Andreas Gryphius
Papinian
Andreas Gryphius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Vierdte Abhandelung.

Bassianus. Cleander.

Bassian.
Göttin die über Thron / die über Fürsten wacht /
Und Seel' an Seelen bindt mit Demant-fester Macht /
Du nicht verfälschte Trew / die was hir schwebt und lebet
In festem Stand erhält / und seinem Fall enthebet:
Schaw auff ein bebend Hertz / das sich verlassen siht /
Von dem / umb dessen Glück und Ruhm wir stets bemüht.
Dem Rom / dem Römsche Macht / dem unser Haubt vertrauet
Auff den wir! ach umbsonst! umbsonst! umbsonst! gebauet.
Der mit Verwandschafft uns / der uns durch Eyd verpflicht.
Die Saul auff die wir uns gelehnt: Zerspringt / zerbricht!
Von wehm wird Antonin noch etwas hoffen können:
Wenn uns Papinian nicht mehr die Faust wil gönnen?

Cleander.
Der unbewegte Geist der nur vor billich hält
Was Themis leichter Schaar zu scharffer Richtschnur stellt
Und gar nicht überlegt daß hoher Fürsten Leben
Nicht der Gesetze Zwang von jemand untergeben /
Entsetzt sich was zu thun das dem zu nahe scheint /
Das Er vor heilig schätzt.

Bassian.
        Nein! Nein! Cleander meint
Mit diser Außflucht uns in sanfften Traum zu wigen /
Solt uns Papinian mit disem Dunst obsigen?
Nein! Nein! die hohe Seel hat ein vil weiter Zil!
Sie weiß wol was das Recht bey schlechtem Pövel wil/
Sie weiß daß der / dem Land und Reich zu Dinste stehen;
Nicht stets könn' auff der Bahn gemeiner Bräuche gehen.
Der Segel-lose Kahn der an dem Strande spilt:
Laufft Furcht und Anstoß frey / wo Er nicht Klippen fühlt/
Nicht Felsen / Sturm und Sand. Soll man ein Last-Schiff führen;
So muß man nicht nur stets nach Wind und Nord-Stern spüren.
Man muß (wo Seichten sind) wo steile Höhen stehn:
Wo umb die Vorgebirg' erhitzte Wellen gehn
Wo Teuffen / wo die See wil keinen Bleywurff kennen /
Wenn stete Schläg' auff Schläg' jtzt Bret und Kiel zutrennen
Offt weichen von dem Strich' auff den der Boßmann siht
Wenn nicht der tolle Nord sich umb die Segel müht /
Man fährt offt seitwärts ab / auch öffter gar zurücke.
So wird der Port erreicht mit Vortheil / Ruhm und Glücke/
Diß weiß Sie und noch mehr/ und steht uns doch nicht bey.
Warumb? Deß Pövels Lust blüht wenn ein falsch Geschrey
Sich an die Fürsten macht / und Sie auffs grimmst' abmahlet/
Denn streicht man den und den / der stets mit Tugend pralet
Durch Haus und Gassen auß / und Paetus wird gelibt:
Weil Nero seinen Ruhm in die Rappuse gibt.

Cleander.
Mir steht deß Fürsten Wort nicht an zu widerlegen/
Doch daß Papinian durch dises zu bewegen /
Was Volck und Pövel schwätzt: Kommt mir unglaublich vor.
Der Fürst bedencke nur wie theur er sich verschwor /
Als jtzt Sever bereit den Lauff der Zeit zu schlissen /
Und in der Sternen Saal die Götter zu begrüssen /
Wie trew er jderzeit den grossen Thron gestützt /
Und seiner Käyser Ruhm bey Heer und Volck geschützt/
Wenn Zwytracht je entstund; war er bereit zu schlichten /
Glückselig / wenn wo Zanck / die Unlust zu vernichten /
Sein munterer Verstand hat manchen Sturm ersteckt
Der / wenn er recht ergrimmt / ein grösser Feur erweckt.

Bassian.
Ohn ists nicht: Daß Wir Jhm biß auff den Tag verbunden!
Doch schlägt Er unserm Ruhm anjtzt die schärffsten Wunden.
Wie? Oder libt Er wol deß Todten Cörper mehr
Als den der herrscht und lebt und seines Käysers Ehr.

Cleander.
Er ist deß Antonins und nicht deß Geten Schwager.

