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Der lebendig begrabene Ehemann

Ein Mann sprach einmal zu seinem Weibe: »Wahrlich, du bist mir so lieb, wie mein eigenes Leben, und liebtest du mich so sehr, wie ich dich liebe, ich nähme nicht der Griechen Gold darum. Aber freilich, so hold wirst du mir niemals werden, denn mein Herz und alle meine Sinne sind dein, weit über aller Worte Maß.« »Das solltest du mir durch die Tat beweisen«, erwiderte die Frau. »Ich habe stets getan, worum du mich batest, und dir nie etwas verweigert. So will ich nun auch dich um etwas bitten, was du mir zuliebe tun sollst. Dann wirst du sehen, daß du mir noch weit lieber wirst, als ich dir.« »Sprich«, sagte er, »wenn du mich darum so sehr lieben willst, wie ich dich liebe, so tue ich alles, was du begehrst.« Da entgegnete die Frau: »Sieh, nichts kränkt ein Weib so sehr und geht ihr tiefer zu Herzen, als wenn der Mann nicht glauben will, was sie ihm sagt. Kein Ding tut uns so weh wie dies.« »Ist das alles, worum du mich bitten willst?« fragte der Mann. »Das ist alles«, antwortete das Weib. »Ei, das wäre ja Betrug und Mord«, rief er da, »wenn ich mich dazu nicht bereit fände. Ich habe dich so lieb, daß ich dir gern einen heiligen Eid schwören will, alles zu glauben, was du mir sagst. Denn wenn du mich dafür lieben willst, wie ich dich, so kann es keinen Trug zwischen uns geben.« Sogleich hob er die Hand zum Eid und schwur ihr feierlich zu, keinerlei Mißtrauen in ihre Rede zu setzen. »Ich will sehen, ob er's auch hält«, dachte die Frau und suchte ihn auf die Probe zu stellen.

Eines Tages war es eben strahlendster Mittagsonnenschein, da sagte die Frau zu ihm: »Lieber Mann, es ist Nacht, ich habe uns das Abendessen zugerichtet, laß uns essen und schlafen gehen.« »Was heißt das?« erwiderte er, »es ist doch noch kaum Mittag.« »Ei, seht doch«, rief sie da sogleich, »daß ich dich so gut gehalten habe, tut mir wahrlich leid. Denn nun sehe ich, daß der Männer Treue böse ist und du immer treulos an deinem Eide handeln wirst. Was würde es dir nun geschadet haben, wenn du gesagt hättest: Jawohl, es ist Nacht? Meinst du denn, ich wüßte nicht so gut wie du, daß es kaum Mittag ist? Aber hier scheidet sich unsere Freundschaft und ich will dich künftig für nichts anderes mehr schätzen als für ein treuloses Faß!« Sie schwur, ihm nie wieder hold zu werden, ihm aber tat die Drohung so weh, daß er sich gar nicht zu fassen wußte, denn er hatte sie über die Maßen lieb. »Daß ich das vergessen konnte«, rief er verzweifelt und stürzte sich ihr zu Füßen. »Liebe Frau, Süße, ich will Buße dafür tun und schwöre dir, daß es nie wieder geschehen wird. Kommt es noch einmal vor, so gelobe ich dir, daß es dann keine Sühne mehr dafür geben soll.« »Gut«, erwiderte sie, »ich will es diesmal noch hingehen lassen. Aber tust du es noch einmal, so ist unsere Freundschaft ohne Widerrede dahin.« Da freute er sich, daß ihr Zorn so schnell verraucht war, sie aber dachte auf eine neue Probe, um zu versuchen, ob sie ihn nun gänzlich unter ihre Gewalt gebracht.

Zwölf Tage danach machte sie ihm ein Vollbad von eiskaltem Wasser, hieß ihn hineingehen und sprach: »Es ist warm.« Da war er so mutlos, daß er kein Wort dawider sagte, denn er fürchtete ihre Liebe zu verlieren. Uud so sehr er auch in dem Bade fror und klapperte, meinte er doch, es sei wahrlich warm genug. Da freute sich ihr Herz und ihr Stolz und Hochmut wuchs gewaltig. Doch hielt sie ihn sonst gut, wie sie schon zuvor getan, und setzte es sich zur Regel, ihm das Leben im übrigen angenehm zu machen, so daß er ihr ganz und gar unterlag. Sie hätte sprechen können: Die Erde ist von Gold, er würde ohne Zögern Ja und Amen dazu gesagt haben. So ging ein halbes Jahr dahin.

