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Zehntes Kapitel. Der Herr im Haus

Trautchen war für eine schnelle Heirat gewesen, da sie keineswegs einsah, was ein Hinausziehen dieser wichtigen Lebensangelegenheit für einen Sinn haben solle. Ihre kurze Brautzeit aber nützte sie ganz als Vorspiel einer langen Ehe aus, so wie ein Generalstab jede Friedensübung möglichst genau auf die Verhältnisse des Ernstfalles zuschneidet.

Im Völkerkrieg hat die Entwicklung vom zweifarbigen Tuch, von blanken Litzen und Knöpfen, von paradierendem Aufmarsch unter furchterregendem Getöse zur feldgrauen Unsichtbarkeit, zur Verschleierung jeder Bewegung durch unheimliches Schweigen geführt. Beim Kampf der Geschlechter war's der umgekehrte Weg: wo einst die Frau ihre leisen Siege erfocht, die nicht kleiner dadurch wurden, daß kein Barde sie in die Welt posaunte, dröhnt heute das Tschindara und Ratatam begeisterter Frauenrechtlerinnen. Es wäre wohl frivol, zu bezweifeln, daß auf die Art der Lärm größer geworden ist. Ob die Erfolge in dem gleichen Maße wuchsen, darüber sind sich die Gelehrten noch nicht einig.

Trautchen für ihren Teil war trotz den Reformgewändern eine Anhängerin der altbewährten Taktik. Vom Tag der Verlobung an entsagte sie der bisher geübten offensiven Plänkelei; nun sie den Bräutigam hatte, richtete sie sich auf den Stellungskampf ein, focht stets in guter Deckung und wußte alle Eigenheiten des Geländes meisterhaft auszunutzen. Den Feind siegen lassen, um ihn desto sicherer zu bezwingen, ist eine goldene Feldherrnregel. Nachgiebig fügte sich Trautchen Tonis Wünschen; er brauchte nur zu pfeifen, und sie tanzte. Daß er keine Melodien pfiff, die ihr nicht in den Kram paßten, dafür sorgte sie schon.

War so der Angriffspunkt, bei dem man Toni fassen konnte, die liebe Eitelkeit des starken Geschlechts, so war der andre die bei ihm sehr entwickelte männliche Bequemlichkeit, sein geringer Ordnungssinn fürs Kleine, seine Schwerfälligkeit gegenüber Sachen, die er noch nie gemacht hatte.

Eigentlich schon vom ersten Tag ab setzte Trautchens Hilfsbereitschaft hier tatkräftig ein. Nicht einmal um seine Verehelichungspapiere brauchte sich das träge Mannsbild zu kümmern. Sie nahm ihm aufopfernd die Schreibereien darum ab.

Wen wird es wundern, daß Trautchens geschickte Feder nun auch zur Erledigung der einlaufenden Briefe von Kunsthändlern herangezogen wurde, und daß sie so ganz von selbst noch als Braut die Leitung der Geschäfte in die Hand bekam – sehr zu Tonis Nutzen, das durfte der ruhig gestehen. Nicht nur, daß dem bayrischen Staat sein schäbiger Anschlag, beim »Raub der Proserpina« nachträglich fünftausend Mark abzuschachern, jammervoll zusammenbrach, die charakterstarke Sächsin nahm es sieghaft mit noch weit raffinierteren Gegnern auf: Sauerländer mußte den »Bel zu Babel« voll bezahlen und wurde bloß kühl verachtet, als er den Atelierscheps gegen eine immerhin mitnehmenswerte Summe im ganzen erstehen wollte.

»Scheps? Was ist Scheps? Was heißt überhaupt Scheps? Bei uns wird nicht geramscht!« sagte Trautchen. Und siehe da: der Mann mit der ehernen Stirn, den weltberühmte Professoren demütig umschwänzelten, mußte sich bequemen, für jedes Bild hübsch einzeln einen angemessen erscheinenden Betrag hinzulegen. So etwas reißt erfreulich ins Geld der andern und kann einem Kunstmaler, der im Begriff ist, eine Familie zu gründen, wohl zu einem bis auf weiteres schon recht beruhigenden Bankguthaben verhelfen.

Doch während Trautchen erfolgreich im Großen wirkte, ließ sie auch Kleines nicht außer acht. Sie errang sogar einen jener Triumphe weiblicher »Naivität«, die auch der gerissenste Mann nie zustande bringen würde: Tonis längst ungeduldig und advokatisch gewordene Lieferanten mußten es sich zähneknirschend gefallen lassen, daß man ihnen, als ihre Rechnungen endlich bereinigt wurden, unter der überaus kühnen Bezeichnung Kassaskonto zwei Prozent strich. Ohne das – keine neuen Einkäufe für das künftige Nest des jungen Paares! Unbestreitbar blieb wohl, daß die wackern Leute auch so noch genug verdienten; immerhin bedeutete ihre Bändigung eine Tat.

