegern, das ainer seins lebens nit sicher ist.« Daher soll auch der Fürst beim Ansteigen der erste vor seinem Gefolge, beim Heruntersteigen aber der letzte seyn. Das Jagen auf die Gemsen begann gewöhnlich am frühen Morgen, denn es heißt: »So dw an die gejaidt wildt oder gembssen Jagen, so Muestw gewondlich zw dreien Vren (3 Uhr) auff sein, das dw zuuor Mes horst (die Messe hörst) und ist (essest). Guten Imbiß und Wein mitzunehmen wird empfohlen, auch ein verlässiges Saumroß.

Das Hegen der Gemsen in Tyrol, ebenso wie des Kaisers Jagden mußten immerhin unsern Grenzbergen Gemsen zuführen, wie gegenwärtig umgekehrt geschieht, der Stand blieb aber im Allgemeinen gering, nur um Hohenschwangau scheint er gegen Ende des 16. Jahrhunderts ziemlich gut gewesen zu seyn.

Landau erwähnt, daß 1572 der Landgraf Wilhelm von Hessen vom Herzog Albrecht Gemsen zugeschickt erhalten habe und ebenso 1591 deren 10 Stück vom Pfalzgrafen Wilhelm zu Landshut, welcher weiter viele, besonders um Hohenschwangau, fangen ließ und eine zweite Sendung machte, wo aber die meisten auf dem Transport erlagen und nur 11 lebend übrig blieben. Die erste Sendung war im Juni erfolgt und der Pfalzgraf entschuldigt sich, daß er nicht die gewünschte Zahl von 24 geschickt. Aber sie seyen in dieser Jahreszeit gerade am schwächsten und von 40 im Herabtragen von dem hohen Gebirg in Folge des warmen Wetters 30 erstickt.

Der Erzherzog Ferdinand von Oesterreich jagte 1591 mit seinen Gästen, dem Herzog von Mantua und dem Erzherzog Hoch- und Deutschmeister Maximilian am Plansee, um Schwangau, im Lechthal und bei Nesselwang, wo er mit Hülfe des Revierjägers Conrad Rief und seiner Brüder den Meisterschuß that auf eine hoch einsteigende Gemse, wofür er die Begleiter reichlich belohnte.

Albert VI. von Bayern hielt im Jahre 1617 in Berchtesgaden eine Gemsjagd mit seinem Bruder Ferdinand II. Churfürst von Köln.

Einer Gemsjagd in Hohenschwangau ist auch 1671 erwähnt, welche Ferdinand Maria gehalten hat.

Auch auf dem Untersberg wurde um jene Zeit (1665) von dem Fürstbischof von Salzburg Guidobald dem Kaiser Leopold I. eine Gemsjagd gegeben »allda an einem hierzu von der Natur einem Schau-Platz nit vngleich, vnnd gar bequemlichen Ort zwischen 2 hohen Steinwänden 16 Gämbs einklopfft, auch oben und vnten mit Plachen gespörrt worden: da Ihr Maj. mit allergnädigsten Vergnügen etliche Gämbs geschossen, vnd vier lebendig gefangen worden.Fr. Dückher, Saltzbug. Chronica 1666.

Ich habe oben der gemsfeindlichen Raubthiere gedacht, und wird von den Luchsen, Bären und Wölfen in besondern Kapiteln noch die Rede seyn, nur von den Gemsgeiern (Gypaëtos barbatus) will ich anführen, daß sie im 17. Jahrhundert zahlreich vorhanden waren. Es geht dieses aus der Angabe auf einer Tafel von 1650 in St. Bartolomä am Königssee hervor, wo zwei dieser Riesenvögel in natürlicher Größe abgebildet sind. Es heißt dort, daß Hans Duxner allein 127 derselben erlegt habe und ebenso besagt ein schön zu lesendes Gedicht von 1675, welches ich bei der Bärenjagd ausführlich mittheilen werde, daß der Jäger und Fischmeister Urban Fürstmüller 43 Gemsgeier und seine beiden Söhne deren 31 erlegt haben. Den Steinadlern ist wohl auch ihr Antheil geworden, sie sind zwar weniger stark als die Gemsgeier, aber doch kräftig genug, wenigstens ein Gemskitz zu rauben, wie ihre Horste noch heutigen Tags hinlänglich beweisen.

