Andreas Gryphius
Papinian
Andreas Gryphius

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Plautia.
Wo werd Ich arme hin? Wie vil werd Ich verliren!

Papinian.
Gewinnen durch Geduld / was dich wird ewig ziren.

Plautia.
O Eh-Gemahl! O Sohn! mein ein und keusche Lust!

Papinian.
Behalt für Jhn und Mich ein unerschreckte Brust.

Papiniani Sohn.
Sie rühme daß Jhr Sohn durch keine Noth zu zwingen.

Papinian.
Es kan dem Käyser doch nichts wider mich gelingen.

Plautia.
Zu vil nur wider mich!

Papinian.
        Nichts wider deinen Ruhm!

Papiniani Sohn.
Je mehr der Himmel treufft / je schöner wächst die Blum.

Plautia.
Du Blume deiner Zeit wirst in der Blüt abfallen!

Papiniani Sohn.
Weit besser denn zu welck zu treten seyn von allen.

Plautia.
Er trit / er trit uns ja der alle nider trat!

Papinian.
Nicht Geister / über die er nichts zu herrschen hat.

Papiniani Sohn.
Nicht grosser Götter Recht das jhn noch wird zutreten.

Plautia.
Wofern der Götter Ohr jtzt hört auff Wuntsch und beten.

Papinian.
Jhm wüntsch' Ich ernste Rew und dir Beständigkeit.

Plautia.
Ich mir den schnellen Tod zu Trost in langem Leid.

Papinian.
Ein langes Leiden dint vil schwache zu verstärrken.

Plautia.
Ein langes Leiden läst offt grosse Schwachheit mercken.

Papinian.
An der nicht / die Geduld zum Beystand Jhr erwehlt.

Plautia.
Die über-menschlich Angst all Augenblicke zehlt.

Papinian.
Die über-menschlich Angst auff Erden Göttlich machet.

Plautia.
Die in der rauen Qual so Freund als Feind verlachet.

Papinian.
Und steter nach-Ruhm ehrt / und Rom und Welt beklagt.

Plautia.
Nach der das nechste Blutt auß Furcht nicht weiter fragt.

Papinian.
Wer nicht mehr fragen darff betraurt doch was uns schmertzet.

Plautia.
Was hilfft es wenn er nicht die raue Noth behertzet.

Papinian.
Wer hülff-los überwand: erlangt vil grösser ehr.

Plautia.
Wir kämpffen aber ach! der Feind drückt was zu sehr.

Papinian.
Die edle Palme wächst je mehr man sie beschweret.

Plautia.
Die zarte Perle wird durch scharffen Wein verzehret.

Papinian.
Ein reiner Demant bleibt: die stoltze Klippe steht.
Ob Amfitriten Schaum gleich über Gipffel geht
Nur Mut / last Antonin, Trotz / Grimm und rasen wagen!
Wir können diß und mehr behertzt und freudig tragen.

 

Macrinus. Papinianus. Plautia. Der Sohn.

Durchlauchtigster: Ich komm' auff unsers Fürsten Wort /
Ein Bothe rauer Post. Doch steht er auff dem Ort
Auff dem er seinen Fall noch glücklich kan verhüten.
Wie Antonin es wüntscht. Gilt mein wolmeynend bitten /
Und schlägt Papinian geneigten Rath nicht auß:
So blühe / ja es blüht sein wol-verdintes Haus.

Papinian.
Was unser Fürst begehrt was treue Freund' einrathen
Ist jederzeit mein Wuntsch; wofern nicht schnöde Thaten
Fürst oder Freund von mir durch Wort und bitten sucht /
Wer was nicht redlich wil. Sucht bey Mir sonder Frucht.

Macrin.
Papinian versteht daß Antonin erhitzet
Und zornig über Jhn als ungehorsam blitzet:
Kan man dem Käyser denn nicht was zu Willen seyn?

Papinian.
In dem verfluchten Werck? Macrin mit kurtzem: Nein.

Macrin.
Durchlauchtigste kan Sie den starcken Sinn nicht beugen?

Plautia.
Ich kan nichts mehr denn nur von seiner Tugend zeugen.

Macrin.
Bedenckt der Vater denn nicht sein gelibtes Kind?

Sohn.
Wer nur das Recht ansiht schlägt Kinder in den Wind.

Macrin.
Mir leider fällt es schwer das Urtheil außzuführen.

