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Weib und Mann

Ein Mann sprach zu seinem Weibe: »Glaubst du denn, daß ich zeit meines Lebens bei dir bleiben werde? Ein Jährlein noch und du kannst gehen, über vierzig Wochen sind wir geschiedene Leute, nicht einmal dreißig halt' ich's noch aus. Warum sollt' ich das noch volle zwanzig Wochen erdulden? Laß sechzehn vorüber gehen und es ist vorbei zwischen uns, in der zwölften lauf' ich davon. Ja, ich will ein Schurke sein, wenn ich nicht in sechs Wochen ein Ende mache. Wenn aber Gott mir das Leben schenkt, so dauert es keine vierzehn Nächte mehr: in sieben Tagen mach' ich mich über den Berg. Drei Tage will ich es noch auf mich nehmen, aber das beste wäre, wir trennten uns morgen. Ach, wie soll ich es ertragen, diesen ganzen Tag noch bei dir zu bleiben? Darum will ich es nicht anders, du mußt sogleich von mir! Sah ich denn den Teufel in dir, daß ich so lange bei dir ausgehalten habe und dich nicht aus meinem Hause trieb? Du bist böse und falsch, häßlich und geizig, verschrumpft und schmutzig, deine Arme riechen wie Harz. Du bist aller Weiber Ausbund und der Welt ein Übelbefinden und Schandfleck. Und wenn mir einer drei Pfund gäbe, daß ich bis morgen bei dir bleibe, sie gälten mir nichts, denn mir gruselt, wenn ich dich ansehe. Hätt' ich einen Sack voll von Pfennigen, ich gäb' ihn mit Freuden, war' ich nur schon eine Meile von dir! Und wäre die Erde mein, weg damit, wenn ich dir bloß aus den Augen wäre!«

Da erwiderte das Weib: »Bei meinem Leben, so soll es sogleich an ein Scheiden gehen! Höchstens, daß wir noch bis morgen beisammen bleiben. Du sagst, ich gefalle dir so übel, gut, das soll dir nicht geschenkt sein, in zwei Wochen geh' ich meiner Wege. Und wenn es dir das Herz abbricht, länger als dreißig Tage sieht mich niemand hier, und kämst du mit deiner ganzen Verwandtschaft daher, über acht Wochen ist das Liedlein versungen. Nicht der Kaiser möchte mich zwingen, mehr als ein halb Jahr bei dir auszuhalten. Aber eins sage ich dir, ich bin dein Weib, so kann nichts als der Tod uns scheiden, und nicht Gott noch Teufel wird mich hindern, daß ich nicht in Ewigkeit bei dir bleibe. Ich breche dir den Hals wie einem Huhn, wenn du ein Wort dagegen sagst!« Da duckte er sich und sprach: »Laß deinen Zorn fahren, wahrhaftig, ich weiß nicht, was ich den Tag gesprochen habe, ich glaube, ich war betrunken. So mir unser Herr Jesus helfe, du warst und bist mir so lieb wie mein eigenes Leben. Nie ward ein besser Weib geboren, alle Gelehrten zusammen vermöchten deine Tugend nicht zu Ende zu schreiben. Du bist ein Weib wie die Sonne vor den Sternen, alle Frauen müßten bei dir in die Schule geh«. Dein lieblicher Leib glänzt vor aller Frauen Lieblichkeit, dir müßte die Welt gehören, dir ein Leben in ewiger Jugend und Kraft beschieden sein!« Sie entgegnete: »So sei dir vergeben, was du mir angetan hast!« Da küßten sie sich, er nahm sie bei der Hand und führte sie zum Bette. Als sie darinnen lagen, lachten sie und sangen mitsammen ein Lied in einer hohen Weise.


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