Niemand bewunderte derartige Triumphe freudiger als Toni, nicht wegen der paar Hunderter, die infolgedessen mehr auf die hohe Kante gelegt werden konnten, sondern wegen der Langweiligkeiten, die ihm selbst dadurch erspart blieben.

Überließ er deshalb schon während der Brautzeit Trautchen die meisten seiner Sorgen, so machte er sich in der Ehe überhaupt kaum noch welche. Warum sollte er sich mit den Bagatellen abschinden? Der regierende Kopf blieb er trotzdem. Trautchen hielt geradezu ängstlich darauf, ihn bei allem, was sie tun wollte, vorher zu fragen. Daß zugleich schon immer die gewünschte Antwort in seinen Befehlshabermund gelegt wurde, fiel ihm weiter nicht auf. Sein Wille herrschte, und so mußte es sein nach menschlichem und göttlichem Recht. Wär' noch schöner, daß die Weiberleut' das Heft in der Hand haben wollten!

Auch der Außenwelt gegenüber wurde der Nimbus von Tonis Würde mit pedantischer Genauigkeit gewahrt. Es war ihm selber im Anfang ein klein wenig genierlich, wenn er stockdumm dastand und immer nur: jawohl! zu nicken hatte, während Trautchen einem Kunsthändler Mores lehrte und dabei in einem fort versicherte: »Mein Mann denkt dran!«, »Mein Mann besteht darauf!«, »Das ist bei meinem Mann einfach Prinzip!« Martialisch warf sich der Herr des Hauses dann in die Brust, um seine tüchtige Gattin nicht Lügen zu strafen.

Merkwürdigerweise aber glückte es ihm nicht von fern, in den Geruch eines harten Geschäftemachers zu kommen, während vor Trautchen bald ein Ruf der Furcht und des Schreckens einherging. Sauerländer zum wenigsten sagte häufig:

» Eh bien! Lassen wir's! Ich schau ein andermal nach, wenn die Gnäd'ge verreist sind.«

Schön gedacht! Bloß: Trautchen verreiste nie, jedenfalls nicht ohne Toni. Fiel ihr im Schlaf nicht ein!

Sie konnte sich nicht von ihm trennen, kaum für eine Stunde. Na, wenn das nicht Liebe war! Und er, der als Bräutigam gerade hierüber zeitweise starke Bedenken gehabt hatte! Komisch, was so einem Junggesellen nicht alles einfällt!

Wird man's glauben: gerade damals, als sich Trautchens Tüchtigkeit zuerst glorreich in seinem Interesse zu entfalten begann, überrieselte ihn zuweilen ein leiser Schauer vor solchem Segen, und fatal dumme Gedanken geisterten durch seinen Kopf.

Wer weiß aber: vielleicht zog er ihre Gefühle auch nur in Frage, weil er sich seiner eignen nicht so vollkommen sicher war. Es sucht keiner den andern hinterm Busch, der dies Versteck nicht selber genau kennt. Aber schließlich und endlich waren das doch zwei verschiedene Dinge. Daß er den Leidenschaftstaumel, von dem er in so vielen Romanen gelesen hatte, kaum in literarisch verwertbarer Stärke empfand – was war da weiter dabei! Er hatte Trautchen gern, und das durfte ihr genügen. Ihre verflachte Pflicht und Schuldigkeit hingegen – jawohl, sie müßte damisch verschossen in ihm sein! Nicht, daß er auf ein großes Zärtlichkeitstheater von ihr Anspruch machte, aber ihm schwante dunkel so etwas, als hätte er in einem Augenblick, da er von einer andern Botschaft voll bis zum Rande gewesen war, mit halbem Ohr ein Wort Sauerländers vernommen, aus dem sich bei einigem Mißtrauen merkwürdige Schlüsse ziehen ließen. Hatte am Ende Trautchen, bevor sie so großmütig und verschwenderisch ihr Herz für ihn entdeckte, wirklich schon Kenntnis von seinen Verkäufen gehabt? Ach ja, mögen auch in gewissem Sinn die Leute gar nicht so töricht sein, die der Vernunftehe das Wort reden, etwas entschieden Unschmeichelhaftes hat es trotzdem, wenn die Vernunft dabei in allzu hohem Grad auf seiten des Gegenparts ist.

Toni trieb diese Spinnereien immer wieder von sich wie lästige Fliegen. Ganz totkriegen ließen sich die Zweifel aber doch nicht; und wer weiß, was schließlich passiert wäre, wenn nicht zwei Umstände seine Treue zu der ihm gleichsam aus den Wolken geschneiten Braut von entgegengesetzten Seiten gestützt hätten.

Erstes nämlich weckten freche Bemerkungen, die mit Beilhieben in dieselbe Kerbe schlugen, die zuerst die dünne Feile seiner eignen Bedenken geritzt hatte, den Widerspruchsgeist bei ihm. Und zweitens wurde Toni durch das Gefühl gehalten, das bei ihm sein kränkliches Gewissen hieß, während ihm der rohe Nachbar den Namen: Angst vor dem sächsischen Malweib verlieh.

