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12

Margis wanderte die Birkenallee entlang zur Chaussee und bog dann rechts nach Serbenitz ab. In seinem Ohr klangen noch die Worte der Damen Fenn. Nun wußte er gar nichts mehr. Welchem anderen Manne gehörte Maria, wenn nicht Mario? Also doch! Er rief sich ihre Worte ins Gedächtnis zurück. »Weil – ich einem anderen gehöre!« hatte sie gesagt und ihn zurückgedrängt. Und einige Male hatte sie von ihrer Wiederverheiratung gesprochen. Hoffte sie, daß Glasberg sie heiraten würde? Obwohl er bereits verheiratet war?

Aber Glasberg sollte doch schon einmal seine Frau ermordet haben? Wollte er vielleicht damals frei sein, als Susette Streicher unter merkwürdigen Umständen starb? Wartete damals vielleicht eine andere Frau auf Susettes Tod, wie jetzt vielleicht Maria Fenn auf den Tod von Glasbergs zweiter Frau wartete? Diese Möglichkeit durchfuhr den Maler wie ein Dolchstich. Hatte der Zufall ihm den Vorhang zur Seite geweht, so daß er, er allein, einen ersten Blick hinter die Kulissen werfen konnte? Wie war es? Eine Frau sprach davon, daß sie vielleicht wieder heiraten würde. Und diese Frau hatte Beziehungen zu einem verheirateten Mann. Aber dieser Mann sollte bereits einmal seine Frau ermordet haben. Lag hier die Möglichkeit eines logischen Schlusses vor? Aber wen hatte denn Mario Glasberg zum zweitenmal geheiratet? Irgendein unscheinbares und wenig hübsches Wesen, um das er sich überhaupt nicht bekümmerte. Also nicht dieser, seiner zweiten Frau wegen konnte Glasberg Susette aus dem Wege geräumt haben, sondern einer anderen Frau wegen, die er hernach doch nicht bekommen hatte. Vielleicht war sie plötzlich gestorben, vielleicht hatte der Abscheu vor dem Mörder sie zurückgehalten. Wer konnte diese Frau sein?

Man hatte nie davon gehört, daß irgendeine andere Frau bei ihm überhaupt eine Rolle spielte. Aber konnte man einen Mario Glasberg so genau überwachen? Was war alles auf kurzen Geschäftsreisen möglich oder auch während vorgetäuschter Dienststunden? Niemand brauchte etwas zu merken. Und wenn jetzt Glasbergs zweite Frau unter eigentümlichen Umständen starb und gleich darauf Maria Fenn vielleicht zufällig einer plötzlichen Krankheit erlag, wer wußte denn in der Berliner Gesellschaft etwas von dem, was sich hier an der Ostsee abgespielt hatte?

Aber wahrscheinlich war alles Unsinn. Ja, Glasberg hatte Beziehungen zu Maria Fenn, und die vertrauensselige Frau hoffte, von ihm geheiratet zu werden. Natürlich würde sie sich täuschen. Das war der ganze Sachverhalt. Und er, Margis, hatte sich dabei ein wenig das Federkleid versengt. Man mußte es zugeben. Ohne Glasbergs Auftreten würde er vielleicht mehr Glück gehabt haben. Nun war es nichts, außer daß zwei große Porträts entstanden. Immerhin zwei ganz große Bilder. Oder Renate? Nein, Renate konnte ihn nicht leiden. Sie verachtete ihn und liebte Glasberg.

Und doch, wie sie soeben noch vor seinem Bilde gestanden hatte, dem Porträt ihrer Mutter, diesem »Meisterwerk«, das die Sehnsucht und das innere Erleben von Wochen in sich schloß – da schien etwas in ihr aufzutauen. Sie hatte die Hand der Mutter erfaßt und »O Gott, ist das schön!« gerufen. Ganz ergriffen war sie gewesen. Dieses Mädel, das nichts tat als herumschlendern und unbegriffene Bücher lesen, hatte Sinn für Qualität.