Die Gemsgeier sind gegenwärtig große Seltenheiten geworden und scheinen nicht mehr in unseren Bergen zu horsten. 1855 wurde einer im Königsseerevier (Berchtesgaden) geschossen. Die Steinadler (Aquila chysaëtos) aber kommen fast am ganzen Alpenzug vor, besonders im Berchtesgadnischen, im Wimbachthal, im Eis, auf der Schreck &c. kann sie der Jäger oft beobachten und werden fast jährlich einige geschossen, meistens im Winter bei einem eingegangenen Gems oder Stück Wild oder bei einem eigens zu diesem Zweck gelegten Aas. Die Jungen werden auch, wo es möglich ist, aus dem Horst genommen, wobei der Ausnehmende meistens an einem Strick über eine Felsenwand hinuntergelassen werden muß. Im Allgäu bei Obersdorf, im Oythal, geschah dieses Ausnehmen fast alle Jahre und war zugleich eine Art von Volksfest geworden, in neuester Zeit aber schießen und fangen die Jäger die Adler, die dort in zwei Wänden horsten, wie sie dieselben bekommen können.

Bei manchen Adlern beträgt die Spannweite der Flügel 8 Fuß.

Im vorigen Jahre (1857) erlegte der Graf Max Arco drei Steinadler, einen im Winter am Obersee in Berchtesgaden und zwei im Juni am Untersberg in der Nähe der Gurrenwand etwa zwei Stunden von Hallthurm. Die letztern waren Männchen und Weibchen und hatten ein Junges. Der Horst war in einer Höhle an jener Wand. Mit diesen Adlern gab es schwere Arbeit. Alles Passen auf der Wand war vergebens, in die Wand selbst und zum Horst konnte man nur durch Herablassen an einem Seil gelangen. Der Anblick der riesigen Vögel, welchen der lauernde Schütze öfters genoß, steigerte die Leidenschaft nur um so mehr, in ihren Besitz zu gelangen und er beschloß dazu keine Mühe zu scheuen und im Nothfall einen Sack voll Geduld drum zu erschöpfen. Da der junge Adler schon das Aussehen hatte bald flügge zu werden, so ließ sich Arco zum Horst an einem Seil herunter, welches oben an einem Baum und ihm um den Leib befestigt war. Er band dem Adler einen Strick um die Ständer und knüpfte ihn an einem schweren Stein fest. Dieses geschah nicht ohne heftiges Hauen des Jungen mit den Fängen. Im Horste lag ein buntes Gemenge von Knochen, Skeletten und Resten von Gemskitzen, Schafen, von einem Edelmarder &c. Mühesam wurde nach einem Stand geforscht, von dem aus der ein- oder ausstreichende Adler etwa geschossen werden könne. Da fand sich eine Tanne hart an der Wand, auf deren winklich gebogenem unterem Stamm man sitzen konnte, freilich nicht sehr bequem und unter dem Sitz ging die Wand bei 700 Fuß in die Tiefe. Vom obern Rand derselben war der Baum etwa 50 Fuß entfernt und nur mittelst eines Seils dahin zu gelangen. Arco, einer meiner ältesten Jagdgefährten, mit dem ich auf den Gemsjagden manchen Adler beobachtet, hob bei Erzählung des Abenteuers, welches ich hier beschreibe, besonders die Herrlichkeit des Anblicks hervor, als er nach einigen Tagen, da er von Morgens bis Abends auf dem erwähnten Platz gepaßt, einen der alten Adler mit einem Schaf, wohl an 20 Pfund schwer, hoch in der Luft erblickte. Majestätisch kam er über den Untersberg her und stürzte dann mit eingezogenen Flügeln pfeilgerad in seiner Nähe mit solcher Schnelligkeit herunter, daß man hätte meinen sollen, es müsse ihn ein Schlag getödtet haben. Plötzlich aber am Horst breitete er die gewaltigen Schwingen aus und fuhr in die Höhle. Man weiß, daß zärtliches Familienleben gerade nicht die Sache der Adler ist, die Alten halten sich zwar zusammen, mit den Jungen geben sie sich aber nicht viel ab. Sie bringen etwas zur Nahrung und verweilen dann keine Minute lang im Horst, sondern gleich gehts wieder fort auf ihr Gejaid. Mehrmals mußte Arco die Adler so aus- und einstreichen sehen, welches mit sehr großer Geschwindigkeit geschah, bis einer über ihn wegstreichend mit einem Schrotschuß zu erlangen war. Der ging auch nicht fehl und in zwei Wochen waren beide Adler die Beute des beharrlichen Schützen. Sie sind eine Zierde des Jagdhauses »am Schorn« und der junge ist bereits zu einem stattlichen Exemplar herangewachsen. Das geschossene Weibchen hatte 7½ Fuß Spannweite der Flügel, das Männchen etwas weniger.Im ebenen Land ist der öfters vorkommende Adler, der Fisch- oder Flußadler, Seeadler, Haliaëtos albicilla. Um München werden jährlich einige geschossen.