Angst? Lächerlich! Vor diesem netten Mädel, das so lieb und dienstfertig war, das ihm jeden Wunsch von den Augen ablas und ihn verwöhnte, wo es nur konnte?

Dies alles blieb nicht einmal Theo verborgen. Er half sich dabei in seiner Verlegenheit mit ebenso haltlosen wie düsteren Prophezeiungen. Das sei ja kein Wunder. Wo sie sich nun endlich im Schweiß ihres Angesichts einen gefangen hätte – schön dumm müßte sie sein, wenn sie ihn gleich wieder scheu machen wollte, bevor die Mausefalle amtlich petschiert wär'. Abwarten und Kuchen essen! Das dicke Ende käme schon nach.

Der starke Mann hatte auf solche Verdächtigungen stets die gleiche Antwort, die seine Meinung in Form einer höchst kränkenden Einladung umschrieb. Aber, hol' es der Kuckuck: einer gewissen, wenn auch oberflächlichen Logik entbehrte die Alltagsweisheit des nüchternen norddeutschen Bundesbruders nicht.

Tja, heiraten ist wirklich eine ernste Sache, wenn man's noch nicht gewohnt ist. Nimm's, wie du willst: ein Sprung ins Dunkle!

Doch hat man den Mut gefaßt und ihn keck getan, dann geht einem ein Licht auf. Dann weiß man, was für ein Esel man vorher war: sich kopfscheu machen zu lassen von, nun ja, von blutigen Dilettanten. O du Heupferd von einem Theo! Verborgene Krallen? Daß ich net lach'! Noch netter als zuvor, wenn's möglich war, wurde Trautchen im Ehestand.

Wie er ihr nur Berechnung hatte unterschieben können! Na, ob sie ihn liebte? War sie vielleicht nicht toll eifersüchtig? Und gibt es einen schlagenderen Beweis? Sogar etwas zu beweiskräftig wollte ihn das im Anfang hie und da bedünken, und dann erfaßte ihn eine kleine Reue darüber, daß er einmal in vertrauter Stunde seiner jungen Gattin gar so redselig Schwänke aus seinem freilich recht bunten verflossenen Liebesleben erzählt hatte. Lag es nun an seinem pastosen Farbenauftrag dabei, oder an ihrer starken Phantasie – von Stund' an glaubte sie sich in ihm einen ganz gefährlichen Don Juan zahmgemacht zu haben und schaute ihn entschieden als einen an, den man nicht aus den Augen lassen dürfte, ohne daß er gleich auf Abwege geriete. Nicht, daß sie Toni den Hausschlüssel entzog, wie Theo vorher unter leichtfertiger Verpfändung seines Ehrenwortes angekündigt hatte, sie ließ den Schlüssel ruhig in seiner Hosentasche, hängte sich aber zugleich, als der gute Kamerad, der sie ihm überhaupt war, fest in seinen Arm, wenn er wieder einmal einen lustigen Abend mit den Freunden von ehedem verbringen wollte. Sie ging mit und schien gänzlich blind dagegen zu sein, daß die Maler diese Verschönerung ihrer Tafelrunde kaum nach Gebühr zu würdigen schienen, diese Dummköpfe!

Um so hellere Augen dafür hatte ihr Mann. Empfand er doch selber, daß der sittigende Einfluß seines Weibes die gewohnte Fidelität in eine schnell zum Gähnen reizende Langeweile wandelte. Denn die hatten wenigstens das heimliche Vergnügen, ihn mit seiner Unzertrennlichkeit von Trautchen als komische Figur zu belächeln und sich die schlechten Witze auszudenken, die sie über ihn machen wollten, wenn er, dem Augenwink der müden Gattin willfahrend, endlich verschwunden wäre. Er kannte die Bande.

Sonderbar: man mag sich so glücklich verheiratet fühlen, wie man will, als einziger Ehemann unter lauter Junggesellen mit seinem Glück Parade sitzen, ist peinlich. Man schämt sich.

Toni beschloß, seiner Frau klarzumachen, daß er zuweilen auch ohne sie unter Leute müsse. Doch wie sie davon überzeugen? Er kam aus den pfiffigen Gedanken, ihr zu sagen, diesmal träfe man sich in einem Lokal, wo Damen wirklich nicht gut hin könnten. Verblüffenderweise aber reizte das sie wenig dazu, ihn unbeaufsichtigt fortzulassen. Sie betonte mit Eifer ihre vollkommene Vorurteilslosigkeit. Mein Gott, als verheiratete Frau! Und mochte es eine Verbrecherkneipe sein! Im Gegenteil, so etwas würde sie besonders interessieren. Allerdings, wenn es ihm nicht recht wäre, dann bliebe sie selbstverständlich gern zu Hause, obgleich sie sich, gerade heute, schon vom Erwachen an auf das gemütliche Beisammensein mit ihm und den andern gefreut hätte. Aber immer, wenn man sich auf etwas Besonderes freue, na ja ... Sie schluckte herunter; ihr Blick bohrte sich groß und traurig in unbekannte Fernen, daß Toni ein Barbar gewesen wäre, hätte er ihr tapfres Dulden noch länger kühl ansehen können.

