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XXII

Die Arethusa sank in wenigen Minuten. Das Leck war so riesengroß, daß das grüne Meer hereinströmte und den Maschinenraum im Handumdrehen füllte. Während der Dampfer tiefer und tiefer sank, stieg das Wasser durch das Treppenhaus und breitete sich über Gänge und Decks.

Dr. Renault hörte es kommen. Wie Wasserblöcke donnerte es gegen die Schotts, und wenn es auf den Gängen die Kabinentüren eindrückte, klang es wie Salven von Kanonenschüssen. Man hörte Schreie, die aber vom Getöse des letzten Gerichts, das über den Dampfer hereingebrochen war, verschlungen wurden. Die meisten waren noch nicht aufgestanden und ertranken wie Mäuse in ihren Kojen, Freund und Feind.

In Panik wollte Dr. Renault hinausstürzen, solange es noch Zeit war, um unter freiem Himmel, nicht in einem Loch tief unten im Dampfer zu sterben; eine andere Eingebung aber hielt ihn davon zurück. Wozu? Und er blieb. Einmal muß der Zahn heraus.

Und das Wasser kam mit gewaltigem Luftdruck und Rauschen durch den Gang, die Tür wurde eingedrückt, und im selben Augenblick war seine Kabine von oben bis unten voll Meerwasser. Dr. Renault fühlte sich in der grünen Dunkelheit gepackt und hart gegen die Wand geschleudert, als sollte jeder Knochen in ihm zerschmettert werden. Er fühlte sich vom Wasser hochgehoben, das Wasser schlug ihm über dem Kopf zusammen, salziges, bittres Meerwasser drang ihm durch Nase und Mund. Er hielt den Atem an, griff hilfesuchend um sich, griff in Wasser, kämpfte einige Sekunden damit wie ein Wurm, riß, nach Atem ringend, den Mund auf, und im selben Augenblick stieß ihm das Wasser durch den Mund in die Lungen hinab, er fühlte die Kälte in den Rippen, dann kam der qualvolle Übergang, die letzte Angst, der letzte Fußtritt, den das Leben ihm seiner Sünden wegen gab. Seine Gedanken verwirrten sich, er trieb mit dem Kopf nach unten, war blind, sank schwindelnd tiefer und tiefer. Und nun läutete es ihm vor den Ohren, ferner und ferner, er wußte, es war das letzte, bevor das Bewußtsein schwand.

Und dann war er etwas, was nicht mehr weiß, daß es ist.


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