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Viertes Kapitel. Der dumme Theo

Gestern noch hatte ein Spätherbsttag leuchtend über München gelegen – heute war es auf einmal Winter, richtiger Winter mit langsamem, weichem Flockenfall hinter dem Atelierfenster.

Theo saß an seinem Zeichentisch und war damit beschäftigt, den packendsten Moment einer Eisenbahnkatastrophe aufs Papier zu bannen, die sich vorgestern in Venezuela ereignet hatte. Von Zeit zu Zeit brannte er eine frische Zigarette an. Der Rauch hing als leichtes Gewölk unter der Decke.

Draußen schellte es. Theo hob den Kopf. Gewohnheitsmäßig horchte er zuerst, ob nicht Toni öffnen ginge.

»Hu–ach!« gähnte er dann, stand auf und begab sich trägen Schrittes hinaus.

Toni in langem Leinwandkittel, den linken Arm mit der Palette beschwert, in der rechten Hand einen Pinsel, schaute aus seiner Tür. Solche Bewaffnung mit Kunstgerät erregte bei dem Nachbarn kein Erstaunen; denn dieser wußte, daß das Unglaubliche Ereignis geworden war und der starke Mann unter dem erschütternden Eindruck eines amtlichen Besuchs vor einigen Tagen zu arbeiten angefangen hatte. Und zwar wütend!

Er flüsterte hastig:

»Du, Theo! Ich hab' Modell und ... – Der G'richtsvollzieh'r wenn's wieder is – Ich bin net daheim, oder, besser noch: ich bin vor drei Tag' gestorben.«

Der starke Mann verschwand schleunigst; man hörte ihn drinnen den Schlüssel umdrehen.

In nachlässiger Haltung öffnete Theo die Tür und war urplötzlich nach Ausdruck und Gebärde ganz überraschend verwandelt. Denn vor ihm stand Trautchen Grunelius, sonderbarerweise bei diesem Wetter ohne Hut und Mantel. Der Maler aber kam kaum dazu, sich hierüber zu wundern, so eifrig verschönte er seine Züge durch ein verbindliches Grinsen.

»Ich halte Wort«, sagte Trautchen lieb und sah unter gesenkten Brauen zu Theo hinauf, in einer Befangenheit, die sehr nett gespielt war.

»Ja also, ja also!« entgegnete er erfreuten Tones – in einer Befangenheit, die durchaus echt war.

»Geht's dort hinein?« fragte sie und deutete nach Tonis Atelier.

»Nein bitte! Bitte, dort!« Er chassierte seitlich nach seiner Tür und riß sie auf.

Nachdem sie einen Moment in entzückend ängstlichem Bedenken gezaudert hatte, folgte sie mit kleinen, aber energischen Schritten seiner Aufforderung und schoß im Vorbeischreiten aus weitgeöffneten, bis in die Tiefe klaren Augen eine ganze Salve von kindlich unschuldvollem Vertrauen auf ihn ab.

Und Theo wurde äußerst verlegen.

Trautchen stand jetzt mitten im Atelier; ihre Hände vollführten eine fragende kleine Bewegung, die gleichsam sagte: Man hat mich gerufen ... Was wünscht man also von mir?

Wenigstens faßte Theo das so auf, obgleich er ja recht gut hätte wissen können, daß er niemand gerufen hatte und im Grunde so auf den Sturz von der Ungerufenen auch gar nichts wünschte.

Linkisch stand er unter Trautchens erwartungsvollem Lächeln und suchte fassungslos nach dem ersten Wort. Schon öffnete sie den Mund, um ihm, nett, wie sie war, über diesen schweren Moment hinwegzuhelfen, da schoß er ungewandt und konventionell hervor:

»Wollen Sie nicht, bitte, ablegen?«

Ein schelmisch vorwurfsvoller Blick traf ihn; selbst so etwas wie ein Erröten markierte das Mädchen. Und er wurde sehr verwirrt, als es ihm jetzt erst richtig zum Bewußtsein kam, daß sie überhaupt nicht in Straßenkleidung war.

»Ach Pardon«, so verbesserte er sich hastig, »Sie haben, ja gar nichts an!«

»Na, ich dächte doch ...« sagte sie humoristisch, mit einem leichten Auflachen, und faßte mit den Händen ihr Eigengewand, in einer Bewegung, die ihre Formen für einen flüchtigen Augenblick stärker herausmodellierte.