»A was, gehst halt mit!« sagte er großmütig; und ihre kindlich hüpfende Freude war einfach rührend. Nein, er brachte es auch noch nicht übers Herz, sie zu kränken, wenigstens nicht, solange er ihr unter den Augen war.

Das nächste Mal nämlich fing der leichtsinnige Tropf es anders an. Es ist nicht zu sagen, auf was für unwahrscheinliche Dinge ein Mensch in der Verzweiflung verfällt. Toni erbot sich ganz aus freien Stücken, ein paar Briefe, die Trautchen geschrieben hatte, in den Kasten zu werfen. Es war ja nur bis zur nächsten Ecke. Er wollte im Augenblick wieder da sein. Dieser Augenblick nun reckte sich von sechs Uhr nachmittags bis zum nächsten Morgen um neun, wo sich der schwer Vermißte und sogar bei der Polizei telephonisch Gesuchte endlich, übernächtig und bleich, die linke Schulter voran, zur Schlafzimmertür hereinschob.

Eine heimliche Besorgnis vor dem Empfang, der ihn aller Wahrscheinlichkeit erwartete, hatte ihn so lange ausbleiben und sich unentwegt Mut antrinken lassen. Doch eben das schlechte Gewissen an die Stichelreden der bösen Kumpane bewirkten, daß er jetzt trutzig dastand, ganz der starke, wenn auch etwas wacklige Mann, entschlossen, einen hanebüchenen Krach zu schlagen, sobald Trautchens Mundwerk zu der Gardinenpredigt aushöbe.

Sie aber, und das verwirrte ihn im Nu vollkommen, war, trotz allem, was sie die Nacht über ausgestanden hatte, lieb und dienstwillig wie immer und sagte ihm kein böses Wort. Sie litt nur. Und das freilich verstand sie aus dem Grunde. Keine fünf Minuten, da hatte sie alle seine herrischen Vorsätze zu Mus gelitten. Aus dem Heldendrama, für das er präpariert war, wurde eine rührsame Versöhnung mit Strömen von Salzwasser auf Trautchens und einigen Tropfen davon sogar auf seiner Seite. Der gute Toni leistete schließlich unaufgefordert einen heiligen Schwur, daß so etwas nie wieder vorkommen würde. Dann entschlief er in Trautchens Arm und wachte erst am späten Nachmittag wieder auf, gefoltert von wütendem Kopfweh. Sie aber pflegte ihn mit sanften Händen, Aspirin, neckischen Koseworten, saurem Hering und Märzenbier, so daß er gegen Abend schon ziemlich hergestellt war und ein begeistertes Loblied darauf anstimmen konnte, um wieviel schöner es daheim bei der Frau sei als im Wirtshaus unter den eigentlich doch verdammt stumpfsinnigen, ewig fachsimpelnden Malergesellen.

Als er jedoch kaum vierzehn Tage danach meineidig wurde und abermals bei hellem Morgensonnenschein in bejammernswerter Verfassung hereingewankt kam, hielt Trautchen sich wieder an ihre bewährte Methode und erlitt sich denselben starken Augenblickserfolg wie das erstemal. Im stillen aber sah sie ein, daß es damit nicht getan war. Denn der Mensch gewöhnt sich an nichts so mühelos wie an die Leiden anderer. Um ganze Arbeit zu tun, mußte sie ihre Maßregeln in die handelnde Form übersetzen, natürlich, ohne daß ihr Herr und Meister etwas davon merkte.

Der böse Feind, den es zu bekämpfen galt, hieß für sie: München. München, dieses gefährliche Pflaster, auf dem Tonis Füße im Lauf der Jahre eben schon viel zu sehr ins Bummeln gekommen waren. Wie gut würde da ein, sei's auch nur ein kleiner, Ortswechsel tun! In neuer Umgebung fängt sich ein neues Leben leichter an, gewöhnen sich alte Torheiten sanfter ab, gleitet ein Mann unvermerkter in die Hände seiner klugen Frau.

Gedacht, getan! Schon nach drei Tagen führte die beiden ein Sonntagsausflug zufällig nach Pasing, einem Nachbarstädtchen der Residenz mit guter Bahnverbindung. Vor einem behaglich hingelagerten Anwesen, dessen Front weiß aus einem großen, von Herbstblumen bunten Garten hervorlugte, hatte Trautchen plötzlich den Einfall, wie nett es sein müsse, so im Grünen zu wohnen, unter selbst erbautem Dache. Ewig schade, daß man sich das nicht leisten könne!

»A warum!« sagte Tom sofort, großartig und unternehmend.