Bassian.
Ja! wenn Plautilla nicht verschickt von unserm Lager /
Das hochgesinnte Weib das nichts denn Rach ergetzt /
Umb daß der Schwester Glantz in Finsternüß versetzt/
Umb daß dem Vater nicht die freche That gelungen;
Hat endlich was Sie sucht / wornach Sie stets gerungen.
Sie hat den werthen Mann verzaubert und verwirrt;
Daß Er / trotz Jhr und uns / und seiner Weißheit / jrrt /
Daß Er sich unterfängt sich dem zu widersetzen:
Der durch ein wincken kan vil tausend Schwerdter wetzen.
So gehts! der Frauen Mund zubricht auff einen Tag
Mehr denn die greise Zeit mit Müh' aufsetzen mag.

Cleander.
Mein Fürst daß Plautien der Schwester Ungenade/
Deß Vatern Untergang / und Tod den Geist belade;
Mag nicht unmöglich seyn / daß Sie sich untersteh /
Zu stillen dise Qual durch new-gesuchtes Weh;
Kommt mir nicht glaublich vor / auch ist nicht zu vermutten
(Gesetzt daß Plautien die Hertzens-Stösse blutten!)
Daß sich Papinian gesteifft durch Weiber Rath /
Und winseln unterfang' höchst ungewisser That.
Vilmehr wird Plautie mit ernstem Fleiß sich mühen;
Daß Jhr kein Unfall mög anjtzt das Bret entzihen /
Das in dem Schiffbruch Jhr noch einig überblib /
Als Jhrer Schwester Schiff an steile Klippen trib /
Als der der Sie gebar / nachdem er so gestigen:
Sich augenblicklich fand vor aller Füssen ligen.
Was hat die arme doch / wo Jhr die Saul entfällt;
Vor Hülffe / Schutz und Rath / die Schwester misst der Welt/
Und dennoch unentseelt: Deß Vatern schimpfflichs Ende /
Sein plötzlich Jammer-Spil klingt wo sie sich hinwende /
Wahr ists: Ein Sohn ist dar / der Sie zur Mutter macht /
Doch der die zarten Jahr kaum auß der Kindheit bracht.
Wer sich so einsam siht / Mein Fürst / läst alles schwinden;
Was mächtig Rach und Neid und Ehrgeitz zu entzünden.
Wer sich so einsam siht / bebt wenn die Lufft sich regt /
Mehr wenn der Götter Gott auff Eich' und Felsen schlägt.

Bassian.
Wer ward durch Weiber nicht / wie weiß er auch / bethöret
Zumahl wenn Heer und Stadt und selbst der Stat jhn ehret?
Wenn sich Gelegenheit Jhm in die Hände spilt
Was unterläst ein Hertz das bloß auff Rache zilt
So einsam als es sey! wer wenig auffzusetzen
Läst das verzweiffeln sich / Trotz / Witz und Furcht / verhetzen
Daß Er was übrig ist und was noch gelten mag
Zu Fromen / zu Verlust / wagt auff den letzten Schlag /
Es sey nun wie es sey! man muß die Sach ergründen.
Nur Plautien versucht ob Sie zu überwinden /
Und bey uns halten woll'. Umbsonst wird die verdacht;
Die durch bedinte That sich uns verbunden macht.
Man fordre sie alsbald / indem wir unterfangen
Zu schaun ob von jhm selbst noch etwas zu erlangen.

 

Bassianus & Papinianus.

Papinian.
Der Käyser herrsch und leb!

Bassian.
        Es lebe wer jhm Heil /
Und Reich und Leben gönnt!

Papinian.
        Mir ist das Leben feil
Vor meines Fürsten Haubt / und Reich und Ruh und Leben.

Bassian.
Es blick auß seiner That. Wo Wercke Zeugnüß geben
Sind Worte sonder Nutz. Was hat er sich erklärt
Auff diß was von Jhm ward zu unserm Nutz begehrt?
Ist diß Papinian der an der Seit uns gehet?
Der unserm Läger schafft? Der durch uns ward erhöhet?
Dem / numehr Gott Sever, sein Reich und Blutt vertraut
Als ob der Zepter Last dem müden Alter graut?
Ist diß Papinian den so vil tausend ehren?
Von dem wir disen Tag so grimmen Undanck hören.
Ist diß Papinian dem nichts verborgen lag?
Und der jtzt nicht erkennt was jhn verletzen mag?
Was nützt die Weißheit die bey zweiffelhafften Fällen
Nicht Fürsten / nicht sich selbst / kan fest und sicher stellen?

