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13

Irgendein Bann war gebrochen. Mit einem Male hatte Margis nicht mehr das Gefühl, vom eigentlichen Leben dieser Menschen ausgeschlossen zu sein. Die festgefrorene Tageseinteilung war umgestoßen, und immerhin hatte er Maria Fenn küssen dürfen.

Vielleicht könnte auch ich den Frieden dieser Frau ein wenig gefährden! schmeichelte er sich. Aber will ich es überhaupt ernstlich? Er dachte an Luisa und die Kinder. Nein, er wollte es keineswegs. Er wollte nur etwas spielen, in den Abgrund hinuntersehen und dann vom Rand entschlossen zurücktreten. Wie hätte er etwas anderes wollen können!

Aus Serbenitz war er spät nach Hause gekommen. Glasberg hatte ihn selbst im Auto zurückgefahren. Er hatte ihm das ganze Schloß gezeigt, die phantastischen Schlafzimmer des freiherrlichen Ehepaares, die lange Flucht der Fremdenzimmer, die zur Zeit der großen Treibjagden bis zum letzten Winkel belegt waren, und sein eigenes Reich. Ein nicht zu großes Zimmer mit gemütlichen, altväterlichen Möbeln und einer Nische, in der das Bett stand, und daneben das Laboratorium, das er sich für die Sommerzeit eingerichtet hatte.

»Ich habe einige wissenschaftliche Liebhabereien,« gestand er Margis. »Wenn ich nicht der Sohn des Trustkönigs A. W. Glasberg wäre, so hätte ich jetzt eine Assistentenstelle an irgendeinem der großen Institute, etwa in New York, oder vielleicht auch eine Professur und könnte ganz meinen Neigungen leben. Ich habe versucht, mich selbständig zu machen, und der Kampf um Susette gegen meine Familie war zugleich der Kampf um mein eigenes Leben. Aber ich bin unterlegen. Immer fand ich hochbezahlte Stellen, in denen ich nicht arbeiten konnte, und Stellen, auf denen ich es gekonnt hätte, wurden mir durch einen Federstrich meines allgewaltigen Papas gesperrt. Für mich bestand immer nur die Möglichkeit, verhältnismäßig viel Geld zu haben, mir Autos und Pferde und Diener zu halten und wenig zu tun – oder zu verhungern. Können Sie sich einen solchen Zustand denken?«

»Schwerlich! Hat denn Ihr Herr Vater Ihre – Gattin so gehaßt?«

»Keine Spur! Er war sogar immer ein wenig in sie verliebt, und wäre sie lediglich meine Geliebte gewesen, hätte er sie mir in Gold eingefaßt. Er wollte nur seinen Willen durchsetzen. Wissen Sie, unsereins ahnt gar nicht, wie es in einem solchen Gehirn aussieht.«

»Nun aber ist alles wieder gut. Sie sind Leiter der großen Versuchslaboratorien des Konzerns.«

»Ja, es ist alles gut, seit – Susette tot ist.«

Margis schauerte zusammen. So hat er sie vielleicht doch ermordet, um Frieden mit seinem Vater zu machen? durchfuhr es ihn. Vielleicht hat er den Plan sogar mit dem Alten durchgesprochen? Woher kam es denn, daß nicht einmal eine Untersuchung stattfand? Irgendeine gewaltige Macht stand schützend hinter ihm!

»Verzeihen Sie,« fing Margis an, »sind Sie denn bei einer solchen Lage nicht in den Verdacht der – Mordtat an Ihrer Gattin gekommen? Ich bitte um Entschuldigung, aber für die Juristen, die cui bono fragen, muß so etwas doch naheliegen.« Er sah ängstlich zu Glasberg hin.