Ein Bericht des J. Brandstätter, Forstmeister zu Hohenschwangau gibt 1726 den Gemsstand in den dortigen Gebirgen zu 150 Stück an, davon im »Saugarten« 30–40, in den »Gumpen« ebensoviel.

Den 21. Juli 1727 reiste der Kurfürst Carl Albrecht nach Hohenschwangau auf die Gemsjagd »wohin keine durchlauchtigste Fürstenperson seit 1671, da Ihro Churfl. Durchlaucht Ferdinand Maria das letztemal dagewesen, wegen des gefährlichen Gebürgs nit mehr kommen ist.«

Es wurden zwei Gemsjagden gehalten, die eine am 28. Juli und wurden 19 Gemsen »gefangen« worunter 7 lebend, die in den Thiergarten nach Nymphenburg gebracht wurden.

Am 30. Juli wurden 29 Gemsen gefangen, davon 16 Stück lebend nach Nymphenburg kamen.

Zu diesen Jagden betrug die Zahl der Treiber 550 Mann, nämlich:

vom Amt Hohenschwangau 77 Mann
" " Riedhofen 90 "
" " Trauchgau 83 "
" Kloster Steingaden 100 "
" " Ettal 100 "
" " Rothenbuch 100 "

550 Mann.

1731 war der Gemsstand in den Hohenschwangauer Jagden am Seyling und Jugend, Hirschwang, Albeskopf, Straußberg und Tegelberg, drei Maandln, Pechkopf &c. 103 Stück.

Von 1752 findet sich eine »Gämps- und Hirschjagd« verzeichnet, welche der Churfürst Maximilian III. am 8. und 9. August zu Großwayl in der Nähe des Kochelsees (wahrscheinlich am Heimgarten) abgehalten und wobei 38 Gemsen, darunter 10 Kitz, als Beute angegeben sind.

Um diese Zeit war der Gemsstand in Tegernsee im Vergleich zu 200 Jahren früher nicht sonderlich gewachsen. In 13 Jahren, in welchen damals 16 Gems angegeben sind, finden sich von 1768 bis 1782 (die Rechnungen von 1776 und 1777 fehlen) nur 29 Gemsen verzeichnet. Während aber in jenem Zeitraum wie oben gesagt, kein Luchs aufgeführt ist, sind in diesem deren 39 angegeben, also bedeutend mehr Luchse als Gemsen. 1752 war die Besoldung eines Klosterjägers inclus. der taxirten Naturalien 42 fl. 24 kr., dazu kam noch 10 fl. Holzbschau und das Schußgeld, welches wenig genug war und für ein Gembs 45 kr., in Benediktbeuren für die dem Kloster nahe gelegenen Standorte sogar nur 24 kr. betrug.

So hat z. B. der Oberjäger Adam Mayer 1760 zum Kloster geliefert

» 5 Lux
3 Hirsch
7 Reh
2 Gämbs
3 Oedlmader
7 Haasenhendl
1 Hausmader
1 Fuchs
1 Haas«

und betrug das Schuß- und Fanggeld dafür nur 20 fl. 52 kr. Die Klosterherren hielten drauf, daß ihr Wild nicht leichtfertig angeblenkelt wurde, denn ein Befehl von 1711 bestimmt:

»sollen die Schredtpixen Bei Verlust der Jährlichen Bsoldung in dem Gepürg zu tragen verboten seyn, ausgenommen auf dem Hanenfalz, Hasenpirsch und Fuchswartten.«

Der Gemsstand um Tegernsee und Schliersee hob sich erst als König Maximilian I. seinen Herbstaufenthalt in Tegernsee nahm und für hinreichenden Jagdschutz sorgte. Im Jahre 1817 wurden im sog. Peisenberg die erste königl. Zeugjagd eingerichtet und auf der Au innerhalb Enterrottach abgeschossen.