Nun lebte in der Stadt ein Pfaffe, der setzte dem Weibe kräftig zu, so oft er es nur fügen konnte, daß er sie allein sah, und brachte sie zuletzt dahin, ihm zu Willen zu sein. Da bemerkte der Mann eines Tages, wie jener gerade von ihr aus dem Stadel herauskam, und sagte zu seiner Frau: »Das ist nicht recht von dir, daß du mit dem Pfaffen heimlich tust!« »Das lügst du«, schrie sie, »aber dir schwillt der Kamm, weil ich zu gut gegen dich bin. O, du weißt recht wohl, daß kein Mann seinem Weibe lieber ist, als du mir. Und glaubst du mir nicht, so sollst du etwas zu sehen bekommen, daran du dein Lebtag genug hast. Entweder du heißest ein für allemale gut, was immer ich spreche und tue, oder wir sind geschiedene Leute für immerdar!« Da entgegnete er: »Es ist alles gut, was du Reine tust, und deine Worte sind alle wahr. Und lebtest du tausend Jahre, ich zeihe dich keines Dinges mehr.« Sie tat nun alles, um ihm das Leben im Hause immer angenehmer zu machen und es ihm recht bequem und wohlig zu richten, so daß er überzeugt war, das allerbeste Weib zu besitzen, das je ein Mann gewonnen habe.

Indessen aber wuchs ihre Liebe zu dem Pfaffen so sehr, daß ihr der Mann verleidet ward und sie darüber nachzusinnen begann, wie sie sich seiner entledigen könnte. Als er eines Tages vom Ackern nach Hause kam, ging sie auf ihn zu und sah ihm ins Gesicht: »Was ist dir geschehen?« fragte sie, »o, ich armes Weib!« »Was meinst du damit, Liebe?« fragte der Mann. »Du bist ja totenbleich«, rief sie, »da ist nichts dawider zu tun: der Tod kriecht dir zum Herzen. Geh und lege dich ins Bett! Weh mir, du willst sterben! Laß mich den Pfaffen holen, daß er dir die Seele bewahre!« So brachte sie eiligst den Pfaffen heran und hieß den Mann beichten. Er war nicht schwer dazu zu bewegen, denn er wollte ja in allen Dingen ihren Willen tun, einmal, weil sie ihn so gut hielt, dann aber auch, weil nie ein Mann sein Weib so äffisch lieb gewonnen. Als sie ihm die Beichte abgenommen hatten und das Nachtmahl ihm gereicht war, ging der Pfaffe fort, sie aber gab ihm eine schön brennende Kerze in die Hand und schloß ihm die Augen zu. »Lieber Mann«, sagte sie, »nun tu' wie die andern, wenn sie im Sterben liegen. Denn leider Gottes, du bist tot und darfst dich nicht mehr bewegen.«

Dann wurde er auf die Bahre gelegt, die Nachbarn kamen und man hielt nun die Wache bei ihm die ganze Nacht, bis der Morgen erschien. Als man ihn zur Kirche trug, ging das Weib trauernd hinter dem Sarge her, weinte und gebärdete sich kläglich. Eine Seelenmesse ward gesungen, dann wurde der Leichnam zu Grabe getragen. Das Weib und der Pfaffe freuten sich heimlich, seiner ledig zu sein, der Tölpel aber lag ruhig in seinem Sarge und dachte, sie versuche ihn nur wie das erste Mal, um ihn danach um so fröhlicher zu machen. Dabei blieb er und ließ sich nicht beirren, so lange bis man ihn in das Grab hub und sogleich einzuscharren begann. Da endlich fing er an zu rufen und zu schreien und gebärdete sich in allen Stücken wie einer, der noch lebendig ist, aber schon die Faust des Todes fühlt. Der Pfaffe jedoch gebot laut allen Anwesenden, einen Segen für sich zu sprechen und Gott innig zu bitten, er möge den Teufel vertreiben, daß er nicht länger in dem armen Leichnam herumspuke. »Gottes Wille geschehe!« sagte das Weib. »Amen!« fielen alle ein, die bei dem Grabe standen.

So verlor er sein Leben; was er auch rief und schrie, die beiden blieben dabei, es sei der Teufel, und ließen ihn nicht heraus. Das aber war die Strafe dafür, daß er ein törichtes Weib zum Meister über sein Schicksal gesetzt hatte.


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