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Der Klub greift ein

Heute gehe ich mit dem B zum zuständigen Untersuchungsrichter. Gestern war nämlich sein Büro wegen des Staatsfeiertages geschlossen.

Ich erzähle dem Untersuchungsrichter, daß es der B möglicherweise wüßte, wem jener verlorene Kompaß gehört – doch er unterbricht mich höflich, die Sache mit dem Kompaß hätte sich bereits geklärt. Es wäre einwandfrei festgestellt worden, daß der Kompaß dem Bürgermeister des Dorfes, in dessen Nähe wir unser Zeltlager hatten, gestohlen worden war. Wahrscheinlich hätte ihn das Mädchen verloren, und wenn nicht sie, dann eben einer von ihrer Bande, vielleicht auch schon bei einer früheren Gelegenheit, als er mal an dem damals noch zukünftigen Tatort zufällig vorbeigegangen wäre, denn der Tatort wäre ja in der Nähe der Räuberhöhle gelegen. Der Kompaß spiele keine Rolle mehr.

Wir verabschieden uns also wieder, und der B schneidet ein enttäuschtes Gesicht.

Er spielt keine Rolle mehr? denke ich.

Hm, ohne diesen Kompaß wäre doch dieser B niemals zu mir gekommen.

Es fällt mir auf, daß ich anders denke als früher.

Ich erwarte überall Zusammenhänge.

Alles spielt keine Rolle.

Ich fühle ein unbegreifliches Gesetz. –

Auf der Treppe begegnen wir dem Verteidiger.

Er begrüßt mich lebhaft.

»Ich wollte Ihnen bereits schriftlich danken«, sagt er, »denn nur durch Ihre schonungslose und unerschrockene Aussage wurde es mir möglich gemacht, diese Tragödie zu klären!«

Er erwähnt noch kurz, daß der Z von seiner Verliebtheit bereits radikal kuriert sei und daß das Mädchen hysterische Krämpfe bekommen hätte und nun im Gefängnisspital liege.

»Armer Wurm!« fügt er noch rasch hinzu und eilt davon, um neue Tragödien zu klären.

Ich sehe ihm nach.

»Das Mädel tut mir leid«, höre ich plötzlich die Stimme des B.

»Mir auch.«

Wir steigen die Treppen hinab.

»Man müßte ihr helfen«, sagt der B.

»Ja«, sage ich und denke an ihre Augen.

Und an die stillen Seen in den Wäldern meiner Heimat.

Sie liegt im Spital.

Und auch jetzt ziehen die Wolken über sie hin, die Wolken mit den silbernen Rändern.

Nickte sie mir nicht zu, bevor sie die Wahrheit sprach? Und was sagte der T? Sie ist die Mörderin, sie will sich nur herauslügen –

Ich hasse den T.

Plötzlich halte ich.

»Ist es wahr«, frage ich den B, »daß ich bei euch den Spitznamen hab: der Fisch?«

»Aber nein! Das sagt nur der T – Sie haben einen ganz anderen!«

»Welchen?«

»Sie heißen: der Neger.«

Er lacht und ich lach mit.

Wir steigen weiter hinab.

Auf einmal wird er wieder ernst.

»Herr Lehrer«, sagt er, »glauben Sie nicht auch, daß es der T war, auch wenn ihm der verlorene Kompaß nicht gehört?«

Ich halte wieder.

Was soll ich sagen?

Soll ich sagen: möglich, vielleicht –?

Und ich sage: »Ja. Ich glaube auch, daß er es war.«

Die Augen des B leuchten.

»Er war es auch«, ruft er begeistert, »und wir werden ihn fangen!«

»Hoffentlich!«

»Ich werde im Klub einen Beschluß durchdrücken, daß der Klub dem Mädel helfen soll! Nach Paragraph sieben sind wir ja nicht nur dazu da, um Bücher zu lesen, sondern auch, um danach zu leben.«

Und ich frage ihn: »Was ist denn euer Leitsatz?«

»Für Wahrheit und Gerechtigkeit!«

Er ist ganz außer sich vor Tatendrang.

Der Klub wird den T beobachten, auf Schritt und Tritt, Tag und Nacht, und wird mir jeden Tag Bericht erstatten.

»Schön«, sage ich und muß lächeln.

Auch in meiner Kindheit spielten wir Indianer.

Aber jetzt ist der Urwald anders. Jetzt ist er wirklich da.


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