Er hatte auf die Angel gebissen. Sie brauchte nur weiter Bedenken zu äußern, um den Widerhaken unausreißbar in seiner Seele zu verankern. Und das tat sie. Immer eifriger und hitziger wurde er vor solcher Verbohrtheit und rechnete ihr klar aus, wieviel billiger sie dabei wegkommen würden. Ein eignes Haus könnte an Zinsen gar nicht den Betrag fressen, den die Miete einer Wohnung koste.

Trautchen räumte ein, man könnte am Ende auch dadurch manche Mark sparen, daß man sich, was hier draußen ja vortrefflich ginge, Federvieh hielte und einen Nutzgarten anlegte. Damit wüßte sie gut Bescheid, ihre selige Mutter wäre in der Hinsicht daheim berühmt gewesen.

»Jawohl, und die frischen Eier! Und wie das Gemüs anders schmeckt, als wie das welke G'lump aus dem Laden!« rief Toni zungenschnalzend und wollte gleich die Oberleitung des landwirtschaftlichen Teils an sich reißen. Sogar eine Milchkuh und zwei Mastschweine warf er kühn in die Debatte.

Willig ließ sich Trautchen für eine Weile durch ihn entführen in allerlei Träumereien von den Freuden eines rittergutsmäßigen Daseins – bis sie dann endlich nach einem abschließenden Seufzer erklärte, es müßte ja schön sein, doch leider sei es unmöglich. Arme Leute, wie sie, dürften sich keine großen Rosinen in den Kopf setzen, und nach ihren Verhältnissen wäre eine Wohnung im vierten Stock gerade das richtige. Aber da kannte sie ihres Gatten Eigensinn schlecht. Wenn der einmal einen Beschluß gefaßt hatte, dann ließ er sich nichts mehr dreinreden, am wenigsten von seiner Frau.

Es wurden sofort an Ort und Stelle Erkundigungen nach passenden Grundstücken eingezogen, und am gleichen Abend noch brach Toni die Sonntagsruhe, die er sonst so mit Sorgfalt heilig hielt: er spitzte sich einen Bleistift und ging daran, den Grundriß für eine Villa mit Atelier zu entwerfen. Und von Stund' an bekam er, wie Theo das ausdrückte, den Architekturfimmel und brachte den Baumeister, an den sie sich wendeten, mit seinen vielen unausführbaren Wünschen und Vorschlägen rein zur Verzweiflung. Immerhin mußte selbst dieser Fachmann, als sie sich nach unendlichem Krakehl zusammengerauft hatten, befriedigt gestehen, das gäbe ein Einfamilienhaus, so hübsch, praktisch und bodenständig, wie in der Umgegend von München noch keins zu erblicken sei.

Während dann die Pläne zu diesem Wunderwerk bei der dafür eingesetzten Verschleppungsbehörde ihrer genehmigten Auferstehung entgegenschlummerten, wurde durchaus ungesetzlicherweise bereits die Erde für den Bau ausgehoben, und Toni ließ es sich nicht nehmen, täglich hinauszufahren, um sich von den Fortschritten der Arbeit zu überzeugen und bei jeder Schaufel Kies die nach oben gelangte, eine innige Freude zu empfinden.

Zu den liebenswürdigsten Seiten jedoch dieser ganzen Angelegenheit gehörte es, daß der starke Mann die Villa sozusagen geschenkt bekam. Denn als Trautchen endlich seinem Drängen nachgab und, wiewohl noch immer zaghaft und zweifelnd, ihr Einverständnis erklärte, da hatte sie gesagt, wenigstens solle nicht sein sauer verdientes Geld hier verpulvert werden, sondern dann noch lieber das ihre. Einen besseren Zweck, als ihrem Mann eine Freude zu machen, könnten die paar Groschen ja gar nicht erfüllen.

Toni war ebenso gerührt und angenehm überrascht wie damals, als er zuerst erfuhr, daß seine Erwählte neben sonstigen schätzbaren Vorzügen auch den besaß, eine gute Partie zu sein, wenigstens nach seinen Begriffen – verfügte sie doch jetzt schon über ihr Muttergut in Höhe von einigen fünfzigtausend Mark. Diese Summe nun ließ sie restlos für die Schaffung ihres Heims draufgehen. Das schien ihr als gute Kapitalanlage, und sie wußte genau, warum. Außerdem aber hatte sie für später noch einen angenehm runden Betrag zu erwarten, nach dem Abscheiden ihres Vaters, der sich in einem soliden und rentablen Fabrikbetrieb die Herstellung von Buckskin angelegen sein ließ.

Es gab in dem Jahr einen langen und schönen Herbst. Das kam den Bauarbeiten sehr zustatten. Noch bevor der erste Schnee fiel, konnte die Übersiedlung ins Werk gesetzt werden. Und als nun die fröhliche Mühe des Einrichtens ihr Ende hatte, als der letzte Handwerker draußen war und das letzte Bild so gut an seinem Platz hing wie der letzte Kochlöffel, da machten die Eheleute einen Rundgang vom Keller bis zum Speicher durch alle die von Neuheit duftenden, in Sauberkeit und Ordnung jungfräulich protzenden Räume.

»Na, wer war nun der Gescheitere?« fragte der starke Mann jovial.

