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21

Als Gittas Telegramm ankam, rief Holten sofort bei Frau Margis an und sondierte vorsichtig, ob sie bereits Näheres wußte. Frau Margis wußte überhaupt nichts. »Erschrecken Sie bitte nicht, gnädige Frau! Ich gebe Ihnen mein Wort, daß es sich da um ein bloßes Mißverständnis handelt, denn ich kenne die Zusammenhänge, Ihr Herr Gemahl ist heute früh verhaftet worden. Eine Dame seiner Bekanntschaft wurde ermordet aufgefunden. Selbstverständlich ist Ihr Herr Gemahl völlig unschuldig. Ich glaube auch bereits zu wissen, wer der Mörder ist, und werde sofort alles tun, um die Sache aufzuklären.«

Luisa stürzte zu Holten. Er hatte sie noch niemals gesehen, da sie sich in Gesellschaft nicht zeigte. Eine schlanke Frau mit eingeschlagenem blonden Haar. Sie liebt Mann und Kinder, dachte Holten, und ist klug genug um an seiner Lebensarbeit teilzunehmen. Mehr verlangt sie nicht vom Leben, und vielleicht ist das alles sehr weise von ihr.

Die Frau war ihm sofort sympathisch. »Sicher wird Ihr Herr Gemahl Ihnen geschrieben haben. Aber der Brief eines Verhafteten muß erst die Instanzen passieren. Sie erhalten ihn gewiß übermorgen zum Sonntag.« Dann berichtete er ihr über seinen Kampf gegen Glasberg. Es war für ihn sicher, daß Glasberg auch diesmal seine Hand im Spiele hatte. »Margis muß ein Vorgefühl der Katastrophe gehabt haben. Vor einigen Tagen schrieb er mir diesen Brief.« Er las ihn vor. »Klingt das nicht wie eine Warnung?«

Luisa berichtete ihrerseits, was Margis ihr von den Damen Fenn und Glasberg geschrieben hatte. »Gleich, als ich diesen Brief las, packte mich eine unerklärliche Angst. Da wird etwas passieren, mußte ich denken, schlug es mir aber natürlich aus dem Kopf. Glauben Sie, Herr van Holten, daß mein Mann in einer ernstlichen Gefahr schwebt? Halten Sie es für möglich, daß er etwa wegen Mordes zum Tode verurteilt wird?«

»Ich denke, nein! Aber Glasberg ist ein sehr ernster Gegner. Sicher hat er die Tat bis ins einzelne vorbereitet. Das erstemal, bei Susette, hat er den Mord als Selbstmord drapiert. Diesmal hat er alles so angelegt, daß ein anderer als Täter erscheint. Er wird es mit großer Geschicklichkeit gemacht haben, gnädige Frau. Und sicher hat er mit großer Kunst ein Alibi für sich zurechtkonstruiert, so daß er als Täter überhaupt nicht in Frage kommen kann.«

»Man hat ihm auch im Falle der Susette Streicher nichts anhaben können?«

»Nicht das geringste. Zudem schützt ihn natürlich bis zu einem gewissen Grade sein Name sowie der Umstand, daß jedes Motiv zu einer solchen Tat zu fehlen scheint. Ich selbst, der ich mich seit länger als einem Jahr mit dem Fall Glasberg beschäftige, bin mir über die Motive seiner Handlungen völlig im unklaren. Wenn Glasberg jetzt seine zweite Frau umgebracht hätte, so ergäbe das eine feste Linie. Man würde sagen, daß er die festen Bindungen nicht erträgt und die Fessel selbst durch Mord abschüttelt. Aber so?«

Frau Margis fand, daß diese Erklärung gerade auf die Ermordung der Frau Fenn paßte. Seine zweite Ehe könnte Glasberg kaum als Fessel empfunden haben, während ihn die Liebe zu Maria Fenn vielleicht wirklich fesselte. »Er hat Susette geliebt und ermordet, und vielleicht liebte er diese Frau ebenfalls. Vielleicht muß er immer seine Geliebte ermorden?«