Es wurden 25 Gemsen erlegt. Im Jahre 1820 aber wurden auf einer ähnlichen Jagd in der Rasserin am Planberg (Blauberg) 100 Gemsen geschossen, aus einer anderen 1823 in den Scheeren am Wallberg 56. Bei der ersten wurde auf der Pförner-Weißachalpe, bei der letztern auf der Wallbergerau vor der Enterrottachbrücke abgeschossen.

Um diese Zeit zeigte sich auch schon der Gemsstand in Berchtesgaden bedeutend, und wurden 1821 aus einer k. Jagd im Königsthal 95 Gemsen erlegt und unter König Ludwig ebenda (1826) 61 Stück, 1827 62 Stück und im Reitl 1829 65 Gemsen.

Die Gemsen vermehren sich schnell, wenn sie der gehörigen Ruhe auf ihren Standorten genießen, denn sie sind das einzige Wild, welches von harten Wintern verhältnißmäßig sehr wenig Schaden leidet. Sie finden auf den steilen Gehängen, von welchen die LawinenVon den Lawinen und abfallenden Steinen werden manche erschlagen und ist zu wundern, daß nicht jährlich viele dadurch zu Grunde gehen. abstürzen, oder unter den Felsen und Schirmbäumen, welche den Schnee etwas abhalten, immer noch ihre Aesung, während Hirsch und Reh, zu Thal getrieben, ohne künstliche Fütterung häufig erliegen. So zeigt eine Wildstandsübersicht von Tegernsee im Jahre 1800 nur 20 Gemsen, im Jahre 1847 aber 650; eben so vom Hohenschwangauer-Leibgehege im Jahre 1828 etwa 100 Stück, im Jahre 1853 aber 12 bis 1500 Stück. Diese Vermehrung hat aber ihre Grenze, insoferne sie von der Oertlichkeit bedingt ist, denn eine gewisse Anzahl Gemsen verlangen wie jedes Wild einen Standort von einer gewissen Größe und werden ihrer zu viele, so verläßt der Ueberschuß den Platz und wechselt nach andern Bergen.Zuweilen verirren sie sich bis ins Flachland. Es sind in den letzten dreißig Jahren einige solche Fälle vorgekommen und wurde ein Gemsjährling bei Ebersberg, zwei bei Grünwald und ein Bock sogar bei Freysing erlegt. Bei gehörigem Gemsstand muß also zum Vortheil der Jagd ein bestimmtes Abschießen stattfinden.

Von 1841–45 sind ins Zwirchgewölb 598 Gemsen geliefert worden, viele werden aber auswärts verkauft. Das Jahr 1848 verlangte auch für dieses harmlose Wild seine Opfer, doch muß anerkennend hervorgehoben werden, daß die Hohenschwangauer, die Ettaler und Berchtesgadner die Excesse nicht getheilt haben, welche mitunter am Tegernsee, Schliersee, in Bayrischzell und anderwärts vorgekommen sind. Daß die Bauern im Allgemeinen eine Jagd nicht zu verwalten verstehen, und die Gemeinden selten die Kraft haben, der Willkür einiger unbändigen Bursche und Wilddiebe energisch zu steuern, ist eine nur zu bekannte Erfahrung. Auf der einen Seite ist es der Egoismus und das »was soll ich für die Nachkommen etwas thun, sie haben für mich auch nichts gethan,« auf der andern Furchtsamkeit und Gleichgiltigkeit, welche da ihre Wirkung kund geben. Wildschützen von Genie haben das selbst erkannt und wohl voraussehend, daß wenn die Gemeinde die Jagd handhaben will, in Bälde keine Schale mehr zu spüren seyn werde, weil bei dieser Regierung jeder thut, was er will (nur mit der Ausnahme, daß der schwächere dem stärkeren aus dem Weg gehen muß) so haben sie oft dafür gestimmt, die Jagden in einer Art zu verpachten, daß Jäger das Regiment führen, denn dann gab's doch Wild, wenn auch nebenher einige Widerwärtigkeiten. Das schöne Tyrol könnte mehrere tausend Gemsen hegen,v. Moll sah noch 1784 starke Rudel am Sonntagfeld im Zillerthal. Sie wurden damals sorgfältig gehegt und wurden an einer gar zu gefängigen Schlucht, wo sie für die Wildschützen leicht zu bekommen gewesen wären, Schafe gehalten und damit die Gemsen an weniger preisgegebene Orte getrieben. Von 1683–1694 war der Stand durchschnittlich 350 Gemsen in Zillerthal und Gerlos, und wurden davon jährlich gegen 40 von den aufgestellten Jägern geschossen. wäre nicht fast überall zu jeder Jahreszeit schonungslos gehetzt und geschunden worden, so aber ist der Gemsstand kaum zu nennen. Der Ruin seiner Waldungen und das Ausrotten des Enzians (mit Allem kann man fertig werden) geht aus gleichen Ursachen hervor. Es soll sich aber damit gegenwärtig wieder zum Bessern wenden.

