Andreas Gryphius
Papinian
Andreas Gryphius

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Julia.
O Blume deiner Zeit!
Deß hohen Vaters Wonne!
Der weiten Länder Freud und deiner Mutter Sonne!
Du Bild der Freundli[ch]keit!
Wirst du / in dem Morgen-Taw so entblättert und zutreten!
Ach gebährst du solches trauren deinem Rom und allen Städten?
Kanst du angenehmes Licht / nicht biß auff den Abend stehn
Must du eh der Tag sich theilet finster-bluttig untergehn?

Reyen.
O rauer Untergang! O Uhrsprung harter Nacht!

Julia.
O Nacht! die uns zu früh' auß jhrer Klufft erwacht!
Die uns mit Finsternüß und schwartzem Dunckel decket!
Und mit Qual / Angst / und Furcht / Gespenst und rasen schrecket.
Was thu / was fang ich an?
Was schreibt dein Blut mir vor / ob dem die Erd' errötet!
Ich kan und bin behertzt zu tödten / der getödtet /
Ich eil! Ich wil! Ich kan!
Durch deß Verräthers Tod den Bruder-Mord versöhnen/
Auff Läger! Läger auff! wer kan die That beschönen?
Die Bassian verübt? Auff Läger! steht mir bey!
Eur Fürst / Eur Geta rufft! hört auff sein Mord-Geschrey!
Auff! waffnet Euch / die Jhr dem Fürsten theur verschworen!
Dem Fürsten! den (Ach!) Ich zu herrschen nicht geboren!
Betrübtes Rom! der dich zu schützen dachte:
Verbluttet und erstarrt.
Bestürtztes Rom! komm schaw doch und betrachte;
Was dein Fürst' in dir erharrt.
O wer die Colcher! O! wer Haemus raue Wälder /
Wer Schyten! wer den Pont / und der Cyrener Felder
Vor deine Pracht erwehlt!
Wer der Cimmerier uns nicht entdeckte Steine /
Wer Celten, wo es der geopfferten Gebeine
An Feur und Grabe fehlt
Für deinen Hof erkist. Du sahst es ja vorhin
Der du uns zu weichen rithest! Ach zu spät! nun glaub ich dir!
Uns war Sinn' und Witz verblendet / das Verhängnüß hilt uns hir.
Mich / Mich vor allen / die deß Unheils Ursach bin!
Was red' Ich und mit wehm? Kommt schwartze Rasereyen!
Jhr Töchter jener Nacht! entdeckt eur Schlangen-Haar!
Es wil noch Gott / noch Mensch uns einig Ohre leihen!
Kommt steckt umb dise Baar
Die Jammer-Fackeln an / steckt an mit Grimm und wüten /
Der Mutter feige Seel / deß Mörders Geist mit zagen/
Denn Hof mit Durst nach Blut / trotzt Menschen diß zu wagen/
Was selbst dem Laster nicht erlaubt von Euch zu bitten.
Fegt Schmach mit Meyneid ab / Ich leih Euch Hertz und Hand!
Führt heut ein Traur-Spil auß / daß wer durchs weite Land /
Von unserm Jammer hör't auch ob der Rach erschrecke /
Und sein ertäubtes Ohr und starrend Auge decke /
Der unbesonnen' Anfang müß auff ein so kläglich End' außgehn
Ob dem versteinten Völckern auch die nassen haar zu berge stehn!

 

Julia. Reyen deß Frauenzimmers. Thrasullus.

Thrasul.
Durchläuchtigst ich bekenn': es ist was frech gewaget
Daß Ich mich untersteh / Sie / die die Welt beklaget /
Daß Ich mich untersteh / weil noch der Donnerschlag
Der disen Augenblick auff Jhren haaren lag /
Durch alle Zimmer kracht; weil Sie sich kaum kan regen /
Noch minder starrend weiß Jhr Leid zu überlegen,
Durch Red' und Gegenwart zu hindern jhr gewein.
Wenn Hertz und Seele weg / geht uns kein trösten ein
Durchlauchtigst'. Ich der stets geflissen jhr zu dinen /
Bin jhr zu Dinst / mit jhr zu klagen / hir erschinen.
In dem die grosse Stadt geheul' auff heulen häufft /
Und sich ob disem Fall in Threnen gantz vertäufft.

Julia.
In Threnen! weil der Fürst in Fürsten-Blut uns badet.
Doch numehr hats ein End' / ein Wetter hat geschadet
So hefftig: Daß kein Sturm uns mehr verletzen kan!
Schaw wo Sever uns liß! schaw unsre Zepter an!
Schaw endlich unsern Sohn! ja unsers Sohnes Leichen!
Könt auch ein grösser Schmertz ein grösser Weib erreichen?
Ist diß das hohe Glück / ist diß deß Himmels Schluß
Der Cron' auff Cronen gab? Furcht / Kummer / Noth / Verdruß/
Neid /Argwohn / falsche Freund / Zanck / zagen / nichtig hoffen;
Ist was wir in dem Thron statt wahrer Schätz' antroffen.
Doch was uns einig lib / was je das Hertz erquickt /
Was über Cron und Thron ligt hir zerschellt / zerstückt/
Zerschmettert und zerstäubt! O wer mit dir entbunden!
O Fürst! und seine Ruh durch deinen Stich gefunden!