Der aber lachte hell auf. »Verehrtester Meister,« rief er, »an Ihnen ist ja ein Untersuchungsrichter verlorengegangen! Nein, auf einen solchen Gedanken sind nur ganz wenige Menschen gekommen, und nur einer verfolgt ihn noch heute, unser gemeinsamer Freund van Holten, der sich nicht davon trennen kann. Ich bitte Sie: Wenn ein Chemiker wie ich einen Menschen umbringt, dann soll er sich ausgerechnet einiger Veronaltabletten bedienen? Und dann liegt da ein Abschiedsbrief meiner Frau an ihre Mutter vor. Wirklich, Meister Margis, von allen Beteiligten bin ich derjenige, der am wenigsten in Frage kommt. Aber da wir davon sprechen, will ich Ihnen gestehen, daß ich selbst lange Zeit einer ganz anderen Erklärung dieses mir heute noch völlig rätselhaften Selbstmords nachhing. Nämlich, ob da nicht eine gewisse Pression von seiten meines Vaters vorlag. Ja, daran hatte ich gedacht, aber auch das war natürlich Wahnsinn. Die Tat muß in einem Augenblick gesteigerter Exaltation geschehen sein, für die es vielleicht Anlässe gab. Aber lassen wir das!«

Diese Unterredung wurde in dem kahlen Zimmer geführt, das mit seinen ineinandergewirrten Drahtleitungen, mit Schmelzkolben, Reagenzgläsern, Tiegeln und Gebläsen einen gespenstischen Eindruck machte. Wenn sie schwiegen, hörte man nur das Ticken einer Sekundenuhr und das Knabbern der durch das Licht aufgescheuchten Versuchsmäuse in ihren Käfigen. In keinem andern Raum hätte Margis den Mut zu seiner Frage gehabt, aber diese Umgebung schien ihm förmlich nach Erörterungen über Gift und Mord zu schreien. »Verzeihen Sie, selbstverständlich – aber schon die Versicherung, daß ich Ihren Worten durchaus glaube, ist natürlich überflüssig.«

Glasberg spielte mit den Mäusen. Sie kletterten auf seinen Ruf an ihren kleinen Gitterstäben empor, umklammerten sie mit ihren Pfötchen wie mit kindlichen Armen und preßten die rosa Nasen gegen das Drahtgeflecht. Es war unheimlich, zu sehen, wie diese unschuldigen Tiere sich vor ihrem Peiniger nicht im mindesten entsetzten, sondern an ihm zu hängen schienen.

»Wir wollen aber leise sein,« sagte der Chemiker und zeigte auf eine Tür. »Hier in der Kammer nebenan schlaft mein Chauffeur.« Sie verließen den unheimlichen Raum.

Das alles hatte sich am späten Abend zugetragen. Vielleicht war es gut, daß sie auch über diese Angelegenheit gesprochen hatten. Margis konnte allerdings nicht sagen, ob die Unterhaltung sein Mißtrauen gegen Glasberg zerstreut hatte. Niemals hatte er früher ein Wort darüber vernommen, daß der Chemiker an dem Tod seiner Frau schuldig sein könnte. Erst gestern vormittag, durch Renate, hatte er zum erstenmal davon sprechen hören. Seitdem verließ ihn der Gedanke nicht mehr, und jetzt noch konnte er nicht sagen, was er darüber dachte. Er wußte nicht, woher sein Mißtrauen Nahrung sog. Mario Glasbergs Betragen war nicht nur völlig einwandfrei, es war bezaubernd, gerade durch eine freie Natürlichkeit und völlige Aufrichtigkeit. Und dennoch hielt Margis ihn auch jetzt noch jedes Verbrechens fähig.

Da er spät nach Hause gekommen war, war es gegen halb elf, als er in Klein-Klank anlangte. Renate saß, heute in dem roten Seidenkleid mit dem weißen Spitzenkragen, auf der Veranda und las in ihrem Buch Sie kam ihm lächelnd entgegen. Der Eindruck, den sein Bild auf sie gemacht hatte, war in ihrem Betragen zu ihm noch wirksam. Sie war wie ausgewechselt. Wie sie in der ganzen Zierlichkeit ihrer Bewegungen auf ihn zukam, in dieser raffinierten Gebrechlichkeit, regte sich in ihm der leise Verdacht, daß sie nur netter zu ihm war, weil sie es jetzt richtig einzuschätzen verstand, was es bedeutete, von ihm gemalt zu werden. Wahrscheinlich nahm sie mit dem Instinkt des ehrgeizigen kleinen Mädchens den Vorteil wahr, der sich ihr bot.