Holten sah die schlichte blonde Frau erstaunt an. »Immer die Frau ermorden, die man liebt!« wiederholte er zögernd. »Eine Art Blaubart also!« Er dachte darüber nach; Luisas Worte arbeiteten in seinem Innern. »Vielleicht,« sagte er, »vielleicht!«

»Maria Fenn muß sehr schön gewesen sein,« fuhr Luisa fort. »Sie hat die alte Abneigung meines Mannes gegen das Porträt besiegt. Margis hat Frau Fenn und ihre Tochter porträtiert, und er ist wohl auch ein wenig in sie verliebt gewesen. Der arme Kerl! Nun bringt es ihm noch Untersuchungshaft ein!«

»So?« sagte Holten. »Das ist allerdings sehr interessant. Glasberg wird natürlich diese kleine Schwäche Ihres Gatten bemerkt und ausgenutzt haben. Damit hat er ihn in die Falle gelockt.« Er rief seine Sekretärin herein, machte die Damen miteinander bekannt und erzählte Elma Diepenbroich kurz das Vorgefallene. »Frau Margis erhält von Ihnen jederzeit Auskunft über alles, was mit diesem Fall zusammenhängt. Und nun geben Sie eine Depesche an Fräulein Streicher auf, daß ich erst morgen abend in Königsberg sein kann. Ich muß die Nacht durcharbeiten, um für einige Tage fort zu können.«

»Was ist das für eine sympathische Person!« sagte Frau Margis, als Elma Diepenbroich hinausgegangen war. »Ja,« antwortete er, »sie hat auch allerhand durchgemacht. Es gibt wirklich merkwürdige Männer auf der Welt.«

»Nun, mit den Frauen ist es auch nicht besser.«

Am nächsten Morgen war Holten müde und nervös. Er hatte bis fünf Uhr gearbeitet und sich nur in seinen Kleidern auf das Sofa geworfen. Die neuen Ereignisse erschütterten ihn mehr, als er es selbst bemerkt hatte. Oder er merkte es erst an den körperlichen Folgen. Während er sich wusch und umzog, packte ihn auf einmal die Angst vor den nächsten Wochen. Natürlich würde er Margis' Verteidigung übernehmen.

Aber wenn er sich dieser Aufgabe nicht gewachsen zeigte? Wenn er immer weiter vor dem Rätsel stand, ohne es lösen zu können? Er war zum Einbrecher geworden, ohne damit einen Schritt weiterzukommen! Und wie, wenn selbst eine Exhumierung der Leiche nichts zutage förderte? »So werde ich alles daran setzen, seine Geliebte zu werden, wenn es nicht anders möglich ist!« hatte Gitta gesagt. Diese Worte klangen fast körperlich hart an sein Ohr.

Er nahm ihr Bild zur Hand, das sie ihm in Leynhausen geschenkt hatte. Was war das für ein wunderbares Geschöpf! Er sah das herbe, fast knabenhafte Gesicht an, die ernsten, dunklen Augen, die strenge, gerade Stirn, die dunklen, halblangen Locken, die in den Nacken hineinfielen.

Wozu gibt es so wundervolle Geschöpfe! mußte er denken. Ihr Schicksal ist nicht besser als das der andern Menschen, und ihr Gang durch das Leben hinterläßt Kummer und Herzeleid. Aber vielleicht ist das der Sinn unsres Daseins! Vielleicht sollen wir immer wieder herausgerissen werden aus allem bürgerlichen Behagen, sollen Kummer und Herzeleid erleben und bis ans Ende einen Traum in uns tragen, der nie erfüllt wird.

Ich muß noch etwas ruhen, sagte er sich und nahm eine Karte erster Klasse. Er war allein in dem Abteil und streckte sich auf der Polsterbank aus. Am Bahnhof Friedrichstraße stieg ein Herr mit einem großen gelben, exotisch aussehenden Lederkoffer ein. Ein Riese von Gestalt, mit schlauen, zusammengekniffenen Augen hinter dicken Brillengläsern, mit dunklem Vollbart, der schon angegraut war, und einem rechtlich erworbenen Männerbauch. Was für ein furchtbarer Kerl! dachte Holten.

