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Der geäffte Pfaffe

Ein Mann, der von seinem Eheweib weidlich betrogen wurde, besaß einen braven Knecht: der bemerkte eines Tages, daß die Frau mit dem Pfarrer im Einverständnis war und die beiden sich heimlich trafen. Das bereitete dem Knechte Kummer, doch verhehlte er es seinem Herrn, denn er fürchtete, dieser würde ihm's übel aufnehmen, so lange er es nicht selbst mit Augen gesehen habe. Der Wirt pflegte oft auf den Acker oder ins Holz zu fahren. Sobald aber die Frau, die hübsch und wohlgewachsen war, sah, daß sie den Hof geräumt hatten, beeilte sie sich, kaufte Met und Wein ein und briet und sott, was es Gutes im Hause gab. Dann ließ sie dem Pfaffen sagen, der Wirt sei nicht zu Hause: da kam er leise wie ein Dieb geschlichen und sie aßen und tranken zusammen, legten sich ins Bett und ergötzten sich nach Herzenslust. Meist war es noch Nacht, so pflegte die Frau ihren Mann schon aus dem Schlafe zu wecken, und hieß ihn, beizeiten ins Holz fahren. »Denn«, sagte sie, »sparst du die Fahrt auf, bis die Nacht verwichen ist, so wird es zu spät. Die Tage sind kurz, der Wald ferne und die Ochsen träg. Drum spute dich, so lang es noch Zeit ist.« »Gut«, dachte der Knecht, »treibt es nur so fort! Aber ich will die Wahrheit ans Licht kommen lassen, daß Ihr mir's noch bereuen sollt.« Des Morgens, als sie sich ans Feuer setzten und ihre Kleider anzogen, erklärte der Knecht, er ginge heut nicht vor die Tür, ehe man ihm nicht zu essen gegeben. Die Frau wurde ärgerlich darüber, brachte aber, als sie sah, daß er Ernst machte, einen Käse und ein Brot und sprach: »Daß du dir den Tod daran fressen möchtest! Ich weiß, du tust es nicht aus Hunger, sondern aus Bosheit, die du immer bereit hast, wenn es was zu versäumen gilt!« Sie aßen, was ihnen schmeckte, und fuhren von dannen. Als sie aber ein Stück Weges gefahren waren, sagte der Knecht: »Meister, nehmet die Peitsche und fahrt ein Weilchen hindann. Ich muß umkehren, denn ich habe meine Fäustlinge und meinen Hut zu Hause vergessen.« Der Meister war unmutig: »Nu lauf mir aber«, sagte er ärgerlich und fuhr weiter, dem Walde zu. Der Knecht aber, froh der gelungenen List, stahl sich wie ein Dieb ins Haus zurück und verbarg sich bei einer Kammer, wo man ihn weder sehen noch hören konnte. Die Frau war indessen vergnügt und bereitete, wie sie es immer zu tun pflegte, vielerlei gute Speisen: sie füllte und briet ein Spanferkel, holte beim Kaufmann eine Kanne guten Mets und buk einen schneeweißen Brotkuchen dazu. Dann sandte sie, wie stets, heimlich nach ihrem Pfaffen, noch ehe sie mit allem fertig war, denn sie konnte es gar nicht erwarten, und setzte sich mit ihm zu Tische. Kaum aber hatten sie zu essen angefangen, so kam der Wirt wieder heim und stieß grimmig an das Tor. Denn dies schien ihm eine neue Geschichte, daß der Knecht zu Hause blieb und der Meister die Rinder selber treiben solle. Als man drinnen den Stoß und die zornige Stimme des Wirtes vernahm, erschrak der Pfaffe heftig: »Hilf, sonst geht es mir ans Leben!« sprach er, »ich würde ein rechter Affe, erwischte er mich hier! Hörst du, welch einen Zorn der Mann hat? Ich glaube, mein Stündlein ist da!« Da hieß sie ihn, sich schnell unter eine Bank in einen Winkel verbergen und räumte die Speisen rasch beiseite; der versteckte Knecht sah aber ganz genau, wohin sie alles tat. Da nun den Wirt niemand einließ, stieß er wieder noch grimmiger gegen das Tor und begann, auf das Weib zu schelten. »Wo brennt's denn?« rief diese und lief an die Tür. »Ich kann doch nicht alles fortwerfen, wenn ich just was in Händen habe! Was kommt Ihr denn so früh wieder daher und lärmt mir vorm Tor?« In diesem Augenblicke war aber auch schon der Knecht herumgekommen und schritt durch das Tor hinein, wo die beiden standen. »Welcher Teufel hält dich heute hin, daß du nicht wiederkommst?« schrie der Wirt ihn an. Da machte er eine Märe und sagte, er sei die ganze Zeit lang keinen Augenblick müßig gewesen. Der Meister, der ihn als einen ordentlichen Gesellen kannte, wollte nun nicht länger zürnen und ließ es ihm hingehen. »So fahrt doch endlich!