Andreas Gryphius
Papinian
Andreas Gryphius

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Geta. Julia. Bassianus. Laetus. Nebenst der Käyserin Frauenzimmer.

Geta.
Dem Bruder wüntschen Wir Sig / Heil und glücklich Leben.

Bassian.
Wir Jhm / und daß Er sich nicht höher mög erheben.
Als sein selbst eigen Heil und Nutz der Römer wil.

Geta.
Sein und der Römer Nutz ist unser höchstes Zil.

Bassian.
Diß spricht der Mund: Sein Hertz ist fern von disem sagen.

Geta.
Man zeig' uns ob das Hertz je anders sich getragen.

Bassian.
Diß zeigt die stete That. Wenn fällt uns Geta bey?

Geta.
Stets! wenn nicht Bassian den Bund reist selbst entzwey.

Bassian.
Wer? Wir?

Julia.
        Wofern sein Hertz noch eine Flamme kennet;
Gekrönter Fürst und Sohn! die vor / Jhn gantz durchbrennet;
Als Er umb disen Hals die liben Armen schlug /
Und uns stets feste Trew mit seinem Kuß aufftrug.
Als Er sich umb die Brust voll keuscher Glut gewunden /
Und Mutter-hold in uns / und Mutter selbst gefunden /
Wo sein Gedächtnüß noch die Wort in Obacht hält
Mit den der Vater schid / als nun die grosse Welt
Zu klein vor seinen Ruhm / der Jhm den Weg gebähnet
In heilger Götter Schloß dahin Er sich gesehnet
Als nichts Jhm hir anstand: So bitten Wir Er schaw
Uns gnädigst-freundlich an: So bitten Wir Er traw
Daß Julie sich nie / noch je jhr Kind erkühnet
Zu wagen was nicht Jhm zu Ehren-Nutz gedinet.
Wir bitten Er erkenn' ob schon ein Meuchel-Hund
Verdacht und Galle speyt / ob ein verläumbdend Mund
Jhm unsre Redli[ch]keit weit anders auß wil streichen;
Daß dennoch eh' ein Fels soll von dem Abgrund weichen /
Daß eh' ein Ancker soll gehefft an Wolcken stehn
Daß eh' ein kreischend Roß soll durch die Wellen gehn/
Wenn sie in höchstem Zorn die Sternen fast besprützen/
Ja / daß das Reich der Nacht soll zeigen Ditis Pfützen;
Als jemand / sonder falsch uns darthun; daß man nicht
Nach seiner Wolfahrt Mast und Lauff und Ruder richt /

Bassian.
Fraw Mutter und Princeß; es läst sich nicht verblümen
Was mehr denn häßlich scheint. Sie mag jhr Hertze rühmen:
Sie fuss' auff Jhre Treu' und stell auffrichtig vor
Was Sie uns je erwiß: Sie findt ein offen Ohr
Und noch verlibte Seel. Eh soll die See verrinnen /
Eh soll der strenge Nord vor Schlossen / Gold gewinnen /
Und Demant vor Crystall / als Sie in diser Brust
Nicht fest verschlossen stehn. Sie prüf' es / hat sie Lust!
Und forder / was man nur kan von der Welt erheben /
Und jhr Princess' / allein / der Römer Haubt kan geben.
Daß aber Sie was mehr sorgt vor Jhr eigen Blut
Als es der Stat erlaubt; ist freilich nicht zu gut.
Die Mutter (wir gestehns!) muß ja jhr Kind hoch liben /
Es pflegt ein rasend Wild sich hefftig zu betrüben
Wenn die noch junge Zucht durch Unfall wird verletzt.
Fürstinnen die das Glück auff steile Throne setzt;
Schreibt man ein härter Recht! Sie müssen diß nur achten;
Durch dessen Untergang Sie sincken und verschmachten.
Die Libe der Gewalt geht weit vor Blut und Kind.
Doch Sie ists (werthe Fraw) die kein Gesetze bindt.
Sie siht auff einem Thron zwey jhrer Söhne blühen /
Der Ein ist ja ihr Kind / durch Sorg und aufferzihen /
Der Ander durch Geburt. Sie herrscht durch beyder Macht /
Wolan! Sie nehme beyd' auff gleiche Weis' in acht.
Geh' auß dem Mittelweg nicht auff die eine Seiten /
Sie laß Jhr eigen Fleisch sich nicht in jrre leiten.

Julia.
Zeugt Fürsten jener Welt! du vorhin Ehgemahl
Und numehr Göttern gleich! Wir wissen keine Wahl.
Hört beyde Söhn' und glaubt! Wir wissen nicht zu sagen:
Zu welchem Wir mehr Lib' und wahre Neigung tragen.