Thrasul.
Der schmertzlich Anblick ritzt die Wunden weiter auff
Und greifft sie schärfer an / der milden Zehren lauff
Ergeust und wil durchauß sich mit dem Purpur mischen /
Der auß den Brüsten strömt: Last uns das Blut abwischen!
Das als Corallen-äst an allen Glidern klebt.
Komm du bethrentes Volck: Kommt Jungfern / tragt und hebt
Den / der das Reich erhob / der alle Last ertragen /
Die unerträglich schien. Entfernt der Mutter zagen
Deß Sohns entseelte Leich. Geht! geht! schafft Nard und Wein!
Und hüllt den reinen Leib mit Myhr und Balsam ein /
In Stück-werck weiser Faust / zirt die gekrönten Haare
Mit Palm und Lorber-Laub / schmückt die bedeckte Baare
Mit euren Flechten auß. Princess' ich sucht allein
Auff zwey / drey Wort / Jhr Ohr: Ich bote neuer Pein /
Und Bürge neuer Lust. Sie dencke was zurücke!
Bin Ich nicht der vorlängst das ungeheure Stücke
Auß Jhren Sternen las? Und Jhr den fall entwarff
Den vor deß Fürsten Grimm kein Mensch beklagen darff?

Julia.
Wahr ists! du bists der uns deß Käysers Eh versprochen/
Und eh Severus Stul durch seinen Tod zubrochen
Uns früh sein End entdeckt! ach aber! diser Schlag
Ist was ich nie gefurcht und noch kaum glauben mag.

Thrasul.
Princesse warnt Ich nicht daß Geta bald würd' enden.

Julia.
Doch wer entsetzte sich vor Kind und Bruders Händen?

Thrasul.
Daß Jhn ein mördlich Stich solt opffern seiner Baar.

Julia.
Wahr ists. Doch scheuten wir nichts / denn nur Krigs-Gefahr.

Thrasul.
Durchlauchtigst': jtzt ists Zeit für Heil und Haubt zu wachen.

Julia.
Zu wachen nun mein Schatz und gut in Todes-Rachen!

Thrasul.
Sie hat noch mehr denn vil / das auff der Wage steht.

Julia.
Reich / Cron und Sohn ist hin! und was nicht hin / vergeht.

Thrasul.
Sie hat noch Reich und Sohn und Leben zu verlieren.

Julia.
Der Mörder lasse mich nur bald zur Schlacht-Banck führen!

Thrasul.
Princeß Sie linder was / den hart erhitzten Mut.

Julia.
Den durch und durch erhitzt deß Kindes heisses Blut.

Thrasul.
Sie schon' Jhr eigen Blut unnötig zu vergissen!

Julia.
O könt es dise Stund' auß allen Adern flissen!

Thrasul.
Es bringt den Fürsten nicht auß Ditis Klufft zurück.

Julia.
Er führt in Ditis Klufft all unser Heil und Glück.

Thrasul.
Jhr blüht ein grösser Glück / wo Sie den Sturm kan meiden.

Julia.
Und haben wir noch was nach disem Leid zu leiden!

Thrasul.
Ja wol! die Wolck ist noch mit einem Stral gefast.

Julia.
Was dräut der Himmel denn vor eine neue Last?

Thrasul.
Er dräut jhr Ach und Tod wo Sie den Schmertz läst blicken.

Julia.
Wie kan ein bluttend Hertz so raue Qual verdrücken.

Thrasul.
Geduld! hir muß es seyn wo Nero Zepter trägt.

Julia.
Hört Götter jener Welt! was wird uns auferlegt.

Thrasul.
Hir / hir steht Agrippin, wo Sie nicht kan verschmertzen.

Julia.
Wie? soll denn Julie mit disem Traur-Spil schertzen?

Thrasul.
Fürstinnen kommt was mehr denn schlechten Müttern zu.

Julia.
Deß Pövels Mutter hat mehr denn Princessen Ruh.

Thrasul.
Fürstinnen suchen Nutz auch auß Verlust zu erben.

Julia.
Nutz mehr denn vil vor uns / wenn Wir gerochen sterben.

Thrasul.
Das Glück beut Jhr die Rach mit Rom und Zepter an.

Julia.
Es fahre Rom und Reich wenn man sich rächen kan!

Thrasul.
Sie traw auff meine Wort' und hemme Schmertz und Zehren!
Der Haubtmann so den Leib deß Fürsten wird begehren!
Hat Macht; wofern Sie muckt auff Jhren Hals zu gehn!

Julia.
Der grimme Zorn reist auß / die weiche Threnen stehn!
So steht dem Mörder frey auff Tygers Art zu wüten?
Und uns wird nicht vergont die Wehmut außzuschütten/
Gedoppelt grimmer Grimm! er raubt dem Bruder Zeit!
Den Freunden letzte Gunst! und uns Empfindli[ch]keit!
Wo sind Wir!