Bei Maria Fenn war er sich nicht so völlig klar darüber. Aber Renate, dieses in Luxus und Einsamkeit aufgewachsene Geschöpf, von der Feinheit einer alten Rasse, die sich in ihr vielleicht schon erschöpfte, sie hatte das Fingerspitzengefühl für Form und Farbe. Ganz anders war sie zu ihm gewesen als vorher. Hatte ihn bis zur Allee hinausbegleitet und »Auf Wiedersehen!« gesagt, mit einem Ausdruck, den er noch nie an ihr wahrgenommen hatte.

Er ging, tief in Gedanken, die Chaussee entlang. Wie gestern flammte das Rot der untergehenden Sonne von links durch die Bäume. Rechts lag der Wald düster und schwer. Er kam an dem Gasthaus vorüber, durchschritt den tieferen Grund, der auch heute, trotz der früheren Stunde, feucht und dunkel war. Der halbausgetrocknete Bach plätscherte tief unten, grünes Licht tropfte sparsam nieder. Draußen dampfte der Boden unter dem steigenden Nebel. Hier war ihm gestern jenes Auto begegnet, in dem er Glasberg vermutet hatte. Wieder waren die Gedanken bei diesem seltsamen Menschen angelangt. War es Glasberg gewesen oder nicht?

Er schritt die Höhe hinan. Oben lag, zwischen den Wiesen und Roßgärten, das Gut mit dem dunklen Block des Parkes Serbenitz. Zum erstenmal sah er das Gut in hellem Tageslicht liegen. Hier leben! dachte er. In dieser weiten Rodung zwischen den uralten Wäldern, und unten die rauschende See! Hier den Wechsel der Jahreszeiten begleiten, den braunen Herbst und den schweigenden Winter, und wenn im Frühjahr die Erde und der Wald aufbrechen und der Sommer wie ein Traum des Südens vorüberhaucht!

Das Holztor zum Wirtschaftshof stand offen. Der Hund an der Kette tobte wieder wie wahnsinnig, heulte, sprang hoch, überschlug sich. Vor einem Schuppen hantierte der Chauffeur an dem Auto. Hinter einer Reihe Kastanien lag das Herrenhaus, ein einfacher breiter Kasten mit gelbem Putz, der verwittert war und an vielen Stellen bröckelte. Vorn war eine Veranda angelegt, zu der vier abgetretene Stufen hinaufführten.

Margis hatte sich den Sitz der Barone Teuffel prächtiger vorgestellt. Dennoch imponierte ihm etwas an diesen behäbigen Mauern, die schon Jahrhunderte alt waren. Hier war kein Platz für Rosenrondell und Kiesauffahrt. Ein Hausherr wollte hier in Joppe und hohen Stiefeln heraustreten und die Arbeit auf dem Hof beaufsichtigen. Er verstand, daß man unter solchen Menschen über das Restgut Klein-Klank ein wenig lächelte.

Als der Chauffeur ihn bemerkte, richtete er seine merkwürdigen graubraunen Augen auf ihn, musterte ihn und grüßte durch eine Kavalierverbeugung. Glasberg hatte ihm also Höflichkeit anbefohlen. Die Veranda war geschlossen. Margis zog an einer Glocke. Ein Diener erschien, einer von den ganz alten, mit weißem Kaiser-Wilhelms-Bart auf den Backen. »Der Herr Doktor lassen bitten.«

Eine Halle mit Hirschgeweihen, Eberköpfen, Elchschaufeln, mit Garderobeschränken und Kleiderknaggen, mit einem abgetretenen Teppich und zwei wackeligen gelben Rohrstühlchen nahm ihn auf. Alte Joppen, Reisemützen, Mäntel hingen herum. In einem Ständer standen gegen zehn Spazierstöcke verschiedensten Formats. Über der einen Tür hing ein furchtbares Bild der kaiserlichen Familie in Öldruck. Es stammte, dem Alter der dargestellten Personen nach, aus dem Anfang der neunziger Jahre. Seitdem war nichts mehr für die Verschönerung der Halle getan worden.

Merkwürdige Menschen müssen das sein! dachte er. Ein Gut von mehr als zweitausend Morgen, und dann dieses Bild, und überhaupt dieser ganze Raum! – Das Gutshaus von Klein-Klank sank auf der Wage wieder schwer hinunter. Der Diener half ihm beim Ablegen. Auf einmal kam Glasberg die Treppe herunter, begrüßte ihn mit seinem heiteren »Meister Margis«.