Papinian.
Es geh nachs Fürsten Wort! und blick auß meiner That /
Ob mir sein Leben werth / wo ich mit treuem Rath
Wo ich mit Faust und Stahl stets vor den Thron bemühet /
So ists nicht rühmens noth / daß man mich höher sihet
Als je mein wüntschen stig / daß mich Sever erwehlt
Zu sorgen / als er ward von Sorgen loß gezehlt /
Das auff mein' Ansprach' offt das Reich und Läger gibet /
Ja / was noch mehr / der Fürst was mehr denn gnädig libet:
Gesteh ich freylich zu. Doch diser Glantz der Ehr
Die Staffel / diser Stand / zwingt mich je mehr und mehr
Zu sehn warumb ich sey auff disen Ort gesetzet.
Ist durch geschwinden Fall der Erden recht verletzet:
Wie kan Ich / was die Welt vor raw vnd grausam hält /
Außstreichen / zwar ein Mensch versiht sich offt und fällt
Und strauchelt wenn Jhn Grimm und Lust und Schuld verleiten /
Wenn Jhn Verläumbdung stöst / und Schmeichler an der Seiten
Auff engem Wege gehn. Wer noch die Glider trägt:
Trägt was zu gleiten zwingt / biß er sich schlaffen legt.
Doch wer sich etwan hir zu hitzig übereilet
Und durch getrotzten Zorn und plötzlich jrren feilet:
Steh auff so bald er kan. Wer andre mit sich reist
Verteufft sich mehr und mehr.

Bassian.
        Durchauß verwöhnter Geist!
Wehn suchst du durch den Dunst der Worte zu verblenden
Wir kennen dein Gemüt das fast an allen Enden
Nach Ruhm durch unsre Schmach und Schimpff und Abgunst jagt.
Doch glaub': Es ist von dir, zu deinem Fall gewagt.

Papinian.
Könt Ich deß Käysers Ruhm durch meinen Tod erwerben:
Könt Ich vor seinen Fall und disen Unfall sterben.
So wär es meine Lust. Ach! aber diser Tag
Nimmt was Papinian nicht wieder bringen mag!

Bassian.
Papinian der mehr der Syrer Abkunfft treue /
Als unserm Vorder-Recht.

Papinian.
        Der Vorruck ist nicht neue!
Doch mein schon langer Dinst hat stärcker widerlegt
Was ein verläumbdend Mund ins Käysers Ohren trägt.

Bassian.
Er hat Jhn / nun Er hin / zu schützen auch erkoren.

Papinian.
Hab ich nicht Antonin und Getae gleich geschworen?

Bassian.
Wie daß der Todte denn jtzt höher bey Jhm gilt?

Papinian.
Sie gelten beyde vil / doch mehr der Themis Bild.

Bassian.
Hat Geta nichts versehn / nie Sich auff Uns erkühnet?

Papinian.
Sein jrren hat / mein Fürst / die Straffe nicht verdinet.

Bassian.
Nicht da Er uns nach Stand und Cron und Leben zilt?

Papinian.
Verleumbdung hat allein diß Traur-Stück abgespilt.

Bassian.
Es sey nun wie es sey! man ist uns gleich verpflichtet.

Papinian.
Doch nicht zu loben was mit keinem Ruhm verrichtet.

Bassian.
Ja wenn Plautilla nur uns noch vermählet wär'.

Papinian.
Plautill' und Plautia die dinen nicht hiher.

Bassian.
Man sucht deß Schwähers Tod / der Schwester Fall zu rächen.

Papinian.
Hab Ich nicht stets verflucht deß Schwähers schwer Verbrechen?

Bassian.
Auch seinen Untergang und wol-verdinte Pein.

Papinian.
Die lehr' uns unbefleckt und rein und heilig seyn.

Bassian.
Zu gleich gehorsam / Uns / da nöthig zu erzeigen.

Papinian.
Doch nicht von dem was recht sich seitwärts ab zu neigen.

Bassian.
So beut der Schwager Uns denn weder Hand noch Rath.

Papinian.
Ich weiß daß Antonin nicht gut heist was er that.

Bassian.
Hat / wer dem Läger schafft / nun ein so zart Gewissen.

Papinian.
Das nach-Rew und der Wurm deß Frevels nie gebissen.

Bassian.
Vil haben disen Fall weit anders überlegt.

Papinian.
Die was Ich noch nicht weiß auff andre Meinung trägt.

Bassian.
Villeicht auch können wir noch seinen Dinst vermissen.

Papinian.
Der Käyser meinen Dinst / ich nicht ein rein Gewissen.

Bassian.
Von hir! wir können selbst mit uns zu Rathe gehn.
Weil Räth' in Jhrem Wahn nur gar zu vil verstehn.

 

Bassianus. Flavius.

Bassian.
Der hohe Geist besteht! last uns auff Mittel dencken:
Krafft welcher wo er nicht zu zwingen doch zu lencken.
Er strebt nach Ehr und Preis; man raub' jhm Ambt und Stand!
Libt Freyheit über Gold / es schreck' jhn Stock und Band.
Wie lang ists daß sein Kind das grosse Rom erfreuet?
Warumb nicht seinen Tod dem Vater angedräuet?
Man bringe Plautien ein raues Elend vor.
Man spreng auß daß er sich auff unser Haubt verschwor.
Recht! es taug alles hir doch wird am schärfsten schneiden
Daß Er beschuldigt soll als Ertz-Verräther leiden.