In der Schweiz verdanken die Gemsen ihr Fortkommen auch mehr den gewaltigen Bergen als der dortigen Jägerei oder betreffenden Verordnungen. Das Geplenkel in den Thälern um jeden Spatzen, welches Tschudi rügt, träfe sie nicht minder, wenn ihre Standorte zugänglicher wären. Das Edelwild ist bereits seit 30 Jahren ausgerottet und einen Rehbock kann man auch schon als Rarität in einer Menagerie zeigen.

Soviel aus Tschudis Beschreibungen zu ersehen, schießt man eben »was Haar hat«; daß dazu ein überreicher Wildstand nicht berechtige, weiß man wohl, das Glück ist, daß nur wenige Schützen (Jäger kann man eigentlich nicht sagen) das Gemsschießen mit Erfolg treiben, weil die Gemsen bereits in das schärfere Hochgebirge zurückgedrängt sind, wo ihr bester Freund, Nebel genannt, gerne seinen Mantel schützend über sie breitet.

Glücklicherweise ist das Eigenthum an Grund und Boden, auf welchem die Jagd dem Staate gehört, in Bayern bedeutend genug um diese zu erhalten, von besonderem Werth dafür aber ist es, daß König Maximilian II. der Hebung des Wildstandes und namentlich der Gemsen im ganzen Zug unserer Voralpen hohen Schutz und Pflege angedeihen läßt. Und gerade die Gemsjagd kann ohne die leidigen Verhältnisse des Wildschadens gepflegt werden und ist ihr Gedeihen um so wünschenswerther, als das Wild überhaupt gegen früher überall abgenommen hat. Obwohl es in der Mitte des vorigen Jahrhunderts nur wenig Gemsen gab, so waren sie doch, weil an anderem Wild Ueberfluß vorhanden, sehr wohlfeil und kostete ein Gems nur 3 fl. 30 kr. bis 4 fl., ein Kitz 1 fl. 30 kr.

Gegenwärtig kostet ein Gems unter 45 Pfund das Pfund 15 kr., über 45 Pfund aber das Pfund 18 kr. wegen des höheren Werthes der Decke, so daß ein Gemsbock von 50 Pfund auf 15 fl. kommt.