»Nun, da sind Sie endlich! Seit vierzehn Tagen hoffte ich, Sie täglich hier zu begrüßen. Kommen Sie, Meister! Wir essen sofort.« Er führte ihn durch das Arbeitszimmer des abwesenden Hausherrn.

»Warten Sie einen Augenblick,« sagte Margis. »Das muß ich mir anschauen. Ich fühle mich hier wie in einem Völkerkunde-Museum. Sehen Sie diese Bilder!« Es waren Jagdszenen, wieder in Öldruck, und einige fürchterliche Ölskizzen von unbeholfener Dilettantenhand. Ein alter Biedermeiersekretär stand am Fenster, aber in verkehrter Richtung. Der Tisch mit verschnörkelten Füßen stammte aus der Zeit des Jugendstils. Eine alte Petroleumhängelampe mit Trutzschildern war auf elektrisches Licht umgearbeitet. Ein verschließbarer Gewehrschrank an der Längswand, die ganz mit Geweihen bedeckt war, schien der einzige geachtete Wertgegenstand dieses Raumes zu sein. »Merkwürdig, merkwürdig!« Glasberg lächelte.

»Sagen Sie, Herr Doktor, sind die Besitzer so arm?« Glasberg lachte schallend los. »Im Gegenteil, Lieber, im Gegenteil; sie sind schwer reich, haben einen Kutschstall voll edelster Pferde und fahren zurzeit auf einem sechszylindrigen Maybach mit Luxuskarosserie in Spanien herum. Das hier ist bloß ihr Stil, das Abbild ihrer Seele, in der, wie Sie sehen, eine edle Treuherzigkeit und schlichte Vätertugend vorwaltet. Aber sehen Sie hier!«

Er öffnete die Tür zum Eßsaal und drehte das Licht an. Ein riesiger Raum lag da, mit Holztäfelung und dunklem Balkenwerk an der Decke. Kostbare Brokatvorhänge verdeckten die Fenster, die vom Fußboden bis zur Decke reichten. Drei glitzernde Kristalleuchter verströmten strahlende Helle. Schwere Schränke im Danziger Barock mit gedrechselten Säulen, alles in schwarzbrauner Eiche, mit reichem Schnitzwerk, standen längs der Innenwände. Auf Etageren prunkte Silbergerät: Sektkühler, Fruchtschalen, Flaschenuntersätze, Kannen, Karaffen, Tablette. Der Boden war in seinem ganzen Umfang mit einem graublauen Smyrna belegt. In den Ecken gab es gemütliche Sitze mit Ledermöbeln. An einem kleineren Tisch in einer Ecke war für sie beide gedeckt. Mit kostbarem Sevres-Porzellan, wie Margis erkannte, geschliffenen Weingläsern und funkelndem Gerät. In dem Augenblick erschien der Diener und steckte neun dicke weiße Wachskerzen eines schweren silbernen Leuchters an.

»Sie können das elektrische Licht ausdrehen, Joachim!« rief Glasberg ihm zu. Ihre Ecke lag in dem warmen huschenden Kerzenlicht. Es war ein idealer Platz zum Einhauen und Pokulieren. Nichts fehlte. Auf dem Tisch blinkte mit blutrotem Schimmer der Bordeaux aus einer Kristallkaraffe. Aus Eiskühlern reckten Champagner- und Moselflaschen ihre Hälse. In der eingebauten Nische standen schon Zigarrenkisten und riesige Aschenschalen bereit. Daneben schimmerte hinter Glasverschluß mit weißer Marmorkachelung ein eingelassener Likörschrank in der Wand. »Nehmen Sie Platz, Meister Margis! Die Seele unsrer Ostagrarier hat zwei Seiten. Auch ich ziehe diese vor. Ja, zu meiner Schande gestehe ich, daß ich in dieser höchst behaglichen Ecke lieber speise als selbst bei den Damen Fenn. Das heißt, bei Nachtisch und Champagner beginnt man das weibliche Element hier zu vermissen. Wie ich bei den Damen Fenn während des Bratens und des Bordeaux diese Ecke vermisse.«