»Du!« sagte Trautchen mit einem lieben Lächeln und hängte sich zärtlich bei ihm ein.

»Ja, das wirst du noch öfters merken!« brüstete er sich und klopfte ihr, damit sie seine Überlegenheit nicht gar so stark empfinde, freundväterlich die Backe.

Und in der Tat merkte sie, daß es Segen bringt, seinem Gatten zu folgen, wenn er dahin geht, wohin man möchte. Die Luftveränderung gewann bald den gewünschten Einfluß. Und so entfaltete sich mit der Zeit aus dem zufällig verheirateten möblierten Herrn glorreich der Ehemann.

Nicht ein einziges Mal mehr geschah es, daß er durchbrannte und die Nacht ausblieb. Er wußte ja: Trautchen hätte sich hier draußen allein mit den Mägden in dem großen Haus zu Tode geängstigt. – Im ersten Winter fuhren sie öfters zusammen Amüsierens halber nach München, doch allmählich fanden sie das immer seltener der Mühe für wert. Sie wurden häuslich und fühlten sich am zufriedensten in ihren vier Wänden. Die wenigen Leute, die sie gern sahen: Theo und sonst wohl ein Maler, diese und jene Freundin von Trautchen, Philipp Ladurner mit seiner Frau und noch einige junge Ehepaare, die sie gelegentlich hatten kennengelernt, die sollten nur zu ihnen kommen. Es saß sich hier doch viel angenehmer als im Wirtshaus; und besser essen als bei Gwinners konnte man nicht so leicht woanders. In der Beziehung durfte man sich auf die Hausfrau verlassen. Sie war genau, aber nicht geizig; ihr genügte es, wenn jährlich die Hälfte des Einkommens auf die Bank gelegt wurde, und ließ man das andre draufgehen, so brauchte man sich nichts abzuziehen.

Unvermerkt fiel Toni auf die Art einem Leben sozusagen in Schlafrock und Pantoffeln anheim, einem Leben fest geregelter Gewohnheiten, bei dem er es sich wohl sein ließ und gemächlich zusah, wie Trautchen rastlos ihr kleines Reich regierte, die Dienstboten geräuschvoll mit einem kräftigen Mundwerk, ihren Mann leise mit Liebe. Die ehemalige Künstlerin erkannte man nur noch an einem gewissen Geschmack in allem, was sie fürs Haus anschaffte; Pinsel und Palette hatten Ruhe vor ihr, sie fand es vollkommen ausreichend, wenn einer in der Familie malte.

Daß Toni diese Tätigkeit nicht einschlafen lasse – darauf legte sie allerdings Wert. Aber es rechtfertigten sich keineswegs die Befürchtungen, die er als Bräutigam manchmal gehegt hatte, wenn er sah, welch glänzenden Aufschwung dank ihrer Tüchtigkeit der Bilderverschleiß nahm. Sie zeigte sich nicht erpicht darauf, daß er sich möglichst oft und womöglich schnell durch Herunterschruppen eines Ölgemäldes wieder ein paar Tausender verdiene. Sie verstand genug von der Malerei, um Ansprüche an ihn zu stellen und eigentlich, wenn auch in der schonendsten Form, seine strengste Kritikerin zu sein; und vom Geschäft verstand sie genug, um zu wissen, daß ein paar gute Bilder im Jahr für die Dauer nahrhaftere Aussichten eröffnen als viele schlecht und liederlich hingehauene. Sie konnte, wenn er was Rechtes geschafft hatte, so fröhlich loben, so stolz sein auf ihren Mann, daß er eines Tadels für etwas Verpatztes bald gar nicht mehr bedurfte. Wenn sie nur in gewisser Art ihre Stumpfnase krauste und die Augen prüfend zukniff, wußte er schon Bescheid und fühlte sich sehr begossen.

Dadurch erwuchs in ihm ein scharfer Ehrgeiz, Trautchen zufriedenzustellen; und der war ihm sehr gesund. Denn wer nicht steigt in seinen Leistungen, ist bald tief drunten an der Kunstbörse.

Wie Toni überhaupt in eine regelmäßige Tageseinteilung hineinglitt, so ergab es sich schließlich von selbst, daß er immer zu der gleichen Stunde vor seine Staffelei trat. Doch richtig anzufangen, kostete ihm jeden Morgen einen Entschluß. Trautchen wußte das und half ein wenig nach, damit er nicht gar zuviel Zeit mit Vorbereitungen, sozusagen mit dem Anlauf, vertrödle. Sie huschte häufig einmal herein, um sein Gewissen zu schärfen; denn sie besaß, und das war ihm nur zu wohl bekannt, einen unbestechlichen genauen Blick dafür, wieviel er schon wieder frisch gemalt hatte und wie ernsthaft. Erst wenn sie sah, daß er in Zug kam und seine Hiebe mit dem langgefaßten Pinsel in der eleganten Fechterhaltung, die ihm dabei eigen war, treffsicher hinsetzte – erst von da an überließ sie ihn sich selbst, schlich sie höchstens aus Zehenspitzen andächtig an der Ateliertür vorüber und hütete sich, ihn zu stören. Gott sei Dank, er arbeitete!

