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17

Als Margis am nächsten Morgen erwachte, fiel ihm sofort sein Brief an den Rechtsanwalt ein. Zuerst erschrak er, dann aber erinnerte er sich wieder aller Gründe. Glasberg hatte ihn ködern wollen, und die Damen Fenn waren ihm dabei behilflich gewesen. Und jetzt hatte er Glasbergs Aufenthalt an Holten verraten. Morgen konnten bereits Depeschen hin und her gehen. Er wußte nicht, was sein Brief auf sich hatte, aber es war eine bewußt feindliche Handlung gegen Glasberg.

Er kleidete sich rasch an, frühstückte und ging den Fußweg durch die Kusseln nach Klein-Klank. Maria war mit dem Inspektor aufs Feld geritten. So, so, dachte er, also ist sie mit Glasberg zusammen!

Er traf Renate allein. »Kommen Sie, heute bringe ich Ihr Bild zustande.« Sie folgte ihm still die Treppe hinauf. Er hatte die Empfindung, daß sie sich hinter seinem Rücken über ihn lustig machte. Mochte sie, es war ihm gleichgültig. Wie überlegen war er allen diesen Menschen geworden, die ihn an der Nase herumzuführen gedachten. Er entriß ihnen ihre Seele und bannte sie auf die Leinwand und begann eine neue Periode seines Schaffens. Das war wichtiger als alles, was hier vor sich ging.

Wenn er das zweite Bild fertig hatte, fuhr er ab und schrieb aus Berlin einen kurzen Brief. Renate konnte man vielleicht etwas Konfekt schicken. Ja, das war das richtige: etwas Konfekt für Renate.

Plötzlich drehte er sich um und fragte sie etwas. Er sah dabei, daß sie sich ziemlich müde hinter ihm herschleppte. Vielleicht macht sie sich gar nicht über mich lustig? dachte er.

»Es wird heute gewiß furchtbar heiß werden,« sagte sie.

Oben griff er gleich zu Palette und Pinsel. Sie saß schon mit ihrem Buch da.

»Sie sind heute so wenig frisch!« sagte er. »Ein junges Mädchen muß frisch sein können, wenn es will. Oder wenigstens so aussehen!« Sie lachte. »Ist es jetzt besser?« Er nickte.

Da blickten ihre Augen, die er zuerst ausgeführt hatte, aus dem Bild. Jene Partie, wo sich der Hals in den weißen Spitzen verlor, reizte ihn plötzlich wegen der roten Reflexe auf der weißen Haut, die in der Sommersonne kaum braun werden wollte. Aber es war doch vielleicht der Gedanke an ihren Körper, der hier aus dem Kleide herauswuchs. Solange er das malte, mußte er doch wieder alles lieben, unter Qualen lieben; nicht wie man eine Frau liebte, sondern wie ein Phantom.

War denn dieses elfische Wesen überhaupt eine kleine Frau? Wie mußte es sein, solche schlanken Glieder zu haben, sich in Seide und Spitzen zu hüllen, blonde Haare über das Gesicht fallen zu lassen, wenn man wollte? Er setzte die Farben nebeneinander. Sie sah ihm aufmerksam zu.

Auf einmal zeigte sie auf das Bild und sagte wie zu sich selber: »Ich würde mich in dieses Mädchen verlieben.« Wurde gleich darauf dunkelrot.

»Da müßte man sich in viele verlieben!« brummte er und arbeitete weiter, obwohl ihm das Herz klopfte. Sie fragte ihn, ob es in Berlin oder sonst in der Welt viele solcher Geschöpfe wie sie gäbe. Es interessierte sie. »Eine ganze Menge!« sagte er. Die meisten. Frauen wären in ihrem Alter wie sie.

»Können Sie Frauen lieben? Ich meine erwachsene, ältere Frauen?«

»Nur solche!« gab er sofort zurück.

Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, daß wir eine Zeitlang dachten, Sie wären in mich verliebt?«

Er lachte. Sie fand Frauen über zwanzig oder über fünfundzwanzig Jahre nicht mehr hübsch. Es wäre dann doch schon etwas zerstört.

»Etwas an der reinen Form zerstört!« ergänzte er.