« sprach das Weib »und schont mir die Rinder nicht! Sonst könnt Ihr im Sommer, wenn Ihr pflügen solltet, die schöne Zeit mit Holzfahren vergeuden! Sputet Euch, bis zwei Fuder geholt sind, ist es, weiß Gott, schon finstre Nacht!« »Vorwärts, vorwärts«, rief sie und half selbst den Wagen abladen. Aber der Knecht sagte: »Es ist wahrhaftig noch so früh, zwei Fuder hol' ich Euch mit Leichtigkeit. Seid so gut, Herr Meister, und laßt uns erst noch ein wenig essen, denn mich hungert, daß ich Steine zerbeißen möchte. Nachher könnt Ihr von mir haben, was Ihr wollt, so aber würd' ich Euch wenig Freude machen.« »Es sei«, entgegnete der Meister. »Meiner Treu, laß' uns essen! Zwar mich hungert wenig, aber hol' mich der Teufel, wenn ich nicht mitesse, eh du mir am Hunger verdirbst.« Sie traten hinein, das ging dem Weib heftig an Leber und Nieren. Als sie sich die Hände gewaschen, trug sie Brot und Käse auf und deckte den Tisch mit einem Tuch. »Langt zu!« sagte sie, heimlich aber tat sie manchen Fluch und hätte sie lieber ein Schock Meilen fern von hier gesehen. »Die Frau tut ja heute«, sagte der Wirt zu dem Knecht, »als ob sie dich mehr fürchte wie mich. Hätt' ich auf solche Weise zu essen verlangt, wie du es getan hast, ich wäre nicht so gut dabei gefahren.« »Meiner Treu!« erwiderte der Knecht, »das darf ich wohl sagen, bei wem immer ich noch gedient habe, der hat es nicht zu bereuen gehabt. Außer einmal. Soll ich Euch das erzählen? Also das war zu einer Zeit, da der Wald gerade im schönsten Laube steht. Da drang eines Tages der Wolf in meines Meisters Schweinestall. Die Schuld war nicht bloß mein, denn ich bemerkte ihn leider nicht, bis das Unheil geschehen war: denn, denkt Euch, das Vieh nahm sich ein junges Schwein aus dem Stall, gerade wie das Ferklein, das dort gebraten liegt, weiß Gott, welches von den beiden größer war.« »Deine Geschichte fängt gut an«, sagte der Meister, ging fröhlich hin, wo er das Ferkel liegen sah, und brachte es herbei. Aber der Knecht fuhr fort: »Als der Wolf zu den Schweinen gedrungen war und ich ihr Schreien vernahm, kam ich sogleich herangelaufen. Da lagen allerlei breite Steine auf dem Boden, von denen hub ich rasch einen auf, nicht größer noch kleiner als der Brotkuchen, der dort steht. Gott weiß, wer sie gemessen hat, aber sie sind sich gleich wie ein Ei dem andern.« »Gott segne dich!« rief der Meister, »deine Geschichte ist wahrlich, wie eine Geschichte sein soll.« Als der Meister den Brotkuchen herabgeholt hatte, sagte der schlaue Gesell: »Da ich also den Stein aufhub und ehe der Wolf mir entrinnen konnte, warf ich und traf die Bestie so heftig an den Kopf, daß sie schier betäubt wurde und so reichlich aus einer tiefen Wunde blutete, als, ich will kein gutes Leben haben, wenn es nicht wahr ist, als dort Met in der Kanne ist, die Ihr da hinten stehen seht.« »Teufel, dergleichen Geschichten möchte ich immer hören«, rief der Wirt und brachte die Kanne herbei. »Nun vernehmt aber weiter, Meister«, sagte der Knecht. »Als ich ihn also getroffen hatte und der Lebenssaft ihm nur so aus der Wunde quoll, wäre er gern entflohen, doch trug es ihn nicht mehr weit. Ich zog ihm natürlich nach und sah, wie er sich in einen Verhau verkroch, wo allerlei Stämme und Äste in Menge zusammengeschlagen waren. Darunter legte er sich nieder und glotzte heraus, genau wie der Pfaffe, der dort unter der Bank liegt und dem es auch nicht gelingen will, sich's behaglich sein zu lassen.« Da sprang der Meister zornig auf und zerrte den Pfaffen am Haare hervor. »Jetzt hat deine Mär wohl ein Ende!« rief er. »Ach, nun weiß ich nur zu gut, weshalb mich die Frau immer aus dem Bette jagt, bevor es Tag geworden.« Der Pfaffe ward gebunden und mußte dem Wirt eine große Menge Geldes versprechen, um wenigstens mit dem Leben davonzukommen. Auch das Weib bekam seine Schläge, und er wurde ihr nie wieder hold wie vordem, so sehr sie sich auch um ihn bemühte. Den Knecht aber behielt er zeit seines Lebens von Herzen lieb.


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