Ueber das Jagen der Gemsen ist gar viel geschrieben worden und manchmal hat einer der kaum ein paar Jagden gesehen, die Feder ergriffen und je nach Stimmung und Erlebniß diese Jagd zur gefährlichsten aller Jagden gemacht, oder sie auch wieder in einer Weise dargestellt, als wäre es nicht viel mehr als ein »Klopfet« auf Hasen und Rehe.Abweichend von den gewöhnlichen Uebertreibungen dieser Art, gibt manches treu aufgefaßte Bild das Buch des Engländers Boner: Chamois Hunting in the Mountains of Bavaria. Daß diese Jagd romantischer ist, als die meisten andern, liegt in der Natur des Terrains auf dem sie sich bewegt; was aber die Gefahren des Jägers betrifft, so kommt es auf Art und Weise des Jagens und auf die Verhältnisse an, unter welchen man jagt. Wer viele Gemsbirschen gemacht hat, der wird schwerlich den Gefühlen inneren Grausens entgangen seyn, wenn er durch eine Wand oder Schlucht stieg und plötzlich ober ihm ein Steingerumpel von flüchtigen Gemsen losging, und kaum der Vorsprung eines Felsen den Leib zu decken vermochte, oder wenn er einer angeschossenen Gemse nachsteigend unversehens an Stellen kam, wo für das Mißlingen eines Schrittes oder Sprunges, der unvermeidlich gemacht werden mußte, die Folgen nur zu deutlich vor Augen lagen. Es ist dann ganz eigen, einem Stein nachzusehen, den der Fuß von der Wand löste, wie er gellend in die Tiefe fällt, und auf dem Grunde steiler Gräben in weithin geschleuderte Trümmer zerschellt. Und nun bedenke man, daß gar oft ein Jäger den erlegten Bock von dem Platz wo er verendete, nicht anders fortbringen kann, als indem er ihn auf den Rücken ladet und eine wilde Schlucht hinuntersteigt oder quer durchs Felsgehäng, und das ohne Gefährten, fern von aller Hülfe auf sich allein gestellt, auf seine Gewandtheit und seinen Muth.

Das Steigen will geübt seyn. Wer z. B. an einer Wand, in der überhaupt noch fortzukommen, in der Art heruntersteigen wollte, daß er mit dem Gesicht gegen die Wand mit Händen und Füßen sich anklammernd den Versuch machte, wie man auf einer Leiter heruntersteigt, der würde geradezu das Leben wagen, weil er die Stelle, wohin er den Fuß setzen will, nicht sieht, sondern mit diesem nur fühlt und nicht weiß, was dann weiter kommt; man hat in solchem Falle sich niederzusetzen und sitzend mit den Händen zu halten, während man hinuntersieht und die Stellen erforscht die verlässig scheinen, die Füße darauf niederzulassen und weil man nur so einen Plan des Weiterkommens entwerfen kann. Dabei ist die Büchse und der Stock oft sehr hinderlich und muß man diesen manchmal hinunterwerfen, wenn er dadurch nicht verloren geht. Man trennt sich aber nicht gern vom Stock, der eine große Hülfe gewährt und man ist oft schlimm genug dran, wenn er einem an solchen Plätzen aus der Hand gleitet und abfährt. So lange man noch etwas anzufassen hat und nicht gezwungen ist zu springen oder zu laufen, geht's noch gut, wenn aber das Anfassen nicht mehr möglich und man auf einem schiefen schmalen Grat fort muß oder durch eine Stelle in einem steilen Graben laufen oder drüber springen, dann ist es bedenklich und doch soll man nicht viel drüber denken und keine Furcht haben. Es kommen Fälle vor, wo gehen oder rutschen wollen weit gefährlicher ist, als ein paar flinke Schritte zu machen und derjenige, welcher drüber ängstlich ist, thut besser, umzukehren, wobei freilich zuweilen auch das Umkehren noch schlimmer ist, als das Weitergehen. Alles dieses steigert oder mindert sich an Gefahr unter sonst gleichen Umständen, je nachdem man allein ist oder ein Jäger vorsteigt. In solcher Gesellschaft macht man Wege mit Leichtigkeit, die drohend und schreckhaft herschauen, wenn man allein steigt. Es ist dabei nicht die Hülfe, die der Jäger gewährt, denn er kann oft gar nichts helfen, aber es ist die erlangte Gewißheit, daß der Gang überhaupt zu machen und es ist die Vorzeichnung des Weges der zu nehmen, was wesentlich ermuntert und forthilft. Steigeisen sind nur mit Vorsicht und vorzüglich auf den Graslaanen zu gebrauchen, man verwöhnt sich aber leicht damit, und ich kenne ausgezeichnete Steiger, die ein Eisen nur sehr selten an den Fuß nehmen, außer bei gefrorenem Boden oder wo es schwer zu tragen gilt. Die Graslaanen sind übrigens nur zu scheuen, wenn sie sehr steil, vom Regen naß oder beschneit oder auch wenn sie sehr trocken sind. Enden sie nach unten an einer Wand, so sind sie natürlich doppelt gefährlich. Fällt man auf einer solchen und kommt auf den Rücken zu liegen, so ist's vorbei, wenn man sich nicht sogleich auf den Bauch herumwirft und an den Rasen noch anklammern kann. Es ist in der That merkwürdig, wie wenig Unglücksfälle beim Steigen vorkommen, wenn sie aber vorkommen, so geschieht es selten bei Jagden, dagegen oft genug beim Brocken des verlockenden Edelweiß, wie vorzüglich in Berchtesgaden.