»Ja,« rief sie fröhlich; »ich hätte gesagt: an der Figur. Aber an der reinen Form ist viel richtiger. Ganz ausgewachsene Frauen sind – ich weiß nicht, wie ich sagen soll.« Sie sah ihn an. »Sie sind eben Frauen und keine Wesen mehr!« ergänzte er wieder, und wieder rief sie: »Richtig! Ich bin noch ein Wesen, und Mama zum Beispiel ist eine Frau. Männer also scheinen nur Frauen zu lieben.« Sie lachten beide.

»Wenn Sie sechs Jahre älter sind, werden Sie damit sehr einverstanden sein,« sagte er.

Sie nickte und sah wieder auf ihr Buch. »Vielleicht muß man wirklich sechs Jahre älter sein!« seufzte sie noch einmal, dann schwieg sie und blieb still.

Er arbeitete, jetzt an den Armen, die senkrecht herunterhingen. Die Haut war fast rot vom Widerschein des Kleides. Er legte kräftiges Weiß unter. Dieser Körper durfte nicht brennen, mußte kühl und straff sein. Die roten Reflexe durften nur über ihn hinhuschen. Manche Maler sind in sechs Stunden mit einem solchen Bild fertig, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hätte an einem Arm so lange malen mögen. Was gab es da alles zu sehen! Zum Beispiel dieses Spiel der Schatten in den Gelenken. Aber man mußte fertig werden. Konnte er heute abend diese Figur vollenden und dann morgen Maria daneben? Marias Gestalt machte keine Schwierigkeiten mehr. Es war fast nur nötig, das erste Bild zu kopieren. Damit konnte man an einem Tage fertig werden.

Woher kam diese Eile? Es war sein Brief an Holten! Morgen mittag mußte der Rechtsanwalt ihn erhalten. Morgen, den ganzen Tag über, brauchte man hier noch nichts von diesem Schritt zu wissen. Aber schon gegen Abend konnte der Boden unterhöhlt sein, konnte jeden Augenblick ein Telegramm hereinplatzen. Er hatte keine Ahnung, wie sein Brief sich auswirken würde. Vielleicht war es auch gar nichts. Holten konnte ihn lesen und sagen: »Schau, da treibt sich Glasberg an der Ostsee herum. Ich muß doch Margis einmal fragen, was für einen Eindruck er von ihm hat.« Das konnte alles sein. Wer weiß?

Daneben rumorten ganz andere Empfindungen in ihm. Man hätte zu Renate sagen müssen: »Du hast recht: Reife Frauen sind nichts gegen dich süßes, zierliches, zerbrechliches Geschöpf. Du bist noch reine Form, elfisches Wesen, zwecklose Blüte. Du hast dich noch wie ein zauberhafter Schmetterling auf dem Rand der Schöpfung niedergelassen. Dich müßte man streicheln, küssen und zerbrechen, weil man deinen Anblick in dieser Welt nicht ertragen kann!«

Aber er sagte statt dessen: »Halten Sie doch bitte einen Augenblick Ihre Beine ruhig!« Denn sie »pendelte« schon wieder, was er übrigens reizend fand. Dann verbiß er sich von neuem in die Arbeit, sah nichts mehr als begrenzte Farbflecke, setzte einen neben den andern, wußte nicht mehr: das ist ein Bein, eine Hand, sondern die Hand konnte auch eine weiße Taube sein.

Er starrte ihre Beine an, bis sie rot wurde. »Was sehen Sie da?« Er wollte, daß sie schwarze Strümpfe anzog. »Sie müssen schwarze Strümpfe anziehen gehen. Es dauert doch nur ein paar Minuten.«

Gehorsam ging sie hinaus. Er dachte über die farbigen Beziehungen zwischen diesen schwarzen Strümpfen und Marias schwarzem Schal nach. Verbesserte inzwischen an ihrer kleinen Nase, dem kleinen Stumpfnäschen, das irgendwie von dem Vater herkam. Sie setzte sich mit den schwarzen Strümpfen wieder in Positur; er malte unentwegt.

Nach einer Stunde kam Maria hinein. »Mein Gott, wie weit Sie schon sind!«

Er wollte heute den ganzen Tag malen. Die Frauen sollten ruhig essen; aber nachher mußte er Renate wiederhaben. Natürlich forderte Maria ihn auf, zu Tisch zu bleiben. Er sprach kaum ein Wort während des Essens, sah vor sich hin, spielte, was seine Frau den Kindern immer verbot, mit dem Messerbänkchen.

