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Der Teufelspapst

(Jansen Enenkel)

Es war einmal ein Papst zu Rom, der auf eine seltsame Weise zum Amte kam. In seiner Jugend war er ein Spieler und wüster Lottergesell und jeder Tugend bar, nur daß er die Wissenschaft des Lesens und Schreibens in hohem Maße besaß und in allen gelehrten Schriften und den beiden Testamenten erstaunlich tief bewandert war. Da es ihm aber der Würfel angetan hatte, verspielte er zuletzt alles, was er besaß, und wurde so arm, daß er hungernd und nackend in den Straßen umherlief. Da dachte er: »Soll ich noch lange so arm bleiben? Ich will Seel' und Leib und Leben dem Teufel verschreiben.« Er ging an einen Kreuzweg hinaus, umriß sich mit einem Kreise und rief, von Fieber geschüttelt, den Teufel herbei. In schrecklicher Fahrt kam dieser herangezogen: »Was willst du, Lotterpfaffe?« rief er, »was mühst du mich, elender Tropf?« »Mich beschwert meine Armut«, erwiderte der nackte Mann, »ich will mich in deine Lehre begeben, nenne den Preis!« Da sprach der Böse: »Willst du mir folgen, so lehr' ich dich bald, wie du ein gewaltiger Mann wirst und alle Christen insgemein dir gehorchen müssen. Gib mir nichts als deine Seele und ich will dich zum Papst machen auf dem Stuhle zu Rom. Doch du mußt sie mir zu Lehen geben, dergestalt, daß ich dich an dem Tage, da ich dich zu Jerusalem im päpstlichen Ornate stehen sehe und du anhebst auf dem Altare zu singen, fortführen kann, wohin es mir gefällt, in Hölle oder Fegefeuer.« »Ich wäre ein rechter Narr, tät' ich das nicht«, dachte der Lotterpfaffe. »Wann komme ich nach Jerusalem? Daß mich der Teufel dort holte, wird nimmer geschehen. Wer heißt mich denn, über Meer fahren?« »Wohlan«, rief er, »wenn du mich zum Papst erhöhst, so bin ich dein mit Leib und Seele.« Da hieß ihn der Böse, ihm einen Brief geben, zum Zeichen dessen, daß er sich seiner Freiheit abgetan habe. Er stach ihn tief in den Finger, so daß das Blut herausspritzte, und schrieb selbst damit die Erklärung. »Und nun mache dich auf und kehre vor des Bischofs Tür!« sprach er dann zu dem Schreiber, »von dort soll der Anstieg deines Glückes beginnen.«

Sogleich ging der Elende von bannen und ruhte nicht, bis er zu dem Bischof kam. Aber niemand trat heraus, ihn freundlich zu empfangen; da stand er draußen vor der Tür, kein Mensch ließ ihn ein. Doch da geschah es auf des Teufels Rat, daß des Bischofs Schreiber eben fort zum Weine gegangen war, und dabei so trunken geworden, daß er nicht mehr trunkener sein konnte. Der Bischof aber hatte einen dringenden Brief zu schreiben und wollte ihn eiligst fortgesendet haben. Als er nun nach dem Schreiber schickte, fügte es der Teufel, daß dieser in seiner Trunkenheit nirgends zu finden war, so daß der Bischof laut aus seinem Gemache rief: »Wär' doch einer da, der mir einen Brief zu schreiben verstünde, ich wollte ihn reich machen.« Als dies der arme nackte Mensch vor der Tür vernahm, erbot er sich, dem Bischof seinen Willen zu tun: »Wenn Ihr mir's anvertrauen wolltet«, sprach er, »ich schrieb' Euch den Brief gar schön. Denn ich bin reich an Künsten, seht meine Hände an, daran mögt Ihr es erkennen. Und ginge es um eines Reiches Wert, Ihr wäret mit mir nicht betrogen, denn meine Schrift ist edel und zart.« Der Bischof ließ ihn sich also versuchen und übergab ihm die Materie. Da schrieb der nackte Mann einen Brief, wie er besser nie geschrieben worden. Als der Bischof das kunstreiche Werk durchgelesen hatte, erstaunte er und sprach: »Wahrlich, wolltest du vom Würfelspiele lassen, ich nähme mich gerne deiner an.« Da verschwur jener sich, ihm zu gehorchen, und für immer dem Spiele zu entsagen. Der Bischof ließ ihm sogleich durch seinen Kämmerer neue Kleider bringen, die aus kostbaren Stoffen von Ypern hergestellt waren, und schuf ihm eine ehrenvolle Stellung in seinem Hause. Zwar spielte der neue Bischofsschreiber noch, aber der Teufel wandte ihm die Würfel zum Gewinn, so daß er, ohne daß jemand dessen inne wurde, auf höllische Weise so viel im Spiel erwarb, als er nur haben wollte.