Aber sie hatte es auch im Gefühl, wie lange er, je nach seiner Stimmung und dem Stadium, in dem sich das Bild befand, wirklich mit Leidenschaft bei der Sache blieb, und wann bei ihm die weitere Tätigkeit Heuchelei zum Schein des Gerechten wurde. Immer, wenn er im Grunde genug hatte, durfte er sich heilig darauf verlassen, daß Trautchen binnen kurzem einen freundlich lächelnden Kopf hereinstreckte und ihn, mit der Bitte um Entschuldigung für die Störung, zu etwas anderm abrief, worauf er natürlich tat, als trenne er sich nur unter äußerster Selbstüberwindung von seinen Pinseln.

»Ach, verzeih!« so konnte sie ihn dann wohl, gleichsam erschrocken, beschwichtigen. »Na ja, also malst du noch ein Viertelstündchen an der ›Geburt der Venus‹; aber nachher bist du doch so lieb und gräbst mir das Mistbeet um?«

Auf so etwas hin ließ er zunächst ein kleines zerstreutes Gebrumm hören, das ihn befriedigte und sie nicht enttäuschte; doch entriß er sich alsbald seiner gespielten Versunkenheit und erklärte galant, ganz zu ihrem Befehl zu stehen. Eiligst wurde das Malgerät versorgt und nach dem gröberen Handwerkszeug gegriffen.

Gegen Abend machten die beiden meist einen längeren Spaziergang. Die sinkende Sonne entzündete über der flachen Hochebene Beleuchtungswunder, die ein Malerauge wohl befruchten konnten, und das flotte Ausschreiten stimmte den Magen mild sehnsüchtig auf das Abendbrot. So war für Leib und Seele gesorgt.

Nach dem Essen saß man dann noch bis zum Schläfrigwerden im Wohnzimmer beisammen, sie mit einer Näharbeit, er hinter der Zeitung oder über irgendeinem Roman. Das Schmökern gehörte noch immer zu seinen Liebhabereien. Zwischendurch ließ Trautchen die Socke sinken, an der sie gerade stopfte, und streckte ihm über den Tisch ihre mollige, mit dem Fingerhut geschmückte Hand entgegen; er deckte, gleichsam beschwichtigend zärtlich, seine große Pratze darüber und schnurrte wie ein Kater vor tiefem Behagen.

In sich herein schmunzeln mußte er, wenn er zugleich in seinem Buche große Spräche las von verzehrenden Leidenschaften und den Schmerzen der Liebe. Ein komisches Korps, die Dichter! Lauter Schwindel, um sich interessant zu machen! Oder bloße Einbildung, ganz gewöhnliche Dummheit! Wer sich sein Leben gescheit einrichtet, was kann dem passieren! Quatsch! Man muß es verstehn, weiter nichts!

Die überspannten Jugendträume, die ihm noch als Bräutigam manchmal in die Quere gekommen waren, was hatten die für einen Wert gehabt? So etwas verweht vor dem ersten Lufthauch der Wirklichkeit; eine richtige, ruhige Liebe wächst mit den Jahren und ist dauerhaft, wie's für die Ehe paßt. Gefühle, die vorhalten müssen bis zur Silberhochzeit und darüber hinaus, können nicht aus grüner Romantik entspringen, sondern nur aus der Gemeinsamkeit der Interessen.

Und damit stimmte es bei ihnen, das mußte wahr sein! sie lebte förmlich in seiner Malerei, ohne ihm doch ins Handwerk zu pfuschen, er hinwiederum tat ihrer Kochkunst alle Ehre und Andacht an, ohne ein Topfgucker zu werden. Hier pflügte jedes treulich den eignen Acker zur Freude des andern, in der Sorge um Hühnersteige und Gemüsegarten fanden sie sich zu lustigem Zusammenwirken; und was das sonstige langweilige Zeug betrifft, das leider noch zum Leben gehört: Geldsachen, Geschäfte und ähnliches, da war er der Kopf und sie die Hand. Daß der Kopf sich oft schonte und die Hand das Denken gleich mitbesorgte, bedeutete eine praktische Arbeitsteilung und ging nur sie beide etwas an. Mochten doch andre Leute davon denken, was sie wollten! Es gibt ja solche Idioten, die meinen, die Frau müßte deswegen gleich die Hosen anhaben, bloß weil der Mann mit ihr harmoniert. Nein, das weiß Toni nun wirklich besser! Gott sei Dank!

Ein überlegnes Lächeln kräuselt seine Lippen, er bläst einen langen Atomzug durch die Luft, versieht die ausgegangne Zigarre wieder mit Feuer und schenkt seine Aufmerksamkeit erneut den immerhin spannenden Schriftstellerphantasien. Es hat schon was, so vom sichern Hafen aus zuzuschauen, wie dahinten weit in der Türkei die Leute – an der Liebe sterben. Wenn's auch nicht wahr ist, unterm Lesen glaubt man's wie einen Detektivroman. –

Die Biedermeierstanduhr auf dem Kamin schlägt zehn silberhelle Schläge und hat es sehr wichtig und eilig damit.