Da mußte er an zu Hause denken. Bald, bald komme ich. Aber dieses Bild muß noch fertig werden! Sein Brief fiel ihm immer wieder ein. Nun war er, Margis, es, der hier alle an der Nase herumführte. Vielleicht dachte Maria Fenn gerade: Den haben wir schön zu uns herangezogen. Er frißt uns aus der Hand.

»Wissen Sie,« platzte Renate los, »Ihre Frau möchte ich gerade nicht sein. Sind Sie immer so unterhaltend bei Tisch?«

»Sehr oft!« gab er zurück. »Wenn mich ein Bild beschäftigt, kann ich nicht sprechen. Meine Frau weiß es. Ich esse dann auch meistens im Atelier.« Renate meinte, daß ihr das von ihrem Mann nicht gefallen würde. »Dann müssen Sie einen Beamten heiraten,« sagte er fast grob.

Maria Fenn lenkte ab. »Es ist alles so sonderbar jetzt. Ich habe fortwährend das Gefühl, daß sich ein Gewitter zusammenzieht. Seit dem Brief deines Vaters, Renate!« Renate schob es auf die Hitze.

»Vielleicht kommt das Gewitter,« sagte Margis, Er dachte wieder an seinen Brief. Aber das war ja Unsinn. Sein Brief war auch schon unter dem Druck eines nahenden Schicksals geschrieben. Machte das alles der Besuch des Herrn Fenn? Würde es zu einem Zusammenstoß kommen? Von welcher Seite drohte Gefahr?

Herr Fenn konnte Maria in den einen Arm und Renate in den andern nehmen und befehlen: »So, jetzt kommt ihr mit nach Kalifornien!« Und würde Maria nicht einfach folgen? Aber sie liebte Glasberg. Sie konnte Glasberg um den Hals fallen, ihn gegen ihren Mann vorschieben. Herr Fenn und Glasberg, das waren zwei Gegner! Aber wieweit liebte Glasberg Maria? Es mußte doch ein starkes Gefühl sein, das den Mann beherrschte. Man erkannte es an seinen scharfgewordenen Zügen. Da spielt und brodelt etwas, wovon du nichts ahnst! flüsterte eine Stimme Margis zu. In drei Tagen mußt du hier fort sein und kannst meinetwegen aus Berlin Briefe schreiben und Konfekt schicken!

Renate wollte nach Tisch durchaus ein wenig ruhen. »In einer Stunde sitze ich Ihnen wieder.« Er setzte sich währenddessen auf die Veranda und las. Dann wurde weitergemalt. Um sechs Uhr bog die Sonne ums Fenster und warf alle Farben durcheinander.

Das Bild war fast fertig. Er mußte aufhören, legte den Pinsel hin und ging fast eilig aus dem Haus. Er war völlig erschöpft; aber gerade das hatte er erreichen wollen. Nur diese zwei oder drei Tage hinter sich haben, bis Glasberg zu ihm sagte: »Nun, Sie haben ja da einen reizenden Brief an Holten geschrieben!« Irgend so etwas müßte kommen. Aber vielleicht war er dann schon fort.

An diesem Abend saß er wieder allein am gewohnten Tisch und trank seinen Mosel. Der Wirt kam lächelnd herbei und wollte ihn unterhalten. Aber Margis gab keine Antwort und holte ein Buch aus seinem Zimmer, einen spannenden Schmöker. Dann sah er den Tanzenden zu. Es waren hübsche Mädchen darunter. Keine Maria gerade und keine Renate vor allem. Renate stand ihm fortwährend vor Augen, wie er sie den ganzen Tag gesehen hatte. Seine Augen hielten den Eindruck stundenlang fest. Er sah Kleidfalten, einen Finger, der sich über die anderen legte, die Linie des Kinns. Was wurde das für ein Bild? Ein gutes, ein hervorragendes!

Wenn er in drei Tagen im Zug saß, würde er lächelnd diese Wochen überschauen und wie ein Börsianer an seinen Gewinn denken. Man erlebte alle Ängste und Qualen um dieses Augenblicks willen, da man eine Arbeit hinter sich und die neue noch nicht angefangen hatte. Denn dann setzte es wieder von neuem ein. Dabei vergaß er nicht, daß jetzt der Brief bereits in einem donnernden Zug durch die Welt rollte. Er sah nach der Uhr und ließ sich das Kursbuch geben. »Jetzt ist er in Marienburg,« stellte er fest.