Margis wunderte sich über diese Worte in Gegenwart des Dieners. Er versuchte, ein Zeichen mit den Augen zu machen, aber Glasberg bemerkte es nicht. Der Alte servierte mit unbeweglichem Gesicht. Vielleicht war ihm verboten, ein Wort der Unterhaltung zu vernehmen. Wenn er die Schüsseln gereicht hatte, stand er steif an der Wand, blickte leblos ins Leere. Aber wenn Margis dachte: Von diesen Trüffeln könnte man vielleicht noch etwas nehmen, oder für diese ausgezeichnete Sahnensauce wäre noch Platz auf meinen Kartoffeln! – wurde ihm schon wie durch magische Gedankenübertragung das kaum deutlich Gewünschte zugereicht.

Glasberg sprach mit auffallender Kennerschaft von dem Porträt Marias. Versteht dieser Mensch alles? fragte sich Margis. Aber vielleicht hat ihm Frau Fenn nur meine eigenen Worte weitergesagt, und er versteht es geschickt, sie in anderer Fassung zu wiederholen. Natürlich war es so!

Am Ende kam der Mokka auf den Tisch, nach allen Köstlichkeiten ein schauderhaft dünnes Getränk. »Ja, das verstehen sie hier nicht!« sagte Glasberg ohne Rücksicht auf die Anwesenheit des Dieners. Sie hatten noch volle Champagnergläser vor sich stehen und schon dicke Zigarren im Mund. Ein anderer, jüngerer Diener räumte den Tisch ab. »Sie können gehen, Joachim! Stellen Sie uns noch die Eisschale hierher. So, danke!«

Der Alte verschwand. Glasberg kühlte die Gläser. »Bloß dieser Mokka!« schimpfte er noch einmal. »Hier ist der Punkt, wo man die Damen Fenn vermißt.«

»Sagen Sie,« unterbrach ihn Margis, denn er mußte es herausbekommen, »wie stehen Sie zu Frau Fenn?«

Mario Glasberg behielt die Miene des anregenden Plauderers durchaus bei. »Maria Fenn ist mein Trost in diesem Erdenwinkel. Ohne sie wäre ich längst nicht mehr hier. Was für eine charmante Frau! Und Renate übrigens! Dieses Mädel wird noch einmal einen Saal voll Menschen durcheinanderwirbeln. Merken Sie, wie sich die Kleine anzuziehen versteht?«

»Bitte, beantworten Sie mir aufrichtig meine Frage!« unterbrach Margis zum zweitenmal. »Haben Sie mit Frau Fenn etwas? Verzeihen Sie, aber ich frage aus einem bestimmten Grunde.«

Glasberg lachte belustigt auf. »Haben Sie von Maria Fenn einen Korb bekommen?«

»Vielleicht ist es so etwas Ähnliches,« versuchte Margis zu scherzen, merkte aber, daß er rot wurde.

»Das hätte ich Ihnen voraussagen können. Nein, Meister, ich habe mit Frau Fenn nichts. Ganz aufrichtig, als Mann zum Mann gesprochen. Aber Ihrem Bilde merkt man es an, daß Sie stark interessiert sind. Verzeihen Sie, daß ich das sage. Es kommt übrigens so etwas öfters vor, und Frau Maria ist auf diesem Gebiet viel gewöhnt. Sie ist ja auch eine bezaubernde Frau. Erzählen Sie!«

»Es ist nichts zu erzählen!«

»Nun, dann werde ich es Ihnen erzählen. Sie machen also eine zarte Andeutung, küssen ihr begeistert die Hand. Maria weicht freundlich, aber entschieden aus. Sie glauben, es ist allgemeine weibliche Scheu, und holen zu neuem Angriff aus. Und da bedeutet Maria Ihnen, daß sie bereits versagt ist. War es nicht so?«

»Genau so,« sagte Margis ernst. »Ich dachte natürlich, daß Sie der Glückliche wären.«