Der starke Mann klappt das Buch zu und richtet den Blick auf Trautchen.

Sie spürt das gleich. Sie versorgt ihre Nadel, zieht, was einen leise knallenden Laut gibt, den Fingerhut ab und wickelt ihn nebst der kleinen Schere und dem Garnknäuel in ihre Arbeit, gehorsam wie immer. Er erhebt sich, reckt sich kräftig, zupft danach, aus Höflichkeit gleichsam erschrocken, seine Weste abwärts und sagt unter verhaltnem Gähnen:

»No, was is, Schnucksibucks? Gehn mir schlafen?!«

 

Toni und Trautchen galten bald in ihrem Bekanntenkreis für ein sprichwörtlich glückliches Paar. Wurden sie von dem oder jenem darob belächelt, so gelb lächelt der Neid, übersehen konnte es keiner – hätte man wenigstens meinen sollen. Und doch gab es einen, der es lange Zeit fertigbrachte, diesem Glück gegenüber Blindheit zu heucheln. Wer war das wohl?

Natürlich niemand anders als Theo Schlotthauer. Er hielt seine Bockbeinigkeit wahrscheinlich noch dazu für Konsequenz und bildete sich was drauf ein. Denn er hatte seinerzeit bei der Kunde von Tonis Verlobung diesem eiskalt die Mitteilung gemacht:

»Wenn du die heiratest, kuck' ich dich nich mehr an!«

Und wäre es, wie sich bald erwies, auch übertrieben gewesen, diese Drohung wörtlich zu nehmen, es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bevor der eingefleischte Hagestolz seine innere Mißbilligung dieser Ehe fahren ließ, und noch länger, bis er das nur mit einer Silbe zugab.

Endlich aber, im zweiten Jahre von Tonis Ehe, damals, als Trautchen ihr erstes Kind erwartete, konnte er nicht mehr anders: auch ihn trieb es, Zeugnis abzulegen, was denn bei den Beteiligten die einer solchen Überraschung entsprechende Genugtuung erregte. Theo war ein materieller Mensch, die schönen Gefühle gingen bei ihm durch den Magen. Und diesen hatte die Hausfrau an jenem historischen Abend durch einen üppig mit Zwiebeln gespickten Hammelbraten von bemerkenswerter Güte listig zu umgarnen gewußt. Nach dem Essen saß man dann draußen um den runden Tisch in der Laube; der milde Sommerabend, das milde Licht der gelben Lampions und eine mildkräftige Erdbeerbowle, die niemand behandelte, als stünde sie bloß zum Ansehen da, das alles schuf eine aufgelöste, still behagliche Stimmung zwischen den dreien, dem Ehepaar und seinem einsichtigen Gast. Da nun ereignete sich das Verblüffende, daß Theo plötzlich sein Glas über den Tisch hinweg Trautchen entgegenreckte und mit ihr anstieß, dann aber ganz deutlich zu seinem Freunde sagte:

»Altes Kamel, mit der da hast du auch mehr Glück wie Verstand gehabt!«

Solch feurige Gemütsausbrüche war Toni von seinem alten Nachbarn wahrhaftig nicht gewohnt. Wie schön im Fett mußte er doch sitzen, daß es selbst einem so hoffnungslosen Junggesellen auffiel!

»Gel ja?« gab er triumphierend zur Antwort und strahlte über das ganze Gesicht. »Mein Lieber: ich hab mir meine Alte aber auch richtig gezogen!« Also sprach der starke Mann breitspurig. Doch warf er dabei unwillkürlich ein die Wirkung solcher Aufrichtigkeit ins humoristische abschwächendes Blinzeln zu seiner Frau hinüber, seine Hand suchte unter dem Tisch die ihre und drückte sie mit begütigender Zärtlichkeit.

»Hahü!« flötete Theo ironisch und ließ die listig zugekniffenen Äuglein vom Manne zur Frau, von der Frau zum Manne schweifen. Ihm machten Tonis Siegergebärden nichts weis. Na, und die Bestätigung dafür, daß er einen Pantoffelhelden vor sich hätte, würde ihm ja auch sofort aus Trautchens Munde zuteil werden. Er freute sich schon innig darauf. Sie aber schaute den Zweifler mit ihrem klarsten Kinderblick an und sagte schlicht und warm, fast ein wenig schüchtern:

»Sieh, Theo, er ist eben gut zu mir. Und in Güte macht einer aus mir, was er will.«

Toni kriegte förmlich blanke Backen. Er nickte dem elendig Abgeblitzten von oben herab mitleidig zu und schwoll an vor Würde. Da hatte nun einer schlagend bewiesen gekriegt, wer der Herr war im Hause Gwinner!


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