»Mama wartet oben auf uns,« sagte sie. Eigentlich brauchte er Maria heute nicht und mußte ein wenig bei dem Gedanken lächeln, daß vielleicht sein gestriges Ungestüm sie bestimmt haben mochte, ihn mit Renate nicht allein zu lassen. Vielleicht hatte sie sogar deswegen auf ein verstohlenes Zusammensein mit Glasberg verzichtet. Als ob diese Mutter imstande wäre, diese Tochter zu überwachen! mußte er denken.

Als er neben Renate die Treppe hinaufging, fiel ihm der schlesische Großgrundbesitzer ein. Er wollte genau darauf achten, ob etwas bei Maria Fenn an die ruhige Sicherheit eines verschenkten Herzens gemahnte. Eigentlich hatte er sie bisher ganz anders gesehen: unruhvoll und suchend, wie von einem Glück gestreift, das sie noch nicht ganz zu halten vermochte. »Freie Natürlichkeit und natürliche Freiheit,« hatte Glasberg gesagt. Welch ein Unsinn! empfand er auf einmal schroff. Wenn jener Schlesier überhaupt existierte, so bestanden noch Kampf und Widerstreit zwischen den beiden und kein beruhigender Besitzzustand. Er wollte aufpassen.

Maria trug das gewohnte weiße Kleid mit dem schwarzen Spitzenschal. Ihr Porträt stand noch auf der Staffelei. »Ich habe es stundenlang angesehen,« empfing sie ihn. »Ich kann mich gar nicht von dem Bilde trennen. Sie haben mir eine so große, so übergroße Freude gemacht. Wie wenigen Menschen geschieht es, daß sie ihr eigenes Wesen, losgelöst von sich und in eine höhere Sphäre erhoben, betrachten dürfen! Es ist ein ganz unerhörtes und unverdientes Glück. Eigentlich müßte ich Sie jetzt auch ›Meister‹ nennen, wie Glasberg Sie immer nennt. Aber ich finde es gräßlich!«

Er meinte, daß Glasbergs Ausdrucksweise ein Scherz wäre. Ernsthaft würde sie erst, wenn man einen langen weißen Bart hätte, und wer bringe es heute dazu? Seiner Generation fehle der Sinn für die eigene Würde, und Würde sei ja auch etwas furchtbar Komisches. – »Gott sei Dank, daß Sie das sagen,« sagte Maria Fenn. »Dann brauche ich Sie also nicht Meister zu nennen.« Später ging sie übrigens doch hinunter, um nach der Post zu sehen.

Die Anfangsarbeit an dem Bilde machte ihn unwirsch. Er achtete kaum darauf, daß Maria Fenn hinausging, hatte damit zu tun, die Leinwand zu grundieren und Farben unterzulegen, ehe sich in eckigen Klecksen die Umrisse herausschälten. Er teilte die Fläche fast geometrisch auf, und die Gestalten wurden zunächst in Kuben, Kreisen, Winkeln angelegt.

Renate sah aufmerksam zu. Die Frauen sollten auf dem Diwan nebeneinandersitzen und den Betrachter anschauen. So hatte Margis sich schließlich entschlossen. In seiner Phantasie gingen sie freilich nebeneinander her, wie er sie das erstemal erblickt hatte. Nebeneinander oder durch die Enge des Kusselweges ein wenig hintereinandergedrängt.

Aber er wagte es nicht, sie so zu malen. Es würde keine Form ergeben. Das Nebeneinandersitzen war das einfachste. Maria Fenn sollte auf dem Bilde unruhig ins Weite blicken, mit emporgehobenem Kopf, indes Renate in einem Buch las, das ihr auf den Knien lag. Die Mutter ins Ferne bangend, unstet, witternd – die Tochter gesammelt, beschäftigt, ruhig. Einer seltsamen Eingebung folgend, begann er mit Renates Augen ins Detail zu gehen. Man sollte die Augen sehen, obwohl sie auf das Buch hinunterblickten. Es machte ihm Spaß, diese Augen inmitten eines wilden Durcheinanders von Farben hinzusetzen. Diese Augen, die er liebte, obwohl sie kühl waren. Renate sah ihren eigenen Blick in weißer und dunkler Farbe erstehen.