Papinian.
Mir leicht es außzustehn. Soll Ich das Haubt verliren?
Sag an? Ich bin bereit!

Macrin.
        Last Götter! last nicht zu
Daß Ich den Fall anschaw!

Papinian.
        Was wil man daß Ich thu?

Macrin.
Der Fürst / Papinian, entsetzt Jhn seiner Würde.

Papinian.
Die acht ich (glaubt es fest) vor eine schwere Bürde.
Weg / weg bemühtes Ambt. Weg du verblendend Ehr.
Du leichte Handvoll Dunst! Ich kenne dich nicht mehr.

Macrin.
Ich bin geschickt Jhm Dolch und Zirath abzuheischen.

Papinian.
Gar wol! man lasse Mich noch über diß zerfleischen.
Hir ist der scharffe Stahl den Ich behutsam trug /
Zu meiner Käyser Dinst / als Ich die Feinde schlug /
Der Römer Ehr erhöht / der Fürsten Brust beschützet.
Der Dolch ist glaubt mir nie mit Bürger-Blutt besprützet;
Ich geb jhn willig hin! Jhr Läger gute Nacht!
Papinian wird loß! nun hat Er auß gewacht!

Macrin.
Ach kan er sich denn selbst so tiff ernidrigt schauen?

Papinian.
Ich sey auch wer Ich sey / Mir wird von Mir nicht grauen.

Macrin.
Der Fürsten Bilder stehn Jhm denn nicht weiter zu.

Papinian.
Der Heilgen Themis Bild ist einig meine Ruh /
Nemt / nemt die Bilder hin! sie stehn mir in dem Hertzen.
Der den Ich jtzt noch ehr' / und der den meine Schmertzen
Bejammern auff der Baar! was sind die Bilder noth
Die nun zu ändern sind nach eines Fürsten Tod?

Macrin.
Das Käyserliche Buch der hohen Ambts-Gesetze /
Muß eingehändigt seyn.

Papinian.
        Umb das Ich nicht verletze
Das allgemeine Recht daß der die grosse Welt
Hat in Jhr Wesen bracht und in dem Stand erhält /
Nicht jrgend auß Papir / auff stetes Ertz getriben /
Nein / sondern das er hat der Seelen eingeschriben /
Verlir Ich höchst erfreut mein Ambt-Recht / nemt es hin.
Schätzt jhr diß vor Verlust? Ich halt es vor Gewin.

Macrin.
Lescht nun die Kertzen auß die auff dem Golde brennen.

Papinian.
Man kan die scheinend' Ehr auch sonder Kertz' erkennen.

Macrin.
Raumt ab das weisse Tuch mit dem gestückten Rand.

Papinian.
Nichts das uns besser zir als eine reine Hand!
Was heischt Macrin noch mehr?

Plautia.
        Was kan Er ferner wollen?

Papinian.
Ist diß der Götter Schluß daß wir verschwinden sollen /
Und schafft es Antonin, warumb denn vil gezilt /
Und mit dem Tocken-werck so kindisch hir gespilt.
Meynt jhr daß dise Schmach wofern es Schmach zu nennen /
Die kräncke / die / was Ehr und wahre Hoheit kennen.
Nein! warlich! Stand und Ambt und Gold ist flüchtig Gut.
Was niemand raubt das ists! ein unbewegter Mut.

Macrin.
Der Fürst wil endlich Sich mit seinem Sohn besprechen.

Plautia.
Ja rächen / sagt / an Jhm ein Väterlich Verbrechen.

Macrin.
Der Fürst sucht anders nichts / als beyder Glück und Heil.

Plautia.
Mein Kind Ich schaw vor dich nichts als ein bluttig Beil.

Sohn.
Fraw Mutter nur getrost! ich kan es auch ertragen!

Macrin.
Durchlauchtigste Sie glaub es ist ein eitel zagen.

Papinian.
Behertzt mein Sohn! behertzt! und dencke wer ich sey!
Ja wer du numehr selbst. Der Himmel steh dir bey /
Erschrick ob keinem Blick.

Sohn.
        Ach Vater soll Ich scheiden!
Soll Ich vor Jhn den Tod ja raue Marter leiden:
So glaub Er daß mich nichts so inniglich erfrew /
Als daß mein Leben fällt / vor seine Vater-Trew.
Ade mit disem Kuß! worzu die heissen Zehren.
Fraw Mutter! diser Tag wird einen Sohn gewehren
Der Jhr nur würdig ist. Die höchst-betrübt' erblast
Und sinckt in Ohnmacht hin: der rauen Jammer Last
Beklämmt die grosse Seel.