Bassian.
O Mutter! wär' es so! wol stünd es umb das Reich!
Wol auch umb Sie und Uns! Wir herrschten beyde gleich!
Entbränt in eine Lib' / hergegen muß man klagen:
Daß es der Bruder nur zu viel auff Sie darff wagen.
Was stöst er jtzt nicht umb? Nur weil es uns belibt:
Und Jhm der Mutter Gunst was frecher Sinnen gibt!

Julia.
Fürst! ewig werthes Kind! Wir knien vor beyder Füssen/
Und wüntschen (ists geschehn!) durch unser Blut zu büssen/
Er mäss' uns diß nicht zu / was nie von uns gedacht.
Ein Hof-Verläumbder hat uns in diß Netz gebracht.
Ein toller frecher Mann / der Euer beyder Leben
Verfolgt / und sich selb-selbst wil auff den Thron erheben.

Geta.
Auff Mutter von der Erd! Es ist nicht weinens Zeit:
Wenn jeder wider uns und unser Unschuld schreyt.
Wenn jeder Sie durch uns sucht in das Grab zu stürtzen /
Ja selbst deß Brudern Macht durch beyder Fall zu kürtzen.

Julia.
Ist denn die Brüder-Lib' in beyder Hertzen kalt?

Geta.
Hir brennt Sie! Bassian libt leider nur Gewalt.

Bassian.
Hir brant Sie! Geta dämpfft sie mit list / haß und zancken.

Geta.
Der seinem Bruder trew / wenn Reich und Thron wird wancken.

Bassian.
Der seine Schlüss' umbstöst / und sein Gesetz verlacht.

Geta.
Offt / wenn man schlüssen nicht zu embsig nachgedacht.

Bassian.
Der seine Diner höhnt und die Verwalter schändet.

Geta.
Wenn man die besten nicht zu Land-Verwaltern sendet.

Bassian.
Die besten / die Er uns nicht treulos machen kan.

Geta.
Treulos ist / der von uns diß gab dem Bruder an.

Bassian.
Warumb verwirfft man dehn dem Wir Aegypten gönnten?

Geta.
Dieweil Wir seinen Geitz nicht mehr vertragen könten.

Bassian.
Wird darmit unser Wort und Hand nicht höchst geschertzt?

Geta.
Nein! wenn der Fürst was Recht und Fürsten-Wort behertzt.

Bassian.
So glaubt man daß Wir blind und unbedacht hin schreiben?

Geta.
Man soll nicht sonder Rath ein hohes Werck betreiben.

Bassian.
Steckt Er denn voll von Rath; und schätzt uns ohn Verstand?

Geta.
Warumb setzt man den Rath dem Fürsten an die Hand?

Julia.
O Kinder haltet inn!

Bassian.
        Man muß den Zäncker hören.

Geta.
Und den / der weis' allein sich dünckt / noch Weißheit lehren.

Laetus.
Verträgt der Fürst den Hohn?

Julia.
        Gib nach mein Blut! gib nach!
O Fürst! O Bassian!

Bassian.
        Nim hin vor dise Schmach!

Geta.
Ach Bruder! Mutter Ach!

Julia.
        Ach Antonin! mein Hoffen!

Geta.
O Bruder! Ach verzeih!

Julia.
        Schaw unsre Brust ist offen!
O Kind! O Fürst! halt inn! O Jungfern! Diner! reist!
O reist den Fürsten hin! Eh' Er deß Brudern Geist
Durch so viel Stich' erschöpft O Himmel! Ich verschwinde.

Geta.
O Bruder! O Sever! O Mutter!

ReyenReyen der Jungfern und Cammer-Diner. .
        O was finde!
Ich für ein Jammer-Spil! O Fürst!

Bassian.
        Last! last uns loß!
Wie nun! wer hölt uns hir! Ist frech' Eur Trotz so groß?
Dörfft jhr / verwogne / Faust an Euren Fürsten schlagen?
Wo sind wir! dörfft jhr Knecht' / Jhr auch Leib-eigne wagen
Zu gehn auff unserm Leib'? Jetzt bricht der Meyneid auß!
Man hat den Platz umbschranckt! man hat das sicher' Haus
Mit Mördern gantz umbsetzt! Mord! Mord! wir sind verrathen!
Man steht nach unserm Hals! O grimme grause Thaten.

 

Julia. Reyen deß Frauenzimmers.

Reyen.
O rauer Donnerschlag!

Reyen.
        Ach werther Fürst! schöpfft mut!
Schöpfft mut mein Fürst!

Reyen.
        Er ligt / ertränckt in mildem Blut.

Reyen.
Bringt Balsam!

Reyen.
        Nur umbsonst!

Reyen.
                Umbsonst! Er ist vergangen!
Ach hat der Götter macht so herben Fall verhangen!
Princess'! auff! auff!

Reyen.
        O! last Sie in der Ruh
Der letzten Ohnmacht / setzt jhr nicht mit disem herben Anblick zu!
Weh! Weh! der Fürst ist hin! durch Zorn erhitzter Hände!
Die Mutter fällt dahin / durch ihres Sohnes ende.
Weh! Weh! der Fürst ist hin!