»Entzückend – das Kleid!« rief er feurig.

»Mach' ich mir alles selbst!«

»Ah?! Wirklich?!«

»Ja, wenn ich einmal heiraten sollte – durch Kleiderrechnungen ruinieren würde ich meinen Mann nicht.«

»Hm«, machte Theo, auf einmal nachdenklich und deutlich zerstreut. Doch sie gestattete seinen Gedanken nicht, weiterzuschweifen.

»Sie wundern sich wohl?« begann sie in anderm Ton. »Sie wissen natürlich gar nicht, daß wir jetzt Hausgenossen sind?«

»A nein?!«

»Ich wohn' doch seit gestern unten bei Brita Ladurner. Sie hat mich gebeten, weil sie so allein war, während seiner Abwesenheit ...«

»Ja, is er denn schon nach Abessinien?«

»Natürlich! Dieser unglaubliche Mensch! Die arme Brita! Sie ist so zu bedauern! Und wenn man ihr da gefällig sein kann, tut man es natürlich gern.«

Was Trautchen sagte, war keine Lüge: sie hatte die Einladung der Dichtersfrau mit freudigster Bereitwilligkeit angenommen.

»Da sind wir ja also wirklich Hausgenossen«, bemerkte Theo geistvoll.

»Es ist Ihnen hoffentlich nicht unangenehm?« fragte sie kokett.

»Aber, aber!« beteuerte er und deutete auf den Glanzpunkt seines Ateliers, einen Klubsessel: »Bitte schön!«

Sie setzte sich, und ihre Augen suchten die seinen.

»Und was glauben Sie nun, warum ich gekommen bin?« fragte sie.

Er gab keine Antwort, mit Worten wenigstens nicht. Nur ein tiefer, schmachtender Atemzug wurde laut in der plötzlich sehr fühlbaren Stille.

Ihr Blick verschleierte sich für einen Moment. Dann aber fuhr sie unbefangen lächelnd fort:

»Sie wissen wohl gar nicht mehr, was ich Ihnen versprochen habe?«

»Doch, doch! Aber gewiß!« versicherte er. Er hatte keine Ahnung. Und darum arbeitete seine Phantasie um so kühner und schneller.

»Na, was denn?« fragte sie.

»Aber ich weiß doch! Etwas Schönes!«

»Wenn Sie es nur auch wirklich schön finden«, entgegnete sie zu seiner Überraschung. »Jedenfalls hab' ich es mir Arbeit kosten lassen.«

Er machte kein sehr intelligentes Gesicht. Sie aber griff in den Goller ihres Gewandes und holte ein Päckchen in Seidenpapier hervor.

Er nahm es mit gestammelten Dankesworten in Empfang, wickelte es aus und hielt ein langes, mit geduldiger Mühe besticktes Band zwischen den Händen, dessen Muster ein kleines Wunder darstellte an Linienschwung und Farbenpracht, streng kunstgewerblich bis dort hinaus, bloß mit einer geringen Konzession an das Sinnige: eigentümlicherweise zeigten diesmal die Bandwurmschnörkel eine hartnäckige Neigung, in regelmäßigen Abständen Räume von Herzform freizulassen.

Als Theo den Sinn der zarten Runensprache erfaßt hatte, errötete er ganz richtig, was ihm schon lange nicht mehr passiert war. – Zugleich aber arbeiteten seine Gedanken krampfhaft an dem Problem, was er da eigentlich geschenkt bekommen hätte. Denn bloß um ihm süße Geständnisse zuzuflüstern, konnte dies Ding doch nicht da sein, irgendeinen reelleren Zweck mußte es haben.

– Hosenträger! schoß es ihm plötzlich in seiner Angst durch den Sinn. Aber zum Glück mußte er so lange nach einem schöneren Ausdruck, mit Beinkleid, für diesen schwer entbehrlichen Gegenstand suchen, daß von seiner Vermutung nichts laut wurde, bevor ihm Trautchens weibliche Ungeduld auf die Sprünge geholfen hatte.