Macrin.
        Auff last uns nicht verweilen.

Sohn.
O Mutter gute Nacht.

Papinian.
        Wer wird die Wunden heilen
O stets bestürmter Geist! tragt / daß Sie sich erquick
Den Athem-losen Leib ins Zimmer stracks zurück.

 

Papinianus. Zwey Haubtleute auß dem Läger.

Durchlauchtigster! das Heer / die Läger und die Schaaren /
Nach dem Sie voll von Mut in höchster Eil erfahren
Daß Antonin auff Jhn in tollem Zorn ergrimmt /
Und seine Schmach ja Fall / auch wol den Tod gestimmt;
Entschlissen Jhm zu Dinst für Jhn sich keck zu wagen /
Und lassen Jhre Pflicht Jhm mit dem Reich antragen.
Er rette sich und uns / und die erschreckte Welt /
Die durch den Bruder-Mord bestürtzt / zurücke prellt/
Und uns und Rom verspeyt / man soll auff sein erklären:
Deß Caracallen Kopff Jhm alsobald gewehren.
Diß wüntscht wer Redli[ch]keit / wer seine Tugend schätzt/
Und sich dem Frevel-Stück deß Fürsten widersetzt.

Papinian.
Daß Mir das Läger noch auff disen Tag gewogen;
Und sich so fern erklärt / auch (wie Jhr angezogen)
Sein Glück durch meines sucht: Rührt auß Wolmeynung her /
Die ich mit Danck erkenn / doch glaubt mir Ich begehr
Nichts als deß Fürsten Heil auch durch diß Blutt zu stützen
Der sucht nicht frembder Schutz den Tugend kan beschützen.
Geht! bleibt dem Käyser trew! es geh auch wie es geh!
Glaubt daß auff meinem Haubt nicht aller Nutz besteh.
Und denckt wem Jhr mit Eyd und theurer Pflicht verbunden.

Haubtleute.
Herr unser Pflicht verstarb durch deß Entleibten Wunden.
Wir schworen Antonin und Geta trew zu seyn /
Als Fürsten / diser fil durch unverhoffte Pein;
Der ander hat sich selbst der hohen Macht entsetzet.
Als Er durch Bruder-Mord Gott / Blutt und Recht verletzet.
Man schaw auch auff den Bund: Wer ists der jhn zuriß?
Und sein selbst eigen Ehr / in tollem Grimm durchstiß.
Die Trew ward einem nicht nur beyden gleich versprochen /
Der Fürst hat was uns band und hilt nun fast zubrochen.

Papinian.
Jhr jrrt ach Libst / Jhr jrrt. Der Fürst ists der uns schafft.
Gesetzt auch daß Er feil. Ein unbepfählte Krafft
Kan zwar (es ist nicht ohn) in tiffste Laster rennen:
Doch darff ob seiner Schuld kein Unterthan erkennen.
Die Götter sitzen nur (dafern Sie was verbricht
Und auß den Schrancken reist) vollmächtig Blut-Gericht.
Wer einen Eingriff hir sich unterstund zu wagen;
Hat Blitz und Untergang zur Außbeut hingetragen.

Haubtleute.
Die Götter straffen spät! auch nie! so mag er frey
Mit Mord / Gifft / Unzucht / Trug / Zwang / rasen / Vollerey /
Bey unterdruckter Ach! in Lust die Zeit beschlissen?

Papinian.
Jhn martert / weil er feilt stets sein erhitzt Gewissen /

Haubtleute.
Man führt der Götter Recht durch Menschen-Schwerdter auß.

Papinian.
Die Schwerdter sind verpflicht der Antoninen Haus.

Haubtleute.
Herr! ach sein Haus verfällt! Er such es zu bewahren.

Papinian.
Fürs allgemeine best wolt ich mein Haus nicht sparen.
Setzt uns nicht ferner zu. Die Seele wird erschreckt
Ich bin durch Eure Wort und Ansprach hart befleckt.
Ein reines Hertz hat Schew an solche That zu dencken
Fahrt wol!

Haubtleute.
        So schlägt Er auß was Jhm die Läger schencken.