»Mein Herr!« dröhnte der Mann. »Sie befinden sich auf meinem reservierten Platz. Jawohl, hier ist meine Platzkarte!« Holten wechselte auf die andere Bank über. Hierbei streifte sein Blick das Kofferschild. »Fenn« stand mit großen Buchstaben darauf. Fenn? dachte er. Weshalb heißt dieser Mann Fenn? Was kann er mit Maria Fenn zu tun haben? Maria Fenn hieß doch die Ermordete.

Er zog die Zeitung aus der Tasche. Das gestrige Abendblatt hatte nur eine kurze Meldung gebracht, aber die Morgenzeitung enthielt eine lange Spalte. »Der bekannte Maler Margis verhaftet!« las er die Schlagzeile, überflog den Bericht, an dem ihm fast alles neu war. Er las davon, daß das Töchterchen der Frau Fenn Margis des Nachts blutbesudelt im Park hatte stehen sehen.

Sollte etwa Margis doch der Mörder sein? Nach dem Bericht bleibt kaum ein Zweifel übrig. Dummkopf! schalt er sich. Natürlich hat Glasberg die Geschichte schon ausgezeichnet eingefädelt! Aber ihn packte wieder die Angst. Würde er hindurchfinden? Der Kellner kam und bot Plätze zum Mittagessen an. Sie nahmen beide Karten. »Diese verwünschte Esserei!« brummte der Herr. »Kaum ist man eine Woche in Europa – schon revoltiert der Magen gegen all das, was man zu sich nehmen muß.«

»Kommen Sie von Übersee?«

»Kalifornien!« sagte der Mann kurz. Dann las er in seiner Zeitung weiter. Natürlich, er hat auch den Bericht über den Mord aufgeschlagen. War er vielleicht der Vater oder ein Verwandter von Maria Fenn? Jedenfalls war es auffallend, daß ein Mann, der aus Kalifornien kam, in einem Zug nach Königsberg saß. Sie sprachen bis zum Mittagessen kaum ein Wort.

Holten hatte sich wieder hingelegt; der andere lehnte in seiner Ecke und paffte eine dicke Brasilzigarre nach der andern.

»Sie sind hier mit der Landwirtschaft weiter als drüben,« sagte er einmal, auf die Felder weisend. »Aber eigentlich müßten sie noch viel weiter sein. Es genügt nicht für das übervölkerte Land!«

»Nein!« antwortete Holten. Das war ihre ganze Unterhaltung.

Hinter Schneidemühl gingen sie gemeinsam in den Speisewagen. Sie hatten zwei Plätze an einem kleinen Tischchen. Holten bestellte ein Wasser, der andere ließ sich ein Weinglas mit Kognak füllen.

»Weshalb es hier nirgends Whisky mit Soda gibt, möchte ich auch wissen!«

Holten meinte, daß sein Gegenüber offenbar auf das Soda verzichten könne.

»Das sieht nur so aus,« sagte der Mann. »Ich habe Kummer.« Das kam so rührend, so aus tiefster Herzensnot heraus und war so naiv geradezu hingesagt, daß es Holten irgendwie erschütterte.

»Sie sind verwandt mit der ermordeten Frau Fenn?« fragte er.

»Verwandt? Verwandt? Es war meine Frau!« Holten sah ihn überrascht an. »Ich habe seit fünf Jahren nicht mehr mit ihr zusammengelebt,« fuhr der Mann fort. »Gerade hatte ich mich bei ihr für die nächste Woche angemeldet, da muß sie sich ermorden lassen. Meinen Sie, wenn ich früher hingereist wäre, daß sie dann vielleicht nicht ermordet wäre?« Das war die Frage, die an ihm nagte.

»Oder sie wäre vielleicht einige Tage früher ermordet worden,« sagte Holten. »Man weiß ja nicht, ob der Mörder sie nicht in jedem Falle vor Ihrer Ankunft ermorden wollte. Vielleicht hat Ihre Anmeldung die Sache beschleunigt oder aufgehalten. Man weiß ja noch gar nichts.« Der Mann fragte, ob Holten nicht die Zeitungen gelesen hätte.