So ging ein volles Jahr dahin: von Tag zu Tage gewann ihn der Bischof lieber, als er seine Fähigkeiten erkannte, machte ihn reich und pflegte die wichtigsten Botschaften an den Papst durch ihn besorgen zu lassen. Wenn er dann zurückkam und alles so glänzend von ihm gerichtet worden, als man nur wünschen mochte, umarmte ihn der Bischof: »Nicht Jud noch Christ noch Heide möchte mich von dir scheiden«, rief er, »so wert bist du mir. Dein Glück wird mir immer am Herzen liegen.«

Da geschah es nun eines Tages, daß der Bischof ihn hieß, sich bereit zu halten, um wieder in einer wichtigen Angelegenheit nach Rom zu fahren. Als der Schreiber nun so fünf Tagstrecken lang seines Weges dahingezogen war, kam ihm plötzlich ein Bote nach und sagte ihm an, der Bischof sei gestorben. Vor den Papst gelangt, dessen Freundschaft er sich seit langem gewonnen, wurde er gütig aufgenommen: »Schreiber, lieber Freund«, sprach der Papst, »du sollst nun selber Bischof sein.« Sogleich wurde ihm das Bistum übergeben, denn der Teufel hatte dies dem Papste eingeflüstert.

Bischof geworden, lebte nun der Schreiber in Glanz und Verschwendung und gewann sich Aller Herzen durch Gastfreundschaft und Edelmut. Als aber drei Jahre so dahingegangen waren, starb der Papst, und die Wahl fiel nun einstimmig auf den prachtliebenden Bischof. Patriarchen, Kardinale und Fürsten, denen die Wahl oblag, waren alle insgesamt der Meinung, er und kein andrer müsse Papst werden. So bezog er denn den heiligen Stuhl und saß, vom Teufel erhöht, zu Rom gewaltig über die ganze Christenheit.

Da – eines Tages – traten seine Kapläne vor ihn hin und sprachen: »Herr, es ist Amt des Papstes, daß du morgen zu Jerusalem sein und in vollem Ornate an dem Altar singen sollst!« Da der Papst diese Worte gehört, wunderte er sich und sprach: »Wie soll das geschehen? Jerusalem liegt weit überm Meere, wie sollt' ich da morgen in der Kirche zur Messe sein? Es fährt kein Schiff über einen Tag und eine Nacht so fernhin über die See.« »Herr,« erwiderten die Kapläne, »wir meinen es anders, als du uns verstehst. Es ist eine Kirche hier nahe bei, darin jeder Papst am morgigen Tage das Hochamt halten muß. Die Kirche heißt zu Jerusalem und ist weithin bekannt.« »So ist meine Seele verloren«, dachte der Papst. Als der Morgen heraufkam, mußte er mit den Kardinalen dahin ziehen, ihm bebte das Herz. Das Haar stand ihm zu Berge, als sie zu Jerusalem herangeritten kamen. Dann kleidete er sich in den reichen päpstlichen Ornat, wie ihn die Päpste zum Hochamt tragen, und bestieg die Treppe zum Lektorium. Ehe er jedoch hinaufschritt, rief er in Gegenwart von Laien und Priestern seine vier Knappen zu sich und sprach zu ihnen: »Wollt ihr schwören, zu tun, was immer ich euch heiße?« Da hoben die Knappen die Hände zum Eid. »So gehet hin,« befahl er, »und bringt einen Block daher, dazu ein scharfes Beil und ein kräftiges Messer.« Dann stieg er empor. Als er sah, daß Block, Beil und Messer hereingebracht worden, erhub er die Hände und rief: »Andächtige, ich stehe hier, um schwere Schuld vor dieser Christenheit zu beichten. Denn wie ein schwächliches Weib hat mich der Teufel bezwungen und ich habe ihm Seel' und Leib gelobt, auf daß er mich hier zum Papste mache. Heute aber ist der Tag, da er mich von hinnen führen soll, so möge Gott sich meiner erbarmen!« Als er nun alles gestanden, wie es sich zugetragen und wie er durch teuflische Kunst auf den heiligen Stuhl gelangt, hieß er seine vier Knappen herankommen und sprach zum Ersten: »Schlage mir die Füße ab, sie trugen mich zu dem Teufel hin!« Das geschah. Dann sprach er zu dem Zweiten: »Ich will die Hände nicht haben, sie verschrieben mich dem verfluchten Geist! Schlag zu!« Da geschah auch dies. Darauf befahl er dem Dritten: »Schneide mir die Ohren ab, mit den ich ihn gehört, die Nase, die seinen Geruch gewittert! Stich mir die Augen aus, die gierig nach seinem Anblick waren, schneide mir die fleischene Zunge aus dem Rachen, denn sie hat die Ordnung zerbrochen durch die Worte, die sie zu ihm redete.« Zu dem Vierten aber sprach er: »Wirf alles den Teufeln hin, daß sie es gewaltig mit sich forttragen in ihr höllisches Reich!« Da ward es den Teufeln hingeworfen. Die zögerten nicht länger und spielten Ball mit den abgerissenen Gliedmaßen, in Gegenwart der ganzen Versammlung. Wie es aber Gott dort mit dem Teufelspapste schuf, darüber ist noch keine Kunde an die Ohren der Menschen gedrungen.

 


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