»Was machen Sie da?« rief sie auf einmal. »Sind das meine Augen?« Er nickte. Sie starrte gebannt auf seinen Pinsel, als würde jetzt eine Entscheidung über sie getroffen. »Mein Gott, das sind meine Augen!« rief sie noch einmal.

In diesem Augenblick hörte man draußen im Treppenflur Marias aufgeregte Stimme. Sie telephonierte mit Glasberg. Man verstand deutlich die Worte. »Um Gottes willen, lieber Glasberg, kommen Sie her! – Nein, ich habe einen Brief bekommen. – Jawohl, von meinem Mann. – Nein, er ist schon in Hamburg und will in acht Tagen hier sein.«

Renate sprang auf. »Papa kommt!« jubelte sie los. »Hurra, Papa kommt!« Und stürzte hinaus. Margis blieb allein zurück.

Er besann sich, daß Herr Fenn in Kalifornien lebte und wohl von seiner Frau geschieden war. Die Tatsache, daß er zurückkam und in acht Tagen in Klein-Klank auftauchen würde, schien einen Sturm der Erregung in Maria Fenn zu entfesseln. War sie vielleicht, innerlich oder äußerlich, nicht unabhängig von diesem legendenhaften Herrn Fenn? Hatte er noch die Macht, in ihr Leben einzugreifen?

Vielleicht war es jetzt mit der Ruhe dieser Sitzungen überhaupt vorbei. Margis zog die Uhr. Er faßte einen großen Entschluß. In Sekundenschnelle zog er die Bilanz dieses Sommers. Wenn in fünf Minuten niemand ins Zimmer zurückkehrte, wollte er losgehen, einfach losgehen, sogar ohne seine Sachen zusammenzupacken. Er konnte sie durch den Hoteldiener holen lassen. Und dann auf dem schnellsten Wege nach Berlin zurückkehren. Das Doppelporträt blieb dann eben ungemalt. Der große Vorstoß in die kommende Porträtperiode, die er sich verordnet hatte, war auch durch Maria Fenns Bildnis bereits vollzogen. Er würde andere Modelle finden. Mein Gott, lief nicht in Berlin dutzendweise herum, was er hier als Seltenheit anbetete. In Klein-Klank zogen sich Wolken zusammen. Maria, Glasberg, der Schlesier, und jetzt dieser Herr Fenn! Er hatte das deutliche Gefühl, fliehen zu müssen. Drei Minuten vergingen, vier, da kamen die Frauen herein.

»Um Gottes willen, gnädige Frau! Haben Sie Aufregungen gehabt?« Die Anrede »Gnädige Frau!« war schon vom Entschluß seiner Abreise eingegeben.

»O keineswegs,« antwortete sie. »Nur eine Überraschung. Denken Sie, mein Mann kommt hierher.« Er fragte sie, ob sie geschieden wäre. »Aber das ist es ja gerade: Wir sind nicht geschieden! Das heißt, so gut wie geschieden. Wir gingen damals auseinander, als ob wir geschieden wären. Und jetzt kommt er zurück. Eine Scheidung war bisher natürlich nur eine Formsache. Ich weiß nicht, weshalb wir uns nicht längst haben scheiden lassen. Aber jetzt! Ach, wenn ich nur wüßte, was er will! Denken Sie, wenn er mich wieder bei sich haben will!« Er meinte, daß die Anwesenheit eines Dritten in dieser Situation nur stören könnte, und bat, sich verabschieden zu dürfen.

»Nein – nein! Bleiben Sie!« rief Maria. »Helfen Sie mir, raten Sie mir!« Es war zu sehen, daß sie den Kopf verloren hatte.

»Ja, ist denn Ihr Herr Gemahl so furchtbar?«

Jetzt drängte sich Renate vor. »Bezaubernd ist er!« rief sie. »Denken Sie, an jedem Morgen ißt er eine große Scheibe Beefsteak ganz roh, ungemahlen. So prächtige Zähne hat er!«

Den Maler machte das »Bezaubernde« des Beefsteakessers beklommen. »Ja, aber –,« stotterte er.