Weshalb soll ich hinter dem Berge halten? dachte der Rechtsanwalt. Es ist vielleicht besser, wenn ich ihm alles erzähle.

»Ach was,« sagte Herr Fenn, nachdem er Holten eine Weile angehört hatte, »ich dachte, das ist nun wenigstens eine schöne, klare Geschichte, und jetzt kommen Sie mir mit allerhand Komplikationen!« Aber er hörte aufmerksam weiter. Mario Glasberg schien ihm ausnehmend zu gefallen. »Der Mann gehört nach Übersee!« sagte er. »So was kann man hier nicht gebrauchen!«

Als Holten ihm von der Möglichkeit der Arsenvergiftung und den Theorien des verstorbenen Herrn Gerlach berichtete, hing Herr Fenn an seinen Lippen. »Das ist großartig!« rief er aus. »Ihr seid doch in Deutschland verfluchte Kerle mit eurer Chemie!« Er war Feuer und Flamme für Arsenvergiftungen. Psychologische Erörterungen hingegen wehrte er mit einer herrischen Handbewegung ab. »Davon weiß man nie etwas,« sagte er wegwerfend. »Weshalb soll so ein Mann nicht seine schöne Frau vergiften?« Er hielt es offenbar für einen ganz natürlichen Hergang, daß man eine schöne Frau vergiftete.

Sollte es wirklich so sein? dachte Holten. War es nicht dasselbe, was schon Frau Margis gesagt hatte: Vielleicht muß er immer seine Geliebte ermorden?

»Sie glauben nicht, daß meine Frau mit diesem Maler etwas gehabt hat?« fragte Herr Fenn.

Holten wußte nicht recht, was er sagen sollte. Dieser Mann machte ganz den Eindruck, als wenn er einen im nächsten Augenblick totschlug, sobald man etwas gegen seine Frau sagte.

Herr Fenn schien es zu bemerken. »Meine Frau konnte natürlich tun und lassen, was ihr beliebte. Ich habe das auch getan. Also was meinen Sie dazu?«

Holten meinte, daß eine Frau eher mit Glasberg als mit Margis »etwas hatte«.

»Das denke ich auch!« bestätigte Herr Fenn. »Wissen Sie, sie war eine famose Frau. Eine bildschöne und kluge Frau. Aber sie neigte zu Dummheiten, zu kleinen deutschen Sentimentalitäten. Sie war kein Renaissance-Mensch. Und ich kann nun einmal nur Renaissance-Menschen vertragen. Sehen Sie her!« Er zog ein Bild aus der Tasche und wies es Holten. Er sah Marias edelgeneigtes Profil, den schwarzen Haarknoten im Nacken, den süßen, schwellenden Mund, das sehnsüchtige, schwärmerische Auge. Und diese Frau hatte mit dem behaarten und gewalttätigen Herrn Fenn zusammengelebt, der für »Renaissance-Menschen« war!

»Sie gefällt Ihnen besser als ich, was?« sagte Herr Fenn. »Ja, sie war eine wunderbare Frau!« Sie gingen in ihr Abteil zurück.

»Wie werden Sie die Sache anfassen?«

Aber Holten wußte noch nichts. Zuerst mußte er natürlich mit Margis sprechen, um alles Nähere zu erfahren. Sodann konnte es vielleicht glücken, Glasberg zu belasten.

Das vorläufige Ziel war, die Exhumierung von Susettes Leiche durchzusetzen. Wenn es glückte, den Verdacht auf Glasberg zu lenken, mußte die Ausgrabung der Leiche alles Weitere ergeben. Wenn es sich dann herausstellte, daß Susette in der Tat nicht mit Veronal vergiftet war, war nach seiner Ansicht die Sache entschieden. »Seltsam ist es nur, daß er diesmal einen Dolch verwandt hat. Man sollte denken, daß das Gift seine Sache ist. Ich stelle mir sogar vor, daß es ihn gereizt hat, eine komplizierte und schwer nachweisbare Vergiftung ins Werk zu setzen.«

»Selbstverständlich!« nickte Herr Fenn. »Aber woher denn nun der Dolch?« fragte Holten noch einmal.