Am nächsten Tag hatte die Hitze zugenommen. Sonst war es genau wie gestern. Nur daß er schon vor dem Mittagessen mit Renates Bild fertig wurde und am Nachmittag Maria ihm saß. Sie sprachen kaum ein Wort; seine Hände arbeiteten um so eiliger, da sein Inneres kaum mehr berührt wurde. Alle Hemmungen und Probleme in Marias Gestalt hatte er schon überwunden. Er hatte sie überwunden, als er sie damals küßte. Wie eine Ewigkeit lag das hinter ihm. Es war ganz zufällig, daß es ihm überhaupt einfiel. Von innen heraus hätte er kaum daran gedacht. Wo ist der Schlesier? fiel ihm ein. Was dieser Glasberg doch für ein Lügner ist!

Unterdessen wuchs Marias Bild neben Renate aus der Leinwand. Ah, sie war doch eine wunderbare Frau! Vielleicht liebte Glasberg sie viel, viel mehr, als man dachte.

Gegen sechs Uhr mußte Margis wegen der einbrechenden Sonne aufhören. Wiederum war er nicht ganz fertig geworden. Morgen zwei Stunden noch! dachte er. Er stand mit Maria am Fenster und sah zu, wie das Meer zwischen dem Ausschnitt der Bäume langsam dunkel wurde und sich dann rosenrot färbte. Ganz still standen sie nebeneinander.

Auf einmal trat Renate ein. Maria und er wandten sich erschrocken um. Sie hatten nichts zu verbergen, und doch waren sie betroffen, nur weil nach den Stunden angespannter Arbeit das plötzliche Geräusch der geöffneten Tür sie aufschreckte. Vielleicht dachten sie auch an jene Szene nach der Beendigung des ersten Bildes, als gleichfalls Renate unvermutet eingetreten war. Es gab einen Augenblick der Verwirrung. Renate wurde nicht weniger rot als Maria. Sie streifte Margis mit einem scheuen Blick. Das Ganze hatte nur wenige Sekunden gedauert. Dann sprachen sie über das Doppelbild, standen davor, verglichen die beiden Figuren.

Als Margis am nächsten Morgen erwachte, war es sein erstes, zu erwägen, ob dies sein letzter Tag in St. Lüne sein würde. Bis zum Mittag konnte die Arbeit beendet sein. Er wollte die Leinwand gleich mitnehmen und die Staffelei nachmittags durch den Hoteldiener im Handwagen abholen lassen. Am nächsten Morgen oder vielleicht noch abends konnte er fortfahren. Es war sogar möglich, noch den Berliner Nachtzug in Königsberg zu erreichen. Es lockte ihn unendlich, plötzlich fort zu sein, morgen früh bei Luisa und den Kindern einzutreten. Er fieberte beim Hinuntergehen, ob die Post seine Entschlüsse vielleicht unterstützen würde.

Aber außer der Zeitung war nichts gekommen. Schon ein wenig in der Abschiedsstimmung, schlug er den Weg durch die Kusseln ein. Dachte, daß vielleicht Glasberg ihn bereits in Klein-Klank erwartete. Aber er fand die Frauen allein. Weshalb hatte Renate Rock und Bluse angezogen? Sollte es wieder eine Kriegserklärung sein? Sie schien ihre alte verletzende Zurückhaltung hervorgeholt zu haben, empfing ihn mit auffallender Kühle. Glasberg? – fragte er sich. Aber Glasberg war doch heute nacht in Königsberg gewesen und würde die folgende Nacht auch in Königsberg sein.

»War Glasberg gestern abend hier?« fragte er.

»Nein, wieso?« Renate zuckte die Achseln. Log sie? Sie machte den Eindruck eines ungezogenen Kindes. Er erwartete, daß Maria ihm irgend etwas sagen würde, als er mit ihr allein war. Aber sie begrüßte ihn freundlich wie immer.