Renate war an den Schreibtisch gesprungen und hatte eine Photographie herausgerissen. Sie kam triumphierend damit an. »Hier, sehen Sie! Das ist doch wirklich ein Mann!«

Margis besah das Bild. Dieser Mann war vielleicht fünfzig Jahre alt. Das Gesicht war alles andere eher als schön. Die Stirn niedrig, die Nase eine richtige Kartoffelnase, die Lippen aufgeworfen wie die eines Negers. Das Kinn war von einem dunklen kurzen Vollbart verdeckt, aber man bemerkte noch die ungewöhnlich kräftigen Kiefer. Die Augen blitzten hinter einer goldenen Brille hervor. Nein, schön war dieses Gesicht in der Tat nicht. Dazu kam, daß Herr Fenn sich zum Photographieren offenbar »feingemacht« hatte. Es war richtige Positur in seiner Haltung, herausgedrückte Brust, hochgekämmter Schnurrbart, und den Augen war ein »bedeutender« Ausdruck verliehen. War Renates Bewunderung dieses Bildes vielleicht ein Scherz?

Margis sah verwirrt zu ihr hin. »Ja – aber,« sagte er noch einmal. Da bemerkte er, daß das junge Mädchen mit echter Begeisterung auf das Bild blickte. Sie liebte diesen Vater! Sie, das zarte Püppchen, diesen Ausbund von brutaler Männlichkeit. Und auf einmal schlug sich ihm von diesem Bilde die Brücke zu ihrer Verliebtheit in Mario Glasberg. Ihm wurde klar, daß sie in Glasberg nicht den »schönen Mann« liebte, der er auch war, sondern den kalten, energischen Erfolgsmenschen, der sein Auto steuerte und mit Giften herumoperierte und dem »die Weiber nachrannten«. Glasberg Erfolgsmensch? dachte er. Ja, freilich, nicht der Glasberg, den man sah, dieser freimütige, liebenswürdige Junge, sondern der andere, den Margis in ihm argwöhnte, den verschlagenen, listigen Glasberg. Mit einem Wort: Glasberg, den Mörder! Gerade in den hatte sich dieses zerbrechliche Wesen verliebt. Sie sah durch seine schöne Maske hindurch, witterte das Entsetzliche, Abgründige in ihm. Margis starrte das Bild des Herrn Fenn an. Natürlich! Das war der Vater Renates. Nur daß bei ihr alles ins Zierliche, Geschmeidige gewandt war.

»Wie finden Sie ihn?« fragte Maria. Er starrte noch immer auf das Bild. Dieser Mann war klug, bedeutend, energisch, geradezu, »gewaltig«, viel mehr, als er sich vor der Linse des Photographen den Anschein zu geben versuchte. Ein Herrenmensch, mit den nur äußerlichen Anzeichen des Spießbürgers.

»Das ist ein enormer Mann!« sagte er, zu Maria Fenn gewandt. »Eine Frau, die in diesem Manne vollständig aufzugehen vermag, ist vielleicht vollkommen glücklich.« Er wunderte sich selbst über seine Antwort, die ihm viel deutlicher und entschiedener über die Zunge sprang, als er sie sich überlegt hatte.

Maria Fenn sah ihn fassungslos an. »Ja, er ist gut!« sagte sie dann.

Margis starrte noch immer auf das Bild. »Würden Sie einen solchen Mann lieben können?« fragte er Renate plötzlich.

»Nur einen solchen Mann!« sagte sie ohne Besinnen. Er blickte betroffen zu ihr hin. Ihm war, als hätte er sie gefragt, ob Mario Glasberg seine Frau umgebracht habe und sie hätte mit Begeisterung zugestimmt. In diesem Augenblick fuhr Glasbergs Auto vor. Sie hörten seine Hupe ertönen, und dann trat er selbst im Lederdreß ins Zimmer. Aller Augen wandten sich ihm zu.

»Denken Sie, Vater kommt in einer Woche hierher!« rief Renate ihm jubelnd entgegen. Es war, als erwartete sie von des Vaters Ankunft eine Umwälzung aller Dinge.

»Also der selige Herr Fenn wird wieder unselig!« bemerkte Glasberg trocken. Es war durchaus witzig und liebenswürdig, wie er das sagte, aber es erschien Margis ungeheuer zynisch.


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