Reyen.
Unser Lust! der Erden Wonne! Trost der Welt! der Römer hoffen!
Hat der unverhoffte Blitz / dein belorbert Haupt getroffen!
O daß Ich Zeugin bin!
Dises schrecklichen Beginnens /
O deß herben Threnen-rinnens!
Mit dem die Mutter wird das milde Blut abwaschen!
Fürstin! Ach! fällt deine Cron / auff deß werthen Kindes Aschen!

Julia.
Wo sind Wir! Ach!

Reyen.
        Ach Fürstin! Ach und Weh!

Julia.
O Kind! O Geta!

Reyen.
        Weh! Weh!

Julia.
                Recht der Welt vergeh!
Brecht Himmel! Sternen kracht! Sprützt Schwefel-blaue Flammen!
Jhr Lichter jener Welt fallt! Klippen stürtzt zusammen!
Und werfft den Grund der hart-befleckten Erden ein!

Reyen.
O Weh! O Pein!

Julia.
Bruder-Mörder! Vater-Feind! Mutter-Hencker! Rechts-Verterb!
Menschen-Pest! Gesetz-Verlacher! Laster-Fürst! Cocytus Erb!
Sohn der schwartzen Rasereyen! die dich mit Nattern-Gifft genähret!
Alecto hat dir Jhre Schoß / Tysiphone die Brust gewehret!
Drachen-Blut hat dich getränckt! Basilisken-Fleisch gespeist!

Reyen.
O Schmertz! der unaußsprechlich beist und reist!

Julia.
Götter! schaut Jhr dises an!
Schaut Jhr und mögt ruhig sitzen?
Ist kein Stral der treffen kan?
Waffnet Jhr Euch nur umbsonst mit den Donnerschwangern Blitzen/
Oder tragt Jhr Eure Pfeil' auff die Laster-losen Eichen?
Oder kan diß Mord-Geschrey nicht an Eur Gehöre reichen?

Reyen.
O Weh! O Ach!

Julia.
Heilge Themis! Rach! O Rach!
Heilge Themis! wo du nicht
Vor gekrönte taub und blind;
Wo noch jemand Urthel spricht;
Wo noch eine Straffen sind;
Blitze! verhere! zustöre! verbrenne!
Wüte! verterbe! verwüste! zutrenne!
Reiß alle Grundfest umb auff die der Mörder baut!
Zuschmetter was Jhn schützt! zustoß auff was er traut!

Reyen.
O Weh! O herbes Weh!

Julia.
Schau' ab von deiner Höh!
Schaw weiland mein Sever, numehr der Römer Gott!
Ja wol! Gott sonder Macht! dein Kind mein Sohn ist tod!
Soll man mit räuchren dich in so viel Tempeln ehren?
Und kanst nicht auff dein Blut / auff Julien nicht hören?
Ist diß was meinem Fleisch / was Mir dein Mund versprochen?
Ist dises Reich und Cron?
Beherrschest du die Welt? Und lässest ungerochen
Dein' Eh-Gemahl und Sohn?

Reyen.
O jmmer-neues Leid! O unerschöpffte Schmertzen!

Julia.
Wehm geht jhr Sterblichen mein Hertzeleid zu Hertzen?
Ist jemand der nicht weiß was Zepter und Paläste /
Der komm' und blick uns an! Wir sitzen Demant-feste /
Umbringt mit glantzem Stahl; verwahrt mit Tausend Wehren /
Umbschrenckt mit strenger Macht / beschützt mit Tausend Heeren/
Biß sich das schnelle Rad umbwendet
Und ein schneller Augenblick
Die Herrli[ch]keit in nichts: Die Cron in Band und Strick
Die Ehr' in Schmach / die Lust in tiffste Schmertzen endet.

Reyen.
Ach! hochgestürtzte Fraw!

Julia.
        Ach hochgestürtztes Kind!
Mein Geta! meine Lust! mein herrschen und mein hoffen!
Ach hätt' uns doch vor dich der raue Schlag getroffen!
Ach leider! Ich empfind
Nur mehr denn vil was eine Mutter sey!
Man stiß mein Hertz durch deine Wund' entzwey!
Mein eigen Blut sprützt vor auß deinen grimmen Wunden!
Ich fühle deine Qual! dich hat der Tod entbunden.
Dein Antlitz lebet noch / in dem das mein erblast;
Der Wangen Purpur stralt; weil mich der Tod umbfast.
Wahr ists! ich fühl' an dir die Adern nicht mehr spilen /
Was machts! Ich bin erstarrt / und fühle nicht mich fühlen.
O! könt Ich Niobe!
Mich plötzlich und noch warm in rauen Marmel schlissen
O könt ich Salmacis in Threnen-Ströme flissen!

Reyen.
O Weh! O Weh!


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