»Nein, Meister,« lachte Glasberg. »Mir ist es gegangen wie Ihnen und hundert anderen. Man läßt sich durch die natürliche Freiheit oder freie Natürlichkeit dieser Frau herauslocken. Aber es kommt daher, daß Maria Fenn tatsächlich ihr Herz verschenkt hat. Ein schwerreicher Großgrundbesitzer aus Schlesien ist der Glückliche. In jeder Woche kommen zwei dicke Liebesbriefe von ihm an und werden ebenso dick erwidert. Jener Glückliche aus Schlesien weiß ständig alles, was hier vor sich geht. Auch von Ihnen und mir bereits natürlich alles. Maria richtet ihr Verhalten, auch uns gegenüber, völlig nach Weisungen aus Schlesien ein. Wenn ihm etwas brenzlig erscheint, soll besagter Schlesier schnurstracks herüberkommen. Es ist gut, daß wir darauf zu sprechen kommen. Ich hatte mir bereits vorgenommen, Sie bei Gelegenheit zu warnen. Ich kenne das schon. Ganz ungebrannt bleibt niemand in der Nähe von Maria Fenn. Ich habe mir übrigens, um diese Nähe ungefährdet zu ertragen, ein Sicherheitsventil in Königsberg zugelegt, weshalb Sie mich so oft mit meinem Auto auf Reisen sehen. Aber bitte, erzählen Sie Maria nichts davon! Frauen nehmen so etwas immer übel, selbst dann, wenn sie nicht geneigt sind, selbst zu gewähren. Man sollte ein edler Ritter von Toggenburg sein. Das wäre das Richtige für Maria. Sie, Meister, haben übrigens Anlage dazu.«

Es war ganz harmlos hingesprochen, aber im Augenblick wollte es Margis erscheinen, als ob hier eine unwillkürliche, ganz unbewußte und sogar wider Willen entschlüpfte Anspielung auf sein gestriges Abenteuer im Park von Klein-Klank hindurchschimmerte. Sollte Glasberg ihn vor Renates Fenster beobachtet haben? Aber dann war ja alles Lüge, was er soeben erzählt hatte! Dann brachte er doch seine Nächte bei Maria Fenn zu!

Aber war es nicht selbstverständlich, daß Glasberg hier log? War es nicht geradezu Kavalierpflicht? Gewiß, aber unter vier Augen, wenn man als Mann vom Manne gefragt wurde und nicht nur so aus allgemeiner Neugierde, sondern aus einem ernsteren Gefühl heraus, konnte man sich da nicht mit einer ganz leisen Andeutung begnügen, die nichts besagte und den anderen dennoch warnte?

Aber vielleicht hatte Glasberg gar nicht gelogen? Er schmauchte so behaglich die Importe und hielt prüfend den Kognak unter die Nase, ganz ein genußfroher Junge, der es sich bequem gemacht hat und sich in Gegenwart eines guten Freundes gemütlich gehen läßt. Und hatte er nicht sogar angedeutet, daß er sich selbst von Maria Fenn eine Zurückweisung zugezogen hatte? Konnte man offener sein?

»Sie müssen öfter hierher kommen, Margis,« sagte er. »Man genießt diese schönen Dinge hier so angenehm in Ihrer Gegenwart. Und ich will Ihnen nur gestehen, daß ich seit langem darauf brenne, mit jemand so recht viel von jener Frau zu sprechen. Trotz meines Sicherheitsventils in Königsberg bin ich noch immer nicht so ganz geheilt. Sprechen Sie, erzählen Sie, Margis, von Maria Fenn! Schwärmen Sie von ihr! Ist sie nicht eine bezaubernde Frau? Sehen Sie, ich dachte, daß seit – jener alten Geschichte mein Herz abgestorben wäre. Aber Maria Fenn hat es wieder in Wallung gebracht. Ich könnte vielleicht – ja vielleicht könnte ich den Seelenfrieden dieser Frau ein wenig stören. Ich tue es nicht. Ich darf so etwas nicht mehr tun. Sie verstehen schon. Aber ich möchte immer von ihr sprechen dürfen.«

Wie ein Knabe sah er aus, der von einer ersten zurückgedämmten und unglücklichen Liebe spricht, als er sein Glas hob. »Maria Fenn!« Er leerte es und schwieg. Margis trank sein Glas ebenfalls aus und dachte, daß er ein großer Schurke wäre, wenn er diesem Manne mißtraute. »Maria Fenn!« wiederholte er.

Woher kam es nur, daß er Glasberg dennoch nicht trauen konnte?


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