Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die drei Wünsche

Ein Mann sprach einmal zu seinem Weibe: »Gott tut großes Unrecht an uns, daß er uns so elend in Armut leben läßt. Soll es bis zu meinem Tode nicht anders werden, eher möchte ich mich selber töten. Mich grämt unsere Armut so sehr, daß ich nicht weiß, was beginnen, und ich bin Leides und Zornes übervoll. Ich wüßte nicht, daß ich mich je wider Gott oder dich vergangen hätte. Oder hast vielleicht du etwas wider Gottes Gebot getan, dann sag' es mir, daß ich dir büßen helfe!« Aber die Frau erwiderte, sie habe nie etwas begangen, daß nicht auch er daran beteiligt gewesen wäre. »Dann«, rief er, »ist mir wahrlich unbekannt, weshalb Gott uns so sehr aller Ehren und Güter beraubt, aber glaube mir, wenn wir nur recht wollten, er gewährte uns sicherlich, was wir begehren. Darum laß uns wachen und inbrünstig bitten Tag und Nacht, daß er uns groß Gut verleihe, so wird er uns willfahren.« Damit war die Frau gerne einverstanden, denn auch ihr schien ein schneller Tod dem langen Leiden vorzuziehen. So säumten sie denn nicht länger, beteten, wachten und fasteten mit Anstrengung und kannten keine Ermüdung, bis Gott ihnen endlich einen Engel sandte, der dem Manne erschien und also zu ihm sprach: »Was bittest du um Reichtum? Solltest du reich sein, Gott hätte dir längst dein Recht getan und Güter gegeben, wie er jenen ihr Recht tut, die zu hohem Reichtum geschaffen sind. Ich bin der Engel, der dich zu schützen hat, aber deine Torheit macht meine Arbeit zuschanden und bringt mir nichts als Leid.« Da erwiderte der Mann: »Daß ich so arm bin, darin hat Gott mir Gewalt angetan und ich werde so lange darum bitten, bis er mir meinen Willen tut.« »Wohl«, sprach da der Himmelsbote, »da du nicht Gott, noch mir Glauben schenken willst, so sollen dir alle Güter der Erde zuteil werden, damit du dein Heil mit ihnen versuchest. Wirst du dann doch ein armer Mann, so ist die Schuld an keinem andern denn an dir. Dreier Wünsche Gewalt soll dein sein: was deine drei ersten Wünsche sind, das wird wahr. Und lebtest du tausend Jahre, du hättest genug und übergenug, nun sieh zu, ob der Reichtum Lust hat, bei dir zu Hausen.« »Hei, so bin ich reich«, erwiderte der Mann und eilte schnell zu seinem Weibe hinein. »Weib«, sprach er, »unsere Not ist geendet, mehr, als wir selbst erbeten haben. Drei Wünsche sind uns gegeben, die werden alle wahr. Nun rate, was da am besten zu wünschen wäre? Wie wär's mit einem großen Berg voll Gold und einer festen und hohen Mauer darum, damit uns das Vieh nicht dran kann? Oder mit einem Schrein voll guter Pfennige, die sich nie vermindern, wieviel ich auch davon wegnehme oder andern zu nehmen erlaube?« Da entgegnete das Weib: »Ich höre, daß wir wahrlich Überfluß haben und nicht zu sparen brauchen. Darum tu, worum ich dich bitte, und überlaß einen von den Wünschen mir, mit den zweien, die übrig bleiben, hast du, denk' ich, mehr als genug. Ich habe, weiß Gott, auch meine Knie gebogen, und wenn Gott uns so wohl getan hat, so ist es nicht minder durch mein Gebet als durch das deine geschehen. Deshalb sträube dich nicht länger und gib mir den Wunsch, der mir gebührt!« »Du sollst ihn haben«, antwortete er, »aber paß' mir auf, daß du was Rechtes dabei wünschest!« »So wolle Gott«, sprach sie sogleich, »ich hätte jetzt das schönste Kleid auf dem Leibe, daß je ein Weib in dieser Welt getragen.« Kaum war der Wunsch geschehen, so hatte sie es auch schon an. »Unseliges Weib«, rief da der Mann, »hättest du nicht gleich alle Weiber so schön kleiden können? Aber du bist nie jemandes Freund gewesen und hast eine geizige Seele. Daß dir doch das Kleid in den Bauch führe, wenn du so gefühllos bist, daß du einmal satt daran würdest!« Sogleich wurde das Wort wahr: das Kleid fuhr in das Weib und saß ihr im Bauche. Da begann sie fürchterlich zu schreien, denn ihr war mehr als übel, und schrie und schrie immer lauter. Als man den Lärm vernahm, kamen die Nachbarn von allen Seiten zusammengelaufen und fragten, was es da gäbe? Da sagte sie ihnen, was geschehen war und daß ihr Mann sie in diesen Zustand gebracht. Das erfüllte ihre Freunde mit Zorn, lärmend und drohend drangen sie auf ihn ein und riefen: »Erlöst das Weib, sonst soll es Euch übel ergehen!«, zückten ihre Messer und wollten ihm an's Leben. Als er sah, wie die Frau litt und zudem seine Feinde ihn bedrohten, blieb ihm keine Wahl: »So möge denn Gott sie sanft erlösen«, rief er, »daß sie gesund sei wie vordem.« Da hörten die Schmerzen auf und alles stand, wie es ehdem gestanden. So hatten die drei Wünsche ein schmähliches Ende genommen und die Beiden waren arm, wie sie es immer gewesen. Der Mann aber, dem man Schuld daran gab, ward eine Schande und ein Spott für alle Welt und wurde von den Leuten so grimmig verhöhnt, daß er am Ende vor bitterm Leide starb und verdarb.


 << zurück weiter >>