»Nun?« fragte sie lächelnd, »glauben Sie, daß es Ihrer Gitarre steh'n wird?«

»Herrlich, herrlich!« schrie er beinah, in einer Begeisterung, die sie nicht nur ihrem Werk zuschreiben konnte, sondern strahlend auf ihre Person bezog. »Sie müssen es mir selbst dranmachen!« sagte er eifrig und lief nach dem Instrument. Und während er es ihr brachte, rissen seine Finger so lieblos an den alten Schleifen, daß man deutlich sehen konnte, wie gänzlich sie ihm verblaßt waren vor der neuen Pracht. Ja, als sie nicht gleich aufgehen wollten, nahm er ein Messer vom Zeichentisch und setzte sie ohne Mitgefühl herunter.

»Die armen Bänder!« lächelte Trautchen in gemachten, Bedauern. »Was die wohl sagen würden, von denen sie stammen?«

»Is mir doch egal!« entgegnete er großartig, legte die nackte Gitarre behutsam auf ihre Knie, knüllte die Schleifen mit der Faust zusammen und warf sie in die Falltür des Amerikanerofens. Ein Flackern erhob sich hinter den drei Glimmerfensterchen lind war im Augenblick wieder tot.

»Und wenn mein Band später auch mal so brennen muß?« sagte Trautchen. Es klang wirklich melancholisch.

»Aber! Ausgeschlossen!« beteuerte er. »Ja, können Sie wirklich glauben!«

»Wer weiß!« sagte sie verträumt, aber ihre Augen sprachen hellwach und deutlich. Ich weiß! Und sie machte sich daran, sein Saitenspiel zu schmücken, und brachte das Band wie einen Gewehrriemen an, ein Beginnen, das er mit einiger Überraschung verfolgte. Dann stand sie auf und hielt ihm die Gitarre hin.

»Nun, gefällt's Ihnen so?«

Er nahm das Instrument und wiegte es langsam hin und her.

»Fein!« rief er anerkennend. »Und praktisch! Man kann sie sich umhängen.«

»Ja, ja, und das müssen Sie tun!« jubelte sie kindlich und klatschte in die Hände. – »So! – Wie ein Minnesänger sehn Sie aus!«

– Aus Sachsen bist du aber doch! dachte er bei sich und fühlte sich unbehaglich romantisch so mit der Musik auf dem Buckel. Doch getraute er sich nicht recht, sie schon gleich wieder herunterzutun. Darum faßte er, um auf etwas andres zu kommen, mit dem Daumen unter das Band, das schräg über seine Brust lief, und sagte verzückt: »Kolossal nobel in der Farbe!«

»Mja«, entgegnete sie sachlich und bescheiden, »es ist vielleicht nicht ganz schlecht, wie das Kadmiumgelb Eins zu dem Emeraldgrün und dem Caput mortuum steht.«

Er hob den Blick bei diesen Fachausdrücken und mußte sich auf die Lippen beißen, aber ironisch sein durfte er jetzt um keinen Preis, so viel war ihm klar. Dann rettete er sich denn in einen Ausbruch der Begeisterung:

»Wissen Sie, wo erst noch ein ganz anders schönes Gelb zu holen gewesen wär'?«

»Wie?« gab sie verständnislos zurück, obgleich sie genau sah, wo seine Augen weilten.

»Ihr Haar!« erwiderte er bewundernd.

»Ach! Gott, aber es kommt so ja gar nicht zur Geltung ... Offen – da kann ich mich drin einhüllen wie in einen Mantel.«

»Muß das fein sein! Wer das einmal sehn könnte!«

»Soll ich es aufmachen?« fragte sie plötzlich schlicht und harmlos.

»Ach bitte! Ja, bitte!« Er trat mit zusammengelegten Händen auf sie zu. Sie wich ein wenig zurück.