Herr Fenn meinte, daß er überrascht worden wäre. »Mitten in seiner wunderschönen Arbeit wird er überrascht, und da stößt er schnell zu und läuft fort. Das ist doch klar!«

Ein sonderbarer Heiliger! dachte Holten. ›Wunderschöne Arbeit!‹ sagte er, wo es sich um die Ermordung seiner Frau handelt. Dieser Mann ist wirklich eine Art Renaissance-Mensch. Vielleicht macht er sich ganz genaue Vorstellungen und bewundert dabei noch Glasbergs Geschicklichkeit!

Inzwischen kämmte sich Herr Fenn seinen Bart und sah dabei in einen kleinen Taschenspiegel.

»Da ist noch meine Tochter Renate,« sagte er nach einer Weile. »Ich bin neugierig, wie sie geworden ist. Wissen Sie, Herr Rechtsanwalt, ich dachte damals immer, daß ich aus meiner Frau noch etwas machen könnte. Etwas in meinem Sinne: eine Frau für Übersee. Aber das ist Unsinn. Man kann nie aus einer Frau etwas machen. Aber wie die kleine Kröte geworden ist, darauf bin ich gespannt. Sie versprach etwas. Ich hoffe, sie ist am Bahnhof. Ja, wahrscheinlich wird sie mit diesem Herrn Dr. Glasberg am Bahnhof sein. Sie können ja dann gleich mit Ihrem alten Freunde Wiedersehen feiern.«

Um Gottes willen! dachte Holten. Natürlich wird Glasberg am Bahnhof sein! Sie würden zusammen sprechen. Was sagte er ihm nur? Daß er die Verteidigung von Margis übernommen habe! »Aussichtsloser Fall!« würde Glasberg antworten. Ja, genau so würde es sein.

Und wenn auch Gitta dort war? Er sah in Gedanken Mario und Gitta auf dem Bahnsteig auf- und abgehen und den Zug erwarten. Das konnte eine unterhaltsame Begrüßung ergeben! Herr Fenn und seine Tochter, Mario Glasberg und Gitta und er!

Erst jetzt wurde ihm klar, daß sich die Lage zur Katastrophe zuspitzte. Alles, was er bisher gegen Mario unternommen hatte, war in gewissem Sinne unverbindlich gewesen. Kein Mensch außer Gitta hatte darum gewußt. Sie hatten in voller Verschwiegenheit arbeiten können.

Jetzt aber schwoll es wie eine Lawine an. Frau Margis wußte darum, und seiner Sekretärin hatte er das Nötige sagen müssen und jetzt sogar diesem Herrn Fenn, und vielleicht hatte Gitta auch in Königsberg schon eingegriffen. Es war doch immerhin sehr angenehm gewesen, daß die Maske der Freundschaft zwischen ihm und Mario beibehalten worden war. Wenn er aber jetzt aus dem Zug stieg und Mario stand auf dem Bahnsteig und Gitta trat hinzu, dann war es wie ein Aufmarsch der feindlichen Heere.

»Wann kommen wir in Königsberg an?« fragte Herr Fenn und ließ seine goldene Uhr spielen.

»In zwei Stunden!«

»Dann kann man noch ein Nickerchen machen,« sagte Herr Fenn und zog sich in seine Ecke zurück. Holten sah aus dem Fenster. Jenseits eines dunklen Flusses blitzten in der Abendsonne die Fenster einer Burg. Rotgoldener Schein huschte über gewaltige Mauern, die wie ein Gebirge aufstiegen.

Ein merkwürdiges Land! dachte Holten. Was haben sie da für eine Welt aus Backsteinen aufgerichtet? Ich dachte immer, es gäbe nur am Rhein und im Süden Burgen.

»Marienburg!« rief der Schaffner durch den Gang. Die Bremsen zogen an. Herr Fenn schreckte aus seiner Ecke hoch und sah erstaunt auf die Burg, die in ungeheuren Terrassen aufwuchs. »Amerika, du hast es besser,« brummelte er in seinen Bart und schlief weiter.


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