An Stellen, wo die Gefahr augenscheinlich ist, geschieht auch weniger ein Unfall, weil man behutsam zu Werke geht, außerdem aber wird leicht übersehen, daß beim Fallen und Abfahren ein sich halten nicht immer möglich und somit auch keine Rettung mehr ist. Am gefährlichsten sind schiefhängende Steinplatten, wo man die Schuhe ausziehen und in Strümpfen oder noch besser barfuß gehen muß.

Unter den Verunglückungen ist ein Fall in Berchtesgaden bekannt, welcher zeigt, welche Schrecken ein wildes Gemsgebirg bergen kann, und wenn einem eine solche Geschichte gegenwärtig, so schaut man in das düstere Starren der Felspfeiler mit ganz anderen Augen, als wenn man nur an ihre Alpenrosen denkt. Es war in St. Bartholomä ein Jagdgehilfe Seb. Schlechter, ein trefflicher Gemsjäger und kühner Steiger, welcher dem zürnenden Berggeist, dem er oft seine Gemsen genommen, zum Opfer fallen sollte. Am 16. Oktober 1839 ging der lebensfrische Jäger (damals 35 Jahre alt) vom Jagdhause fort, um im Hocheis eine Gemsbirsche zu machen, und wollte Abends wieder zurückseyn. Es ist bei der Hirschjagd erzählt worden, wie man in dieses Hocheis gewöhnlich nur in einer Schlucht zwischen der Hachelwand und der sogenannten »Kirch« gelangen kann. Schlechter wollte aber von einer andern Seite, in den Wänden, die vom Watzmann niedergehen, dort hineinbirschen. Ich habe da einmal einen Jagdgehilfen Sollacher durchsteigen sehen und muß einer schon »a' woiterner« Steiger seyn, der es wagen darf. – Schlechter wollte sich den Weg kürzen und über das Dach der sogenannten Eiskapelle an die Wand gelangen. Diese Eiskapelle (in älteren Schriften auch »gläserne Kapelln« genannt) ist eine Art von Gletscher, der an die Steinwände angelehnt im Thal ein Thor zeigt, durch welches der »Eisbach« hervorkommt.

Der Jäger stieg an der Seite hinauf und dann über das Dach hin. Als er am Rand des Eises in die Felswand steigen wollte, brach dieses unter ihm mit donnerähnlichem Krachen zusammen, und nun gings mit Eis und Steinen hohl schallend hinunter in die Nacht eines 180 Fuß tiefen Abgrunds. Vom Sturz und den erlittenen Verletzungen (die Rippen waren sechzehnmal gebrochen) der Besinnung beraubt lag er viele Stunden und erst gegen Abend kam er wieder zu sich. Es war tiefe Nacht um ihn und er erkannte, mit den Händen tastend, daß er auf einem mit Schnee bedeckten Felsenvorsprung (Stellen) gefallen, und daß es neben ihm noch weiter hinuntergehe. Man denke sich die furchtbare Lage! Im ersten Augenblick gab er sich für verloren, als er aber seine Büchse fühlte, deren Riemen seltsamerweise ihm um den Hals geschlungen war, da dämmerte einige Hoffnung, durch einen Schuß vielleicht einen Retter herbeizuführen. Diese Hoffnung wurde freilich von dem Gedanken gedrückt, daß um jene Zeit außer einem Jäger selten jemand an den Ort komme, gleichwohl schoß er nach oben zu die Büchse ab. Er sah wohl die Wirkung des Schusses an herabfallenden Steinen und Eisstücken, er hörte den Knall aber nicht, denn der erschütternde Sturz hatte ihn des Gehörs beraubt. Erst nach einiger Zeit erhielt er es wieder, und da ward es plötzlich laut von rauschendem Wasser, welches neben ihm in die Tiefe stürzte.