»Aber Sie dürfen es nicht falsch ausfassen!«

»Nein, nein, ich fass' es schon richtig auf!«

»Also, dann drehn Sie sich um!«

»Ach, warum denn!«

»Nein, sonst tu' ich es nicht!«

»Schön, wie Sie wollen!« sagte er resigniert und wendete sich ab, doch nur so lange, bis die Haarnadeln leis auf die Platte seines Zeichentisches klirrten; dann beobachtete er Trautchen verstohlen von der Seite, wie sie ohne Eile die langen Zöpfe aufflocht. Und sie in ihrem edeln Vertrauen hatte gar keinen Verdacht, befleißigte sich aber immerhin so sorgfältig abgezirkelter, zierlicher Bewegungen, daß die sich jedenfalls sehen lassen konnten. Auch davon spürte sie nichts, daß er ihr durch geräuschlose kleine Bewegungen seiner Füße immer näher kam. Es überraschte sie nicht einmal, daß ihre Haare an seinen Arm schlugen, als sie sie nun auf den Rücken warf. Ein Teil wurde wieder nach vorn genommen und alles getan, das ihm verheißene Bild eines Mantels wahrzumachen.

»Nun dürfen Sie sich wieder umdrehn!« rief sie zum Schluß.

»Ja, das nenn' ich noch Haar!« rief er zungenschnalzend. »Wie sie glänzen! Und diese Masse!«

»Es ist wirklich mehr, als man glaubt«, stellte sie fest. »Das einzelne Haar ist so fein. Fühlen Sie mal!«

Er drückte seine Lippen auf die Strähne, die sie ihm vertrauensvoll reichte.

»Ah!« machte er feinschmeckerisch. Dann plötzlich hatte er Trautchen am Kopf, und sein Mund fand den ihren.

Und sie in ihrer Verwirrung dachte gar nicht daran, sich zu sträuben. Ja, um fester zu stehen, legte sie sogar ihre Arme um seine Schultern.

Da aber erhob sich in der vergessenen Klampfen aus seinem Rücken ein grämlich warnendes Gedröhn.

Das Mädchen schrak auf und drängte Theo sanft von sich ab.

»Aber was tun wir denn?« sagte sie verwundert.

»Grad' das Wahre!« antwortete er flott, hängte sich schnell das taktlose Instrument ab und schmiß es verächtlich in den Klubsessel. Dann trat er wieder aus Trautchen zu. Sie aber wehrte ihm.

»Trautchen!« bat er.

»Nein, Theo! Sie sind so stürmisch!« flüsterte sie und sah ihn mit liebem Vorwurf an. »Ich muß doch erst zur Besinnung kommen«, lächelte sie in süßem Flehen.

»Ah, zu was denn!« rief er keck.

»Bitte, Theo!« sagte sie, wieder mit den bis aus den Grund klaren Kinderaugen, fing seine Hände, hielt sie einen Moment und ließ sie dann mit leichtem verheißendem Druck behutsam fallen.

Wie sie nun nach einer Ablenkung aus der Schwüle der Stimmung suchte, wanderte ihr Blick, rein aus Zufall, zu dem Reißbrett mit der venezolanischen Katastrophe hinüber.

»Ach«, fragte sie überrascht, »machen Sie das für die ›Jugend‹?«

»Jawohl, natürlich«, log er unverfroren. »Illustration zu einer Novelle. Handelt von einem Eisenbahnunglück. Is mal was andres.«

»Übrigens«, brach es plötzlich aus ihrer Seele hervor, »haben Sie eigentlich festen Kontrakt mit der ›Jugend‹?«

»Nein, Kontrakt ...« gab er ziemlich verdrossen zurück. »Ich bring' immer hin, was ich mach'.«

»Und haben Sie sonst noch irgend was? Was Fertiges?«

»Ja, schon.« Das kam zögernd heraus, und plötzlich rief er in ganz anderm Ton; »Aber Trautchen! Das können wir ja immer noch.« Dabei griff er liebevoll nach ihrer Hand.

Doch er bekam sie nicht. Das Mädchen war aufmerksam seinem flüchtigen Blick gefolgt und schritt jetzt mit unfehlbarer Sicherheit auf die Wand zu, wo hintereinandergeschichtet etwa zwanzig Keilrahmen lehnten.

»Auch das gehört doch zum Sichkennenlernen«, sagte sie neckisch.

Mit einem Seufzer folgte er ihr und ließ die Besichtigung seiner, Zeichnungen über sich ergehen.

Trautchen war gründlich: Blatt für Blatt wurde mit Kenneraugen geprüft und mit Kennerworten beurteilt, und letzteres gar nicht so dumm, fand er, da sie fast alles lobte. Furchtbar dumm aber war es trotzdem, die kostbare Zeit mit Fachsimpeln zu töten und die schöne Verliebtheit erst wieder abstehen zu lassen.