 

Papinianus. Plautia. Papiniani Sohn.

Plautia.
O stets gewisse Furcht! wo steh / wo fall Ich hin!
Nun mir mein Heil entfällt! Nun Ich verlassen bin!
Nun Ich! wo find Ich Wort ein Elend außzusprechen /
Das unaussprechlich ist? Die müden Augen brechen /
Weil mir das Hertz entzwey. Der matte Geist vergeht:
Weil meine Seele schmacht. O die jhr / was erhöht /
Nicht sonder heissen Neid auß eurer Tiff anblicket:
Schaut wie von Kindheit an mich Angst und Ach umbstricket!
Schaut wie das freche Glück weit über alle führ:
Damit man was man fand zu aller Lust verlihr.
Was hat der grosse Ruhm dem Vater je gegeben?
Der hir in Rom verfil könt an dem Nilus leben /
Und lebte noch anjtzt / wenn Jhm Aegypten mehr
In stiller Ruh' erquickt / und nicht der frembden Ehr
Geschminckter Dunst verführt. Warumb deß Käysers Bette
Plautille so gewüntscht! O Schwester! fleuch und rette
Den schon verdammten Hals! Nun dich ein wüstes Feld
Ein unbewohnter Strand fest in Bestricknüß hält;
Bist du mehr frey als vor ins Römschen Fürsten Armen/
Doch dürfft auch Freund und Feind sich über dich erbarmen/
Wenn ein geringer Mann der nichts begüttert ist
Doch mit sich selbst vergnügt dich zu der Braut erkiest?
Mein Hertz! O ich vergeh! Mein Kind heist diß Beginnen!
Heist diß der Römer Hold und treue Gunst gewinnen?
Das höchst-ergetzte Volck bejautzt noch deine Spil /
Ach aber Ich bethren ein gar zu nahes Zil /
Und gar zu nahe Klufft / in die du wirst versincken
Deß Vatern Unschuld muß ins Käysers Grimm ertrincken;
Deß Vatern Untergang benebelt deinen Glantz /
Man gibt vor Lorbern dir schon den Cypressen Krantz /
O nie erhörter Fall! O unverhofftes hoffen!
Wird denn die Tugend nur durch solchen Blitz getroffen?

Papinian.
Getroffen / nicht versehrt! getroffen / nicht verletzt!
Getroffen / nicht zermalmt! deß Himmels schicken setzt
Nicht schlaffen Seelen zu. Wer mutig zu bestehen
Den heist deß Höchsten Schluß auff solchen Kampff-platz gehen.
Wer hir beständig steht; trotzt Fleisch und Fall und Zeit.
Vermählt noch in der Welt sich mit der Ewigkeit /
Und höhnt den Acheron. Mein Hertz es heist nicht sterben!
Wenn wir durch kurtze Qual unendlich Lob erwerben:
Das nach uns weil die Erd' auff jhren Stützen ligt /
Tod / Grufft und Holtz-Stoß pocht / und über alle sigt
Die zwar auff Blutt und Leib / nicht auff die Seelen wütten:
Wer kennt den starcken Geist? Wer unverletzte Sitten?
Wenn Sie nicht grimme Noth / nicht grauser Feinde Schwerdt /
Nicht Läster-Zungen Gifft / nicht Gall und Glutt bewehrt/
Man glaubt daß Ich vorhin der Weißheit mich beflissen/
Man glaub jtzt daß mein Werck geh über alles wissen
Man glaubt daß Themis mich geehrt und hoch gebracht:
Man seh daß Ich vor Sie deß Käysers Hold verlacht.
Du selbst erquicke dich / daß durch ein scharff betrüben
Die Götter deine Trew und hohe Tugend üben.

Papiniani Sohn.
Fraw Mutter wer die Welt in diser Zeit betrat /
Ward eh' er halb gelebt deß müden Lebens satt.
Ich bin von Jhr dem Tod' in dises Licht geboren /
Vil besser denn den Tod in höchster Ehr erkoren /
Als schändlich und befleckt nur Jahr auff Jahr gezehlt /
Und biß auff graue Haar umb eitel Tand gequält.
Der hohen Eltern Blutt erhitzet mein Gemütte
Und sucht ein ferner Zil / den Sitz der höchsten Gütte
Die über Menschen herrscht / und disem Gräntzen setzt
Der Völcker wider Volck und Städt auff Länder hetzt.


 << zurück weiter >>