In Schmerzen und Angst verging die eisige Nacht, gleichwohl sann die Liebe zum Leben auf Rettung. Wo vom Schuß die Steine heruntergefallen waren, schien ein Kamin nach oben zu münden und in diesem sich hinaufzuarbeiten, beschloß der Unglückliche nun, nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Fuß gebrochen war. Den Rücken an das Eis gestützt und die Füße an Schnee und Felsen schob er sich mühsam empor, vier bis fünf Stunden lang, daß ihn oft die Kraft verließ und auch der Muth zu sinken begann, als er endlich durch eine Oeffnung oben das Tageslicht gewahrte. Mit erneuerter Anstrengung kam er bis auf etwa 20 Fuß unter jene Stelle, wo er eingebrochen war. Hier befand sich ein sogenannter kleiner Boden (ebene Stelle) von dem aus sich jedoch die Schlucht, die er hinaufgekommen, nach oben erweiterte, so daß ein Emporklimmen wie bis dahin nicht mehr möglich war. Da sah er zwei eng zusammenstehende Eissäulen, die sich zunächst an der Wand befanden, und nun beschloß er zwischen diesen sich hinaufzudrängen. Dazu mußte er in der gefährlichsten Lage mit dem Messer in die eine Eissäule Kerben einschneiden, um sich mit den Füßen daran zu stemmen, während er den Rücken an die andere Säule preßte. Mit unsäglicher Plage gelangte er so bis an 4 Fuß von der Oeffnung, und schon glaubte er sich gerettet, als ihm die Füße ausglitten, und abermals stürzte er in die Tiefe, doch glücklicherweise nur bis zu dem erwähnten Boden und ohne sich weiter zu beschädigen. Besinnungslos lag er auf dem kleinen Fleck, wo jede Bewegung mit dem Tode bedroht war, und erwachte erst wieder, nachdem mehrere Stunden vergangen seyn mochten. Das unschätzbare Messer hatte die erstarrte Hand krampfhaft festgehalten, wie seltsam! im bewußtlosen Zustande, wo alle Muskeln erschlaffen! Der Eiskamin mußte zum zweitenmal erstiegen werden, und endlich mit zitterndem Herzen schob er sich über den Rand, und körperlich und geistig gebrochen sank er ohnmächtig auf dem wieder erreichten Dach der Eiskapelle zusammen, nachdem er dreißig Stunden in dem Abgrund begraben gewesen.

Zu Hause war man schon am Abend vorher über sein Ausbleiben in Sorgen, und am andern Tag spähte die Tochter des alten Forstwarts Hochleitner, welche der Gedanke einer Verunglückung am meisten beunruhigte, mit einem Tubus öfters nach der Eiskapelle, wo sie gegen zwei Uhr Mittags einen schwarzen Punkt entdeckte, den sie früher nicht gesehen, was dann Veranlassung gab, daß sich mehrere Männer und sie selbst mit Stärkungsmitteln auf den Weg machten.

Als sie bei dem Unglücklichen ankamen, war es höchste Zeit, ihn vor Erstarrung zu retten. Der Mann war furchtbar zugerichtet und erblindete sogar für einige Zeit, wurde aber wieder hergestellt und lebt noch, im Park von Anzing als Saufütterer verwendet. Ich habe ihn seine tragische Geschichte selbst erzählen hören.

In seltsame Gefahr des Abstürzens gerieth im vorigen Jahre (1857) der herzogl. Coburg'sche Jäger Ragg in der hintern Riß. Er wollte einen Gemsbock, dem das Kreuz abgeschossen war und der auf einer steilen gefrorenen Sandreise gegen eine Wand hinunterrutschte, aufhalten und genicken, und sprang daher ins Gehäng und riß den Bock nieder. Dieser aber schlug dabei mit einer raschen Wendung des Kopfes dem Jäger den spitzen Hacken eines Krickels durch die Haut und durch einen Muskel am Schienbein unter dem Knie und beide rutschten nun mit Kämpfen und Ringen immer näher an die Wand, da es dem Jäger nicht möglich war, den Fuß frei zu machen, oder den Bock, der sich gewaltig wehrte, zu genicken. Noch wenige Schritte und sie stürzten mit einander in die Tiefe; da warf sich der Jäger mit verzweifelter Anstrengung auf den Bock und bewältigte ihn glücklicherweise so, daß er den verhängnißvollen Krickelhacken vom Fuße reißen und dem Bock den Genickfang geben konnte.


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