Doch schließlich erhob sich Trautchen aus der Hockstellung und fragte plötzlich:

»Ja, aber ... arbeiten Sie denn auf Vorrat?«

»Wie?« fragte er verwirrt zurück.

»Ja, warum tragen Sie das denn nicht hin?«

Er mußte sich einen Augenblick besinnen.

»Ach, Sie meinen ...?« stammelte er. »Ja, nein, Sie müssen nämlich wissen ... Ach, ich mag nicht! Das ist nichts, das da! Es genügt mir selber noch nicht.«

Ein Lächeln der Rührung über soviel Bescheidenheit verklärte ihr Gesicht, und zugleich etwas wie Mitleid mit der männlichen Hilflosigkeit. Mütterlich geradezu wurde ihre Neigung zu ihm. Sie hielt ihm die Hände hin, und er ergriff sie dankbar. Zart lehnte sich ihre Schulter gegen seine Brust, und die Augen groß zu ihm aufschlagend, sagte sie liebevoll und bestimmt:

»Unsinn, Theo! Die Zeichnungen können sich ruhig sehen lassen!«

– Jawohl, dachte er, erzähl du das mal den Brüdern auf der Redaktion! Ich weiß es selber! Laut aber sagte er: »Na ja, man kann sich's ja überlegen!« und rankte seinen Arm zärtlich um ihre taillenlose Mitte. Sie legte die flachen Hände an seine Schulter und schaute auf sie hinab.

»Wenn Sie in solchen Sachen nur immer mir folgen ...!«

»Gewiß, gewiß!« beruhigte er sie und fügte in Gedanken hinzu: – Das wird mir wahrscheinlich viel nützen!

»Nämlich«, fuhr sie fort, »ich seh' es jetzt ja unten bei Ladurners.«

»Was?« erkundigte er sich überrascht.

»Ja, er reist mit ihrem Geld nach Afrika, und sie darf zu Hause gucken, wo sie das Nötigste auftreibt. Wenn Brita nicht so wäre, nicht wahr, es wär' doch auch für ihn besser?«

»Kann schon sein«, antwortete er gleichgültig und gelangweilt. Dies Mädchen litt doch wahrhaftig an Gedankenflucht und kam vom Hundertsten ins Tausendste.

Aber sie sprach unbeirrt weiter:

»Also, was ihr Künstler so nötig habt wie's liebe Brot, ist und bleibt doch eine verständnisvolle und praktische Frau.« Und jetzt hob sie den Kopf wieder und sah ihn an.

Sein Mund öffnete sich und blieb offen. Kein Laut drang hervor.

»Und Sie werden sehen, Theo«, verkündete Trautchen mit Wärme, »wenn wir erst verheiratet sind ...«

»Ver–heiratet?« hauchte er und prallte gleichsam von ihr fort.

»Ja, oder was haben Sie sich gedacht?« inquirierte sie schneidend.

»Nichts«, ächzte er tonlos.

»Und dann küssen Sie mich?!«

Am liebsten wäre er davongelaufen. Aber das ging nicht. Das ging ja doch nicht! – In seiner Angst fiel ihm nichts andres ein, als wie blind und toll auf sie loszugehen und wieder die Arme um sie zu schlingen.

»Aber ...«, stammelte er eindringlich. »Aber Sie sind doch Künstlerin!«

»Lassen Sie mich los!« keuchte sie. »Sofort! Oder ich schrei'!«

»Trautchen!« flehte er.

Da schrie sie! Ihm fiel einfach das eine Ohr zu vor diesem gellenden Laut.

»Gut, gut!« wehrte er ab und taumelte gleich fünf Schritte rückwärts.

»Kommen Sie mir nicht näher!« rief sie kampfbereit.

Er dachte gar nicht daran. – Ihre Augen blitzten ihm voll Verachtung ins Gesicht. Sie durfte sich stolz als Siegerin fühlen. Und merkwürdigerweise – wer kennt die Wege der weiblichen Logik? gab sie diesem Triumph den Ausdruck, daß sie unter dem angstvollen Ruf: »Hilfe, Hilfe!« zur Tür hinausstürzte und diese dröhnend hinter sich ins Schloß warf.


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