Papinian.
Das Läger hat nicht Macht zu liffern was es gibt /
Fahrt wol! zeigt allen an / die mich so heiß gelibt /
Die Ich als Brüder ehrt daß ob Ich schon verterbe
Doch meinem Käyser trew / der Läger Diner sterbe /
Daß Ich die Nahmen / groß / Fürst / glücklich / jtzt verlacht
Weil deß Gerechten mich und Treuen herrlich macht.

Haubtleute.
O Blum der Tapfferkeit! O Sonn und Ruhm der Weisen!
Vor dessen Mund dein Rom / vor dessen Faust und Eisen
Der strenge Parth' erschrickt! O daß du minder fromm /
Und mehr verwegen! ach! wie würde diser Strom
Der dein bestürmtes Schiff / wil in den Abgrund neigen
In einem Augenblick sich theilen und verseigen!
O daß du minder fromm! wie stünd es Antonin!
Und mehr verwegen! ach! der Mörder wär jtzt hin!
O daß du minder fromm! und etwas mehr verwegen!
Wie wolten wir die Gifft von Rom und Reich außfegen!

 

Reyen der Rasereyen und deß Geists Severi.

Käyser Bassianus erscheinet auff einem Stul schlaffend / von etlichen geflügelten Geistern wird ein Amboß mit Hämmern auff den Schaw-Platz bracht / auff welchem die Rasereyen einen Dolch schmiden.

Alecto.

Rüstig jhr Schwestern / es fordert die Rache /
Gläntzende Dolchen beschleunigt die Sache /
Leget die dampffenden Fackeln bey Seite /
Biß man das Werckzeug der Straffen bereite.
Last uns die klingenden Hämmer auffschwingen.
Schreckliche Themis es müsse gelingen /
Was wir den Mörder zu stürtzen beginnen!
Sterbliche solten wir schlummernde können
Eure gehäuffete Frevel vertragen /
Die uns zu richten und rechten betagen /
Eher wird Phebe die Sonne verkennen /
Eher wird Thetis hell-lodernd verbrennen /
Als Jhr! O Thörichte! je mit gedeyen
Werdet die Rechte der Götter anspeyen.

Die Rasereyen zusammen.

So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen
Müsse wer schuldig die Hämmer außstehen
So wie die Funcken umbfligen und springen
Müsse der Blitzen sein Hertze durchdringen
So wie sich Feuer und Stahl hir vermählen
Muß jhn der Fluch auch durchbrennen und quälen.

Megaera.

So schlage Gottes Zorn auff sein verdammtes Haubt
Es werd' Jhm Stand und Ehr und Gut und Leib geraubt
Es falle sein Geschlecht
Und lebe doch zu ewig stetem Hohn
Und schaue wie das Recht
Verkehr in nichts den ungerechten Thron.

Die Rasereyen.

So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen / etc.

Tisiphone.

Er rase Sinnen-loß so wie die Klinge zischt
Jhm sey zu mehrer Pein
Und ewig-steter Angst was sein Gemüt erfrischt
Er sinck in Laster ein
Und auß Laster in mehr Noth
Und fühle sich stets lebend-tod.

Die Rasereyen.

So wie die Schläg auff diß Eisen abgehen / etc.

Severus.

                  Brich Erde! brich entzwey!
Der Himmel gibt es nach /
Daß Ich die herbe Schmach
Daß Ich das Mord-Geschrey
Daß Ich den Bruder-Mord mit neuem Mord abfege /
Und dich zu Boden lege!

Du / nun nicht mehr mein Sohn!
Pfui! seh' Ich dich noch an!
Pfui! wie daß Ich noch kan
Dich meines Stammes Hohn
Dich Seuche deiner Zeit / ob der der Welt wird grauen
Dich Schlangen-Zucht anschauen?

Gerechte Schwestern! gebt!
Gebt eurer Hände Werck!
Erfrischt mit neuer Stärck
Was von Sever noch lebt /
Reicht mir den scharffen Dolch last mich bestürtzten Alten/
Eur Rach-Ambt doch verwalten.

Die Rasereyen.

Nim hin was auff deß Himmels Schluß
Zu ernster Straffe dinen muß.

Severus.

      Schaw wie mein Kind durch dich /
Ertz-Mörder unterging /
Als es die Stich empfing /
So wil durch disen Stich
Ich (wie du bist mit Jhm Verräther umbgegangen)
Auch Rach und Ruh erlangen!

Die Geister verschwinden zugleich / der Käyser erwacht und gehet traurig ab.


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