Thrasul.
        Werthe Fraw Sie lasse sich bewegen.

Julia.
Wol! wol! du bist erhört last uns das Leid hinlegen
Das schlecht und weibisch steht / das Hertz ergrimmt und klopfft
Stirn / Wang' und Auge feurt / wie wenn die Lufft verstopfft
In unter-jrrdsche Gäng' und keinen Außfall kennet
Biß die erhitzte Glut durch alle Klüffte brennet
Und Fels und steile Berg' / und gantze Städt umbreist /
Und Menschen / Flamm und Graus biß in die Wolcken schmeist.
Klagt alle den man nicht die Threnen kan verschrencken!
Wir suchen Geta dir was mehr auffs Grab zu schencken.

 

Der Cämmerer. Julia. Thrasullus.

Cämmerer.
Fürstin / Cleander kömmt mits Käysers Cammer-Wach!

Julia.
Deß Laetus höchster Feind! mehr denn gewüntschte Sach!

Thrasul.
Jtzt / jtzt / ists Zeit den Grimm der Schmertzen was zu zwingen.

Julia.
Bleib unbesorgt. Wir sind entschlossen durch zu dringen
Wohin der Himmel rufft. Jhr Götter jener Welt
Jhr Kräffte die das Reich der untern Kercker hält
Führt meinen Anschlag auß. Was ist Jhm anbefohlen?

Cämmerer.
Er wil auffs Käysers Wort deß Fürsten Leich abholen.

Julia.
Man leit Jhn durch den Saal wo unser Volck sich müht
Umb Grab-Schmuck zu der Blum die vor der Zeit verblüht.
Wir folgen auff dem Fuss' erbötigst Jhn zu hören!
Dir Rach thu einig Ich diß was ich thu zu ehren.

 

Reyen der Themis und der Rasereyen.

Themis steigt unter dem Klang der Trompeten auß den Wolcken auff die Erden.

Themis. Der Greuel ist vollbracht
Der ernsten Rache macht
Soll auff die That einbrechen!
Man wird durch Sud und Nord /
Von disem Bruder-mord;
Mehr von der Straffe sprechen.

Das umbgesprützte Blut;
Erfodert Schwerdt und Glut.
Ich werd ein Traur-spil stifften:
Das mit gewalt und leid /
Wird die bestürtzte Zeit /
Erschrecken und vergifften.

Der Bruder-Mörder fällt /
Zu Hohn der grossen Welt /
In tiffer Sünd auß Sünden.
Doch muß Ich vor sein Hertz
Mit ewig heissem Schmertz
Erfüllen und entzünden.

Du steh Papinian!
Sih kein bedräuen an!
Erschrick vor keinem tödten!
Durch das gezuckte Beil;
Erlangst du Ruhm und Heil /
Und weichst den grimmen Nöthen.

Er schadet sich / nicht dir
Weil Er / was für und für
Hat vor sein Haubt gestanden;
Von seiner Seiten stöst /
Und sich dem Dolch entblöst
Der schon vor Jhn vorhanden.

Reiß Ditis Klufft entzwey!
Kommt Schwestern alle drey!
Jhr Wolcken lasst mich nider.
Kommt Rasereyen vor!
Kommt auß der Höllen Thor!
Mir ist Verzug zu wider.

 

Reyen der Rasereyen.

Kommen auß der Erden hervor.

Höchstes Recht der heilgen Welt!
Schaw man stellt sich willig ein.
Was Cocytus noch verhält:
Wil dir stracks zu Dinste seyn.
Soll man Reich und Reich verheeren?
Soll man Städt' in nichts verkehren?
Soll man Thron und Zepter brechen?
Soll man Recht' und Satzung schwächen?

Alecto.
Wohin willst du daß ich eil?
Grimm und Fackel ist entbrant.

Tisiphone.
Fürstin hir ist Flamm und Pfeil!
Worzu brauchst du meine Hand?

Megaera.
Schaw wie sich die Schlange wind'
Mehr durch deine Blick' erhitzt
Gifft ist / Feindin aller Sünd /
Was von meiner Scheitel schwitzt.

Alle Drey.
Dir Heiligste zu dinen
Sind wir bereit erschinen.

Gerechtigkeit.
Das grosse Rom erstarrt / ob seinem Bassian.
Sein Bruder fil durch Jhn; fallt jhr den Mörder an.
Er tödte was Jhn trib diß Schand-Stück zu begehen.
Er tödte was ihm trew / durch den sein Reich kan stehen.
Entsteckt den tollen Geist mit Höllen-heisser Brunst
Er suche (wo Jhr wist und Ich nicht nenne) Gunst.
Er zag ob jdem Blat und beb ob seinen Thaten.
Und fall auff eignen Mist / tod / blutig / und verrathen.

Alle Drey.
Wir gehn behertzt dein wollen zu vollbringen.
So müsse Thron und Cron in Stücken springen!
So zitter ob der Straffe schweren Pein
Wer Heilge dir mag widerspenstig seyn.

Themis steiget unter dem Trompeten-Schall wider in die Wolcken.


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