»Was hat Renate?« fragte er. Maria sagte überraschend, daß ihre Tochter eifersüchtig zu sein scheine. Ah, dachte Margis, wenn Renate eifersüchtig ist, dann hat es Maria ihr eingeblasen, um Renates Verdacht von Glasberg abzulenken. Sollte Renate nicht wissen, was zwischen Maria und Glasberg vorgeht? Vielleicht, vielleicht ahnte sie nichts! Vielleicht ahnte sie nur und zweifelte. Und vielleicht, vielleicht sah er wirklich Gespenster und hatte Maria Fenn doch ihren Schlesier. Während dieser Gedankengänge war er schon an der Arbeit.

Punkt zwölf Uhr war das Bild fertig. Er trat von der Staffelei. »He!« rief er.

Maria stand auf, kam um das Gestell herum, stand lange davor. »Ist es gut?« fragte sie.

»Natürlich ist es gut,« antwortete er. »Genau so gut wie Ihr Solobild und durch Renate entsprechend bereichert. Gefällt es Ihnen nicht?« Er hoffte sogar ein bißchen, daß es ihr nicht gefallen würde. Er hätte sich ihr dann weniger verpflichtet gefühlt.

»Es ist so anders,« sagte sie, »als das letztemal. Damals war es wie ein großer Abschluß. Ich fühlte die ganze Weihe einer vollendeten Schöpfung. Deshalb durften Sie ja auch tun, was Sie dann taten.« Sie lächelte. »Und diesmal bin ich müde, überanstrengt. Ich sehe, es ist fertig. Es ist wundervoll. Aber ich bringe das Gefühl der Weihe nicht mehr auf wie damals.«

Er fand, daß sie recht hatte. Es käme, weil sie das zweitemal gemalt wäre. Es fehlte das Unerhörte der Einmaligkeit. »Sagen Sie,« und er wunderte sich selbst, daß er den Mut fand, diese Frage zu tun, »lieben Sie und Glasberg sich wirklich so sehr?«

Sie sah ihn ernst und erstaunt an. »Über alles in der Welt!« antwortete sie dann.

»Werden Sie es ihm erzählen, daß Sie es mir gesagt haben?«

»Nein! Und auch Sie werden zu jedermann und auch zu Mario davon schweigen.«

»Gewiß! Weiß Renate etwas?«

»Nein!« sagte sie mit Bestimmtheit. »Renate weiß nichts, und sie soll und darf nichts wissen.«

»Und was soll daraus werden?«

Sie ließ Kopf und Arme sinken. »Ich – weiß nicht. Glauben Sie, daß Mario sich einmal freimachen kann?«

»Er hat schon einmal eine Frau ermordet, heißt es,« sagte er.

Sie schrie leicht auf. »Um Gottes willen, nicht so! Und es ist doch eine infame Lüge, daß er diese Frau umgebracht hat.«

»Das weiß Glasberg allein, ob es eine Lüge ist.«

»Glauben Sie, daß er es getan hat?«

Er wußte nicht, was er dieser Frau antworten sollte. Weshalb traute er Glasberg das Verbrechen zu? Und wenn er jetzt Zweifel äußerte, war das bereits Bejahung. Und wenn er nichts sagte, war es auch Bejahung. Er fragte, ob Glasberg gestern abend in Klein-Klank war.

»Nein,« sagte sie. »Er hatte in Königsberg zu tun.« Dabei wurde sie über und über rot.

»So,« sagte er kurz, drehte sich ab und drückte die Pinsel aus. Wer log hier? Belog Maria ihn? War Glasberg wirklich in Königsberg gewesen, um Maria Fenn zu betrügen? Während sie sich »über alles in der Welt« liebten? Er spannte das Bild von dem Rahmen ab und bog vorsichtig die Enden aneinander, legte Pinsel und Palette in den Kasten und klappte die Staffelei zusammen. »Ich lasse die Sachen am Nachmittag holen.« Sie fragte ihn, ob er jetzt wieder am Strande malen würde.

»Ja,« sagte er und verabschiedete sich kurz. Er nahm sich fest vor, am nächsten Morgen in Berlin zu sein.

Maria Fenn war sehr blaß, als er hinausging. Ahnte sie, daß sie ihn nicht wiedersehen würde und allein mit ihrer Leidenschaft zurückblieb? Es wollte ihm vorkommen, als ob sie Angst davor hatte, allein mit Mario zurückzubleiben.


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